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Zweites Blatt Sächsische Volkszeitung vom 1i>. Januar 1911 Nr. 7 Aus Stadt und Land. (Nortsetzoaq au» dem Hauptblatt.) —' Das Deutsche Zentralkomitee für ärztliche Studienreisen wird im nächsten Sommer anläßlich der Internationalen Hygiene Ausstellung Dresden 1911 eine Studienreise von Berlin nach Dresden unternehmen. —* Der Bund der Gärtner hält am Sonntag den 15. Januar nachm. 4 Uhr im Bürger-Kasino, Große Brüdergasse, eine öffentliche Versammlung ab. Die Referate sind: „Die für Mat 1911 angeordnete Statistik der Pro duktion des sächs. Gartenbaues", „Die Verwendung der Beiträge für den Gartenbauausschuß beim Landeskulturrat" und „lieber die staatliche Beihilfe für das Lehrlingswesen". Gäste sind willkommen. —* Die Zahl der Konkurse in Dresden in Monat Oktober 1910 ist nach dem soeben erschienenen Monats berichte des statistischen Amtes der Stadt Dresden erfreu licherweise gegen den gleichen Monat des Vorjahres etwas zurückgegangen. Im Oktober 1909 wurden 17 Konkurs verfahren beendet, während die Zahl derselben im Oktober 1910 nur 5 beträgt. Dagegen weist die Zahl der eröffneten Konkursverfahren im Oktober 1910 gegen den gleichen Monat des Vorjahres eine geringe Steigerung auf. Chemnitz, 8. Januar. Einer Gasexplosion fiel gestern hier ein junges Menschenleben zum Opfer. Der in Dresden beschäftigte 18 Jahre alte Sohn der Familie Kirschner war ohne Wissen der Eltern nach Hause gekommen und hatte sich, da niemand anwesend war, zu Bett gelegt. Als später die Mutter mit ihrem 12 Jahre alten Knaben heimkehrte und Licht anzündete, erfolgte eine starke Explosion, die sie mit dem Kinde die Treppe hiuabschleuderte. Alle Scheiben inr Hause wurden zertrümmert. Im Bette fand man den 18jährigen tot. Der Gummischlauch zur Gaslampe war abgefallen und das Gas ausgeströmt und hatte so den Er stickungstod des jungen Mannes herbeigeführt. Chemnitz, 8.. Januar. Ein hiesiger Ingenieur stürzte gestern bewußtlos von seinem Schlitten und blieb wie tot liegen. Die Untersuchung ergab eine leichte Gehirn erschütterung. Frciberg, 8. Januar. Der 87 Jahre alte Bäckergehilfe Thiele versuchte in einem Hausflur in der Körnerstraße das 27 Jahre alte Dienstmädchen Schaufuß, seine frühere Braut, mit einem Messer zu erstechen, er selbst schoß sich in den Mund und verletzte sich lebensgefährlich. Meißen. Ein gemeiner Einbruchsdiebstahl wurde bei der Hebamme Conrad, Burgstraße 20, verübt. Sie wurde in der Frühe des letzten Sonnabends aufgefordert, ihre Dienste in einem dringlichen Falle in Klosterhäuser zu leisten. Vergebens suchte sie dort das bezeichnet? HauS. Als sie endlich in ihre Wohnung zurückkehrte, fand sie dieselbe, auch den Schreibsekretär, erbrochen vor. Mehrere Stücke vom Bett und ein Betrag von über 13 Mark sind geraubt worden. Niederwartha, 8. Januar. Der große eiserne Fracht kahn Nr. 276 der Vereinigten Elbeschiffahrtsgesellschaften crlitt gestern nachmittag einen Stcuerdeffekt und legte sich quer vor die Strompfeiler der Niederwarthacr Elbbrücke. Die Ladujig, für 250 000 Mark Zuckerraffinade der Länder- bank in Prag, gilt als verloren, ist aber durch Versicherung gedeckt. Ruppersdorf, 8. Januar. Der 25 Jahre alte Bau hilfsarbeiter Gerhard Süßmann, der unter dem Verdachte die Frau Gedlich und deren Tochter ermordet zu haben, in Untersuchungshaft ist, ist nunmehr überführt worden, am 15. Juni v. I. den Raubmordversuch an der Material- warenhändleriu Pauline Nütze in Spitzkunuersdorf be gangen zu haben. Die Einzelheiten bei dem Raubmord versuch sind genau dieselben wie bei dem Doppelraubmord in Ruppersdorf, so daß man sich ernstlich mit der Frage be schäftigt, ob Süßmann nicht der wirkliche Täter ist. Süß mann, der ein Sohn braver Ruppersdorfer Leute ist, diente bei den