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MI !>NZM!I»>WW»MWr!IW»I>l>I I stl> II 1 » > —»»WWW Die Friedenspolitik des Vatikans Hk Die Tatsache, das; alle Fiiedensmöglichkeitt'!! des Sommers 1917 von Teutschtand unbeachtet gelassen wurden, fleht fest. Es ist eine ungeheure Tragik, di« aus der Frei tagrede des Ministers Erzberger spricht. Erneut wurde offenbar, daß wir eine unheilvoll arbeitende Nebenregierung alldeutscher Observanz besessen haben. Daran kann auch das nun allmählich wieder einsetzende Geschrei, der Presse nichts ändern, die sich jetzt zu erholen beginnt, nachdem sie zuerst wie vom Schlage gerührt war und nur noch einige Worte zu stammeln vermochte. Wer guten Willens ist, m n ß lMte wissen, wie die Tinge liegen. Und damit auch das Er götzliche nicht fehle: Ter unvermeidliche Herr Hclfferich hatte zuerst seine Unverfrorenheit wiedergefunden, und die all deutsche ,,Kr«nzzeitnngs"gemeinde mit einem neuen Artikel beglückt. Seine neuen Ausführungen wurden aber noch am »ämlicl-en Abend durch die Erklärung des früheren Reichs kanzlers Michaelis widerlegt, denn sie besagen gerade das Gegenteil. .Herrn Helfferich kann man zu seiner Rettungs aktion für die Alldeutschen nur sagen: Zurück, zurück, du cettest den Freund nicht mehr! Mit Recht sagt der bekannte Staatsrechtslehrer Walter Schütting im „Berliner Tageblatt" (Nr. 913): „Die weiteren Enthüllungen Erzbergers sind jedenfalls insofern bedeutsam, als sie nrknndcnmäßig beweisen, daß auch im Hochsommer 1917 Friedensverhandlungen mit den Westmächten noch mög- sich gewesen wären, wenn man bei uns nur den ehrlichen Willen gehabt hätte, Belgien wieder heranszngeben und zu entschädigen." An diesem guten Willen hat es tatsächlich bei uns gefehlt und ffazn noch an dein nötigen Geschick. Um hier nur eines einznflechten: Inst zu derselben Zeit, als das Friedensangebot vom 12. Dezember 1916 herausgebracht wurde, fand die Deportation belgischer Arbeiter nach Deutsch land statt— gegen den Willen des Generalgonverneurs von Belgien. Niemand hat damals erfahren dürfen,' daß neben Belgien selbst auch Holland, die Schweiz, der Vatikan und die Bereinigten Staaten, die damals noch nicht im Kriegszustand mit uns lebten, offizielle diplomatische Proteste dagegen er hoben. Diese Sache hat allein schon damals das Friedens- ongebot um seine ganze Wirkung gebracht. Heute wollen Ivir uns nun vor allem mit der Politik des Bntitans in der Friedensfrage beschäftigen. Vorher sei hier „nn noch auf eines hingewiesen: Erzberger hat erklärt, daß ec vo» der Lage in Oesterreich im Juli 1917 auch leinen P'.-.teifrc»nden in Frankfurt a. M. Kenntnis gegeben habe. Das Wi rde nun als Hauptargument gegen ihn ansgemünzt. Totst che ist aber, daß von dieser Seite strengstes Stillschwei gen bewahrt wurde. Die Mitteilungen, die zu machen eine »nbedingteNotwcndigkeit war, wurden übrigens nur in einem ocihältnisiiscßig recht kleinen Kreise, nämlich im Neichsans- schusse der deutschen Zentrumspartei gegeben, nicht in einer äcntcnmsversainmlnng, wie das jetzt fälschlich behauptet j wich. Das Kernstück in der Rede Erzbergers ist die Mitteilung, > dos; der Friedensfühler, den die Entente durch den Vatikan im August !9!7 ansgestrcckt hatte, von unserer Negierung ab lehnend, znni mindestens ausweichend beantwortet wurde. Es ist ja schon ein unglaubliches