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Nr. 7 — Ltt. Jahrgang Dtensrag den >0. Januar 1V11 MchMHMsMlllg Erscheint triglich nachm, mit Ausnahme der Sonn-und Festtage. Ausgabe 1 mit .Die Zeit in Wort und Bild" vicrteljShrlich 8,1« ^c. In Dresden durch Boten 8,40 In ganz Deutschland frei Haus 8 58 in Oesterreich 4,4» I!. Ausgabe » ohne illullrterte Beilage viertcljiibrlich I,X« In Dresden durch Boten 8,1« In ganz Deutschland frei Haus 8,88 in Oesterreich 4,«V L. — Einzel Nr. 1V z. Unabhängiges Tageblatt für Wahrheit, Recht und Freiheit Inserat« werde» die »gespaltene Petitzeile oder deren Raum mit 15 Reklamen mit 5« ^ die Zeile berechnet, bei Wiederholungen entsprechende» Rabatt. Buchdruilerei, Redaktton und Geschäftsstelle! Dresden, Ptllnitzer Strafie 45. — Fernsprecher 18«« Für Rückgabe unverlangt. Schriftstücke keine Verbindlichkeit Redaktions-Sprechstunde: II bis 18 Ilhr. „Klar zum Gefecht!" Das wichtigste innerpolitische Ereignis dieses Jahres dürften wohl die im Laufe desselben stattfindenden Reichstagswahlen sein. Schon jetzt beginnt sich im Hinblick auf dieselben auf der ganzen Linie der politische und soziale Kampf zu entwickeln, geführt nach allen Regeln und mit allen Mitteln der modernen Zeit. Organisation, Agitation, Presse, und als Vorbedingung zu alledem Opfer willigkeit, persönliche und in klingender Münze: das ist der Inbegriff der dabei angewandten politischen und sozialen Kriegstechnik. Ueber die festesten Stellungen und die größten Truppenmassen verfügen in diesem bevorstehenden Riesenkampf die Sozialdemokratie und das Zentrum mit seiner sozialpolitischen Avantgarde, dem Volks- verein. 3^ Millionen sozialdemokratische Wähler, 2180 000 Zentrumswähler marschierten bei der letzten Neichstagswahl 1007 gegeneinander auf. Tie Elite von letztere», rund 650 000 Mann, sind im Volksverein zu sammengefaßt. Aber die starren Zahlen allein, tun es nicht. Es kommt vor allem darauf an: Wie wird die Kriegstechnik gehand- habt, wie steht es auf beiden Seiten mit der Organi sation, der Agitation und der Presse? lieber unsere eigene Stärke und Schwäche dürften wir genüaand unterrichtet sein. Die Hauptsache ist: Wie steht's mit unserem größten Feinde, der Sozialdemokratie? Die Sozialdemokratie hat von jeher erkannt, daß die Vorbedingung jedes nachhaltigen Erfolges auf politische:» und sozialpolitischem Gebiete eine straffe Organi sation ist. Zu diesem Zwecke hat die Sozialdemokratie auf ihrem vorjährigen Parteitage zu Leipzig auf Grund des neuen Neichsvereinsgesetzes ihre Organisation neu ge ordnet und fester gefügt. Tie Grundlage der Organisation bildet heute für jeden Reichstagswahlkreis der sozialdemo kratische Verein, dem jeder im Wahlkreis wohnende Partei genosse als Mitglied angehören in n ß. Tie sozialdemo kratischen Vereine schließen sich wieder zu Bezirksverbänden sowie zu Landesyerbänden zusammen. Den sozialdemo kratischen Vereinen treten auch die Frauen als gleich berechtigte Mitglieder bei. Diese politische Vereinsorgani sation bildet das Schlnßstück des eisernen Organisations ringes, dessen Hauptbestandteil in Deutschland heute schon die durch und durch sozialdemokratisch beeinflußte und mit der Partei seit 1006 offiziell verbündete sogenannte „freie" Gewerkschaftsbewegung mit über 1 800 000 geschulter Kämpfer und einer Jahreseinnahine von über 50 Millionen Mark bildet. Erst auf dein Boden einer straffen Organisation erhält auch die Agitation der Sozialdemokratie ihre volle Stosskraft. Die Parole auf ihren Parteitagen und Ver sammlungen lautet: „Friedensjahre, Schonzeit kennen wir nicht!" und für die diesjährige Wahl hat sie geschworen, mit allen ihren Kräften ganz besonders einzusetzen. Im Gcisteskampf unserer Tage spielt eine ausschlag gebende Nolle die Press e. Daß sie das hervorragendste Agitations- und Kampfesmittel einer Partei ist und der beste Gradmesser für ihre Ausbreitung, weiß die Sozial demokratie sehr gut. Darum ist sic zu jeder