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Sächsische Volkszeitung : 18.10.1908
- Erscheinungsdatum
- 1908-10-18
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-190810185
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19081018
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19081018
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1908
-
Monat
1908-10
- Tag 1908-10-18
-
Monat
1908-10
-
Jahr
1908
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 18.10.1908
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Mit einer Festouvertüre und mit dem Vortrag des Liedes „Das ist der Tag des Herrn" durch den Männer gesangverein „Eintracht"'Limburg wird der Festabend in stimmungsvoller Weise eingeleitet. Tann heißt Tomdekan Prälat Hilpisch als Vorsitzender des Ortsausschusses die Versammlung willkommen: „Unser ehrwürdiger, fast tausendjähriger Dom hat schon manche erlauchte Gesellschaft gesehen, aber noch nie eine so erlauchte Gesellschaft von ge lehrten Männern aus Deutschland lind den Nachbarstaaten, die Vertreter einer Wissenschaft sind, die nicht bloß forscht, sondern die auch glaubt und betet. Was die Görresgesell- schaft ist und was sie will, das sagt uns ihr Programm: sie ist eine Gesellschaft zur Pflege der Wissenschaft; sie ist eine Vereinigung der Gelehrten, welche davon durchdrungen sind, daß zwischen echter, wahrer Wissenschaft und zwischen dem Glauben kein Widerspruch bestehen kann, denn die wahre Wissenschaft kommt von dem einen her. der von sich sagen konnte: Ich bin die Wahrheit. Von ganzem Herzen heiße ich Sie als Vorsitzender des Ortskomitees willkommen." Namens der Stadt Limbnrg heißt dann Bürgermeister Haerden die Versammlung willkommen: „Als hier bekannt wurde, daß Sie unsere Stadt der Ehre würdigen wollten, hier zu tagen, da fand diese Kunde bei der gesamten Bürger schaft die freudigste Aufnahme. Hoch weiß die Stadt Lim burg die Ehre zu würdigen, eine so erlauchte Gesellschaft, die Elite der katholischen Gelehrten Deutschlands, bei sich begrüßen zu dürfen, und mit berechtigtem Stolze ist Lim burg sich bewußt, daß in diesen Tagen die Augen der gan zen gebildeten katholischen Welt hierher gerichtet sind. Mögen Sie bei nnS neben der Arbeit auch reiche Freude Enden, möge Ihnen Limburg so traut und lieb werden, daß Sie bald und gerne wieder bei uns einkehren." In einer von Geist und Humor sprühenden Nede dankt namens des Vorstandes Justizrat Bachein für die dar gebrachten Begrüßungen. Nach weiteren Begrüßungs ansprachen folgte noch eine Neihe musikalischer und gesang licher Darbietungen. Der nächste Tag wurde mit einem Festgottesdienst im Toni eingeleitet. Um l» Uhr fand in der festlich geschmückte» Aula des städtischen Gymnasiums die erste allgemeine Sitzung statt. In seiner Eröffnungsrede behandelt Prof. Tr. Freih. v. Hertling-München das Thema: „Der Skepti zismus der moderne» Welt und die Enzyklika Pascendi." „Als wir vor einem Jahre," so führt er etwa aus. „unsere letzte Generalversammlung in Paderborn ab hielten, war soeben die Enzyklika Pascendi erschienen und die katholische Welt stand unter dem ersten Eindruck jener bedeutsamen autoritativen Kundgebung. Für uns alle ist die Kundgebung des obersten Lehrers der Kirche eine Mah nung zur rechten Zeit gewesen, der wir ehrerbietig lind ge lehrig das Obr geliehen haben. Wir sind hellte, was wir gestern waren und insbesondere ist die Görresgesellschaft, die ja ohnehin die Pflege der eigentlichen Theologie grund sätzlich von ihrem Arbeitsgebiete ansschließt, nirgendwo ge nötigt, Ausgaben einzuschränken, die sie sich gesetzt, oder Richtungen nmznbiegen, in denen sie die Lösung derselben unternommen hat. Im Anschluß an diese Feststellungen untersucht Redner dann die Frage, wie es kommen konnte, daß, trotzdem diese Enzyklika in andereil Kreisen eine so unbegreifliche Erregung Hervorrufen konnte und man sogar meinte, es sei für die katholische Tbeologie