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Romanbeilage der Sächsische« BolkSzeitunk — 116 — „Erlaube mal," sagte Wangenheim, „darin muß ich Erich recht geben. An seiner Stelle hätte ich auch kein Verlangen getragen nach — solch einer Gattin. Und zudem war Erich bereits gebunden, sein Herz gehörte einer anderen —" „Dummes Zeug, das, Sentimentalitäten. Davon kann einer nicht leben. — Was wollt ihr denn überhaupt! — Wir Sonnenbergs sind nicht reich, das ist bekannt. Wir waren gute Soldaten, treue Diener des Vaterlandes, tüchtig und tapfer im Kriege — aber gebracht haben wir es zu nichts. Das ist nun einmal so Familientradition bei uns. Manche haben es in der Jugend wohl ein bißchen toll getrieben, ich am Ende auch — na, wofür ist man denn jung? Wofür ist man ein Sonnenbcrg? — Da liegt es doch nahe, daß sich die Söhne wenigstens rangieren — durch eine reiche Heirat. Das ist sozusagen ein Naturgesetz! Eine Krankheit meinetwegen, die nur Gold heilem kann. Andere tun es doch auch: der eine heiratet eine Bankierstochtcr mit semitischem Namen, der anders eine amerikanische Millionärin. Ich finde das ganz in der Ordnung, denn der Adel ist nun einmal nicht zum Erwerben geschaffen — und schließlich sind die Vernunftheiraten doch die besten, weil sie auf realem Boden stehen. Die sogenannte „Liebe" — das ist ja nur Geflunker." Da wandte sich Trude mit brennenden Wangen zu ihm. „Aber Herr Hanptmann! —" rief sie. „Eine solche Vernnnftehe ist reine Spekulation — und daher unmoralisch. Wo nur kalte Berechnung den Ehegatten den Weg weist, da muß über kurz oder lang Entfremdung und Abneigung cintreten, weil es an Liebe und an Vertrauen gebricht. Man kann sich nur dann achten und wertschätzen, wenn Liebe vorhanden ist. Sie allein ist die Bürgschaft für eine reine Harmonie, für ein dauerndes Glück. Ihr Sohn tat recht, als er dem Mädchen, das er liebte, die Treue hielt —" Der Hauptmann sah sie. kopfschüttelnd an. „Auch Sie reden gegen mich?" sagte er. „Da hat es ja den Anschein, als ob i ch im Unrecht wäre —" Die beiden antworteten nicht; das mußte er mit sich selber ausmachen. Und sie sahen, wie schwer er daran trug. Wangenheim verzichtete unter diesen Umständen darauf, seine eigene Angelegenheit zur Sprache zu bringen. Er verabschiedete sich bald und fuhr zur Stadt — und seine Stimmung war derart, daß er ihr in irgendeiner Weise Luft machen mußte. 16. Graf Wangenheim fuhr spät in der Nacht in fröhlicher Stimmung heim wärts. Er hatte ein paar gute Freunde getroffen, mit ihnen em paar Flaichcn ausgestochen und war in heiterster Laune, und ganz in der Stimmung, 'mit Snsi Frieden zu schließen. Aber seltsamerweise fand er das Schlafzimmer leer und das Boudoir verschlossen. Und so oft er aucb pochte und so dringend er auch Susis Namen rief: kein Laut antwortete ihm. Eine jähe Angst überfiel ihn: was war geschehen? — Ein Unglück? — Er knickte förmlich zusammen und seine freudige Stimmung war mit einem Male verflogen. Mit schleppendem Gang begab er sich in sein Arbeitszimmer und entzündete die Lampe. — ll3 - Susi lachte laut und höhnisch. „Wie rechte Pfahlbürger!" rief sie, „Da für danke ich. Glaubst du denn, ich wolle mein Leben, meine Jungend hier vertrauern und begraben in diesen düsteren Mauern? Nein, tausendmal nein! Ich will hinaus ms Leben. Ich will den Winter hindurch unbedingt in die Residenz." „Das ist unmöglich, Snsi —" „Es wird möglich sein, mein Lieber; denn ich wünsche es. Längstens in acht Tagen will ich abreisen. Nichte dich danach ein —" Der Graf fuhr zornig empor. Das klang ja wie ein Befehl; das durfte er sich nicht bieten lassen. Auch seine Gutmütigkeit hatte ihre Grenzen. „Und ich sage — nein!" rief er. Susi maß 'hn mit einem kalten, stolzen Blicke. „Wir werden ja sehen, wer Recht behälc," sagte sie kurz und rauschte zur Türe hinaus, ohne ihren Gatten noch eines Blickes zu würdigen. — Wangenheim war verstimmt; er saß eine halbe Stunde bei seiner Zi garre, dann begab er sich in Susis Zimmer, um mit ihr Frieden zu schließen. Aber sie war nicht da, sondern hatte sich in ihr Boudoir eingeschlossen und gab ihm keine Antwort, so oft er auch rief und bat. Da entschloß er sich, nach Sonnenberg zu fahren. Der Tag war ihm nun schon verdorben, und er wollte mal mit Susis Vater ein Wort reden und ihn um Rat fragen. — In Hans Sonnenberg herrschte Gcwittcrstimmung. Ter Hauptmann ging mit dröhnenden Schritten im Zimmer auf und ab und trank trotz des ärztlichen Verbotes ein Glas Notspohu ums andere. „Was ist denn los?" fragte Wangenheim »ach der ersten Begrüßung. „Du scheinst mir ein wenig erregt zu sein, was?" „Da soll einer nicht zornig werden," rief Sonnenberg. „Solch ein Skandal! Schämen muß ich mich vor der ganzen fendaleu Gesellschaft! Blamiert bin ich vor der ganzen Welt!" „Aber was ist denn geschehen?" Sonnenberg blickte ihn zornig an. „Kommst du vielleicht etwa ans Hinterindien oder Lappland?" rief Herr v. Sonnenbcrg. „Du weißt gar nicht, was geschehen ist? — Schöne Ge schichte! — Da lieS! . . ." Ec deutete auf eine große Zeitung der Residenz, die entfaltet auf dem Tische lag; ein größerer Artikel war mit Bleistift angc- strichen. Wangenheim nahm das Blatt und las. „Einen glänzenden Sieg auf dem Gebiete des Autosportes hat ein junger, energischer Industrieller unserer Stadt errungen: Erich Sonnenberg, der vor kurzein hier eine Fabrik ge gründet hat. Bei dem internationalen Wettrennen in Frankfurt hat er mit seinem vierzylindrigen Wagen „Apollo" den ersten Preis in der Schönheits- konknrrenz und den zweiten in der Distanzfahrt gewonnen. Damit dürfte der einheimischen Industrie ein neuer Ausschwung in Aussicht stehen, zumal bei Herrn Sonnenberg bereits zahlreiche Bestellungen eingelaufen sind." Es folgte daun noch eine längere Ausführung, in der die eigenartigen Familienvcrhältnisse berührt waren, und zum Schlüsse folgte, die Bemerkung, daß der Landesfürst die Sonnenbergsche Fabrik besichtigt, sich sehr rühmend ausgesprochen und einen Wagen zu seinem Privatgebrauch bestellt habe. — Haus Sonnenberg. 29