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Tie Ordenöleute waren vertrieben, ihre Güter eiugezogen; die Religion war sozusagen verbannt. Das Kruzifix war aus den Schulen, aus den Spitälern entfernt, die Bischöfe wurden vor die Berichte geschleppt, der Klerus dem Militärdienst unterworfen, die Ehescheidung energisch wieder eingeführt. Mit Hilfe der französischen Bischöfe begann Leo XIII. das RestaurationLwerk der Kirche in Frankreich. Am x. Februar sendet er an den französischen EpiS kopat die Encyklika: „Xobilinnimn (In. II «rum nn^. In diesem Schreiben hebt der Papst rühmend den Anteil hervor, welchen Frankreich an der Zivilisation und der Verbreitung des Glaubens hat; er fordert die Familien väter ans, ihren Kindern eine religiöse Erziehung zu geben, weist ans die Vorteile hin, welche für den Staat aus dem guten Einvernehmen der weltlichen und kirchlichen Macht erwachsen, und fordert Klerus und Volk zu Eintracht und Frieden auf. Dieses Schreiben blieb selbst auf die französische Regierung nicht ohne Eindruck. Dieselbe schien auch an fänglich von der systematisch betriebenen Kirchenverfolgung Massen zu wollen. Aber leider ist in Frankreich, wie in Italien, in der Gesetzgebung die Freimauerei maßgebend. Fin Jahre 1000 schien eine neue Verfolgung der Kirche losznbrechen. Die Orden und religiösen Kongregationen wurde» vertrieben, ihre Güter eiugezogen. Ja, man glaubte sogar, der diplomatische Verkehr zwischen dem heil. Stuhle und der Regierung würde unterbrochen werden. Doch Leo XIII. verstand es auch diesmal wieder, die Gefahr zu beschwören. In jüngster Zeit jedoch sind am katholischen Himmel Frankreichs wieder schwere Wolken aufgezogen. Die liberale französische Regierung hat durch Erlas; des neuen Vereinogesetzeö einen Schlag gegen die katholischen Ordenöniederlassnugen geführt, dessen Folgen zur Stunde sich noch nicht übersehen lassen. Durch gewaltsame Schließung der von diesen Kongregationen unterhaltenen Schulen sind nicht weniger als 150 000 Kinder und 5,000 Lehrer und Lehrerinnen auf die Straße gesetzt. Alle Anzeichen deuten darauf hin, daß die von dem Kabinet Waldeck Rousseau begonnene und vom Kabinet EombeS fortgesetzte kircheu- feindliche Politik ihren Höhepunkt noch nicht erreicht hat, ans welchem Grunde mit Leo XIII. wohl die von ihm ein genommene abwartende Stellung auch jetzt noch nicht auf gegeben hat. *1 Siehe Nr. N8 und NN der „Sächs. Volkszcitung". Am traurigsten war eü »vohl bei der Thronbesteigung Leos XIII. mit der kathol. Kirche in Rußland bestellt. Alexander II. verfolgte dieselbe anfü Grausamste, dabei weder Hinterlist, Gewalt noch Heuchelei verschmähend. Glaubenstreue Bischöfe und Priester wurden in die Ver bannung oder ins Gefängnis geschleppt, alle Kirchen, Klöster und Seminare geschlossen. Die katholischen Land« lente wurden mit Einquartierung. Aussaugung und Miß handlungen jeder Art fast zur Verzweiflung getrieben. Viele Gläubige sind mit der Knute zu Tode gepeitscht, andere von Kosaken niedergeschossen worden. Vergebens bat der Papst um Schutz der russischen Katholiken, seine Schreibe» blieben ohne Antwort. Leo XIII. hatte dem Zaren seine Erwählung zum Papste mitgeteilt, sei» Schreiben wurde jedoch kaum beantwortet. Auch die ver schiedenen päpstlichen Glückwunschschreiben anläßlich zahl reicher