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Drittes Blatt Sächsische Bolkszeittmg vom 18. Oktober 1908 Nr. 239 Vermischte- V Das Wahrzeichen 1708 Vor dem Rosentore der Stadt liegt ein mächtiger Stein. Regen, Schnee und Eis haben ihn stark zugesetzt, ein schiveres Rad hat ihm eine Ecke ausgebrochen. Er sieht beinahe aus wie ein Tierlcib mit dickem Kopfe. Kinder hände haben der Aehnlichkcit nachgeholfen, und mit eiser nen Nägeln Augenlöcher und Maul gekratzt; ein älterer Junge arbeitete mit Meißel und Hammer eine Art Pranke und Schwanz heraus. Der Stein ist den Kindern ein leben diges Wesen, „der Löwe" geworden. 1908 T-er Löwe steht als Wahrzeichen der großen Handels stadt inmitten prächtiger Anlagen. Er bildet eine der wich- tigsten Sehenswürdigkeiten, obgleich er in den 200 Jahren nicht schöner geworden ist. Im Bädecker hat er einen Stern. — Vor 10 Jahren war der Löwe ein Streitobjekt zwischen Professor Lund und Professor Kunz, bis sich die Theorie des erstercn siegreich Bahn brach. Jetzt ist die damals noch sehr wackelige Hypothese feste, unumstößliche Wahrheit geworden. Danach stammt der Löwe aus dein 8. bis 9. Jahrhundert por Christi Geburt und zeigt einen erstaunlichen Kunstsinn der Ureinwohner des Landes. Er beweist ferner einwand frei, daß damals der Höhlenlöwe noch nicht ansgestorben war, und daß er sich in Mähne, Tatzen und Schwanz durch aus von dem afrikanischen Löwen unterschied. Da sich ein so ausgezeichneter Kunstsinn nur in Kulturzentren finden konnte, so ist das Alter der Stadt auf fast 3000 Jahre an zusetzen. Ein Gelehrter von Ruf, der das Jubiläum des Be stehens der Stadt gern miterleben möchte, ist darüber her, die Gründung auf 1085 vor Christi unumstößlich festzu legen, und findet mit dieser Annahme volles Verständnis bei den besten Familien. Ein Komitee hat bereits die Vor arbeiten zum Jubiläumsjahre 1915 übernommen. Das Stadtblatt hat einstweilen eine schöne Gründungssage ge bracht; der Redakteur hat sie selbst verfaßt, wie er in einer Fußnote sagt, nach uralten Quellen. Der Kaiser ist znm Stadtjubiläum eingeladen worden. Das Hofmarschall- aint hat aber geantwortet, die Reisedispositioncn Sr. Ma jestät ständen für 1915 noch nicht ganz fest. (Ans der in dieser Woche erscheinenden Nummer des „Guckkasten", illustrierte Wochenschrift für Humor, Kunst und Leben, her ausgegeben von Paul Keller, mit Erlaubnis des Rose-Ver lages, Berlin 18, entnommen.) v Vom Kulturkampf in Jach blättern findet sich eine hübsche Probe im „Fachblatt für das gesamte ärztliche Hilfspersonal", Perbandsorgan „zur Vertretung des gesamten Personals für Kranken- und Irrenanstalten. Sanatorien. Kliniken, Seebäder" usw. Die Nummer 17 vom 15. September 1908 dieses vom Zentralverein für Krankenpflege (Leipzig) herautzgegebenen FachblaNeS bringt drei Abhandlungen, wovon die zweite ein Abdruck eines Artikels ans der Frankfurter Halbmonatsschrift . Das freie Wort" ist. Der Artikel handelt von den weiblichen Kongregationen und strotzt geradezu von den bekannten Ausfällen über „stupiden Aberglauben", „Seelengualen" in, Beichtstuhl, „katholische Ignoranz", „Proselytenmaci>erei am Krankenbett" usw. Tie Häufigkeit der Klöster ist nach dem Verfasser ein Zeichen für den moralischen Verfall des Landes. „Tie Liederlichkeit ist denn auch unter der weib lichen Bevölkerung frommer Städte eine weit größere als in protestantischen Gegenden!" — Die dritte unter den drei Abhandlungen beschäftigt sich mit den Lonrdes-Heilungen. die Charlatanismus, Quacksalberei und Wahrsagerei ge nannt werden. Sekmmm«kebiermever, Dressen LanSkauzztt. r? (relrpko« rrs») cä.K 00 Sorten Ligsrren Seerir. is Ecke bing (relepbov-rot) friedidol, Nistivlm . . lOK. K.