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Montag den 13. Dezember 1916 Sächsische Volkszeitung Nr. 285 — Seite 2 In den Worten Angriffskrieg und Angriffsabsicht läßt sub aber so ziemlich alles zusammenfassen, was vom hei ligen Later als das aus der Lumme der Bedingungen aus- zuschaltenbe, unmögliche und ungerechte Moment bezeichnet wird. Es brauchte also die Entente bloß das Grundprinzip der Papstworte praktisch anzuerkennen, und das schreckliche Uedei des Krieges, das Enrova in einem Meere von Blut zu ersticke» droht und Tränenströme von Müttern, Gattinnen, unschuldigen Kindern und Waisen entfesselt, so reich an Tropfen, wie unsere Ströme sie durch die Kriegs- länder zum Meere führen, wo gleichfalls der blutige .Krieg tobt, wäre mit der Wurzel auSgerottet. Von unserer Leite sreht nach den präzisen Worten TiSzas, hinter denen sicher Sie Autorität von 8 Kaisern und einem König steht, nichts in, Wege. Anders aber bei unseren Gegnern. Selbst die mildesten von ihnen, die, wie Bonar Law. die rascheste Ge legenheit zur Beendigung des Krieges mit Freuden be grüßen. halten als Vorbedingung dazu die Erreichung der Kampfziele, die beim Viewerband doch nichts anderes als Angriffsziele waren und sind, für nötig. Briand spricht von Ser Notwendigkeit. Elsaß und Lothringen wieder zu er ringen. Churchill und Konsorten und in diesen ChornS fällt das Gros der Ententepolitiker und Diplomaten ein — sprechen von der Durchführung des ErschöpfungskriegcS, öer an die Stelle der Aushungerung treten soll. Und auf dem Boden solcher Stimmung haben England, Frankreich, Rußland und Italien dokumentarisch ihren Willen hinter- leat. nur gemeinsam nach Erreichung der Ziele, also selbst- r-erstgndlich der Angriffsziele, zum Frieden zu schreiten. Unmögliche Forderungen und Bedingungen, meint der L-ilrge Vater, seien von vornherein auszuschaltcn. Und unmöglich ist doch gewiß nach öer heutigen Konstellation, n>o öer neue Viervcrband an allen Fronten siegreich auf der inner-'n Linie täinpst und die Gegner stets dahinbringt, wo er sie haben will, ihnen überall seinen Willen und seine Imtative auszwingt, heute bei Gorlice, morgen durch den gmzen Balkan hin und übermorgen vielleicht ebenso gut an d- r Esisront oder in Flandern gegen Calais einen Durch bruch machen kann, dem die dortigen .Kräfte nicht gewachsen sind, offenen Weg hat. aus Englands Achillesferse, Aegypten, also unmöglich, sagen wir. ist bei dieser Konstellation unsere Besiegung bis zum Weißbluten, unmöglich die Wied-meroberung Elsaß-Lothringen, wo nicht die Fran- zcwn in Ltraßburg, sondern die Deutschen in Lille stehen. Wie wahnwitzig nimmt sich eigentlich heute das Wort von de- gänzlichen Aiederringung Deutschlands und seiner -Bundesgenossen ans. Rußland kann mit den eingczogenen Rwerven im höchsten Falle die bereits vorhandenen Kader aurnüle». aber keine neuen Heere mehr schassen und auch den D'siziermange! nicht belieben. Die vorhandenen Kader aber haben sich uns gegenüber sogar zuzeiten des Ueberflnsses an Munition nicht als ausreichend erwiesen. Das gleiche gilt von den gegnerischen Fronten im Westen. Serbien ab«r ist zerschmettert, und von Kriwolak mußten sich die Ententruppen erfolglos znrückzieben. Und was Italien b-'trisst, mußte es seine Parlamentssesiion eröffnen, ohne die politische Schlacht vor Gör; siegreich geschlagen zu haben. Und dabei bedeutet, wie bereits mit dem Hinweise aus die innere Linie angedeutet, die Riesenausdehnung der einander aegenüberstehenden Fronten für die Zentralmächte im Zeitalter der Eisenbahnen und der Schnellzüge keine Gelahr, und Nachteil mir für unsere Gegner, die von West nach Oit sich nicht die Hand reichen können. Die Erreichung der Kriegsangrisfszieie der Entente ist alle, wenn überhaupt irgend etwas, sicher unter die vom HKliaen Vater als ungerecht und unmöglich bezeichneten Faideimigeii und Bedingueg» zu zähle». Serbien wieder hermsrellen, wovon doch allüberall in der Entente mit Nach druck gesprochen wird, bedeutet heute die Wiedererweckung