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Nr. L? >8. Iahrg. Freitag, den 14. Febr. '»»k abends 0- o U»»,«»e > mit illlistr Beilage »lerleljShriiib In Lreede» un» gani De„«ch> Um» frei Haus S.itl» >k m Oefterreiü, ».4« X. «»«,«»» « vieaeljShrlich ».S8 >e. I» Dr»««e» und ganz Deulichland frei Hau» U.— > in veuerreich S.80 X. Linjel-Nummer 1V t Die Süchfiiche BolkSzeiluiig erscheint an alle» Wochentagen nachmittags. 0 Geschäftsstelle x«d Aedakli»«» Lresde««N. 18» Holbeivstrohe 4L Ferusprecher L1L6Ü Vostschecklonto Leipzig Nr. 14 7S? y a Ao^eige», «»ua»«»>mn «esch»fI«aneeigen»tS IV NHr von zamiitenattjeige» »i» I l U»r vor«. 1»ret« f», die,.ti».«val,,eile «S « in, ReNa- «eleU 8« z. K««U en-Anjeigen L<» P Aür undeullich schrieben». i«»,e »urch gern wrecher »uiaegebeiie Anzeigen können wir di, «erantworüichleit f»r»ieNicht,gl,il de« reite» nicht «»eniehmen Sdrechitunte »er Redaktion: »1—1!« Uhr vor» ll— -- - Einzige LachoMM UüMSMwW m Organ Ser ZenLrumspmreLo ^ Ausgabe ^ mit illustriertem ^ ervaituugsbeUage «nd retty Wocheudeiiage WterMeM Ausgabe k mrr mit der WocheubeUage Zcdeickemann; Programm. - vie Zrellmg üe; Lentrumr. Die Nationalversammlung. Vizepräsident Ha riß mann eröffnet die Sitzung um 3 Uhr 20 Min. mit der Verlesung verschiedener Eingänge, Telegramme und Adressen. Darauf tritt das Hans in die Tagesordnung ein: Entgegennahme einer Erklärung der neue!'. Neichsregicriing. Präsident des Neichsministeriumo Scheidemnnn: 'Meine Damen und Herren! Das erste Wort der eisten verantwortlichen Negierung der deutschen Republik »ins; ein Bekenntnis sein zu Ihne», ein Bekenntnis zu dem Gedanken der Volksherrschait, den diese Versammlung ver körpert. Ans der Revolution geboren, ist es ihr Berns, das geistige Gut der Revolution vor Verschleuderung zu wahren und zum dauernden Best tzdes ganzen deutschen Volkes zu machen. (Bravo!) Wir wissen nicht, welche schwere Stürme uns noch bevorstehen, aber ich glaube, die Prophezeiung wagen zu dürfen, das; dieZeiten der Gewaltherr schaft ein für allemal vorüber sind (Frau Z s e tz, Unabb. Soz.: Roste!), daß keine Macht der Welt jemals ungestraft eS wogen dürste, das gleiche politische Recht aller Volksgenossen anziitasten. (Lebh. Beifall.) Tie alten Gc- Ivalten waren im Rechtsbcwnsttsein des Volkes schon tot, als sie noch scheiulebsndig waren, sonst wären sie nicht so widerstandslos zusammengebroche», sonst hätte sich der neue Rechtsziistand der Demokratie nicht mit solcher Selbstver ständlichkeit eingebürgert. Wir betrachten es als eine der grössten Errungenschaften, daß auch die Frauen als gleich berechtigte Volksgcnossinnen in unsere Reihen eingetreten sind. (Beifall.) Von stolzen Höhen ist unser Volk in einen Abgrund gestürzt. Als man uns rief, war längst kein Holt mehr. (Rufe reebtS: Na! Na!) Das ist das Schlimmste eines zur Niederlage bestimmten Voltes, das; es sich selbst belügen muß, weil es an die Niederlage nicht glauben dars. Wir aber waren zur Niederlage bestimmt. Wir mussten Var der brutalen Wahrheit die Augen schließen, das; zehn schließ lich immer stärker sind als einer. Als entgegen allen Voraus sagen unserer Unterseeboot-Propheten das Heer unserer Feinde im Westen um Millionen anwuchs, und der geniale Hanptaktenr des Weltkrieges, Lndendorff (Widerspruch rechts) schließlich den Bankrott erklärte (erneuter Wider spruch — diejenigen, die es miterlebt haben, werden keinen Widerspruch wagen — (Beifall), da fiel es wie eine Binde von den Angen des Volkes. Deutschland war reif geworden für den 9. November. Am 10. November ergab sich die Notwendigkeit, das; wir uns mit der Fraktion der Unabhängigen ans Bildung einer