Strick, daß die Negierung Michaelis ganze vier Wochen gebraucht hat, bis sie zu einer > Antwort sich entschlossen hat. Das wesentlichste aus dem rchreiben des Apostolischen Nuntius in München und aus' Ider Antwort des Nnglückskanzlers Michaelis finden unsere ILescr nn anderer Stelle, so daß sich seder sein Urteil selbst Ibilden kann. Mit seltener Naivität erklärt nun Michaelis jetzt, daß er ldcshalb dein Nuntius gegenüber eine abwartende Stellung Icin.wnommen hatte, um eine Indiskretion durch Erzberger Iz» rerhindern. Diese Erklärung wäre zum Lachen, wenn es > nicht um so ernste Tinge handeln würde. Erzbcrger hatte Ivoil.er im offiziellen Auftrag« Bethmanns verschiedene Mis- Isioncn unternommen und daher naturgemäß einen Einblick lin die Dinge, was allerdings den All-deutschen nichts wein iger als lieb war. Deshalb — „abwartende" Haltung. Ta in schreibt das gewiß nicht verdächtige „Berliner Tageblatt" folgendes: „Hetr Michaelis leugnet in seiner Erklärung nicht, daß er dem Nuntius ausweichend oder ablehnend geant wortet habe, aber er hat, wie er mittcilt, damit nicht die Friedensanregnng zurückweisen und auch nicht in der bel- gischen Frage «in Nein sagen wollen. Er hat nur statt j des Nuntius einen anderen Vermitiler vocge,zogen, um Vr ! Neugierde Erzbergers zu entgehe». Es verlautete danial-.v ! das; diplomatische Bemühungen über Spanien im Gauge , wären, und ans diese in Spanien unternommenen Schrille > spielt Herr Michaelis offenbar an. Lb dieses Versähten I glücklich war, erschien wohl schon damals manchem zwei- , felhast. Die englische Regierung erhielt zwei Aeußerun MN ans Berlin, die eine durch den Knntins und die andere durch die spaninche Diplomatie. Dadurch, das; beide ver schieden lauteten, wurde der Eindruck vermutlich nicht er höht. Herr Michaelis setzte sich aber auch, indem er dem Kronratsbeschbnß, Belgien eine wirtschaftliche Bedingung anfznerlegen, znstimmte, in Widerspruch zu der Friedens resolution, die von ihm am 23. August noch langem Hin und Her ausdrücklich und feierlich gebilligt worden war. Sein Brief an den Nuntius mußte vollends den Eindruck erwecken, als betreibe er hinter dem Rücken des Reichs tages eine direkt gegen die Friedensresolntion gerichtete Politik." Diese Ausführungen sind richtig. Wir wollen sie jedoch noch etwas ergänzen : Herr Michaelis hat statt des Nun tius einen anderen Vermittler vorgezogen, nicht „um der Neugierde Erzbergers zu entgehen", sondert: ans, man tani, ' ruhig sagen — angeborener A ntipathi e g e g e n d e n Vatikan, eine Antipathie, di« noch genährt wurde durch die Furcht vor den AlldentsclM, die ja bekanntlich besondere „Freunde" des ..Ultramontanismns" sind. Darum hat sich damals auch Herr Michaelis beeilt, im Haiiptansschns; des Reichstages den von den Alldeutschen erhobenen Vorwurf der diplomatischen Zusammenarbeit mit dem Vatikan zurückz»- weisen, und mit Recht sagt Oskar Müller in seiner Broschüre „Warnln mußten wir nach Versailles?", daß Michaelis sich auch zur eigentlichen Papstnote „mit jener steifen Zurück haltung" geäußert hat, „welche die alte Diplomatie immer dann zu zeigen pflegte, wenn sie um eine wirklich gute und kluge Antwort verlegen war". Man- hat sich bei uns immer gewundert, daß die Entente auf die an alle Völker gerichtete Note des Papstes nicht ge antwortet hat. In der sogenannten „Kriegsanfklärnng" war das eine Nummer, die mit Vorliebe auf besonderem Befehl gebraucht wurde. Von dem inzlvischen erfolgten Friedens- schritte hat man aber wohlweislich nichts gesagt, weil sonst das ganze Luftschloß zniammengobrochen wäre. Die Ant wort der Entente auf die Papstnote war tatsächlich überflüssig durch das Schreiben des Kanzlers Michaelis vom 21. Sep tember 1917. Und damit waren durch Deutschland auch die Friedensbemühungen des Papstes zur Erfolglosigkeit verur teilt. Inzlvischen-hat noch der vormalige Vizekanzler von Payer erklärt „daß auch noch am 27. Januar 1918 eine sehr- ernste Friedensanregnng a» Deutschland ergangen sei." Es wird nötig sein, auch darüber etwas Näheres zu erfahren. Durch die Enthüllungen in der Nationaltrersammlnna ist aber jedenfalls der Ente der Kopf abgedreht, als wenn der hl. Stuhl eine einseitige Friedenspolitik getrieben hätte. Das wurde mit Vorliebe bis in die jüngste Zeit besonders in der sächsischen Presse behauptet. Die Friedenspolitik des Vatt- kans ist brate glänzend gerechtfertigt — die Negierung Michaelis war aber von allen guten Geistern verlassen und die Alldeutschen haben damals „gesiegt". Wir beneiden sie um dielen Erfolg nicht. Es gewinnt jedenfalls mebr und mebr den Anschein-, das; antinltramontane Strömlingen wesentlich mitgelvirkt im- die Einleitung eines ebrenvollen Friedens verhindert haben. Niemand wird sich heute des Eindruckes mehr erwehren können, daß zwar der Vatikan alles getan hat, n:n den zum Frieden führenden Weg z» ebnen, daß aber der Wille, diesen Weg zu beschreite», bei uns nicht vorhanden war. l>K. Eine Erklärung des Exkanzlers Michaelis Der ehemalige Reichskanzler Michaelis gibt zu den Angriffen des Ministers Erzberger in der Nationalversamm lung vom 25>. Juli 1919 in der, „Tägl. Rundschau" (ausge rechnet in dem.Hauptorgair der Alldeutschen. T. Red.) fol gende Erklärung ab: Die amtlichen Schriftstücke über die Behandlung des Schreibens des Nnntins Pacelli vom 30. Anglist 1917 sind mir nicht zugänglich. Noch meinen persönlichen Notizen habe ich zur Behandlung des sogenannten englischen Frie- densfllhlers zu sagen: Das Schrlfrstuck wurde mir Anfang September vorgelegt. Ich habe es mit den Staatssekretären und Ministern besprochen »NH l'in dein Kaiser, der, wcnri m, m:ä nickt irre, von einer s'-ronireise zurücktchrte, ent-, gegengestUiren. um ihm Vortrag >„ lullten. Ich bat de» Kaiser um Abhaltung des Kronrates in Gegenwart de» Obersten Heeres- nnd MariuBsttnng. Ter Kronrat haß am lt. September im Schlosse Bellevue siattgesundru. DaS Ergebnis der B-eipreckungeu le-aien He vom Kaiser ii» eigenhändiger Unterschrift gemachten Vermerke, folgender-- maßen zusammen-gesaßt: Tie A n n erio n B elgienS sei b e dentli ch. Belgien tonne wieöerherg.-stei!! werden. Die liandcilcke Küste sei zwai sehr wichtig und Zeebrügge dürfe nicht in englische Hände satten, aber die belgiscln: Krisle allein sei nicht zu halten. Es müßte ein engerer Wirtschaft» litt er Anschluß Belgiens an Deutill ' ad herbeigvsübrt wer den. Tann hat Belgien ernstliches Interesse, lieber die weitere Behandlung des Frie-denssühlerS wurde von den» ehemaligen Staatssekretär v. Kühimann- vereinbart, daß dl lieh eine unbedingt geeignete Persönlichkeit zu sanVa-rn sei, ob ans englischer Seite in der Tat der Wttle vorhanden sei, den