— ttsusmsrlce 1>ix . . „ 7.— Vorstenlsncten Sporislität „ 7.5V Mnistei-ialss 8r. 3 . . „ 9.— Van llxolc . . . flor so Uoraclo . s'roviltvntia« ^«moc t/>inist6ria>«8 8r. 5 UK. 9. - .. io - '0- .. >2.— « kreise psr 100 8t wl«. Sa«skll-r Raucher empfehle»! meinen garan, ungeschmekelten deshalb sehr bc kömmllchen u ge sunden Tabak. 1 Tabakspfeife um sonst zu V Pfd. meines berühmten Förster tabaks für 4,25 frko. 9 Pfd. Pastorentabak und Pfeife kosten zus. 5Mk.fr. OPfd.Jagd- Kanaster mit Pfeif« Mk. 6.50 fr. 9 Pfd, holl Kanast. u Pfeif« Mk. 7.50 fr. 9 Pfd. Frankfurter Kanaster m. Pfeife kost. fr. t 0 Mk gea Nachm., bitte anzugeben, ob nebenstehende Gesunoheitspfetf« od. eine reichgeschn. Holzpfeife ov eine lange Pfeife erwünscht, k. LSIIsr, UrueksLl (Baden) Fabrik Weltruf. MKGGGVGODGGGDGGGGGGG s Liara Mock >,«>» II,n» (Tcdspkon dir. 3017) in ILnnIilS« uml Zeilen K»»ei»Isg« Oikovolsrßs, Osvsv RLnrV Oonkilui»«», von L Vogsl, Kilileiinsnill L Snlin, Ss> otti, Nki«»«, V»In- n. u. 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Ihm war, als habe er plötzlich alles Interesse am Leben verloren; mechanisch nahm er bald diesen, bald jenen Gegenstand zur Hand, um ihn sofort gleichgültig wieder beiseite zu stellen. Nur der Anblick des Bildes der Signorina, das in unveränderter Schönheit aus seinem Nahmen auf ihn herabstrahlte, weckte ihn auf kurze Zeit auS fei ner Erschlaffung. Er fühlte, daß er einer Stärkung bedürfe, trat an den Schrank und streckte die Hand nach einer Flasche aus, die er dort für ähnliche Zwecke bewahrte. Es dämmerte bereits und er mußte lange umhertasten, bis or endlich die Flasche in der hintersten Ecke fand. Als er sie herabnahm, sah ei zu seinem Erstaunen, daß sie leer war. Da er sie erst am selben Morgen gefüllt hatte, kam ihm das natürlich verdächtig vor. Er sah sich im Zimmer um, ob er sonst ein Zeichen entdecken könne, daß sich während seiner Abwesenheit jemand eingeschlichen habe. Aber alles lag und stand wie gewöhnlich; der fremde Besucher hatte nicht die ge ringste Spur Hintersassen. Wer aber konnte den Wein getrunken haben? Der Wirt oder die Wirtin — lächerlich! Tie Magd war die Ehrlichkeit selbst. Sein Studien genosse Heinrich Martin befand sich seit einigen Tagen auf einer Skizzier tour im Gebirge. Sonst hatte er keine Bekannten am Orte — es mußte also ein Fremder gewesen sein. Doch, wozu sich den Kopf noch weiter darüber zerbrechen; in, Grunde y»ar es ja völlig gleichgültig — wie alles übrige auch. Er wollte schlafen, um Welt und Leben zu vergessen, etwas Besseres konnte er nicht tun! — Seine Ruhe sollte indessen nicht ungestört bleiben; ein Klopfen an der Tür schreckte ihn auf. Jemand forderte Einlaß und zwar mit großer Ungeduld. Es war schon so dunkel, daß Degraw beim Qeffnen der Tür den Ein- trctenden nicht sofort erkannte; im nächsten Augenblicke jedoch stieß er einen Freudenruf aus und bewillkommnet«: ihn mit der größten Herzlichkeit. „Ist es möglich — Herr Gryce!" „In eigener Person; es freut mich. Sie gesund anzutreffen." Der Künstler lachte kurz auf und zündete schnell die Lampe an. „Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie ich mich freue, daß Sie hier sind," rief er. ..Wie haben Sie es nur ahnen können, daß ich so dringend nach Ihnen ver langte. Eben noch ging ich mit mir zu Rate, ob ich mir Wohl Sie oder Byrd zur Hilfe rufen dürfe. Mir ist eine Bergeslast vom Herzen genommen. Wuß ten Sie denn, daß Sie hier so nötig wären?" Der beste Beweis dafür ist, daß ich da bin. Zum Vergnügen fahre ich nicht im Lande umher, das erlaubt mir meine Gesundheit nicht." „Dann hat also der Polizist, der sich hier am Orte befindet, nach Ihnen telegraphiert?" „Freilich." .'