und Wissenschaft der schicksalsreiche Wendepunkt gekommen, daß die ge bildeten Katholiken allesamt vor die Frage sich gestellt iähen, entweder Dogmenzwang »nd Antoritätsglanben von sich zu Wersen und mit freiem Mute dem Zuge des moderneil Geistes zu folgen oder rettungslos der Inferiorität zu ver fallen. Ich habe bereits im vorigen Jahre davon gesprochen, daß die verbreitete natnrlistische Denkweise unserer Zeit mir ihrer Einengung der Interessen auf die sinnfällige Wirk lichkeit den gläubigen Katholiken, der ein über alle Er rungenschaften der technischeil Kultur hinausgehendes Ziel kennt, der an einer lebendigen Beziehung der Seele zu Gott lind der Offenbarung Gottes an die Menschheit fest hält, wie einen Fremdling in seiner Umgebung erscheinen lasse. Aber man kann noch eineil Schritt weiter geheil: Die moderne Denkweise ist nicht nur eine durch und durch naturalistische,, sie ist auch in ihrem tiefsten Grunde eine skeptische. Gerade der Fortschritt des empirischeil Wissens ist es, was jene skeptische Stimmung erzeugt, die in der Festrede eines inzwischen verstorbenen angesehenen Ver treters der Naturwissenschaften i» den Worteil znm Aus druck kam: Die Lösung der letzten Fragen jeder Wissenschaft liege wahrscheinlich jenseits der Grenzen menschlicher For schung. Gerade durch den Hinweis ans den bisherigen Trillinphzng der Natnrforschnng wird der Verzicht auf eine letzte, abschließende Wahrheit motiviert. In längeren tief gründigen Darlegungen setzt sich Redner dann mit den naturalistisch-skeptischen Systemen des Empirismus und Kritizismus, des EvollitioniSinus und Pragmatismus aus einander. Für die Katholiken gibt es einige Wahrheiten, die durch die Fortschritte der Erfahrung nicht erschüttert werden, und es gibt für ihn ein wirkliches Wissen ans dem über die Erfahrung hinausliegenden Gebiete. Weiter aber glaubt der .Katholik an eine göttliche Offenbarung. Er glaubt, daß EhristliS seine .Kirche zur Bewahrung seiner göttlichen Lehre gestiftet hat und er verlangt für diesen seineil Glauben die gleiche Achtung, welche die anderen für ihre religiösen Empfindungen in Anspruch nehmen. Aus diesem seineil Glanbeil ergibt sich für ihn die selbstver- liche Folgerung, daß die kirchliche Autorität zu bestimmen hat. was katholische Lehre ist und was nicht, und daß diese Bestimmungen bindend sind für alle, die in der Kirche stehen und stehen wollen. Derselbe Glaube aber gibt ihm zugleich die Gewähr, daß niemals Lehrbestimmungen der obersten Instanz mit Forderungen der Vernunft oder sichergestellten Tatsachen streiteil werden. Daß es trotzdem im einzelneil Falle und für den einzelnen Schwierigkeiten gebeil kann, kehrt die Geschichte. Wir versagen unsere menschliche Teil nahme dem Gelehrten nicht, der sich trotz ehrlichen Ringens außerstand glaubt, die Ergebnisse seiner wissenschaftlichen Forschung mit der Kirchenlehre in Einklang zu setzen. Wenn aber neuerdings wiederholt behauptet worden ist, die lieber- nähme eines an das kirchliche Bekenntnis geknüpften Lehr amtes schließe die Verpflichtung zur Unwahrhaftigkeit ein, so muß in der nachdrücklichsten Weise dagegen Verwahrung eingelegt werden. Wenn Wahrhaftigkeit die erste Pflicht des Forschers ist. so ist es auch Pflicht, weil die unentbehrliche Bedingung friedlichen Zusammenlebens, bei einem jeden diese Wahrhaftigkeit vorauszusetzen, so lange er sich nicht dagegen verfehlt hat. Möge die Generalversammlung dazu beitragen, diese Regsamkeit unter den deutschen Katholiken immer weiter zu steigern; möge sie nicht minder dazu bei tragen, unter den katholischen Gelehrten, denen sie Ge legenheit zu freundschaftlichem Gedankenaustausch bietet, den Geist der Einmütigkeit und Versöhnlichkeit neu zu be leben, dessen Förderung der Görresgesellschaft seit ihrer Gründung ganz besonders am Herzen gelegen hat. (Stür mischer, langanhaltender Beifall.) Bischof Dominikus Willi von Limburg beschäftigt sich sodann mit dem „unwiderstehlichen Wissensdrang", der jedem vernunftbegabten Menschen angeboren sei, der aber nicht bei allen Menschen sich in gleicher Weise und Stärke äußere. Ter heilige Bernhard sagte: „Wissenschaft ohne Frömmigkeit bläht auf, Frömmigkeit ohne Wissenschaft irrt, die Frömmigkeit in Verbindung mit der Wissenschaft erbaut." Wie viele Aergernisse und Tränen würden in der Kirche erspart worden sein, wenn alle katholischen Gelehrten diese Worte des großen Heiligen beherzigen, wenn sie bei all ihren Kenntnissen den demütigen Glauben und die vor behaltlose Unterwerfung unter das unfehlbare Lehramt der Kirche betätigt haben würden. Auf dem Fundamente der Kirche ist auch die Görresgesellschaft begründet und sie wird so lange gute Früchte bringen, als sie an ihrer Grundlage nicht rüttelt. Hierauf erstattet der Generalsekretär Dr. Cardauns den Geschäftsbericht für das laufende Jahr un-d zwar zu nächst den Kassenbericht. Er kommt zu dem Resultate, daß trotz hocherfrenlicher außerordentlicher Zuwendungen und trotz des ebenso erfreulichen Anwachsen der Mitgliederzahl die mit jedem Jahre neu an die Gesellschaft herantretenden Anforderungen ohne Inanspruchnahme des Vermögens nur dann in vollem Maße erfüllt werden könnten, wenn eine abermalige große Vermehrung der Mitgliederzahlen ein trete. „Das Jahr 1907 hätte uns einen Zuwachs von 000 Mitgliedern gebracht im wesentlichen dank de'' Werbe arbeit in der Diözese Paderborn." Zum Schluß gibt er noch eine Uebersicht über die neuen und noch geplanten wissenschaftlichen Veröffentlichungen der Görresgesellschaft. Seine stellenweise mit köstlichem Humor gewürzten Ausführungen finden lebhaften Beifall, ebenso seine weitere Mitteilung, daß der Erzbischof von München- Freising brieflich und die Bischöfe von Speyer und Pader born telegraphisch der Versammlung Grüße und Glück wünsche gesandt haben. Endlich hält noch Prof. Tr. N ikel (Breslau) einen hochinteressanten Vortrag über „Alttestamentliche und alt- orientalische Poesie". Mit Dankesworten an den Vortragenden schloß hierauf Freiherr v. Hertling die Versammlung. Nachmittags um 3 Uhr also nach einer kaum zweistündigen Mittagspause - begannen die fünf Sektionen (die philosophische, histo rische, juristische, naturwissenschaftliche und die Sektion für Altertumskunde) ihre Arbeiten. Im Anschluß an die Arbeiten der juristischen Sektion abends hielt Prälat B a n in g a r t e n (Rom) einen Vortag über „Das päpst liche Urknndenwesen" (mit Lichtbildern). (Schluß folgt.) Politische Nundschau. Dresden, den 17. Oktober 1608. Der König von Griechenland traf gestern abend 0 Uhr zu einem privaten Besuche des Kaisers in Berlin ein und wurde vom Kaiser am Bahnhose empfangen. Die Thronrede zur Eröffnung des preußischen Land tages wird sich auch mit der Wahlrechtsreform befassen und einige unverbindliche Worte darüber enthalten. Ter Frei sinn wird dann darüber ganz entzückt sein; aber vor 1910 soll der Entwurf nicht kommen; bekanntlich sind dann in diesem Jahre auch die Reichstngswahlen. — Eduard Deutsch, während der zweiten Legislatur periode (1871 bis 1870) protestlerischer Neichstagsabgeord- neter für Zaber», ist im 70. Lebensjahre auf Schloß Hoch berg bei Wingen gestorben. Deutsch hat im Jahre 1874 im Reichstage den Protest der elsaß-lothringischen Abge ordneten gegen die Einverleibung verlesen. Eine Grhciinmittclstrncr. Das Rcichsaint des Innern stellt auf Ersuchen des Staatssekretärs Sydow be reits Erhebungen darüber an, wieviel Geld alljährlich im Deutschen Reiche für Geheimmittel ansgegeben wird; das Ergebnis dieser Erhebungen soll die Grundlage für eine eventuelle Besteuerung bilden. Jetzt kommt sicher die Seifen, Puder- und Haarstener sehr bald; wer einen Glatz kopf hat, kann froh sein; er ist dann steuerfrei. Eine Berliner Korrespondenz will aus bester Quelle erfahren haben, daß kür Dienstag den 22. Oktober, dem Tage der Wiedereröffnung des Landtages, neue