gemeinsamen Regierung znsammentaten. Wie ernst unsere Absichten und wie weit unser Entgegenkommen war, erschkw Sie ans denk Umstande, daß wir uns bereit erklärten, alle Posten paritätisch zu besehen, obgleich wir genau wussten, das; unser Anhang im Volke unveraleichlich viel größer als der dieser anderen Partei war. (Sehr richtig! b. d. Soz.) Wir nahmen das Verhältnis 1 : 1 an, während die Wahlen zur Nationalversammlung das Verhältnis 11:2 ergaben. (Hört! Hört! Zuruf b. d. Unabb.: Wird schon anders wer den! Lachen.) Unter diesen Umständen war unsere Herr- schast von vornherein belastet mit einer Erbsünde gegen den Geist der Demokratie. (Sehr richtig! b. d. Soz., Lachen b. d .Unabh.) Aber es war dies beim damaligen Stande der Dinge ein notwendiges Zugeständnis an eine Partei, die nun einmal in den Fehler verfallen war, mehr gelten zu wollen, als sie ihrer Zahl nach bedeutet. (Unterbrechungen b. d. Unabh.) Der Fehler ver größerte sich bei einem Teile der Partei zur tragischen Schuld, er strebte danach, als Splitter des deutschen Volkes mit Ge walt die ganze Macht an sich zu reißen. Er verkannte das Wesen der Revolution und lehnte es ab, die Mehrheit der Köpfe zu revolutionieren, sondern suchte durch List und Ucberredung die Mehrheit der Fäuste und der Waffen auf seine Seite zu bringen. (Sehr richtig! Unruhe b. d. Unabb.) Ich nehme ohne weiteres an, daß die geistigen Urheber jenes Unternehmens der Sache der Menschheit zu dienen glaubten. Aber es ist das der schlimmste Irrtum, dessen ein Mensch fähig ist, ivenn er glaubt, die Segnungen desSozia- lismus mit Handgranaten und Maschinen gewehren einem Volke beiz u bringen. (Sehr richtig! Unruhe b. d. Unabh.) Diesen Irrwahn haben'wir bekämpft mit Worten, solange er sich in Worten äußerte, mit der Tat. als seine Anhänger wahnwitzig zu Taten über- gingen. (Zustimmung.) Wir haben damit nur unsere Pflicht getan. (Beifall.) Wir haben dabei die Interessen des ganzen deutschen Volkes verteidigt, und so schwer wir uns auch zu diesen Kämpfen entschlossen haben, unser Ge wissen ist rein. (Stürmischer Beifall. Zuruf b. d. Unabh.: Blutbefleckt! Erneuter Beifall.) Tie alleinige Schuld für das, was geschehen ist, füllt ausschließlich auf die, die allen Warnungen und Beschwörungen zum Trotze das Verderben entfesselt Haber (Lebhafte Zustimmung.) Der Friede, den abznschüeßen die schwere Aufgabe dieser Negierung ist, soll keine bloße Ermattungspanse in einem ewigen Kriegszustände der Völker sein, er soll viel mehr das harmonische Zusammenleben aller Völker ans dem Boden einer Weltverfassung begründen, die allen Völkern gleiche Rechte verleiht. In diesem Sinne ist daS Pro gramm des Präsidenten Wilson von uns an< innerer Ueberzengung angenommen worden. Ein nieder- getretenes, hungerndes Deutschland wäre für die ganze Welt ein Unglück und eine Gefahr. Wir fühlen in uns die Kraft, der Welt mehr zu geben, als Wan uns genommen hat, ivenn man uns die Arme lässt zum Schaffen. Waren zur Zeit der militärischen Erfolge Deutschlands unsere Alldeutschen eine Gefahr für die Welt, so sind es die Alldeutsche n des Auslandes jetzt Diese Machtvoliftker können uns wohl, wenn sie die Entscheidung maßgebend beeinflussen können, zum Frieden zwingen, aber sic werden niemals 70 Millionen Menschen zwingen können, einen solchen Frieden im Innersten ihres Herzens als ehrlich und gerecht anzner- tennen. (Lebh. Beifall u. allseitige Zustimmung.) Sie wer den nie imstande sein, einen wahren Friedensbnnd der Völker zu begründen, der auf dem freien Willen der gemeinsamen fteöeizengnng ruht. (Lebh. allseitiger Beifall u. Zustim mung:) In diesem Zusammenhänge möchte ich ein Wort