Attentate auf den Zaren blieben ohne Antwort. Trotzdem behielt Leo XIII. guten Mut. Und als Alexander II. IttkO sein 25, jähriges NegiernngSjubilänm feierte, schickte er den Jnternnntius von Wien nach St. Petersburg, um dem Zaren seine Glückwünsche zu übermitteln. Seine Zuversicht hatte ihn nicht getäuscht, bald sandte Alexander II. seine beiden Söhne Sergius und Paul nach Rom, um den diplomatischen Verkehr zwischen Rußland und den hl. Stuhl wieder anznbahnen. Bald nachher trug der Draht die Knude von der Ermor dung Alexgnders II. durch die Welt. — Eine schreckliche Mahnung der Fürsten, daß. wenn der Altar mit Füßen getreten wird, das Leben der Fürsten auch nichts mehr gilt. Leo XIII. beeilte sich, der kaiserlichen Familie sein Beileid auszndrücken. Alexander III. folgte seinem ermor- deten Vater auf den Thron; unter ihm begann die reli giöse und politische Lage in Rußland eine andere Richtung zu nehmen und der Verkehr mit dem heil. Stuhle sich freundlicher zu gestalten. Gleich in den ersten Tagen seiner Thronbesteigung bekundete er den Wunsch, den Per- kehr mit dem heil. Stuhle wieder aufzunehmen. Die russische Negierung fing au, die Bischöfe »nieder in Freiheit zu setzen. Nach dem Besuche Giers im Vatikan kam es endlich zu einem Vertrage zwischen der russischen Regierung und dem heil. Stuhle. Infolge dessen wurden die Bischöfe begnadigt, eine russische Legntio» beim heil. Stuhle er- richtet, die katholischen Pfarreien mit Priestern versehen und endlich der russischen Bevölkerung die Freiheit gelassen, derjenigen Kirche anzngehören, welcher sie angehören wollte. Freilich wurde von russischer Seite aus der Vertrag nicht immer respektiert. Und auch heute noch, obschon die Ver- hältnisse sich gegen früher wesentlich verbessert habe», seufzt die katholische Kirche unter dem Drucke der Bureankratie und der schismatischen Wühler. Ein heimtückisches Leiden verkürzte die Tage Alexan ders III. Ihm folgte sein Sohn Nikolaus II. auf den Thron, dessen ehrliches Strebe» eö war, den freundschaft lichen Verkehr mit dem hl Stuhle fortzusetzen. Im März 1G>7 ernannte er seinen diplomatischen Geschäftsträger in Sofia zum Gesandten beim hl. Stuhle. Seit jener Zeit erfreut sich die katholische Kirche in Rußland, »venu auch nicht eines vollen Friedens, so doch einer besseren Lage. Was die Beziehungen Italiens znm hl. Stuhle angeht, so sind diese die denkbar schlechtesten. Zu weit würde eö führe», hier auf die unzähligen Ungerechtigkeiten, Bedrückungen und Schändlichkeiten näher einzngehen, die der hl. Stuhl von der räuberischen italienischen Ne gierung seit de» Tagen deö Einbruchs der italienischen Soldateska in die Porta Pia zu erdulden hatte. Was seine Vorgänger gewesen, ist auch er bis zur Stunde ge blieben. ein Gefangener im eigenen Palast. Und dieser infolge der Beranbiuig Roms durch die Piemontesen geschaffene unwürdige Znsland besteht in seiner Unerträg lichkeit nngeschwächt fort bis anf den heutigen Tag. Nach dieser Richtung hat auch Leo XIIl. bisher nichts erreicht, »venu er auch den protestierenden Standpunkt seines großen Vorgängers nnentwegt aufrecht erhält, »veil er die volle Freiheit des Papsttums behindert sieht, so lange die weltliche Macht nicht wieder hergestellt ist. In seinem ersten Rundschreiben sagt er diesbezüglich: „Was Uns