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Nr.S» SO. Jahrg. Fevnsptecherr Redaktion 21366 — Geschäftsstelle ISO iS Postscheckkonto: Dresden Nr. 1478? SöcklWe Sonnabend, 5. März IS2I Redaktion und Geschäftsstelle: Dresden-A 16. Holbetnsteatze 46 volkrelimia V«z>wSpr«iS> Vlertellütztttch fr«« Haus 7luSa«h» I mit illustrierter Leiiage 1S.7I; ae. «s„Sgabe « I1.»s.V elusLiiehIich Poslbeslellgeid »I« Sächsisch« BolkSzeituiig erscheint an alle» Äocheutaaei« nachm. — Sprechstunde der Redakiia»! »I bis IS Uhr bann. 4l.,z«i«.n. «»..«»me .'»» «ekch-st»°,...iaen bis I« Uhr. v-u SamU«-.».» bis II Pc-ii.-pa-iz«il« im Ne,-an.-teil S.S« ^^ L» ..Ich!'... Fernsprecher Liuf^egedev^An/.eifle« kömreu wir die i .^LrxtertLrg nnd ^Metsibe wsAAMg Die Galgenfrist Die Flügel des Schicksals rauschen über de» Hä. .lern der Deulschcnl In einer IlltimaliimSsrist. die am Montag mittag 12 Uhr ihr Ende erreicht, soll über Sein oder Nichtsein des deut schen Volkes entschieden werden! Die Methoden der Entente wollen eS so. Die Toren wähnen, man könnte dem ausgcmergelten, durch die Wirkungen der englische» Blockade verelendeten Volke koinmaud'ere» und diktiere», was es in dein nächsten halben Jahrhundert leisten und zahlen kannl Sie wahne», sie könnlen dem freien deutschen Arbeiter diktieren, >vas er an Sklavenarbeit in dieiein halben Jahrhundert aus seinem zermürbten Körper herausholt I Sie wähnen, sie könnten diktieren, das; jedes neugeboren: Kind in Deutschland mit einer Schuldenlast bon 60600 M. auf die Welt kommt! Sie wähnen, sie könnten diktieren, das; jeder Steuer zahler in Deutschland eine Schuldsumme von 176 Ml Papier- markt abteägtl Sie wäünen, sie könnten diktieren, das; die 226 Milliarden Goldmark, die sie fordern, in 19 Kohlenzüge» von der Erde bis zum Monde abgeleistel werden I Sie wähnen, sie könnten dikliere», das; die Deutschen die durchschnitt liche Jahresrate von 8^ Goldmilliarden in einem Kohlenzug ab leisten, der 4h;mal in» den ganzen Aeqnalor reicht! Sie wäh. rien, sie könnten diktieren, daß jeder Erwerbstätige in Deutsch land — und das sind unler den heutigen Verhältnissen ö.ö Pro zent des gangen deutschen Volles — 8» Jahre lang n'cht 8, son dern 14 Stunden um Tage arbeiten! Nicht, was wir sollen und müiseii, sondern was wir können, das wollen sie nnö dik tiere»? Die Toren! Die armen Toren! Lkoiid George bat in seiner NltimalnmSrede ein sehr rich tiges Wort ausgesprochen: Die Entente sei überzeugt, das; „eilt freies, zufriedenes und blühendes Deutschland «ine notwendige Vorbedingung für den Frieden »nd daö Wohlergehen Europas sei". Das sagen wir seit Jahr und Tag. Aber wenn nach Ententemeinnng die Ire i° heit des dentschen Volkes darin besteht, das; wir cm halbes Jahrhundert Hindurch für die lebende und für eine »och nnge- öorene Generation uns zu einer Sklavenarbeit verpflichten solle», venu die Zufriedenheit darin bestehen soll, das; mau uns sie kargen LebenSsäite mit Hilfe von weißen und schwarzen Ba jonetten ans dem Körper herauspresst und wenn das Blühen Deutschlands auf dem Raub seiner sämtlichen Existenzgrund lagen, seiner Kolonie», seiner Schiffe, seiner Erz- und Eisen felder beruhen soll, dann mag das alles den traditionellen Me thoden der Engländer entsprechen, wir empfinden "der solche Phrasen im Munde der Gegner als Hohn und Spotti Ein anderes Bekenntnis Llovd Georges wollen «vir »n? aber auch gilt merken: Er erklärte, daß der Fried,enS»>-.r!rag von Versailles anfgebant sei auf dem von den Deutschen uuterschric- brnen Bekenntnis der Schuld am Kriege und der Verantwort lichkeit für ihn! Und er fügte