richten an alle gerecht und menschlich Denkenden ans dem ganzen Erdenrund: Das; sie uns unterstützen mögen in der Forderung, die wir in unserem Programm bereits formu liert, daß endlich den deutschen Kriegsgefangenen die Heimkehr zu ihren Familien ermöglicht werden möchte. (Stürmischer Beifall u. Zustimmung, Unruhe bei den Unabh.: Schicken Sie doch die Russen zurück!) Wir sind doch hier im deutschen Reichstage und nicht im russischen. (Stürmischer Beifall n. Zustimmung.) Indem wir unseren Brüdern, die jahrelang von ihren Familien, von ihren Frauen und Kindern und Geschwistern getrennt gewesen sind, die herzlichsten Grüße senden, verbinden wir damit den Wunsch, daß uns alle Neu tralen, die sich ein Gefühl der Menschlichkeit bewahrt haben, in dieser Forderung unterstützen. (Erneuter lebhafter Bei fall.) Ein anderes, nicht leicht zu lötendes Problem liegt in dem Verhältnis deS ReichSgnnzcn zu seinen einzelnen Teilen. Die Negierung hofft, in ernstem Zusammenarbeiten mit Ihnen daS schwere Werk vollenden zu können, die Einheit und die Freiheit, sowie die unverbrüchliche Solidarität aller deutschen Stämme auf dem Boden der Republik in die Tat umzusetzen. Tie Negierung ist sich auch dessen bewusst, das; Staatsverfassungen, auch die vollkommensten, nur leere For men sind, die ihren Inhalt durch die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Zustände erhalten. Beseitigung der Klassen unterschiede, das ist die große Aufgabe, die wir »ns gestellt haben. Die nichtsozialistischen Mitglieder der Negierung wissen, das; die Sozialisten nicht aifthörcn werden, Sozia listen zu sein und demgemäß nach ihrer sozialistischen Uebei- zengung zu handeln. (Bravo! b. d. Soz.) Nicht aber denken wir daran, ans unsere Kollegen oder ans diese Versammlung eine nnznlässige, mit dein Geiste der Demokratie unverein bare Pression ansznüben. (Sehr g»t>) Nun, deutsche Männer und deutsche Frauen! Bahn frei für alles, was aus der Tiefe zum Lichte strebt! Bahn frei für das drängende Neue, dann werden wir es schaffen. (Lebhafter Beifall.s Abg. Gröber (Zentrum): Heute ist es schwer, national zn denken und zu fühlen, aber dafür um so ehrenwerter und notwendiger. Wir müssen alle Kraft einsctzcn für die Wiedererrichtung eines geordneten, leistungsfähigen deutschen Staatswesens. (Beifall.) Die Hcprptaufgabe für uns in dieser Nationalversammlung ist die Schaffung von Frieden »nd Ordnung, von Brot und Arbeit. (Beifall.) Unsere Kriegsgefangenen sind so rosch wie wög. lich ihren Familien zurückzugeben. (Beifall.) Tie besetzten Gebiete müssen frei werden von der Abschnürung und drückenden Belastung mit Quälereien aller Art. (Lebhafte Zustimmung.) Es sind nun schon mehr als ststß- Monate, das; Deutschland um den Frieden gebeten hat. Der Waffenstill stand ist dafür lein Ersah, now dazu unter so Herten Be dingungen. Wir bekennen uns zu den: Grundsätze Wilsons über die Gebiete mit »nzweiftlliast polnischer Bevölkerung, aber über den deutschen Ebarakter von Danzig n n d O b e r s ch l e s i e n kann doch wahrhaft nicht gestritten werden. (Lebhafte Zustimmung.) Wir erheben Protest gegen den Plan, den trüberen deutschen K a i s e r v o r e i n a ii s > ä ndiswe s G ericht zu stellen. (Bravo! rechts n. im Zentrum.) Das ist mit den völker rechtlichen Regeln unvereinbar und soll mir Deutschland berabwürdigen »nd beschimpfen. (Sehr richtig! rechts u. im Zentrum.) Wir treten für einen Völker b n n d ein; ein solcher aber muß den Todcskeim in sich trauen, wenn uns beute scheu cingekündigt wird, das; unsere Kolonien nicht zurückgegeben werden sollen, und daß uns auch die Neuerwerbung von Kolonien verwehrt werden toll. Zur