Gardereitern, er war Soldat 2. Klasse. Im Unter suchungsgefängnis beträgt er sich sehr frech und heraus fordernd. Es ist festgestellt worden, daß er sich am Morgen des Mordtages in der Nähe des Gedlichschen Hauses aufhielt. Zittau, 8. Januar. Die hiesige Tischler-Innung feiert am Dienstag ihr dreihundertjähriges Bestehen. Zittau, 8. Januar. Von einem Soldaten überfallen wurde in der Nähe der neuen Kaserne ein junges Mädchen. Der Unhold warf dasselbe zu Boden und versuchte es zu vergewaltigen. Zwei andere Soldaten, durch die Hilferufe des Mädchens aufmerksam geworden, befreiten sie. Dem Regiment ist Anzeige erstattet worden. Zwickau, 8. Januar. Für Verbesserung des Aufstieg» ^ Platz-'S für die Luftballons und zur Förderung der Zwecke des Luftschiffahrtversins bewilligte der Rat 1000 Mark. Gemeinde- und Vereinsnachrichten. * Freiberg. Im Jahre 1910 waren beim hiesigen Pfarr- amte zu verzeichnen: 69 Taufen (darunter 10 nnehclichel, 24 Beerdigungen (8 Nuoeiseheuc), 16 Aufgebote und 10 Trauungen; 869 Kommunionen, daruuier 363 m der österlichen Zeit. 34 Erstkommunionen; 124 Firmlinge; aus der Küche rraten 12 aus, 11 Krankenprovisionen. Die Katholtkenzahl in Freiberg beträgt 1413. Religionsunter, richt wird erteilt außer in Freiberg: in Brand, Eppeudorf, Roßwein, Siebenlehn, Oederan und Bräunsdocf. 8 Auerbach i. V. Am zweiten Weihnachtsfeiertage hielc der katholische M ä n n e r v e r e i u hier im Vereins lokale „Deutsche Einigkeit", Sorgauerstraße, sein ersten Christbaumfest ab. Nach dem Liede „Stille Nacht, heilige Nacht" hieß der Vorsteher dieses Vereins Herr Zollaufseher Baar alle Mitglieder, sowie den Bruderverein von Falken stein und die erschienenen Gäste herzlich willkommen. Dann mahnte er in kurzen Zügen zur Einigkeit und festem Zusammenhalten der Glaubensbrüder: denn erst dadurch kann sich unser junger Verein weiter entwickeln. Darauf ergriff unser hochgeehrter Expositus Herr Marschuer das Wort. Er bedankte sich zunächst für die herzlichen Worte des Vorstehers und legte dann besonders den Frauen ans Herz, ihre Männer aufzumuntcrn, den Versammlungen der katholischen Vereine bcizuwohuen und sich ihnen anzu schließen. Bei der anschließenden Christbaumverlosung wurde flott geboten. Die kurzen Pausen, die noch während des Abends vorkamen, wurden durch einige Lieder, sowie durch Klaviervorträge von seiten der Herren Ge brüder Klier und Herrn Georgi in schneidigster Weise aus geführt. Mögen sich dem jungen Vereine recht viele Männer anschließe», damil er auch einst eine gute Stütze für unsere kleine katholische Gemeinde in Auerbach werde. 8 Pniischwitz. Am Feste der hl. drei Könige fand hier eine Zusammenkunft der katholische» Arbeiter von Pansch witz und Umgegend statt. Herr Arbeitersekretär Matissek aus Dresden war hierzu eingeladeu worden, um über die Notwendigkeit der katholischen Arbeitervereine zu sprechen. Obgleich eine öffentliche Bekanntmachung nicht erfolgt war, hatten sich die Arbeiter aus Panschwitz, Knckan, Ostro, Miltitz. Janer usw. zahlreich eingefunden. Nach erfolgtein Referat und kurzer Debatte wurde beschlossen, einen Ar beiterverein zu gründen und dem Verbände (Sitz Berlin) anzuschließen. Die meisten Anwesende» erklärten sofort ihren Beitritt durch Zahlung des Eintrittsgeldes. Als Vorsitzender wurde Herr Lebsa in Schweinerden, als Kasierer Herr Schlosser in Miltitz gewühlt. Die Ein ladungen zu den Versammlungen erfolgten durch den „Ar beiter" und die „Sächsische Volkszeitnng". Letztere dürfe in keiner Familie fehlen. Möge mit Gottes Hilfe diese ginge Pflanze katholischer Vereine sich recht bald zu einem Baume entwickeln und recht viele gute Früchte tragen zum Wähle der Arbeiter und zitm Segen des wendischen Volkes. 