hinzu, das; dieses Sch ^dbekenut- »iS die fnudamcniate Grundlage für den Versailler Vertrag be deute! Die deutsche Verantwortlichkeit am Kciege würde eie Enienle nicht nur als eine feststehende, sondern als e »e unum stößliche Tatsache behandeln! Diese Auslassungen Llopd Georges bedingen, das; der ganze Vertrag von Versailles hinfällig wird, wenn seine Voraussetzungen und seine Grundlage »' Gestalt dcS übrigens mit de»' Revolver erzwungene» dentschen Schuld bekenntnisses fallen. Daß diese? erzwungene Bekenntnis von ocr Entente im jetzigen Augenblick als ein politischer Fnk er anLge- spielt wird, zeigt übrigen? die Schwäche der gegnerischen Position. Man kann sich auf der anderen Seite auf gar nicht?- anderes stützen als auf diesen Punkt, gegen den wir aber auf da? ent schiedenste Sturm lausen müssen. In das Dunkel der Vorkrieg?, gesmichte kommt ja immer mehr Licht. Und man weis; heute schon, welche kriegdtreiberische Rolle der ebemalige Präsident der französischen Republik, Poincare, gesvielt bat. Wir hoffen auf den Tag, an welche.» es offenbar wird, daß dieses im Versailler Vertrag erzwungene Schuldbekenntnis eine Lüge war. «>nc Lüge freilich zu der mau uns preßte! Eine Galgenfrist ist uns »uu gewährt. Zu Höften haben wir nicht piel, denn hängen will man uns so oder so! Wenn man da? aber schon will, so ist wahrhaftig nicht einzuwhcn, wes halb wir uns für unsere Metzger unter deren Gespött erst noch aufpäppeln sollen! Heute und morgen findet in Dresden der zIvette ordentliche Parteitag der Christlichen Volks partei Sachsens, des Zentrums, seit ker Neu organisation statt. Wir können mit Befriedigung auf den Ver lauf der beiden letzten Jahre und auf die Entwicklung, welche die ZeittrnmSpartei in Sachsen genommen hat, gurückblicken. Wenn wir diese Befriedigung zum Ausdruck bringen, so soll dainil selbstverständlich keineswegs gesagt sein, daß nicht noch viele? zu tun und zu schassen 'st, im Gegenteil! Es ist .och außerordent lich viel zu arbeiten, »och außerordentlich viel auch zu erreichen. Trotzdem aber darf man heute, wo wir an einem newm Abschnitt bei dem Zusammeittrttt des Parteitages stehen, der Befriedigung offen und unumwunden Ausdruck geben, wen» nur aus die bei den letzien Jabre zu-uckbiickeu. Wer au der Tagung des damalige» ZeittrumSwahlvereinS für Sachsen vor zwei Jahren im ...Herzogin Garten" in Dresden tcilgenommen Hai »>.d heule einen Blick auf den Bau der Christ lichen Volkspartei wirst, der wird zugcüeu müsse», daß wir uns eine Organisation geschussen baden, weiche die Grundlage inr den Weiteranfban in der künftigen Zeit bietet AuS den wenigen Vereinen, die denn damaligen Zentrumswahlverein «»geschlossen waren, sind 40 Ortsgruppen inr ganzen Laude ge worden, von denen mehr als 80 in den letzten zwei .Jahren neu gegründet werden mußten. Gewiß sind darunter manche, die dringend noch des Ausbaues uud der Stärkung bedürfen, aber die Mehrzahl bat doch eine gute Entwicklung genommen, was un bedingt anerkannt werden muß. Wenn znm Beispiel eine Orts gruppe in der Südlansttz, die erst im Porigen Sommer gegründet wurde, heule bereits mehr als 200 Mitglieder zählt, so ist daö ein Zeichen des Erstarleus unserer Parteibeweguua. Andererseits zeigt es sich, daß auf dem Gebiete der OrgamstitionSarbeit, wie schon nugedeutel, noch sehr viel zu tun übrig bleibt. Neun zum Beispiel in einem Orte, ebenfalls in der Südlausitz, bei der letz len Wahl 857 Zentrumsstimmen abgegeben worden sind, die Ortsgruppe dort aber nur etwa 180 eingcschrwbene Mitglieder zählt, so zeigt das, daß der organisatorische Ausbau noch lange