aber, Ehrwürdige Brüder, antreibt, diese Wiederher stellung zu fordern, ist weder Ehrgeiz noch Herrschsucht, sondern die Rücksicht anf unser Amt und die religiösen Bande des Eides, die Uns dazu verpflichten; und außer dem nicht bloß deswegen, »veil diese weltliche Herrschaft notwendig ist, um die volle Freiheit der geistlichen Gewalt zu schützen und z» bewahre», sondern auch »veil es außer allem Zweifel steht, daß, »venu eö sich um die weltliche Gewalt des apostolischen Stuhles handelt, das öffentliche Wohl und Heil der gesamten menschlichen Gesellschaft zu- gleich mit in Frage kommt." Bon diesem »veitsichtigen universellen Standpunkt ans fordert Leo XIII. die Lösung der römischen Frage. In der bestimmten Form hat er mit weisen» Eifer seine Proteste und Erklärungen erneuert und sie so im Vordergründe des Weltinteresjeö zu palten gewußt. Durch die Wiederherstellung der Freiheit und durch die herbeigeführte Hebung der Würde des Papsttums hofft Leo XIII. zugleich auch die kirchliche Eintracht zu stärken und die Verbindung der Glieder mit dem Haupte, der Söhne mit dem Vater mehr und mehr zu kräftigen. Die Skandalpresse hatte goldene Tage. Die schimpfliche Flncht der Prinzessin Luise mit dem Abenteurer Giro»» »vor für sie ein Hoch genuß. Von allen Seiten wurde dieser Knochen von der gierigen Mente benagt. Die „Allgewalt der Liebe", daö „absolute Recht der freien Persönlichkeit", „jesuitische Um triebe", „gehetztes Edelwild", die „bigotte Umgebung", der „goldene Käsig", das „gequälte Mntterherz" nsw. ns»>. — was ließ sich mit diese» Romanphrasen ans der Leih bibliothek doch für ein herrliches Ragout in pikanter Sauce mischen und kochen znm Entzücke» und wonnigen Gruseln Hin GolSfieber. Ein Roman auS dem Kapland. Von Krtch Friesen. <:>!«, ffortsrtzuiig) (Nachdruck verbaten.» „Ich reise nach Kapstadt zu meinem Panl!" „Irene!" Wie ein Jubelschrei ringt es sich von Lady Elisabeths Lippen. Ihre diuiklen Augen strahlen. Mit einer impul siven Bewegnug zieht sie Irene an ihre Brust. „O mein Kind, mein liebes Kind! Du »veißt ja nicht, wie glücklich ich bin! Und nun geh', geh', damit Du »licht das Schiff verpassest! Und grüße mir Deine»» Panl! Ich bin ebenso fest »vie Du von seiner Unschuld überzeugt. Geh! Geh! Gott segne Dich!" Noch eine herzliche Umarmung, ein Kuß — inniger, als die beiden Kusinen ihn je zuvor gewechselt — und Irene eilt davon, dem Hafen zu. Ihre kleine Reisetasche hat sie schon früher nach dem Schiff schaffen lassen. Sie will nicht, daß man im Hotel ihre Abreise bemerke. Sie kommt gerade im letzten Augenblick. Scho»i »vird der Anker in die Höhe gezogen. Noch wenig Minuten — und pustend und schuaufeud setzt der Dampfer sich in Bewegnng. „Gott sei Dank!" murmelt Irene vor sich hin. „Morgen bin ich bei meinem Paul!" Da legt sich eine Hand auf ihren Arm. Sie fährt herum. Vor ihr steht Lord Roberts. „HenryI" ruft sie erschrocken. „Ja, liebe Irene. Ich kann Sie doch nicht allein fahren lasse»». Kommen Sie hinab in den Salon! E» »vird kühl." Schweigend nimmt sie seinen Arm und läßt sich von ihm hinuntergeleiten. XIII. Am folgenden Nachmittage läuft der Dampfer mit Lord Roberto und Irene in den Hafen von Kapstadt ein. Das langgestreckte Plateau des Tafelbergs, die er habene „Tafel", hat sich mit dicken Wolkentücheru gedeckt. Weit flattern