eines Toten sicher nach der päpstlichen Auffassung auch eine unmögliche Forderung und Bedingung. Daß die Entente an diesen Unmöglichkeiten festhält, sich auf die Ungerechtigkeit des Angriffkrieges und des An griffswillens versteift, während wir nichts anderes fordern, als das Aufgeben dieses ungerechten Angriffswillens und der ungerechten Angriffsziele, lastet ihr vor der Zeit- und Weltgeschichte die furchtbare Verantwortung für das An dauern der blutigen Völkermetzelei mit allen Ruinen und Leichenhekatomben, begrabenen Hoffnungen und Worten, kurz für einen Zustand auf, wie er dem Weltenende mit all seinen Schauern nicht ähnlicher fein könnte. Auf spiegelblankem Ehrenschild dürfen deshalb, nach dem bei uns alles, was man gerechterweise verlangen kann, bis zum äußerten vorhanden ist, die im Schatten der Autori tät von drei Kaisern und einem König gesprochenen Wor ten Tiszas prangen, die der verstockten Unbekehrbarkeit unserer Feinde entgegengesetzt seien: Je länger der Krieg dauert und je härter unsere Opfer sind, desto schwerer wer den (gewiß durchaus gerechterweise) auch die Friedens- bedingungen sein. Für die Gegner hätte es noch einmal einen Augenblick gegeben, den vielleicht keine Ewigkeit zu rückbringt. Sächsischer Landtag Dresden, 11. Dezember. Die Gesetzgebungsdeputation der Zweiten Kammer hat ihre Beratnngsergebnisse in folgenden Anträgen for muliert: Tie Königl. Staatsregicrung wird ersucht, beim Bnn- desrat dafür cinzutrcten: 1. daß die Mahl löhne, Ge t r e i d e p r e is e und alle beim Mehl und Brot auf dem Wege zwischen Produzent und Konsument berechneten Unkosten nachgeprüft werden, um möglichst eine Verbilligung von Mehl und Brot herbci- znführen und jede Verteuerung zu verhindern: 2. daß Gries, Graupen, Haferflocken und Teigwaren mit Rücksicht auf die Kinder allsreichender wie bisher hergestellt sowie billiger verkauft und verteilt werden: 8. das-, die Beschaffung, Verteilung, Preisfestsetzung und der Verbrauch von Butter, Speck und Margarine dauernd nachgevrüft und gegebenenfalls neu geregelt wird; P daß für Schweine neben den Höchstpreisen auch Stallpreise eingeführt, und daß die jetzigen Höchstpreise nachgepriist werden: 5>. daß mit höchstem Nachdruck Futtermittel ini Jnlande und ans dem Anslande zu angemessenen Preisen beschafft und verteilt werden: ll. daß der Prozentsatz für Winterkorn, das die Landwirte für Fntterkorn verwenden können, erhöht wird: 7. daß einer Verteuerung der Torfstren vorgebengt wird: 8. daß die Preise für die Erzeugnisse der Kartoffel- t r o ck n n n g weiter herabgesetzt werden: !>. daß eine nnverhältnismaßige Preissteigerung für Seefische, ferner für Heiz- »nd Belenchtnngs- mittel verhindert und deren Beschaffung und Verteilung geregelt wird. Außerdem soll von der sächsischen Regierung direkt ge fordert werden, dahin zu wirken: 1, daß die K o m in ii n a l v e r b ä n d e unter sich in dauernde Verbindung treten z»m Zwecke des Austausches ihrer Erfahrungen, der Erstrebnng einheitlicher Maß- nghinen und der Verhinderung der Konkurrenz: 2, daß der Gewinn der Ko m m » n a l v er blinde nachgeprüft wird: .'!, daß für die Kominnnalverbände Geld zum Zwecke der Lebensmittelbersorgnng zur Verfügung gestellt wird: 1, daß schnellstens die Bestimmungen zur Regelung der Milch preise und des M k Ich b e r b r g n ch e s allent halben dnrchgefnhrt werden: 5. daß mit Hilfe von Staatsmitteln die Schweine mästung gefördert wird; 6. daß die H a u s s ch l achtu n g e n, soweit sie das sonst übliche Maß übersteigen, eingeschränkt werden: 7. daß die Einkaufsgesellschaften (LebenS- mittelzentralen) in Dresden und Leipzig vom Staate mit Geldmitteln unterstützt, gefördert und beeinflußt werden; 8. daß die Bestimmungen gegen den Kriegswucher schärfftens gehandhabt werden. Ferner wurde beschlossen, die Petition des Kriegsans- schusses für Konsumentenintercssen, Bezirksausschuß Dres den, soweit sie nicht durch den vorstehenden Beschluß erledigt wird, der Königlichen Staatsregierung zur Kenntnisnahme zri