nicht vollendet ist. AtieS in allem genommen aber kann der zweite, heute zusamnieutretende ordentliche Parteitag der säch sischen ZentrumSpaclci sagen, daß in den letzien beiden Jabren, vor allem aber im letzien Jahre, ersprießliche A rbeit ge leistet worden ist. Da? muß por allem deshalb hervorgehoben werden, weil nirgend anderSwo wie in Sachsen die I e n t r u m S > a r t e i jo schweren Stürmen in diesen beide» Jahren ansgesetzt ge wesen ist. Unsere Partei bejindei sich hier in Sachsen auf V o r- p c st e n st e l l u u g und die Stürme, die über das Zentrum in diesen beide» Jahre» seit der Revolution hinweggel raust sind, haben zweifellos ihr: letzien und stärksten Auswirkungen in Sachsen erfahren. Die Treue der Zeuiruinswähler ist einer außerordentlich schw..ren Belastungsprobe unterworfen worden. Von allen Seilen wurde die ZenteumSpartci, wurde der Zen- irumSgedanke in diesen Jahren wurde die Stellung der Zen- tlumspnrtei zu den Fragen igi Reiche und in den einzelnen Län dern belämpft, und zwar mit Mitteln bekämpft, die an Gehässig keit und Feindseligkeit nicbts zu wünschen übrig ließen. Ver dächtigungen über Verdächiiguugen war die .Zentruu'Spartel in erster Linie bei »ns in Sachsen ausgesetzt. Und »venu cS noch eine? Beweises bedurft halte, wie stark auch bei uns der Gedanke der Christlichen Voiksparttü, de? Zentrums, verankert ist, daun wäre eS eben dieser, daß schließlich alle Angrisst- crf->i«tas und darüber hinan? für unsere Pariei erhebliche Fortschritte zu ver zeichnen gewesen find. Die Bekämpfung von der äußersten Linken, die Bekämpfung von der Sozialdemakicttie aller Richtungen war die .Zentrumö- parkei gewöhnt, aber neu war der Kampf, der von rechrs in erster Linie hier in Sachsen gegen unsere Partei in Szene aesetzt wor den ist. Dieser Kampf bat sich ja bis in die letzte» Tage sortge- vslnuzt. Wir befinden nnö in der N b m e h r st e l' u n g, wir mußten diese Verdächtigungen der ZenirnmSpolitik stn Reiche »nd in Preußen abwchren in einer Zeit, wo uns i» Sachsen von der linken Seile der .Kulturkampf cnifgezwun,,en worden ist. Vergessen war auf rechtsstehender Seite all das, was früher von dort hinsichllich der Zentrumspolitik anerkannt worden ist. Im Gegenteil wurde das Zentrum demgegenüber verdächtigt, daß cS dew vaterländischen Pflichten nicht Genüge geleistet habe, obwohl «S doch kein« Partei gibt, die gerade in der jüngsten Zeit so wie daö Zentcnm die Ersüllang der vaterländischen Pflichlen über da? Parteiinrercsse setzte. ES darf vielleicht heute daran erinnert werden, daß kein Geringerer als der Reichskanzler Fürst Bülow es war, der -in Reichstage am 1k Avril 1604 erklärte, er unterschreibe durchaus das. was der sreikonservative Abgeordnete von Kuidorfs ..über di« daukensweile drei larbeit deS Zentrums au den gießen nationalen Fragen gesagt bal. Und der konservative Schcfisieller Richard Nordhausen schneb - um nur ein Bei,fiel anzuuchrc» - im September 1909 im „Tag" wörtlich folge!.des: Andererseits sei dautbar anerkauitt, daß die Zeittrnms- parrei in den wirtschaftliche» Kampfe» der letzte» drei Jahr zehnte stets tapfer ihren Mann gestanden hat. daß sie fast immer für nationale Forderungen zu haben und cui festes Bollwerk gegen die Sozialdemol'ralisieruug Wetter Bezirke ge wesen ist. Sie hat ihre Pflichl, zumeist um Gottes willen ge tan: dein törichten Gerede boui Kuhhandel sollten Verständige allmählich das Ohr verschließen. Wäre das Zen.cmin eine selbstsüchtige Schacherpartei dann müsste man seiner kauf männische» Begabung ein schlechtes Zeugnis ausstellen: so wenig hat eS in