8 Reichenau i. S. Der hiesige kath. Mä n ner ve re in veranstaltete am Neujahrsfeste seine diesjährige Christbo.umfeier. Ueberaus zahlreich hatten sich die Mit glieder mit ihren Angehörigen zu dieser Feier eingefnnden, so daß der geräumige Saal des „Zittauer Gutes" sehr gut besetzt war. Auch hatten sich zur Freude aller liebe Gäste von nah und fern eingestellt. In der Ansprache führte Herr Pfarrer Heduschke, nachdem er alle Erschienenen herzlich be grüßt hatte, auS, wie die auf das Weihuachtsgeheimuis bezüglichen Namen sowie die Symbolik der verschiedenen weihnachtliche» Gebräuche den tiefen religiösen Inhalt des Christfestes aufzeigen und wie der Glaube an Christus die Vorbedingung ist, um das gnadenreiche Fest auf Geist und Gemüt voll und ganz einwirken zu lasse». Auf diese mit Beifall anfgenommenen Worte folgte die Aufführung des ansprechende» Weihnachtsoratorinms von H. F. Müller, die Herr Kantor Bernet mit seinem Kirchenchor in dankens werter Weise übernommen hatte. Dieses herrliche Weih nachtsstück für Soli und gemischten Chor mit Klavierbeglei tung besteht aus folgenden sechs Teilen: l. Sehnsucht nach dem Erlöser, 2. Ave Maria, 3. Die Geburt, 1. Die Hirten lei der Krivpe, 5. Die heiligen drei Könige, 6. Wcihnachts- jnbel. Dcr Gedankeninhalt jedes- einzelnen Teiles wurde veranschaulicht in wohlgelungenen lebenden Bildern, die der Vorsitzende des Vereins, Herr Lagerist Heidrwh, mit ge wohnter Sachkenntnis arrangiert hatte. Die Versammlung zollte dieser Aufführung uneingeschränkten Beifall. Als dann mußte der stattliche Christbanm, dcr die Blicke der ..kindlichen. Vesuchpr" besonders gesem-^ bielt, seine '' lichkeit opfern. Unter dem scharfen Schnitte der Schere fiel Zweig aus Zweig, um bei der Verlosung in die Hand der „Glückskinder" zu wandern. k kl M ii W — 168 — „Nein, Geneviäve, du hattest dich nicht getäuscht. Als ich das Justiz- gcbäude verließ, wo ich alles erfahren hatte, da war ich so unglücklich, so mut los geworden, daß ich auf dich verzichten wollte." „Ach, Gaston, das wäre sicher mein Tod gewesen, glaube es mir!" „Meine arme Geneviäve! Ich hatte den Kopf verloren und allerlei dumme Gedanken über die Ehre, die Meinung der Welt und ähnliche Tor heiten gefaßt, und wenn ich eine Entschuldigung geltend machen kann, so ist es die Ueberstürzung, mit der ich an dich schrieb. Denn ein kurzes Nachdenken hätte genügt, um dir und mir diesen Schmerz zu ersparen." „Wer könnte dir darob zürnen, mein Freund?" fragte Genevidve. „Tu verzeihst mir' also, Geliebte?" „Ich verzeihe dir nicht nur, sondern segne dich sogar für deine Rückkehr in dieses Haus, in dem sich die Verzweiflung eingenistet hat. Ich weiß nicht, was geschehen wäre, wenn du dich nicht eingefunden hättest. Und dessen un geachtet konnte dir niemand Unrecht geben. Nach alledem, was wir jetzt wissen, warst du vollauf berechtigt, nicht mehr an uns zu denken." „Geneviäve! Jetzt sprichst du so?" „Es ist meine Pflicht. Du weißt, in welcher traurigen Lage wir uns befinden. Du liebst mich und ich liebe dich. Doch wenn man vom Unglücke heimgesucht wird, bedarf auch ein junges Mädchen nur kurze Zeit, um an Gemüth und Verstand heranzureifen. Und darum sage ich dir: überlege dir die Sache reiflich, ehe du mich zu deiner Gattin machst!" „Ich habe bereits alles wohl überlegt, und wollen wir uns jetzt bloß mit der Zukunft befaen. Wir werden Frankreich verlassen." „Nein," entgegnete Gencviäve. .Wir wollen vorerst von der Gegen wart sprechen, denn dieselbe ist sehr düster, ist geradezu schrecklich. In einem Monat, mein Freund," füg tsiee langsam sprechend hinzu, als wollte sie jedes ihrer Worte erwägen, „wird mein Vater verurteilt sein, es sei denn, es er eigne sich ein Wunder, was ich nicht zu erhoffen wage. Ich werde mich da durch in eine neue und recht widerwärtige Situation versetzt sehen, der zum Trotz du dein