Zeit bestrebt gewesen, die Abonnentenziffern derselben in die Höhe zu bringen. Als Beleg mögen folgende Gesamtziffern gelten: Im Jahre 1878 gab es in Deutschland -12 sozialdemo kratische Partei- und 14 sozialdemokratische Gewcrkschafts- blätter. Gesamt-Abonnentenstand zirka 160- bis 170 OM. Im Jahre 1004 zählten die damaligen sozialdemokratischen Parteiblätter über 600 000 Abonnenten und 67 sozialdemo kratische Gewerkschaftsblättcr über eine Million Abonnen ten. Zur Stunde zählt die Partei 78 Blätter mit 1 160 016 Abonnenten. Im Geschäftsjahre 1000 betrugen die Abonnementseinnahmen 6 706 151 Mark und die Jnse- vatencinnahmen 4 363 761 Mark. Der Einfluß der sozial demokratischen Presse wird noch vervielfacht durch die Ver- baudsorgane der 1 832 000 Mitglieder zählenden sozial demokratischen („freien") Gewerkschaften. Sie belaufen sich auf 55 und erscheinen in einer Auflage von rund 2 Millio nen Eremplaren. All die gewaltigen Leistungen der Organisation, Agi tation und Presse werden natürlich nur ermöglicht durch den ausdauernden, persönlichen und finanziellen Opfermut der „Genossen". Jeder organisierte „Ge nosse" ist zu einem Mindestbeitrag verpflichtet, der auf dem Parteitag in Leipzig 1000 auf 30 Pf. für männliche und 15 Pf. für weibliche Mitglieder im Monat festgesetzt wurde. Durch diese Neuregelung der Parteifinanzen, die bisher ohnehin schon gut waren, hat ohne Zweifel die deutsche Sozialdemokratie eine ineitere finanzielle Kräftigung er- fahren. Welch reiche Spenden auf diese Weise der Partei zusließen, dafür bot der Monat Juni im vorigen Jahre ein lehrreiches Beispiel. 200 MO Mark konnte in diesem Monat der sozialdemokratische Parteikassierer im „Vorwärts" an Spenden und Beiträgen aufführen, die der Partei zuge wendet wurden. Schon die 10 größten Beiträge ergaben zusammen über 150 OM Mark. Die Organisationen Ber lins steuerten über 12 OM Mark, die Hamburgs 20 OM Mark, der 13. sächsische Wahlkreis (Leipzig-Land) 7000 Mark bei. Die Haupteinnahmen aber stammten nach wie vor aus den Parteibetrieben. Das Hamburger „Echo" stand mit einer Ueberschußrate von 18 000 Mark, die „Vorwärts"-Buchhandlung mit einer solchen von 25 000 Mark, der „Wahre Jakob"-Verlag mit 15 000 Mark in der Beitragsquittung. Tie mysteriösen Spender: Nordische Wasserkante und XVX lieferten 50 000 und 5000 Mark. Kein Wunder, wenn bei solchen Verhältnissen die Sozial demokraten den Neichstagswahlen recht zuversichtlich enk- gegcnsehen! Der sozialdemokratische Ansturm bei den nächsten Reichstagswahlen gilt vor allem dem Zentrum und der von demselben parlamentarisch vertretenen überwiegenden Mehrheit des katholischen Volksteiles. „Daß Aufklärung bis in die dunkelsten Gegenden der Zentrumsdoinänen ge langt, dafür haben wir in rastloser Arbeit zu sorgen, um den unheilvollen Einfluß der Schwarzen zu brechen." „Das Zentrum ist der schlimmste Feind der Sozialdemokratie. Bis in die geheimsten Winkel muß es aufgespürt werden." „Nach wie vor lautet unsere Parole: Krieg dem Zentrum!": das sind Sätze, die zum permanenten Kriegsruf in der sozialdemokratischen Presse geworden sind. Unsere Antwort kann darauf nur lauten: „Bei den nächsten Reichstags wahlen unter allen Umständen gegen die Sozialdemokratie!" Wenn wir daraus die Nutzanwendung machen und uns fragen, was denn das Zentrum in Sachsen zu tun hat, um in diesem Kampfe gegen die Sozialdemokratie ein tapferes Fähnlein zu stellen, so müssen wir in erster Linie auf die soziale Gesaintorganisaiion der deutschen Katholiken Hin weisen, auf den Volksverein für das katholische Deutschland. Die Wahlkämpfe werden um so mehr zu unseren Gunsten durchgesochten werden, je mehr die Mit- glicderziffern sich ini Volksverein in den nächsten Monaten noch steigern und alle Mann in schwerer, ernster Stunde ihre Pflicht tun! Eine politische Pflicht ist an zweiter Stelle, sich dem Zentrumswahlverein für das Königreich Sachsen anzuschließcn. Die Stoßkraft und Organisa tion ist