.Das nimmt mich sehr für ihn ein; ich hätte eS ihm nicht zugetraut,' sagte Degraw vergnügt. „Sehen Sie nur," fügte er hinzu, auf die leere Flasche deutend, „jemand hat mir meinen Xereswein ausgetrunken, sonst könnte ich Ihnen ein Glas zur Stärkung anbieten." „Wer hat das getan?" „Ich weiß cS nicht." - 60 - „Degraiv wird gewiß die Maske fallen lassen, wenn Sie fort sind. Mög licherweise stellt iich heraus, daß seine Absichten harmloserer Art sind, als wir denken, oder er gibt der Polizei genügend Anlaß, zu seiner Verhaftung zu schreiten, die im geeigneten Augenblicke mit allem Nachdrucke ins Werk gesetzt werden soll." „Auf diese Zusage hin will ich Ihnen den Willen tun, soweit ich es ver- mag," sagte der Künstler, machte rasch dem Gespräch ein Ende, als fürchte er den Entschluß wieder zu bereuen und schritt seiner Wohnung zu. Bald jedoch fühlte er, daß es ihm unmöglich sei, ganz ohne Abschied von der Geliebten zu gehen. „Warum soll ich mich wie ein Feigling davonschlcichen?" fragte er sich. „Was brauche ich mich um die schlauen Berechnungen der Polizei zu kümmern, wo es sich um meine Liebe handelt?" Er wandte sich wieder dem Hause zu. aus welchem jetzt fröhliche Stim men ertönten, denn die Mahlzeit war zu Ende. Sich unter die lustige Gesell- sckiaft zu mischen, lag nicht in seiner Absicht. Schon wollte er sich enttäuscht zurückziehen, als er zufällig in die Höhe blickte und an einem der oberen Fenster die Signorina gewahrte, an deren Anblick er sich mit Entzücken wei dete. Doch schon im nächsten Moment knirschte er vor Wut mit den Zähnen, als er sah, daß sie ihr schönes Haupt über einen Blumenkorb beugte, den sie mit zärtlichen Blicken betrachtete. — War er nur zurückgekehrt, um Zeuge ibrer geheimen Wonne über die Liebesgabe seines schändlichen Nebenbuhlers zu sein? Sollte er noch diesen Stachel mit in seine Verbannung nehmen? Er konnte den bitteren Gedanken nicht ertragen. Aus ihrem eigenen Munde wollte er vernehmen, was er zu hoffen habe. Er erwartete in der Halle am Fuße der Treppe, daß sie Herabkommen werde. Bald hörte er das Rauschen ihrer Gewänder und trat ihr rasch entgegen. „Verzeihung, Signorina," sagte er und stockte. An ihrem Busen Iah er die Blumen prangen, die der Verhaßte ihr geschickt hatte. „Sie haben meinen Brief nicht gelesen!" rief sie erschreckt und spähte mit angstvollen Blicken in alle Ecken und Winkel und nach der Eingangstür. „Ich habe ihn gelesen und will Ihren Wunsch erfüllen, sobald Sie mir versichern, daß dies Ihre letzten Worte sind, daß Sie dies Mittel ergreifen, um sich eines lästigen Bewerbers zu entledigen. Sprechen Sie es aus, denn ich kann diesen Zweifel nicht ertragen, kann cs nicht ertragen, daß Sie mit so innigen Blicken die Blumen betrachten, die Ihnen jener Mensch geschickt hat, der —" „Wie," rief sic erbleichend, und machte eine Bewegung, als »volle sie den Strauß von ihrcni Bußen reißen, „waren Sie cs denn nicht, der mir die Blumen sandte? Ich glaubte, sie kämen von Ihnen. Der Korb stand in der Fensternische, wohl las ich den Namen des Gebers, aber ich dachte nur an Sie." Der Ton der Worte erfüllte ihn niit Entzücken, er mußte an sich halten, um sie nicht vor Wonne in seine Arme zu schließen. „O, entziehen Sic sich der Gefahr," flehte sie, „erfüllen Sie nieine Bitte! Täuschen Sie sich nicht. Scheint auch Unschuld und Heiterkeit in diesem Paradiese zu wohnen, so lauert doch der Tod darin, und Sic sind es, den er sich zum Opfer ersehen." „Droht der Tod in diesen Mauern oder auch nur ein Schatten von Ge- „Um Millionen."