dreißigjährigem Kampfe für sich erreicht. Wir erwähnen bas heut« deshalb, weil ja gerade in dieser Hinsicht daö Zentrum außerordentlichen Kämpfen ansgesetzl war. Ta aber jetzt gerade wiederum beim preußischen Wahi'umpfe i» der Lausitz von deutschnatioualer Seite die Behauptung aufge stellt worden ist. aas Zentrum sei eine konfessionelle Partei, so feien auch hierfür aus der nunmehr 50jährigen Ge>chich!s der Zenirumspartei einige Beispiele angeführt: Schon am 1. Fe bruar 1872 hat der unvergeßliche Abgeordnete Hermann von Mallinckrodt wvcttich folgendes ansgesührt: „Wir haben Ihnen drei- und viermal gesagt Wir sind nicht nur nur keine konfessionell gebildete Frutti.»', sondern wir wollen eö »ich nicht sein. Wir sind eS prinzipiell nicht nach unserem Programm, mir sind es tatsächlich nich'. insofern als wir bekanntlich rm Reichstage auch Protestantisch« Mitglie der zähle»." lind lein Geringerer, als der Bischof von Mainz, Wil helm Emauuel Freiherr von Kettrler, der nach dem 70er Kciege einige Jahre Mitglied der Zeo.'cumSfrüttiüli deS Reichstages war, hat in seiner Schrift: Die ZentrumSfrakiion auf dein ersten deutschen Reichstage unicr anderem folgendes geschrieben: „Ich würde Auch nie im Dentschen Reichstage einer eMi ss!» katholischen Partei in dem oben bezeichnrtcn Sinne ange- schlossen haben, weil ich fest zu dem Grundsätze stehe daß Pa rität unter den verschiedenen, gesetzlich ««erkannte» Konfessio nen öffentliches R< cht in Deutschland ist. und in diesem Kalle kann ich ohne Anmaßung »nd ohne Furcht eine? Widerspruches im Na,neu aller iminer Frattiousgeuosseu sprechen. Die Zentrum Sfraklio» ist so weit davon eutwrut. eine erkluiiv katholische zn sein, daß die cnlüoiedeusien Anhänger dcS Protestantismus, wen» sie nur aus dem Boden des posi tiven Recbto» und der rechtlichen Parität siede.., ihr augehöre» und in keiner Beziehung alle ihre Forderungen u.m Bestrebun gen teilen köuum.'' Der Zentru.nSabgeordnete G r a f H o p e! ch> ha! am 13 Juli 1303 iui Reichstage gegenüber dem R'stcbskanzler Caprivi erklär!, daß das Zentrum niemals eine konfessionelle Partei gewesen sei: wenn Er dies in früheren Jabren insinuiert wurde, habe sie jedesmal Verwahrung dagegen cn'.agttgk. Der sreikonservative Profest'or Dr. Hans Delbrück ha im Au gust 1606 i» den Preußischen Jahrbüchern ' ausdrücklich betont, daß da? Zeulnim auch tatsächlich eine konfessionelle Pariei nicht gewesen ist. lind das freisinnige „Berliner Tage blatt", dem man doch keine Jrenndlnokeit gegenüber dem Zen trum nachsaoe» kann, hat in Nr. RA» vom Jahre IR.t wörtlich felgendes geschrieben: „Ginge eS nach dem Wunsche des Papstes, das Zen, um stünde der ReichSreg,icrnng heute (tüOist nicht so senilste.>q gegenüber. Vor enicr Aeußerung solcher Gettihlc bätet man sich indessen >n Rom reckt sein, denn mau kennt tue e gen« Schwäche, ja Ohnmacht gegenüber de»! Zentrum nur za uu, welch letzterer einen römischen Wink voraussichtlich durch ein guod nou beantworien würde." Die nationakliberaleu „M ü n chene r N e n e s! ' n Nach- rich.en" schrieben in Nr. Mi vom U>. August 16,0: „Die Zeuie, möparlei als solche hat e? siel« abgeleüu:, Roms Führung .» der Politik zu befolgen." Diese AnSlassun wn könnte:, hig v rmchrt werden, aber wir wolle» uns damit Herne v.-.u ge». Da aber das Zentrum gerade jetzt von dcutsci'uttin lawr und alldeutscher Seite so stark befehdet wird, w,e ja der Wahl kampf in Preußen deutlich bewiesen hat, so sei auch a» e:u« Stimme ans diesem Lager erinnert. Der bekanu'.e all deutsche Schriftsteller Max Lorenz schrieb :>n .Tag* im Jahre 1607 folgende».