Zermürbiing unserer Armee hat wesentlich das Bestehen der S o l d a 1 e ii r ä t e beigetragen. Das ist kein Glück f ü r n nsge w c s e n. (Sehr richtig! rechts u. i. Zentrum.) Ich erkenne an, das; sie als VertrailcnsaiiSschüsse aut gewirkt haben, und in diesem Umfange sollen sie auch bestehen bleibeu. Als Vertramnsmisschüsst für die Prüfung und Sichtung und für eine gerechte Erledigung von Beschwerden sind die Soldatenrätc gewiß wertvoll. Aber verwerfen müssen wir die politische Tätigkeit der Soldatenräte. Von den großen Kosten, von den maßlosen G c h a l t s b e z ü g e n, die da vor- gekommen sein sollen, will ich gar nicht einmal reden: bei der Marine sollen gewisse Soldatenräte monatlich 5000 Mark erbalten baben. (Hört! Hört! Heiterkeit.) Dir Sorge für die Kriegshinterbliebenen und Kriegsbeschädigten muß für uns auch unter den schlimmsten finanziellen Verhältnissen eine Ebreiipflicbt lein und bleiben. (Beifall.) Zu den Grundrechten des Volkes gehören nach dem eben entwickelten Arbeitsvrogramm auch die Gcwissciissreilicit und die Freiheit der Rcligivilsiibung. Die Regelung der Einzelbeziebnngen zwischen Staat und K i r ch e muß Sache der Ein;elstaaten sein, nur daß sie auf dem Boden der Freiheit, nicht der Unfreiheit zu erfolgen hat. Man soll scdcn nach seiner Fasson Gott suchen lassen. Wir brauchen eine neue Negierung, eine neue Verfassung und eine E r u e » e r n n g in geistiger und sittlicher Be ziehung für das ganze Volk. DaS ArbcitSpro- gramm der Negierung ist ein KoalitionSprogrinnm, nicht ein sozialistisches. (Sehr wahr! b. d. Unabh.) Man wird auch künftig nicht in e h r v o n e i n e r i o z i a st i s cki en Republik sprechen dürfen. Wir sind nicht Mitglieder einer sozialistisckien, son dern einer Koalitionsregierung. (Beifall ii. Zustimmung im Zentrum.) Mir wollen die demokratische Republik, aber keine sozialistische, wir wollen die demokratiscbe Republik auf föderativer Grundlage entsprechend dem bisherigen Charakter des Deutschen Reiches und seiner ganzen Jahr hunderte alten geschichtlichen Ueberlieseriing. In den Kriegs- jahren hat leider unter der Rot der Zeit eine gewisse Zen tralisierung eingesetzt, aber diese Zentralisierung hat einen Aufschrei ausgelöst von einer Oiewalt und einer Heftigkeit, wie man ihn bis dahin noch nicht gehört hat, den Aufschrei: „Los von Berlin!" Wir würden es begrüßen, wenn di: Deiitschöster r e icher zu uns kommen würden, nachdem sic lange Jahre durch eine falsche Machtpolitik aus Deutsch- land verdrängt worden waren. (Beifall.) Nach Abstam mung und Geschichte gehören sie zu uns. (Erneuter Beifall.) Mögen sie recht bald zu uns kommen. (Erneuter lebl-afier Beifall.) Mit vollem Gottvettrauen treten wir an die großen Aufgaben für die Zukunft heran und hoffen, daß wieder der alte Satz gilt: Gott verläßt die Deutschen nickst. (Lebh. Beifall i. Zentrum.) Abg. N a ii m ann (Dcmokr.): Bisher lag für die Volks vertretung kein Zwang vor, bestimmte McbrheitSgruppie- rungcn zu bilden. Aber nachdem die monarchische Negierung nicht mehr vorhanden ist, ist es für die Existenz und die Leitung des Staates eine Notwendigkeit, das; ans Gruppen und Parteien heraus ein gemeinsamer Gedankcngang orga nisatorisch festgefügt wird. Wir alle wollen ehrlich den Frieden, aber wir wollen auf deutschem Boden nicht von Fremden anfgcfressen werden. Wir sind den Völkern ent- gegengegangen, indem wir an der Hand trugen die Sätze von Wilson: aber da bies; es auf der anderen Seite von An fang an: Erst gibt es die Probezeit des Waffenstillstandes, und nun wird diese Probezeit verlängerst, und bei uns geht der Krieg weiter — wenigstens die Leiden und die Schmer-