überweisen. Deutsches Reim — Eine Gefahr für die sächsische Zigaretteninduftrie. Im Reichsamte des Innern ist die Errichtung einer Gesell schaft geplant, die mit dem Einkauf des Rohtabaks im Orient, den die deutsche Zigarettenindustrie benötigt, aus- schließlich beauftragt werden soll. Als Leiter dieser Gesell schaft waren die Herren Giitschow-Berlin, Mandelbaum- Berlin und Hoffmann-Bremen genannt. Die Gründung dieser Einkanfszentrale soll nur als Kriegsmaß- n a h m e gedacht sein. In den Kreisen der sächsischen Ziga- rcttenindnstrie besteht jedoch nach» wie vor die Befürchtung, baß ans dieser Kriegsmaßnahnie eine dauernde Einrichtung werden wird. Gegenwärtig schweben darüber Verhand lungen, wie die Geschäftsführung dieser Zentrale gehand habt werden soll. Wegen dieser und anderer Fragen wird zwischen den zuständigen Stellen in Dresden und den Ber liner Reichsämtern noch verhandelt. Wie wir erfahren, isk damit zu rechnen, daß die Herren Gütschow und Mandel- banm ans der Gesellschaft ausscheiden und dafür einige Dresdener Herren, Führer der sächsischen Zigaretten industrie, in die Geschäftsleitung eintreten. Es besteht ferner die Hoffnung, daß es gelingen wird, die Einkaufs zentrale nach Dresden zu verlegen. Jedenfalls wird die sächsische Zigarettenindnsirie bei ihren Verhand lungen mit den Berliner Reichsämtern von der sächsischen Negierung in erfreulichster Weise unterstützt. — Tie Abberufung der deutschen Attachecs, die Staats sekretär Lnnsing im Einverständnis mit dem Präsidenten Wilson wünscht, soll keinen politischen Hintergrund haben und den Gesandten Grafen Bernstorff nicht mitbelasten. Die beiden Diplomaten werden beschuldigt, an der Anzette lung von Anfruhren nicht unbeteiligt zu sein. Solch unbe- wiesene Behauptungen sind billig, sic zeigen nur, daß die Leitung der Vereinigten Staaten Deutschland gegenüber nicht die erforderliche Neutralität bewahrt. Sie tut cs mich nicht Oesterreich-Ungarn gegenüber, denn jetzt wird nicht mir die Abberufung des Generalkonsuls in Neuyork v. Ruber verlangt, sondern es besteht auch die Gefahr des Abbruches der diplomatischen Beziehungen, wenn keine Schaden vergütung wegen der Versenkung der „Ancona" geleistet wird. Einstweilen hat die österreichisch-ungarische Regierung keine Lust dazu, denn nach ihrer Auffassung trifft den Führer der „Ancona" die Schuld, der auf den Anruf nicht gehalten hat. Jedenfalls ist hier die Lage kritisch. X König Ludwig von Bayer» stattete dem Nun tius F r ü h w i r t b einen Besuch ab, um ihn zur Er nennung znni Kardinal z» beglückwünschen. Aus dem Auslands Oesterreich - Ur»g«r« — Eine Wiener .Kundgebung zur päpstlichen Ansprache. (Meldung des Wiener K. K. Korr.-Bnreaus.) Jenem Teile der päpstlichen Ansprache, welcher sich mit der Abreise der beim Heiligen Stuhle beglaubigten Vertreter der Mittel mächte befaßt, versucht die italienische Regierung entgegen- Der Megerkurier von przemysl (82. Fortsetzung» „So Herr, nun geht zur Ruhe, Die Heiligen möge» uns ichützen, datz nichts Böses geschieht," Die Tür wurde mit einem schweren, eisernen Riegel verwahr:, das Feuer auf dem Herde erlosch mit letztem 1'nisternden Funkensprühen, und nun sah Stephan Andraski durch das ilim gegenüber befindliche kleine Fenster auf den glutroten Nachtlninmel und versuchte sich klar zu machen, auf welche Art er zur österreichischen Armee gelangen könnte. Er hatte schon mehrere Stunde» gelegen, und die tiefen Atemzüge der Bauernfamilie zeugten von deren festem Schlaf. Da richtete er «ich erschrocken empor und lauschte angenrengt nach draußen. Deutlich hörte er das Trappen von Pferden. Klirren von Säbeln. Nach einer kurzen Stille schlug ein Säbelgriff gegen die Tür und verlangte herrisch, d is- geöffnet werde. 