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Sächsische Volkszeitung : 07.07.1921
- Erscheinungsdatum
- 1921-07-07
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-192107073
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19210707
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19210707
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1921
-
Monat
1921-07
- Tag 1921-07-07
-
Monat
1921-07
-
Jahr
1921
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 07.07.1921
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Donnerstag den 7. Juli 1921 Sächsisch« »oH»z«tt«ng > Nr. 1Ü4. «eite » Seide», besonder» «it Rücksicht aus di« schwanken!»» deutsche Va luta. Er ist heute nicht die Ausgabe, das Reparation-Problem allgemein in jeder Einzelheit besonders zu erörtern. Zunächst ist die Frage zu beantworte», wie wird di« Summe in Gott»- mark geschaffen werden, die wir auf Grund des Ultimatums ab- lirsern müssen? Darüber wird sich doch alle Well klar sein, das, jede Reparationspolitik .ind jede Steuerpolitik ad absurdum geführt werden muh, wenn die Ma^t dauernd stürzt. (Sehr richtig! Einschränkung der NotenpressL!) Die Einschränkung der Notenpresse ist auch besonders schwichig mit Rücksicht ans die Schwankungen unserer Valuta. Die ersten Jahre wird man mit einer Papiergeldbelastung aus Grund des Ulti matums in Höhe von <2 Milliarden rechnen muffen. Dazu kommen dann noch die Kosten der Besaitung. Unter der Voraus setzung. daß der Geldwert im Innern eine gewisse Stabilität erreicht, wird sich der Bedarf für die Besatzungskosten aus 46 bis 4b Milliarden stellen. Für den anßerordentl'chen Etat bleiben zur Er füllung des Friedensvertrages etwa b Milliarden, die übrigen 21 Milliarden werden auS oem ordentlichen Haushalt übernom- men. Wie soll iinn die Deckung erfolgen? Man könnte daran denken, neue Wege der Besteuerung zu gehen, und sie sind teilweise ja in der Oesfentlichkeit, be sonders auch in den Zeitungen, erörtert worden. Diese Erörie- rungen halte ich für sehr wichtig. Es ist aber gerade bei den Steuern eine gewisse Kontinuität von außerordentlicher Wichtigkeit. Deshalb wollen wir zunächst auf bekannten Wegen zum Ziele zu gelangen versuche». Was die direkten Steuern, die sogenannten Vcsihsteuern. anlangt, so handelt eS sich um folgendes: Wir müssen zunächst sehen, aus unserer neu- geschaffenen Einkommensteuer möglichst hohe Erträge herauszu holen durch eine Verbesserung der Steuertechnik, der Erhebung und der Kontrolle. Zu den Besitzsteuern kommt eine starke Erhöhung der Körperschastssteuer, eine Besteuerung der Versicherung und ein Ausbau der Steuer auf Kraftfahr zeuge; ferner: Ausbau der Zuckersteuer, der Tabaksteuer, der Biersteuer, Abänderung des Branntweinmonopols und Er höhung der Zündwarensteuer. Eine Hebung des Ertra ges des Reichsnotopfers ist unbedingt erforderlich. Als man das Reichsnotopfer einführte, Hai der Grundgedanke schon vorher den Ausschlag gegeben, daß der ganze Besitz Opfer dringen soll nach Maßgabe seiner Leistungsfähigkeit. Die ein getretene Entwertung der Mark ist der Grund, weshalb orr Grundgedanke des NeichSnotopferk durchaus nicht allenthalben erreicht wurde. Die Besitzer von Realvermögen sind bei weitem nicht so hoch belastet, wie die Besitzer von Papiervermögen. (Sehr richtig! links.) Ein Ausgleich muß gefunden werden durch »ine neue Beianlaqnng deS NetchsnotopferS unter Berücksichtigung der eingctretenm Verschiebungen. An