Straßcn- dcinostrationcn der Sozialdemokraten geplant sind. — Reichskanzler Fürst Bülow empfängt derzeit der Neihe nach die fremden Botschafter, um mit ihnen über die internationale Lage zu konferieren; im Mittelpunkte der Besprechungen steht die neue Valkankonferenz. Unter den vielen kleinen Kunststückchen, mit denen Herr von Aehren- thal seine bosnisch-bulgarische Aktion vorbereitete, war diese Hervorholnng des Dardanellenproblems vielleicht das raffi nierteste. In allgemeinen Wendungen, in Worten, die jeder deuten konnte, wie er wollte, hat Herr von Aehrenthal den Diplomaten Rußlands, Italiens und Deutschlands seine Annektionsabsichten „angekündigt" und in ähnlichen allge meinen Wendungen dürfte er zu Herrn Jswolski von der Tardanellenfrage gesprochen und ihm Oesterreichs Zustim mung verheißen haben. Herr von Aehrenthal wußte genau, daß die Entscheidung in dieser Frage nicht nur von ihm, sondern auch von anderen Mächten abhinge, und nicht in letzter Linie von England, und um so leichter konnte er seine Zustimmung in Aussicht stellen. Sagte England nein, wies es Herrn Jswolski ab, so ging die englisch-russische Freund schaft in die Brüche, und sagte England ja, so erzürnte es seinen neuen Schutzbefohlenen, die jetzt anglophile Türkei. Herr von Aehrenthal rechnete wahrscheinlich, daß England seiner traditionellen Politik und seiner türkischen Freund schaft treu, schließlich doch wohl Nein sagen würde. Dann mußte der ganze Zorn der Russen auf England nieder hageln, der russische Rivale kam um seinen Erfolg und Herr von Aehrenthal erschien diesem gekränkten- Rivalen als sein einziger zuverlässiger Anwalt. Für Deutschland würde das Terrain auf einer Konferenz nicht allzu ungünstig sein — und das vor allem, weil wir in den letzten Jahren so viel verloren haben, daß wir eigentlich nur noch gewinnen kön neu. Es können sich auf einer solchen Konferenz sehr wohl Möglichkeiten ergeben, die uns gestatten würden, aus der üblen Situation der letzten Jahre herauszukommen und es muß sich die Möglichkeit ergeben, unsere Situation in der Türkei wieder zu verbessern. Der jungtürkischen Regie- mng würde eine Konferenz, die zu einer Sympathiekund gebung für sie werden müßte, in jedem Falle den Rücken stärken — immer vorausgesetzt, daß es Herrn Jswolski nicht gelingt, seine Dardanellenwünsche durchzusetzen. Wie man die Sache auch dreht und wendet, immer kommt man auf diese Tardanellenfrage zurück. Eine Konferenz ohne Dar danellen, eine Konferenz, die nur Oesterreichs Erfolge be stätigen soll, kann für Rußland keinen Reiz haben, und Liese einfache Erwägung zeigt die Schwierigkeit des Pro blems und den immerhin kritischen Charakter der Stunde. — Gegen die Bicrstcucr macht der Schutzverband der norddeutschen Brauer Front und zwar unter der Führung des nationalliberalen Abgeordneten Schifferer-Kiel. Das deutsche Brauer- und Gastwirtsgewerbe und die verwandten Gewerbe liegen infolge Belastung durch höhere Zölle auf Rohstoffe, infolge der Verteuerung aller Hilfsmaterialien und infolge der auch behördlicherseits begünstigten Absti nenzbewegung, sowie infolge Erhöhung der Steuer schwer darnieder. Tie Herstellung des Bieres sei seit 1906 pro Hektoliter um 2,50 bis 3 Mark teurer geworden, ohne daß, wie auch in dem Berichte des Kaiserlich Statistischen Amtes nachgewiesen wird, eine Preiserhöhung durchgeführt wer den konnte. Ter Konsum sei in den letzten zwei Jahren um zirka 15 Prozent gefallen, und es zeige sich eine stetig fort schreitende Steigerung des Rückganges. Die Kurse der Aktiengesellschaften gehen seit zwei Jahren stetig zurück. Nachdem schon ein großer Teil der in der Brauindustrie und im Gastwirtsgewerbe investierten Kapitalien verloren gegangen und zahlreiche Existenzen der durch die letzte Stenererhöhnng geschaffenen Notlage zum Opfer gefallen sind, sei es mit einer rationellen Wirtschaftspolitik und mit einer gesunden Sozialpolitik schlechterdings unvereinbar, daß