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114 Wangenheim schlug mit der flachen Hand auf das Blatt und rief: „Nun, das freut mich, das; Erich Glück hat. Ein tüchtiger Kerl ist er ja immer ge wesen —" Sonnenberg fuhr jäh herum. Seine Stimme überschlng sich . . . „Was — das — daS freut dich? Wenn mir blamiert sind vor der ganzen Welt!" „Aber ich bitte — das ist doch keine Blamage!" „So — keine Blamage? Na, — dann weis; ich nicht, bin ich verrückt — oder bist es du — oder sind wir alle beide übrrgeschnappt. Da soll doch gleich ein . . . was, das ist keine Blamage? Dieser Mensch, der meinen alten, adeligeil Namen trägt, steigt herab von dem Edelsitz seiner Ahnen und wird ein schmutziger Arbeiter, steht am Ende i» Hemdärnieln und Schurzfell am Ambos;, mit rußigem Gesicht und hämmert drauf los — pfui Teufel! Mein ganzes Geschlecht ist herabgewürdigt, beschmutzt und dem Spott preisgegeben, lind da soll einer nicht rasend werden! Wenn ich den Menschen da vor mir hätte, ich würde ihn wahrlich niederknallen —" Wangeilheim zündete sich ruhig eine Zigarre an und sagte: „Ich finde die ganze Geschichte gar nicht so furchtbar. Im Gegenteil — der Mann flößt mir Respekt ein. Der weiß, was er will und kann, was er will. Er besitzt Talent und Energie und will sich ans eigener Alraft eine Existenz gründen; er »rill ohne allen Zweifel emporkommen und sich eine Stellung im Leben er ringen. Dabei ist doch nichts Schlimmes. Daß er nun zufällig einen alten Adelsnamen trägt, was kann er dafü, ? Uebrigens scheint er ja den Adel ab gelegt zu habeii „Das ist ja eben die Unverschämtheit, daß er sich seines Adels schämt," „Nun, das ist damit noch nicht gesagt. Ich denke mir, daß er andere Gründe dazu hatte; vielleicht wäre ihm sein adeliger Name in den in dustrielle» .greisen und in seinem Fortkommen ein Hindernis. Wer vermag das zu slig.ni? Tie Zeiten sind andere als vor zwanzig Jahren, die An schauungen haben sich geändert. Die Glanzzeit des Adels ist vorüber — das Volk rührt sich und ist sich seiner Macht bewußt. Vielleicht haben wir vom Adel allzu untätig dieser Entwicklung zngesehe» und in der vermeintlichen Sicherheit unserer Rechte und unserer Stellung die Hände müßig in den Schoß gelegt. Das eherne Rad der Zeit ist über uns hiniveggeeilt und hat uns beiseite geschoben. Männer ans dem Volke haben Einfluß bekomme», sind reich und mächtig geworden und stehen nun am Steuer der Welt. Hand in Hand damit ist vielfach eine Verarmung des Adels gegangen und die Söhne unserer besten Adelssamilien sind einfach gezwungen gewesen, sich einen Be ruf zu erwählen, der sie ernährt. Was im Heere oder ini Staatsdienst ans irgendeinem Grunde nicht Unterkommen tonnte, das wandte sich bürgerlichen oder künstlerischen Berufen zu. Und so sehen wir die Adeligen als Guts- Pächter, Schriftsteller, Maler und Bildhauer, sogar als Kanflente oder Ge werbetreibende im Leben stehen. Vielleicht haben sie dadurch in den Augen unserer SiandeSgenossen an Wert verloren, sicher aber sind sie in der Achtung des Volkes gestiegen, weil sie sich als Männer von Talent, Fleiß und Tatkraft erprobten und dein Volke gleichsam näher rückten. Sie wurden Männer der Arbeit — und das ist wahrlich keine Schande. Auch Arbeit adelt, wenn sie dem Volke und der Zeit Segen bringt." 1t5 „Wie — das sagst du?" rief der Hauptmann, „du — ein Graf Wangen- heim? Ta bist du ja ein Erzdemokrat!" „Meinetwegen. Diese Ansicht halte ich aufrecht trotz meines Adelsbriefes und Wappenschildes. Die Arbeit ist eines der hohen Ideale des Lebens, an denen wir unentwegt festhalten müssen. Ohne Arbeit ist das Leben leer und kalt. Tie Arbeit bringt Sorgen und die Sorgen machen das Leben tief und groß. Sie sind die heiligen Quellen, aus denen wir neue Kraft und neuen Lebensmut schöpfen. Wer keine Arbeit und leine Sorgen kennt, der ist nur ein halber Mensch. Man muß doch wissen, wozu inan da ist. Man muß einen Beruf habe», seine Pflicht erkennen. Und wer einen Beruf hat, der muß ihn auch ausfüllen und seine Pflicht tun als ein ganzer Mann. In der frohen, jrendigen Hingabe an seinen Beruf und an die Arbeit liegt Heil und Segen für den einzelnen und für die ganze Menschheit." Sonnenberg hatte voll Erstaunen zngehört. Das war ihm ganz neu, das; sein Schwiegersohn solch demokratische Ansichten hatte. In Wangen- heims Worten lag ein unausgesprochener, aber deutlicher Vorwurf gegen Sonnenberg selber. Er hatte es von jeher als eines Adeligen unwürdig be zeichnet, sich mit Arbeit abzugcben, aber dabei auch die bittere Wahrnehmung gemacht, daß es mit dem Wohlstand in Haus Sonnenberg in erschreckender Weise bergabwärts ging. — War doch etwas an dem wahr, was Wangenheim den „Segen der Arbeit" nannte? — Er gab sich aber noch nicht geschlagen und rief Trude herbei, auf deren Urteil er so viel hielt. Sie wußte natürlich in der Sache und in den Familien- verhältnissen längst Bescheid. Als sie nun von Sonnenberg über ihre Ansicht befragt wurde, sagte sie nach kurzem Besinnen: „Ich glaube, daß Sie Ihrem Sohne unrecht tun, wenn Sie ihn verdammen, Herr Hanptmann. Nachdem er ans seiner Karriere hinansgeworfen war, war er gezwungen, sich eine, neue Existenz zu gründen. Der einzig mögliche Weg war für ihn der Weg der Arbeit. Und den ist er gegangen. Bälder als andere hat er sein Ziel er reicht, ein Beweis, welch tüchtige Kraft in ihm steckt, und daß er ein ganzer Mann ist. Es gehört ein großer Mut dazu, mit all seinen Gewohnheiten und Anschauungen zu brechen, dem Urteil der Welt zu trotzen und einen neuen Weg zu suchen. Das kann nur ein edler, groß denkender und starker Cha rakter. Solche Männer sind selten im Leben und ich meinerseits, Herr Hanptmann — ich bringe ihm meine volle Bewunderung entgegen — „Bravo, mein Fräulein," rief Wangenheim, „das haben Sie gut gesagt!" „Zum Kuckuck," brach Sonnenberg los, „hat sich denn die ganze Welt gegen mich verschworen? — Aber was ihr auch sagen mögt, es ist eine Schmach — und ich werde es Erich verbieten, sein „Geschäft" weiter zu sichren —" „Dazu hast du weder das Recht — noch die Macht," sagte der Graf. „Erich ist majorenn und niemand hat ihm etivas dreinzureden. Uebrigens — wenn er mit seiner Fabrik hochkommt, hat er eine ganz respektable Stellung in der Gesellschaft —" „Darauf pfeif ich! Hütte er Ada v. Sternfels geheiratet, so wäre der ganze Skandal vermieden worden und er säße dick in der Wolle —"