dererseits ist aber zu berücksichtigen, daß auch eine Steigerung de» Geldwertes in Frage kommt. Darum muß durch eine perio disch wiederkehrende Veranlagung des ReichSnotopferS ein be weglicher Faktor geschaffen werden, der der Veränderung des Geldwertes Rechnung tragt, lieber di« Grundgedanken d:S Reichsnotopfers darf ich noch einige Sätze hinzufügen. DaS ReichSnotopfer belastet das abgabepflichtige Vermögen mit zehn Prozent. JesH soll zu einem bestimmten Termin eine Ver mögensabgabe erhoben werden, die von Jahr zu Jahr neu zu veranlagen ist. Die Veranlagung soll sich also den jeweil'aen tatsächlichen Verhältnissen anpaffen. Jedenfalls werden wir bei Vorsichtiger Schätzung auf einen Ertrag von 7—8 Milliarden Mark jährlich rechnen können. Der Gedanke der Beteiligung auch der Industrie am Notopfer unterliegt zurzeit der Erörte rung. Es ist vorgeschlagen, einen Teil der Dividende der Jndu- ftricgesellschaften dem Reiche znzuführen. Der offenbare Vor teil des Vorschlages liegt daran, daß er dem llnternehmen keine flüssigen Mittel entzieht. Weiter kommt in Frage in diesem Zusammenhang die Besteuerung des Vermögenszu wachses. Der im Kriege entstandene BrrmögenSzuwachs ist erfaßt worden. Es erscheint nun geboten, den seit dem 30. Juni 1919 oder wenigstens den seit dem 31. Dezember 1919 ent- standenen Vermögenszuwachs, den sogenannten Nachkriegsge- winn, durch eine Umlage zu erfassen. Geschont werden soll der «uk Ersparnis beruhende Vermögenszuwachs. Eine sehr bedeu tende Vermehrung der Einnahmen aus der Besitzsteuer erwarten wir durch eine Verbesserung der Steuererhebungstechnik. Bei der Einkommensteuer erwarten wir allein ans einer sorgfältigen Nachprüfung und Veranlagung ein Mehraufkommen von acht Milliarden. vorauSges-tzt, daß unser Wirtschaftsleben keinen weiteren Störungen auSgesetzt wird. Was den Ertrag der ge planten Reformen anlangt, so ist die Schätzung mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden. Dte Schätzungen können nur rohe sein. Bei einer nur ganz geringen Vermehrung der Kohlen steuer um k Prozent rechnen wir auf ein Mehraufkommen gegen über dem Etat von etwa 32—38 Milliarden Mark. Die Schätzun gen gehen etwas auseinander. Pessimistische Schätzungen neu- neu 80 Milliarden. Dabei ist die Kohlensteuer immer nur mit einer sehr mäßigen Erhöhung angeseht. Eine vorläufige Heber« sicht über die finanzpolitische Wirkung der Durchführung der Steuergesetze ergibt etwa 86 Milliarden Mark Steuereiniiahmr im ganzen. Sächsische Volkszeitung — Nr. 184 — 7. Juli 1921 Der Gänsebub Fränkischer Dorsroman von Dina Ernstberger sNachdrnck verboten) svl. Fortsetzung) „Noch nicht. Mutter. Bald werde ich es ihr sagen. Du solltest die Erste sein, die von meinem Entschluß weiß/' ..Jetzt will ich gern sterben. Ich weiß, Marianne wird dich glücklich machen. Wenn ich da droben etwas für dich tun kan», dann wird dir viel Glück und Segen nach werde», Joseph!" Liebkosend strichen ihre Finger über seine Hand; ein glück licher, zufriedener Ansdruck zog wie ein Sonnenstrahl über ihre leidenden Züge hin, dann schloß ge erschöpft die Angen. Ganz stille wurde eS letzt in der Krankenstube: mit glücklichem, fried- vollem Lächeln war die alte Frau eingeschlnfen. Vorsichtig, da mit er die Ruhr der Schlummernden nicht störe, zog Joseph seine Hand zurück. Tief bewegt llieb er noch eine Zeitlang am Krankenbett stehen, dann verließ er still das Zimmer, um Ev oder Marianne zur Wache