8. K a piteI. Der D-omrendant Bechner iaß mit Frau und Tochter am Frühsrückstisch und batte erklärt, daß er heute erst später in die Domkanzlei gehen würde. Er wartete ans den Bescheid des Leutnants Kohut. Da brachte ihm die Post einen Brief. Er öffnete ihn und sah der Gewohnheit gemäß, weil er die Handschrift nicht konnte, zuerst nach der Unterschrift. Aba, sagte er zu sich. Der Herr Leutnant Kohut fchreibt. Nun las er, Da er wußte, daß ihn Frau und Tochter gespannt beobachteten, um festzustellen, ob der Vater einen angenehmen oder imanflenehmen Brief erhalten, -ivana er sich zu einem gleichgültigen Ausdruck. Aber er hatte Mühe, diese Gleichgültigkeit weiter zu b halten, denn sein Blut war empört über den Ton des Briefes und die ablehnende Haltung des Leutnants. Der schrieb ihm klipp und klar: Sehr geehrter Herr Domrendant! Ich bedauere, Ihrem Wunsche, bei Ihnen erscheinen zu können, nicht ne-ck,kommen zu dürfen. Ich bleibe auf dem Standpunkte stehen, daß der jetzige Oberleutnant Stephan Andraski nicht in das K. u. K, Offizierkorps nnserer Armee gehört. Hochachtungsvoll Andreas Kohut." Ter Domrendant steckte den Brief ein und schob die leere Kaffeetasse zu seiner Tochter: „Ich möchte »och eine Tasse trinken." Er wunderte sich selbst, wie gelassen er das sagte. Nicht einmal seine Hand zitterte, als er die Tasse zum Munde führte, dann eine Zigarre anzündcte und wieder zur Zeitung griff. „Gott sei Tank!" — nun verbarg die Zeitung endlich sc in Gesicht den beiden Damen. Nun konnte er die Zornes salten hervortreten lassen und den Mund fest zusammen beißen. Ohrfeigen hätte er den Leutnant mögen. Wie einen Schuljungen übers Knie legen und ihm klar machen, daß Vater und Sohn zwei ganz verschiedene Menschen wären auf der Welt, und er ihm dafür Hunderte von Beispielen geben könnte. Das wäre ja noch schöner, wenn — weil der Vater nichts getaugt hatte, der Sohn nun auch ein Lump werden müßte. Wie oft das Gegenteil, Wie oft hatte er es selbst erlebt, daß der Vater ein angesehener, ehrenhafter Mann war und der Sohn ein Tagedieb wurde, Oder umgekehrt, daß Väter, die nichts waren, oder die einen schlechten Ruf besaßen, Kinder hatten, die als sehr anständige, hochgeachtete Men- scheu ihr Leben führten. Solch ein Grünling! — Der glaubte, ihm alten Mann mitteilen zu müssen, daß der Stephan kein Offizier sein dürste. Solch ein Mensch, der nur des Geldes wegen, das er be- saß. Offizier werden konnte, und der gegen Stephans Tüch tigkeit einfach nur eine Null war. Gut — er sollte seine Zurechtweisung bekommen. Er wollte es ihm schon zeigen. In seinen Augen war er nichts weiter als ein unreifer Mensch. Mochte er zehnmal den Lcutnantsrock tragen. Er hatte nicht weiter Zeit, am Tisch zu sitzen und seinen Gedanken nachzuhängen. Er mußte in den Dienst und zwang sich wieder zu gleichgültigem Aussehen, um sich von den Seinigen zu verabschieden. Zum erstenmal war er heute seit laugen Jahren ziem lich zerstreut im Dienst, und die ihm so gewohnten Zahlen reihen wollten sich nicht zu Resultaten fügen. Immer wieder addierte er falsche Ergebnisse, sodaß er zuletzt seinem Sekretär die Sachen zuschob und erklärte, das; er sich heute nicht wohl befände und er ihn für heute vertreten möge. Als er auf der Straße stand, ließ er sich ohne Ziel von der Menge mittragcn und kam zum Franz-Joscfsring, wo sich die Menge dicht auf den Bürgersteigen zusammen- drängtc, weil der Kaiser zu einem Besuch in die Wiener Spitäler vorüberfahren würde. Auch der Domrendant blieb stehen, und die Erregung der Menge beruhigte seine Gedanken. Als der alte Kaiser vorüberfuhr, rief er ihm gleichfalls ein jubelndes Hurra zu und seine Augen füllten sich mit Freudentränen, daß der Kaiser trotz der schweren Zeit so jugendlich und lebensfroh aussah. Das gab ihm zu denken. All seine trüben Gedanken verflogen, und er schalt sich einen schwachen Menschen, der mit einem kleinen Schicksal hadern wollte. Wie anders der Kaiser! Welche Tragödien hatten diesen mit vernichtender Ge walt treffen wollen und waren doch nicht fähig gewesen. Geist oder Körper zu zerstören. Ungebeugt stand der Kaiser wie ein gewappneter Schirmherr unter göttlichem Schub an der Spitze seines Volkes. Von dem unbeugsamen Willen beseelt, das ihm nnvertraute Volk auf guten Wegen vor wärts zu bringen. (Forts, folgt.)