Versprechen halten und mich heiraten müßtest. Doch wenn in deiner Seele, in deinem Herzen nur der Scl-atten eines Zweifels vorhanden ist, wenn du mich später auch nur im geringsten die Verachtung fühlen lassen könntest, die dir das Vergehen meines Vaters wohl einzuflößen vermag, so tritt lieber heute zurück, und ich entbinde dich deines gegebenen Wortes." „GenevU-ve! Du weißt, daß meine Achtung für dich vielleicht noch grö ßer ist als meine Liebe!" „Ich glaube eS dir gern und eben darum bitte ich dich, vorerst mir deiner Vernunft zu Rate zu gehen, denn später könnte ich nicht den leisesten Tadel ans deinem Munde ertragen. Ucberlcge, denke nach, du mußt mir nicht sofort eine Antwort geben. Ich liebe dich unaussprechlich und würde tausend Qualen leiden, wenn ich nicht deine Gattin werden könnte. Noch weit mehr würde ich aber leiden, wenn du mich eines Tages nicht mehr lieben könntest, weil ich die Tochter von Georg Largcval bin." In tiefster Bewegung hatte Laurenca daS Zimmer verlassen, als sie diese Worte aus dem Munde ihrer Tochter vernahm. Nun kniete Gaston vor ihr nieder und sprach: 165 Montussan, der über die Absichten Tormeaus nunmehr im Reinen war, sah jetzt bloß Genevi'-ve vor sich, die ihn verzweiflungsvoll und unglücklich anblickte. Er konnte den Gedanken, daß dem jungen Mädchen, für das er willig gestorben wäre, irgend ein Schmerz zugefügt werden sollte, nicht ertragen, und schickte sich au, das Dormeau recht eindringlich zum Bewußtsein zu bringen. „Sie behaupten also," sprach er, seine Stimme mühsam dämpfend, „daß Sie Geneviäve geliebt haben?" ^ „Gewiß! Ja, noch mehr, ich liebe sie auch jetzt noch." „Ich rate Ihnen, sich über mich nicht lustig zu machen, ich dulde das nicht." „Sollten Sie vielleicht Streit mit mir suchen, nur um mich zu zwingen, mich selbst zu entehren?" „Nein, ich suche keinen Streit mit Ihnen, will Ihnen aber nur sagen, was mir auf dem Herzen liegt. Was auch der Vater oder der Onkel Gene- vioves verschuldet haben mögen, — sie ist darum nicht weniger das jungfräu lich reine, unbefleckte Wesen, das die ganze Menschheit auf den Linien liegend anbeten müßte." Montussan hatte jegliche Selbstbeherrschung eingebüßt und sprach, wie es ihm sein Herz eingab, mit einem Schwung und einer Innigkeit, daß ihn Gaston verwundert anblickte. „Was können Sie ihr zum Vorwürfe machen? Gestern, als ich Sie zu ihr führte, fanden Sie doch nicht genug Worte des Tankes." „Allerdings, und ich bin Ihnen auch heute noch sehr zu Dank der- pflichtet." „Und heute bringen Sie etwas in Erfahrung, was allenfalls nicht ohne jede Bedeutung ist, und das reicht hin, um Ihre Liebe zu töten." .,^6. „Dieses gebrechliche, keines Widerstandes fähige Empfinden nennen Sie also Liebe? O nein! Sie haben Ihre Base niemals geliebt, denn sonst wür den Sie ihr zumindest die Angst und die Verzweiflung erspart haben, deren Zeuge ich vorhin bei ihr gewesen." „Sie haben sie gesehen?" „Ich komme soeben von ihr und weiß, daß Ihr törichtes Tun sie ganz gebrochen hat. Sie meinen sie geliebt zu haben? Nun denn, ich kann Ihnen sagen, daß, wenn ich für ein solches Mädchen von Liebe erfüllt wäre, es keine Macht auf Erden gäbe, die mich von demselben losreißen könnte. Dafür ver bürge ich meinen Kopf. Wäre mir die Ehre zuteil geworden, Fräulein Gene viävo meine Braut nennen zu dürfen, so weiß ich, daß sie es niemals nötig gehabt hätte, vor jemandem den Blick zu senken. Ich hätte jeden Kummer, jeden Schmerz, jede Unannehmlichkeit von ihr ferngehalten. Wenn ich er- -fahren hätte, was Sie heute nachmittag erfahren haben, so wäre ich schnur stracks zu ihr gegangen und hätte ihr vorgeschlagen, in irgend welchem fremden Lande unter dem Namen Montussan z» leben." Lucien unterbrach sich bei diesen Worte» jäh und errötete bis über die Ohren. c jL M