an das Krankenlager zu rufen. Langsam senkte sich die Dämmerung der heiligen Nacht ernieder. Joseph hielt eS nicht mehr länger aus im Hans, sein erz war voll §um Zerspringen; eS zog ihn mächtig hinaus in da? stille, nächtliche Schweigen. Durch die kleinen Fenster der niederen Bauernhütten drang schwacher Lichtschein auf die men schenleere, verschneite Straße; kein Laut eines lebenden Wesens war hörbar.,— Ein Sternlein nach dem anderen blitzte auf, bald erstrahlte in geheimnisvoller Pracht der klare Sternenhimmel der Dezembernacht. — Welt ab von dem unsteten, rastlosen Treiben der Stadt lag in friedlich stiller Ruhe das kleine Dorf da — einsam und weltentlegen inmitten de- Zaubers einer ster nenhellen Winternacht. Joseph war allein weit in der Runde. Gedankenversunken Papste er weiter und weiter durch den tiefen Schnee. Da durch» zitterte plötzlich da» leise Klingen «ine» GlöckleinS die Lust. Hor chend blieb er stehen; das kam vom kleinen ForstbauS dort am Waldessaum. — Er kennt die» ferne, süße, fromme Klingen. Heilige, stille NachtI Ein seltsam, sonderbar Gefühl er faßte da fein müde» Herz; ein süß Erinnern weckte der seine Glockenton, der Helle Lichtschein, der durch» Fenster auf di« Straße fiel und Weibnachtsfreude ihm verriet. Er blickt« empor Dies« Rechnung«, find so vorsichtig ausgestellt, tHSrtk Hört») daß man mit «tnem höheren Ertrag rechnen kann. Der Ertrug kann sich um die 106 Milliarden herum beioegen. Das find rund 16 Milliarden Goldmark. Bei den Steuereinnahmen und bei dem Daverbedarf der nächsten Jahre ergibt sich ein» nicht unwesentliche Spannung, die ausgeglichen werden muß. indem die Kohle, soweit möglich, nutzbar gemacht wird für die Zwecke dek Reiches. Dazu treten die Frage der Exportabgabe und die Frage der Spannung zwischen dem Jnlandswerte und dein Aus landswerte der deutschen Mark. Wir werden zu dieser Lösung einen Weg finden müssen. Es muß erwogen werden, diese Steuerreserve für das Interesse des Staate» ausznnutzen. Vor- bereiinngen über die verschiedenen Möglichkeiten der Kohlenwirt- schast sind im Gange. DaS höchste Maß soll hcrauSgeholt wer den. das ohne Störung möglich i. «Lachen rechts.) Ich bin mir sehr wohl bewußt, daß über dte Kohlenfrage heute ein ab schließendes llrteil überhaupt nicht gefällt werden kann. ES handelt sich hier nur um eine grundsätzliche Stellungnahme dar über, ob man ohne die Lösung dieses Problems weiterkommen kann. Es muß weiter die Frage aufgeworfen werden: Wie Wird in großen Ilmriffen nach Durchführung dieses Stenerpro- gromms die steuerliche Belastung Deutschlands sich gestalten? Welches Bild wird das Gesaiiilstenersystein bieten. Nach einer vorsichtigen und vorläufigen Schätzung werden sich die laufenden direkten Stenern insgesamt für die nächsten Jahre au' 46Milliarde» Mart belaufen. Dazu treten die Ergeb nisse ans der Kriegsabgabe und der Besteuerung der Kriegsge winne. Bei den indirekten Stenern sollen sich 30,25 Milliarden Mark ergeben. Insgesamt würden 'ich 5414 Prozent des ge samten Stcnererlrages ans direkter Besteuerung, 7 Prozent auf di- entbehrlichen Genußmittel und 8814 Prozent ans allen übri gen Steuern ergeben. Dazu kommt, daß zu der Belastung des Besitzes die Länder und Gemeindrn noch Nachtrags?:.niern er heben können. Dte Finanzverwaltnng hat daher alles daran- gesetz, um die Lasten gleichmäßig zu verteilen. Der soziale Ge sichtspunkt ist maßgebend gewesen, ober auch die volkswirtschaft liche