ihre gefransten Zipfel hernieder über die Felskauten .... Ein kräftiger Südostwind, Kapstadts ganz besondere Spezialität, braust daher, riesige Staubwolke», untermischt mit Kieselsteinen, vor sich her treibend. Das kracht und stöhnt und Pfeift und rumort, daß einem Hören »ud Sehen vergeht. Die braven Kapstädter sind au diesen rauhen Geselle» gewöhnt. Den Kopf in dicke Tücher eiugepackt, so daß nur die Nasenspitze herauSguckt — so stemmen sie sich gegen seine Gewalt; oder sie lassen sich von ihm treiben, wohin es ihm beliebt. Irene atmet auf beim Anblick deö wohlbekannten Wolkenzipfels des Tafelbergs. Dav Toben deö Nordost- Windes erklingt in ihrem Ohr »vie lieblichste Musik. „Ich bin ihm wieder nahe, meinen» Paul!" jubelt ihre Seele, „er ist nicht mehr allein!" Während der ganze»» Schiffahrt haben Lord Roberts und sein Mündel nur die notdürftigsten Worte miteinander gewechselt, wenn sic nicht durch die gemeinschaftlichen Mahl zeiten zu kouventiouelleu Gesprächen gezwungen waren. Lord Roberts saß beständig hluter seinen Zeitungen, anscheinend eifrig in die Lektüre vertieft. Irene hingegen spazierte unnnterbrochen auf Deck anf und ab oder sie lag in einem der bequemen .Korbstühle, gedankenvoll ins Weite starrend. Eine Vision hält sie völlig in ihrem Banne: sic steht ihren Bräutigam vor sich — ent- ehrt, im Gefängnis, ausgestoßen aus der menschlichen Ge sellschaft .... Sie hört, sie fühlt, sie sieht nichts anderes mehr. Und jetzt wieder in Kapstadt! Gott sei Dank — sie ist ihm nahe! Sie kann ihn trösten, kann ihm helfen! Als Irene den schmalen, vom Schiff nach dem Fest land führenden Steg betritt, eiupsäugt sie bereits der be rüchtigte Nordostwind mit einem ganzen Wurfgeschoß hasel- nnßgroßer Kieselsteine. Der Atem vergeht ihr fast. Mechanisch läßt sie sich von Lord Roberts in einen Wagen heben. Da er keine Anstalten macht, mit einznsleigen, fragt sie etwas verwundert: „Und Tie? Kommen Sie nicht mit »ach Hanse?" „Nein, Irene", erwidert er kühl. „Sie fahren allein nach meiner Wohnung. Ich logiere im Masouic Hotel." Noch einmal regt sich in Irene das frühere herzliche Eiilpsinde» gegen de» Man» da vor ihr. „Muß eü sein?" fragt sie ernst, ihm die Hand ent gegenstreckend und ihre großen, schönen Angen voll zu iym aufschlagend. „Kann nicht alles bleiben wie bisher?" Er schüttelt den Kopf. „Nein, Sie kennen meine Bedingungen, Irene. Ent sagen Sie Ihrem Bräutigam — und alles bleibt beim alten." Seine Stimme ist zum Flüsterton herabgesunkeu. Seine Augen tragen wieder jenen eigentümlichen Ausdruck, der Irene schon einmal erschreckte und zugleich verletzte. „Unmöglich", erwidert sie fast schroff. „Darf ich frage», waö Sie zunächst i» der Angelegenheit zu tun gedenken?" „Mit nieiuent Rechtsanwalt sprechen und daun die Sache den» Gericht überliefern." Damit schließt er den Wageuschlag, zieht tief den Hut und tritt zurück. Der Wagen rollt davon. Die Dienerschaft in „Villa Eden" ist nicht wenig er staunt, Fräulein Morrison allein zurückkehren zu sehen. Irene erklärt, so ruhig »vie es ihr möglich ist, Lord Roberts und Lady Elisabeth seien »och ans der Reise auf- gehalten »norden; doch würden beide bald znrückkouiuien. Man möge für sie selbst Essen bereit halten etwas ganz Einfaches, sie habe keinen Hunger. Die Dienerschaft knixt. »Fortsetzung folgt).