ein bisher blühendes Gewerbe dem Experiment einer zweiten Stenererhöhnng preisgegeben werde. Es ist zu be achten, daß 1900 nur eine mäßige Erhöhung einsetzte und zwar gleichzeitig mit der Staffelung, die den mittleren und kleinen Betrieben zu gute kam. Diesmal aber handelt es sich aber um eine allgemeine Stenererhöhnng. Oetterreii»i-Knq»rn — Trr König und die Königin von Spanien sind am Freitag von Wien nach Madrid abgereist. — Die „Neue Freie Presse" meldet: Der tschechische Hcindelsmin'ster Fiedler und der tichcclnsche Landsmann- minister Praschek haben infolge der Vertagung des böh- miscl)en Landtages ihre Demission gegeben. — Tie Teilnehmer an einer nationalsozialistischen Ver sammlung zogen Donnerstag abend in kleinen Gruppen durch die Straßen Prags und zertrümmerten mehrere Fen ster und elektrische Bogenlampen. Auch Passanten wurden mißhandelt. Tie Ausschreitungen, woran sich zumeist halb wüchsige Burschen beteiligten, dauerten bis nach Mitter nacht. Acht Verhaftungen wurden vorgenommen. — Eine Stimme aus dem Sandschak über dessen Räu mung. Wie Oesterreichs Kultnrtätigkcit die Anerkennung auch politischen Gegnern abnötigt, beweist ein charakteristi scher Brief, den die „Bosn. Post" veröffentlicht. Das Schrei ben ist von einem Serben, der im Sandschak Nowibasar lebt, an einen Serben in Sarajewo gerichtet; weder der Empfänger noch Absender sind österreichisch-ungarische Untertanen. In dem Briefe finden sich folgende Stellen. „Hier bereiten sich die besseren Serben und Mohammedaner zu einem Proteste vor, welchen sie gegen den Ausmarsch dev österreichisch-ungarischen Truppen einbringen wollen. Diese Truppen haben im Lande uns gar keinen Schaden angerich tet. Im Gegenteil sehr viel Nutzen, den man gar nicht ab schätzen kann. Sowohl von der materiellen, wie von der moralischen Seite . . . Wo man bis jetzt in jedem Winkel der Stadt Gesang hörte, ist nun alle Fröhlichkeit verschwun den . . . Was danken wir ihnen. Die schönen Straßen, die Parkanlagen, die Wasserleitung und alles andere gute. Aber über das alles, daß Freiheit hier war. Deswegen sind wir alle dafür, daß auch weiterhin die Truppen des Kaisers Franz Josef im Sandschak bleiben sollen, daß wir nicht dann später einmal die Hilfe Oesterreichs in Anspruch nehmen müssen. So denken alle Bürger." Balkan. - In Wiener diplomatischen Kreisen betrachtet man mit wachsender Sorge die Verschlechterung in den Beziehun gen zwischen der Türkei und Bulgarien. Die Stimmung in Konstantinopel ist eine sehr kriegerische geworden. Die türkische Regierung hat den Mächten angezeigt, daß sie an gesichts der Rüstungen Bulgariens Vorsichtsmaßregeln mi litärischer Natur zu ergreifen gedenke. Andererseits ist man in Bulgarien entschlossen, die ernstlichen militärischen Maßnahmen der Türkei nicht gleichgültig hinzunehmcn, so daß sich die Gefahr eines türkisch-bulgarischen Krieges heute entschieden größer erweist, wie vor einer Woche. Die gegen wärtige politische Situation wird in Wien als sehr ernst angesehen. Obwohl eine offizielle Verständigung über das Londoner Konferenzprogramm hier noch nicht vorlicgt, fragt man sich doch, auf wessen Kosten Serbien und Monte negro Kompensationen erhalten sollen. Man ist sich dar über klar, daß das Vorgehen der Tripelentcnte, der sich, rö mischen Depeschen zufolge, auch Italien als stiller Gesell schafter angeschlossen hat, offen in erster Linie gegen Oefter- reich-Ungarn gerichtet ist. Angesichts dieser Gefahr sucht man sich hier über die Haltung Deutschlands Gewißheit zu verschaffen. Der österreichisch-ungarische Botschafter in Der- lin, Herr von Szögyenyi, ist nach Budapest an das Kaiser- liche Hoflagcr berufen worden, wohin sich auch der deutsche Botschafter in Wien, Herr von Tschirschki, begeben hat. Bot schafter von Tschirschki überbrachte dem Kaiser ein eigen händiges Schreiben Kaiser Wilhelms und legte im Aufträge
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