Tragfähigkeit ist berücksichtigt worden. Die Minder bemittelten sollen geschont werden. DaS Steuerprogramm steht jetzt erst in großen Umrissen da. Im einzelnen wird die Beratung in den nächsten Wochen im Reichskabineit zeigen, wie weit diese Vorgänge Ihnen zuzu führen sind. Die Entscheidung wird im einzelnen schwer sein. Unser Ziel muß dahin gehen, daß wir auch den Neparationsetat, soweit Menschenkraft das vermag, in Ordnung bringen, selbst wenn wir sehr »rohe Stcucrsummcn anfbringen müssen. Wir haben das größte Interesse daran, daß unser Finanzwesen aut eine verhältnismäßig gute Basis gestellt wird. Wir haben den Willen dazu. Wir wollen die ganze Kraft des deutschen Volkes ernsthaft auf die Lösung dieser Aufgabe einstellen. Wir wollen bereitwillig an die Arbeit geben, um das Steuerprogramm .gnszubanen. Diese Arbeit muß aber getrc>ben sein von gewissen Voraussetzungen. Die liegen in einer pfleglichen Behandlung des deutschen Volkes als StaalSwesen und der denischen Wirtschaft als Grundlage. Die Garanti-'kommissicnk hgt un§ nun eine No'e überreicht, in der sie darauf hinweist, daß für hie Festigung der Va luta maßgebend sind da? Gleichg:wicht des Budgets und die Einstellung der Ausgabe von ungedeckten Banknoten. Sie hob hervor, daß es dazu durchgreifender Reformen bedürfe. Die Be dingungen würden abgeändert werden, wenn ein dükchgreifeir. des Neformprogramm ausgestellt würde. Der Sinn dieser Br« Häuptlingen ist klar und eindeutig. Er enthält eine Warnung und eine Aufforderung an das deutsche Volk und seine Vertre tung. durchgreifendere Reformen als die bisherigen vorzunehmen. ES wird unS niemand übel nehmen, wenn wir fragen, ob nun auch von der Seite, die der Kommission nabe sicht, jetzt radikale Reformen znm Duicktbrnch kommen, ob jene Pressionen beseitigt werden, die große Wunden in unsere Volkswirtschaft seit Mo naten schlugen. Es ist etwas geschichtlich Merkwür diges, daß man »ns große Reformen zuschiebt, während im Weste» die Sanktionen und Pressionen den deut schen Volkskörper schwächen. (Lebh. Zustimmung.) Das Loch im Westen ist wieder geöffnet worden für Tausende und Aber tausende von Schieberwaren, die hercinströmen. Wäre eS nicht notwendig, daß man, wenn man einem Volkskörper derartig gigantische Laste» znmutet, sich bemühe, die wirtschaftlichen Wun den zu schließen? Wad für die Sanktionen gilt, gilt in erhöh tem Maße auch für Oberjchlesien. Dem dentschen Volke werden Lasten auferlegt, wie sie die Welt noch nicht gesehen hat. Dann müssen aber die Alliierten den aufrichtigen Willen haben, die Pressionen von uns zu nehmen, die armselige Quäle rei unserer Volkswirtschaft sind. Ohne dieses Ent gegenkommen können die heroischen Opfer nicht gebracht werden. ES muß hier eine mittlere Linie gefunden werden. Wir stehen vcr einer gigantischen Arbeit, vor einer Riesenaufgabe. Die Regierung muß getragen werden von einem inneren Impuls. Dieser Impuls und Wille ist vorhanden, aber die Politik der Sanktionen der letzten Monate war geeignet, über jede freu dige Arbeit geradezu einen Mehltau der Erschlaffung und Läh mung zu legen. Will man die Befriedung Europas, soll Deutsch land an der Wiedercmfrichtung der europäischen Wirtschaft teil nehmen, dann gebe man dem ehrlichen Spieler freien Raum zum blitzenden Sternenzelt hoch über ihm — der alte, süße Glaube seiner Kinderjahre, den ihm die Mutter einst ins Herz gepflanzt, den er als munterer, froher Knabe andachtsvoll im