bei der Minderheit in den einzelnen Wahlkreisen unbedingt zu erhöhen, wenn sie nicht wirkungslos bleiben soll. Dies kann nur durch eine politische Zentralstelle erfol gen, die nach der Parole der deutschen Zentrumspartei un ter Mitwirkung der einzelnen Wahlkomitees die Beschlüsse faßt und durch Wahlschriften diese auszuführen bestrebt ist. Das aber kostet Geld: eine K riegskasse aber kann nur durch einen großen Mitgliederstand erreicht werden. Da her, Zentrumsanhänger, t.etet dem Zentrnmswahlverein als Mitglieder bei und organisiert in den einzelnen Mahl erten Ortsgruppen! Endlich ist es unbedingt nötig, das; die Zentrumsan- hänger durch ihr Parteiorg m, die „ Sächsische Volk s- zeitung", mit den geisi gen Waffen im Kampfe ausge rüstet werden. ES darf leinen Zentrumsanhänger geben, de>- nicht Leser unserer Zeitung ist! „Klar zum Gefecht" sind wir, wenn unsere An hänger durch die soziale Arbeit des Volksvereins geschult sind, wenn sie durch die „Sächsische Volkszeitung" in poli tischen Dingen und Fragen Aufklärung erhalten haben und wenn die Kriegskasse gefüllt ist. Dan» werden >vir in Sachsen ein kleines, aber gut organisiertes, daher geachtetes und begehrtes Kriegsfähnlein im Kampfe gegen die Feinde von Thron und Altar und gegen die Volksbetrüger stellen! Der Kampf gegen die Schundliteratur. lRnchdrnck verboten.» 0I>6. Berlin, den 9. Ji'nnar UNI. In der Vortragsreihe anläßlich der Ausstellung gegen die Schundliteratur im Reichstage behandelte am Sonn abendabend Tr. Coerper das Thema: Schundliteratur und Jugendpflege. Das Problem der Schundliteratur ist nach seiner Auffassung ein Teil des großen sozialen Problems, das durch den Massenzuwachs der Bevölkerung des Deutschen Reiches seit der Reichsgründung entstanden ist Wir haben in dem letzten Jahrzehnt einen kräftigen Anlauf zur Begründung einer neuen Kultur genommen, aber ge rade in diesem Jahrzehnt ist auch die Schundliteratur so groß geworden. Dies lag daran, daß wir es daran haben fehlen lassen, für den Massenzuwachs der Bevölkerung eine gute Literatur zu schaffen. Es ist unbestreitbar, daß in der bczeichneten Zeit zwischen dem deutschen Volke und den deutschen Dichtern sich eine große Kluft auftat. Erfreulicher weise mehren sich die Anzeichen, daß diese Kluft sich schließt. Wir haben bereits zahlreiche Dichter, deren Schaffen volks tümlich und zugleich im höchsten Sinne künstlerisch ist. Ver schiedentlich wird die Auffassung vertreten, daß man die Schundliteratur am besten bekämpfen könne durch An passung an den schlechten Geschmack der Leser. Mehrere praktische Versuche nach dieser Richtung hin haben indes mit einem kläglichen Fiasko geendet. Zunächst ist notwendig die Bildung von lokalen Aus schüssen aus allen beteiligten Organisationen, die in allen Orten notwendig sind, mit einem Zentralausschuß an der Spitze. Ihre Aufgaben sind: Aufklärung und Belehrung, Ueberwachung, Unterstützung positiver Volksbildungsarbeit. Die moderne Schundliteratur ist gemeine Verbrecher- Uteratur. Nicht daß sie Verbrecher züchtet ist die Gefahr der Schundliteratur, souderu daß sie antisoziale Neigungen wachruft und fördert. Das feste Gegenmittel ist eine syste matische Jugendpflege bis in das militärpflichtige Alter hinein. Zu dem letzten Vortrag „Tie Familie und die Schund literatur" war Prof. Dr. Brunner-Pforzheim gewonnen worden Aus genauer Kenntnis der Dinge und aus liebe vollem Verständnis für die Kindesseele heraus zeichnete er ein erschreckendes Bild von den Verheerungen, welche die Schundliteratur in der Schuljugend anrichtet. Wo auf red lichem Wege das Geld zur Anschaffung der bunten Hefts nicht erlangt werden kann, werden bereits die Kinder zu unredlichem Erwerb veranlaßt. Von der Verbreitung der Schundliteratur in den Schülerkreisen kann man sich kaum eine Vorstellung machen. Zu beachten ist, daß vielfach Dienstboten als Vermittler der Schundliteratur wirken. Am verhängnisvollsten aber wirkt die Schundliteratur dadurch, daß