bisherigen Staiidpnntt übertriebener Frieden-, si ne, der unbedingt zu unserer Kenntnis gekommen ist. aus «»geben und ans einer annehmbaren Mittellinie z» verhandeln. Das Schreiben des päpstlichen Nuntius enthielt nach dieser Richtung hin keinen überzeugenden Beweis. Die Ge fahr lag vor, das; es sich darum handelte, Deutschland >n ent gegenkommender Erklärung zu veranlasse», ohne den eigenen extravaganten Standpunkt anfziigebeii und daß dadurch die Verhandlimgsgrenze zu unseren llngnnsten verschoben werde. Tie Wahl des Vermittlers fiel ans einen hervorragenden, dem Stasitssekretär v. Kühl,»an» persönlich nahestehenden Diplomaten, der ganz besonders gnalisiziert erschien, die er- j forderliche Saindiernng vorzunehmrii. Ihm wurde -eine i Mission, unter Mitteilung der Stellungnahme Teuftckla.-ds, ^ in der Weise umschrieben: V o ra n ss e tz n n g d e r V e r - Handlungen mit England ist seine Aue: konowis. a) daß unsere Grenzen intakt bleiben, li) das; unsere Kolo nien znrückgewährt würden, -9 das; keine Entschädigung ge fordert werden dürfte, <1) das; von einem Wirtschaft-Kriege Abstand genommen würde. Ich habe in lleberemstimmnng mit Exzellenz v. Kühl- manii diesen Weg für den richtigen gehalten, da er nur bei unbedingter Beantw-ortnn-g die Verfolgung dieser ersten F-ie- densfäden vermitteln könne. Die Verhandlung über oie päpstliche Kurie bot diese Sicherheit nicht. Schon beim Emp- fange dieses-Schreibens des Nnntins hat es sich liewnsge- stellt, daß der damalige Abgeordnete Erzberger schön eher davon unterrichtet war. als das Schreiben kam. Eine In diskretion durch ihn mußte aber vor allem verhütet werden. Deshalb tonnte auch den: Nnntins gegenüber nur eine ab- wartende Stellung eingenommen werden. Ter Nnntin: hat nach Ablauf einiger Zeit als Antwort ein allgemeines Schrei ben erhalten Das; jede Indiskretion die größte Gefahr für die Anbahnung der Verhandlung in sich schloß, hat der wei tere Verlauf der Verhandlungen gezeigt. Tie Besprechun gen im Kronrat und ihre Ziele blieben nicht verborgen. Die kriegerischen Parteien in Deutschland, England und Frank- reich bemächtigten sich der Angelegenheit und die Folge war, daß der Vertreter der englischen Negierung öffentlich ablena- nete, das; seitens der englischen Regierung ein Friedensange bot gemacht sei. Ich habe den Gedanken, unter weiterem Nachgeben in bezug ans Belgien znm Frieden zu kommen, mit Lebhaftigkeit ergriffen und habe cs dnrcbgesetzt, das; eine einheitliche Stellungnahme z» dieser Frage innerhalb dey maßgebendeil Kreise erfolgte. Ich habe mich bemüht, den geeignetsten Weg zur Ver folgung der ersten Anregungen zu wähle». Wenn sich donn der Plan zerschlug, so lag das daran, das; unsere Feinde nickt wollten. Sauren, 26. Juli 1919. gez. Michaelis. Ludendorff befchuldigt Kühkmann Die „B. Z. am Mittag" meldet: Zu den Enthüllungen in der Weimarer Nationalversammlung erhalten wir von autoritativer Stelle der Obersten Heeresleitung folgend' Erklärung im Namen deö Generals Ludendorff über mittelt : DaS Schreiben des Nuntius Puselli und das Ant wortschreiben des Reichskanzlers Michaelis, die am Som - abend in der Morgenpresse veröffentlicht wurden, sind dem General Ludendorff erst heute früh bekannt geworden. Sn -ltsvs- ; so Firlrrv v»ltd«rüli»»r. ! lklülsr, » »«Itcks» . ! Verkauf: 8oklo8sti'sks 13 , f,pn,pr.1843r