Herzen trug und dann als Mann im heißen Lebenskampf vei ler; ihn weckte wieder jener leise Glockenton zu neuem Leben. Vcr seinem Geist erstehen plötzlich die Bilder seiner eigenen Kindertage Er sieht sich im Geiste als munteren Knaben jauchzend unter dem Ehristbanm stehen, seinen bunten Würfel krampfhaft im Arme haltend; er fühlt noch heute nach so vielen, langen Jahren die freudige, bange Aufregung, die stets sein Kindcrherz erfaßte, wenn die heilige Nacht hereinbrach und die Lichter sich entflammten, wenn endlich leis ein feines Glöcklein an den Fensterladen schlug und er, durchzuckt von seliger Freude und heilig frommem Schauer, sinchtäbnlich mit dem Bruder in die Kammer stürmte, um dort 'aut betend anf das Läuten der Ele- lein, de» schweren Schritt des fürchterlichen PelzmärtelS und auf den flüchtigen Tritt der Mutter, die zur Bescherung rief, zu bar chen. — Dann wieder sieht er sich erwachsen schnell znm jungen Mann. Die Jugend floh! Fern von der Heimat und dem El ternhaus lernt er der Kindheit WeihnachtStranm vergessen; verc- gesscn auch die frommen, andächtigen Gefühle, die ihm der El tern gute Lehren einst ins Herz gelegt; die mit ihm gingen, als er auszog aus dein Vaterhaus und die er in der Fremde dann verlor. Rinaend im heißem Lebenskampf Überbörte er fortan der Weihnachtsglocken trauten, ahnungsvollen Gruß; der Weih, nachtsfriede war ihm fern! Nun hörte er einmal wieder Weib- nachtsglocken läuten. Sein Herz ist schwer. Statt Weihnachts- lichter sieht er Totenkerzen flammen; bald wird er an der To tenbahre seiner Mutter stehen. Es faßte ihn plötzlich wilde Angst; wie? — wenn si« stürbe, während er hier träumend durch die Felder wandert. Ein liebevoller Blick traf das gramdurchfuechte, lcidenvolle Antlitz in den Kiffen; was gab er doch darum, könnte er sich saaen, daß er an jenem herben Linien, die das Schicksal ins Gesicht der Teuer» dort gegraben, so ganz unschuldig sei. Leise klopfte eS an die Türe; Peter stand draußen, er Wall- te Joseph heim zu kick; zur Bescherung seiner Buben holen. Jo seph dankte er konnte in dieser Stimmung den Jubel der Kin der nicht hören. Er ging in das Nebenzimmer und öffnete ba stenster; sein Kopf brannte. Wie eine Wohltat fühlte rr di« eisig klare Lust. Da horchte er plötzlich auf. Laut, so laut, al» stllte eS da» Christkind bis hinauf in den Himmel hören, schrien drüben im Flickschusterhau» Heinele und Seppele da« Vater unser immer und immer wieder hinan«, al» gälte e». de» Christ zur Betätigung feiner wirtschaftlichen und geistigen Kräfte. Mi« haben de» ehrlichen Willen. Wir erwarten nun die Antwort von der Gegenseite, «ine aufrichtige und rasche Antwort auf di« großen schwebenden Fragen und Angelegenheiten über die Sank tionen und Oberschlesien." Für das Zentrum erklärte der Abg. Trimborn da» Einverständnis seiner Freunde zu den Worten des Reichskanzlers über die Sanktionen und Obersch leiten. In» übrigen erwartet er die Vorlage der einzelnen Steuergesetze, in deren sorgfältige Prü fung dann cmgetreten werden soll. Eine vorzeitige Debatte dar- über sei unangebracht. Wie sehr der Zentrumssührer darin Recht hat, beweisen die Ausführungen des nächsten Redners, des dcutsch- nalionaleu Abgeordneten Dr. Helfferich. Seine probozicrcnde Art reizt die Linke. Minutenlanger Lärm läßt ihn nicht zu Worte kommen, alle seine Versuche scheitern zunächst an dein Tosen der Linksparteien. Präsident Bell versucht Ruhe zu schaffen. Es gelingt