sie. das Werk der Erziehung stört und vernichtet. Ihr Grundsatz ist, wie es einer der Schundverleger selbst be kennt, das vn bnngua-Spiel auf dem grünen Tisch des Lebens. Wo ein solcher Grundsatz in die Seele des .Kindes hineingepflanzt wird, daß nicht Arbeit, Ringen, Selbstzucht im Leben zum Erfolg führen, da muß eine tiefe Kluft zwischen Eltern und Kindern sich auftun. Die Familie hat deshalb keinen schlimmeren Todfeind als die Schund literatur. Der Gifthauch der Unsittlichkeit weht breit über die ganze Schundliteratur. Man kann sagen, daß in der Schundliteratur die gleiche Tendenz vorhanden ist wie in der eigentlichen Schmutzliteratur, und sie wirkt, weil versteckt, noch gefährlicher. Wachsame Aufmerksamkeit seitens der Eltern und Erzieher, verdienen auch die Schaustellungen in Jahrmarktsbuden usw., wo oft auch den Kindern die ge meinsten oder für die kindliche Phantasie gefährlichsten Sachen gezeigt werden, wie auch die Zeitungen, deren Be richte über Verbrechen und Prozeßverhandlungen oft den Boden für die Schundliteratur bereiten. Was soll die Familie im Kampfe gegen die Schund literatur tun? Sie muß Mitwirken, denn es handelt sich um ihre eigene Angelegenheit. Bei der Erziehung ist vor allem darauf zu achten, daß nicht durch Zurückstoßen der .Kinder, die uns ihre Eindrücke und Erfahrungen mitteilen wollen, sich ihre Seele gegen uns verschließt. Weiter ist es unsere Pflicht, die Persönlichkeitsbildung des Kindes zu respektieren. Achten wir sie nicht, wird das Kind leicht dazu gedrängt, eigene Wege hinter unserem Rücken zu gehen. Hinsichtlich des Lesens darf keine Heimlichkeit be stehen. Es ist nicht tadelnswert, wenn die Kinder gerne lesen, sondern wir müssen darin die beste Hilfe in der Er ziehung schätzen und den Drang zur Weiterbildung be grüßen. Die Lesewut natürlich ist zu unterdrücken. Haben wir das Vertrauen des Kindes, so wirkt auch der Appell an den Verstand und an die Anständigkeit, um ihnen die. Schundliteratur zu verekeln. Der Vortragende schloß seine lehrreichen und über zeugenden Darlegungen mit der Hoffnung, daß der Reichs tag demnächst zu seinem Teile den Kampf gegen die Schundliteratur dadurch unterstützen möge, daß er durch einen Zusatz zur Gewerbeordnung das öffentliche Feilbieten und Ausstellcn aller Schund- und Schmutzliteratur unter sagen, und mit der ernste» Mahnung vornehmlich an die ge bildeten. und vermögenden Kreise zur tatkräftigen Mit arbeit: es handelt sich nicht um die elenden Hefte da draußen, sondern um den Idealismus unseres Volkes, den Fonds innerer ErneuernngSkraft für die kommende Gene ration, es handelt sich um das Riesenproblem der sittlichen Verantwortlichkeit unserer Generation gegenüber der zu künftigen. VoKNsche Rundschau. Dresden, den 9. Januar 1911. — Gegen die SchiffahrtSabqabc«. Der Zentralverein siir deutsche Binnenschiffahrt nimmt zum Schiffah'tsabgaben- Gesetzentwurf in einer außerordentlichen Hanhweisammlung am 23 Januar in Verl!» Stellung. Berichterstatter ist Syndikus Meeswann-Mainz. — Wachtdienftverschiirfung auf Borkum Auf An ordnung d»r Heeresverwaltung wird nicht nur eine Wacht- dienstverschärsimg für Scheinwerfer- »ndBeleuchtungsanlagen, sondern besonders während der Reist und Badezeit auch eine verschärfte Küstenbewachung elntreten. — Graf Ballcstrem und Bülow. Die „Schles. Volks zeitung" hak ini allgemeinen unsere Mitteilungen über di«! letzte Unterredung zwischen dem NcichStagspräsidentcn un8 dem Reichskanzler bestätigt: nur behauptete sie, daß diess Unterredung nicht am 13. Dezember, sondern schon am 11. stattgefunden habe und daß der Reichskanzler versprochen habe, den Präsidenten fortdauernd zu informieren. Auch das ist zutreffend: es handelt sich um zwei Unterredungen. Am 11. Dezember traf Gras Ballestrem den Fürsten Bülow auf einem Diner und letzterer stellte ganz bestimmt in Ab rede, daß er an eine Auflösung des Reichstages denke. Aift 13. Dezember vor der Eröffnung der Reichstagssitzuna