ihm aizf den ersten Anhieb nicht. Die Linke fordert, daß Helfferich nicht weiter spreche. Sie brüllt jeden Versuch deS Red- ners, in seinen Ausführungen fortzufahren, nieder. Wenn die Steuerdebatten in diesem Geist auch in Zukunft weitergeführt werden sollen, dann fragt man sich vergeblich, wie das schwere Werk gelingen soll. Endlich kann Herr Helfferich zu Worte kom men. Er setzt sofort mit rein sachlichen Ausführungen ein, den» er mochte wohl selbst gemerkt haben, daß seine allgemein politischen Belehrungen keinen Boden fanden. Was Helfferich brachte, war Kritik, nicht einen einzigen positiven Gedanken, wie in der Tat die große Aufgabe in die Wirklichkeit umgesetzt werden soll. Er be rechnet noch einmal die Belastung des deutschen Volkes. Er versucht nachzuwcisen, daß die Einnahmen, die der Reichskanzler genannt hat, nicht ausreichen werden, uni die erforderlichen Summen ans- zubringen. Seine ganze Rede ist eingestellt auf die eine Idee, daß da? Ultimatum unerfüllbar sei. Warum soll man sich also den Kopf zerbrechen, wie es erfüllt werden kann. Dazu wird sich doch ein Helfferich nicht hergeben. Ihm folgt in der Rednerreihe der mehrheitssozialdemokratische Abg. Keil. Die Unruhe und Er regung klingt nunmehr auf der Rechten Wider. Lärmende Zwischen rufe fallen, aber Herrn Keils kraftvolles Organ weiß sich durch- zusetzen. Er stimmt ün allgemeinen den Ausführungen des Kanz- lers zu. Für die Deutsche Volkspartei spricht der Abg. Becker- Hessen, der das Ultimatum einfach für unerfüllbar hält, sich aber im Namen seiner Partei zur Mitarbeit bereit erklärt. Abg. Kci - nath (Dem.) schließt sich dem Protest gegen die unrechtmässige Aufrechterhallung der Sanktionen und die unrechtmäßige Borclit- Haltung Oberschlesiens an, während seine Freunde in der Ver teilung der Steuerfragen sich Zurückhaltung anferlegen mühten. Der Etat deS Reichstags wird hierauf angenommen ebenso eine Reihe weiterer Etats ohne weiter« D e b a t t e, d a r u n t e r M i n i st e r i u in d e s A e u ß e r n u ii d Ministerium des Innern und ReichSarbeitsmi- n i st e r i u m. Abg. Karsten (Unabh.) begründet einen Antrag auf eine Arbeiterinvalidenfürsorge. — Reichsarbeitsminister Braun spricht die Sympathie der Regierung für diesen Antrag aus, bittet aber mit Rücksicht auf die Geschäftslage jetzt davon Abstand zg nehmen. — Der Antrag wirb abgelehnt. Ter Rest des NachtragsctatS wird genehmigt. Beim Kapitel Reichsjnstizministerium stellt Jiistizmimstek Schiffer fest, daß er den KapprebeUen keinerlei Amnestie zugo sagt habe. Beim Kapitel Reichsernährungsamt stellt ein Regle,imgSver- treter fest, daß die K a r t o f s e lp r e i se seit dem 1. Juli einen Rückgang aufwetsen und die augenblickliche Knappheit sich rasch heben werde. . K « G Vorschläge zur ErwerbSlosenfürsorgr hat der Wirtschaft-- politische Ausschuß des ReichSwirtschoftsraics wie solgt beschtm. sen: 1. Der beschleunigte Erlaß der Gesetze über den Arbeits nachweis und die Arbeitslosenversicherung. 2. BiS dahin hat in Fällen dringenden Bedürfnisses eine Erhöhung der Erwerbs losenfürsorgesähe nach folgekiden Richtungen hin zu erfolgen; a) bei andauernder. Erwerbslosigkeit über vier Wochen durch Er höhung der Unterstützungssätze; b) bei einer Fortdauer der Er werbslosigkeit über drei Monate außerdem durch Naturalznwei- singen; e) im Rahmen der bestehenden Erwerbslosenunter- ftiihung durch eine Erhöhung der Unterstützungssätze für Weib- siche und Jugendliche. Durch diese Erhöhungen darf allerdings die notwendige Spannung zwischen Untersti"chungSsähen lin den normalen Arbeitslöhnen der einzelnen Personengruppen nicht gefördert werden. 9. In Gemeinden mit großer Erwerbslosigkeit hat eine anderweitige Verteilung der TrwerbSlosenlastcn zu gunsten der Gemeinden zu erfolgen. Unter „produktiver Er- werbslosenfürsorge" wird gefordert: a) Möglichste Verbreiterung der Basis der Austragsvergebnng und möglichste Berncksich. tigung aller Betriebe mit hinreichender Leistungsfähigkeit; b) be vorzugte Beteiligung der Gebiete mit übermäßig hoher oder langandauernder Erwerbslosigkeit, unter Umstellung ans andere Erzeugnisse; c) Verbreiterung der Arbeitsgelegenheit innerhalb der einzelnen Betriebe, so durch Kurzarbeit, jedoch ohne daß da durch eine Erschütterung der Produktion eintritt. kinds Herz mit Gewalt zu rühren, das es ihre kosen Streiche alle gnädig verzeiht. TaZ angstvolle Geschrei erweckte bei JoKph alte Erinnerungen. Er ging hinaus auf die Straße und stellte siä, dicht an daS Kammerfenster; ihn freute die Angst der bösen Buben. Er machte den Laden etwas weiter auf, um den Jam mer der beiden besser hören zu können, da ließen ihn Elende Schreckeiisrufe entsetzt znrücksahren. Wie toll zeterten die Klei nen, sich in wilder Angst an den Hals deS Vaters hängend. Las knarrende Geräusch des Fensterladens hatten sie für eine Ein ladung des PelzmärtelS gehalten. Erschreckt von dem Wehge schrei öffnete die Flickschnsterin die Türe und meldete zur Be ruhigung der Kleinen, daß das Christkind fort sei. Bei dieser Mitteilung erholten sich Heinele und Seppele auffallend schwer von ihrem Schrecken, obwohl sie sich erst wenige Minuten vorher noch in die tiefsten Tiefen von PelzmärtelS schwarzem Sack ver- senkt sahen. Keck sah sie Joseph durch daS Fenster in die Stube stürmen; die Türe blieb nur angelehnt, er konnte jedes Wort da drinnen deutlich verstehen. Mit lautem Frendengeschrei griff Heinele schnell nach seinem Pferdchen, während Seppele den Vater bei seinem Eintritt schon mit einem grelle» Tusch auS seiner Trompete begrüßte. Heinele war mit seinem Pferdchen ans die Bank gestiegen und unterzog den Ehristbanm einer ein- gchcnden Inspektion, und da die Eltern sehr beschäftigt schienen, streckte sich gar oft dev kleine Körper und mit ibm auch Heinele» Züngelchen, um die Sachen auf den Geschmack zu prüfen. Gar mancher Kopf, Fuß oder Hand, kurz alles, was Heinele grad -nl- behrlich schien, fiel seiner Inspektion zum Opfer. Seppele be trachtete sich unterdessen die Lebkuchen vom Herrn Onkel; die Mandeln obendrauf, die hatten cs ihm angetan. Voll Eifer ging er daran, sich den Gegenstand seiner Sehnsn bt zu erringen. Mit viel Geschick bohrte er die guten Mandeln alle an». So oft er ein« Mandel sich erobert batte, tat er in fein Trompetchen einen kräftigen Stoß, damit sein ungewohntes ruhiges Wesen nicht allzu früh znm Verräter seiner Taten würde. Heinele, der mit seiner Arbeit ziemlich fertig geworden war, setzte sich plötzlich ruhig neben seine Mutter auf die Ofenbank. „Du, Muter, iS der Eisenbärte (Pelzmärtel) wieder dro ben im Himmel," erkundigte rr sich angelegentlich. .Warum net gar, der muß doch» Christkindl« zu ander« Kinder a noch fahrn." .Du, Mutter, hat er denn viel Kinner in sein Sack drinst gehabt?" »lli Lenti Da sind die Bein kreuzweise nauSgehängt. «Fortsetzung solgt^
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