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einmal jedes Kind ans klopfende Mutterherz und der Abschied war vollbracht. Als der Eilzug sich in Bewegung gesetzt hatte, kehrte Herr Mareskat mit seinen Töchtern traurig ins einsame Heim zurück. 4. Die nächsten Tage waren leidvoll. Mit der Mutter war die Fröhlich keit fortgezogen. Herr Mareskat schloß sich in sein Zimmer ein und quälte sich mit angstvollen Vorstellungen. Die jungen Mädchen waren gänzlich ratlos. Doch war Maria-Angela die erste, welche sich aufraffte. „Wenn Mutter uns sähe", sagte sie. „würde sie ernstlich zürnen; ich habe ihr Besseres versprochen." Sie machte dem Vater ehrerbietige Vorstellungen und bat ihn so liebe voll, seiner (Gesundheit nicht zu schaden durch diese nutzlose Abgeschlossenheit und Grübelei, sodaß Herr Mareskat auch bald eiusah, wie wenig dieses trostlose Versuiilensein zu der Tatkraft und Entschlossenheit seiner Gattin passe. Er nahm fernerhin seine früheren Gewohnheiten wieder aus, wenn er auch die heimliche Besorgnis lim den Ausgang des Unternehmens nicht los wurde, was leider zur Folge hatte, das; in seinem Leiden ein kleiner Rück fall eintrat und der Arzt sich unzufrieden über seinen augenblicklichen Zustand äußerte. Mit fieberhafter Ungeduld verfolgte Josef die Reise des Dampfers, welcher Pepa entführte, und so oft das Schiff irgendwo aulegte oder wenn seine Durchfahrt signalisiert wurde, empfing er eine Nachricht. Dafür hatte er im voraus gesorgt. So kam denn auch nach bestimmter Frist die glückliche Landung zu seiner Kenntnis. Pepa selbst sandte eine Depesche. Fortan brauchte sie ja nicht mehr mit den Ausgaben zu rechnen; bald war sie inmitten der Ver wandten und Freunde, an der Quelle des Reichtums. Feder würde ihr zu Hilfe kommen. Bald, mit dem nächsten Posldampfer böte sich die Gelegenheit, eineil ausführlichen Bericht zu senden, der den Gatten dann vollständig beruhigte. Aber diese schönen Hoffnungen sollten sich nicht erfüllen. Statt der beglückenden Nachricht, auf welche Josef baute, meldeten die Zeitungen Plötzlich eine schreckliche Neuigkeit. ^n La Plata war eine Revolution ansgebrochen. Eine kleine Anzahl Verschwörer hatte unter Führung eines ehrgeizigen Abenteurers den Gonvernementspalast gestürmt und den Präsidenten in die Flucht gejagt. Ein Nachfolger war zwar ernannt worden, aber es herrschte nur Unordnung, da die Provinzen dem Usurpator den Gehorsam verweigerten und sich zum Kampfe rüsteten. Es war der Bürgerkrieg mit all seinen Greueln. Gerade jetzt, im Augenblicke, wo die schlimmsten Leidenschaften des Volkes entfesselt waren, mußte Pepa in Buenos Aires ankonnnen. Die Unruhe, der Schmerz Josefs und seiner Töchter lassen sich nachempfinden. Ihr erster Gedanke war natürlich, sofort abzureisen, um die geliebte Gattin und Mutter nicht allein den Gefahren des Krieges ausgesetzt zu wissen. Aber eine Minute der Ueberlegung machte ihnen die Unausführbarkeit — 19 — dieses Vorhabens klar. Die Geldfrage allein schon bildete ein unübersteig- bares Hindernis. Um die Kosten der Ueberfahrt der zahlreichen Familie zu bestreiten, hätte es eines kleinen Vermögens bedurft, und wir wissen ja. daß Pepa nur eine ganz mäßige Summe zurückgelassen hatte. Tie wenigen Rententitel, welche Herr Mareskat in Händen hatte, konnte er zur Zeit wegen der Revolution nur mit beträchtlichem Schaden verkaufen. Außerdem hätte man nicht nur für das laufende Vierteljahr, sondern für weitere drei Monate den Mietzins entrichten müssen. Der Verwalter des Hauses war nicht besonders umgänglich, und mit „diesen Fremden", wie er sich im Tonfall der Geringschätzung ausdrückte, hätte er nicht viel Feder- lesens gemacht, womöglich noch einen guten Preis für nötige Reparaturen verlangt. Herr Mareskat dachte einen Augenblick daran, das Mobiliar zu ver äußern. Aber wieviel würde er dafür erhalten? Leider nicht genug, denn so elegant die einzelnen Stücke auch waren, besonders Wertvolles fand sich nicht darunter. So blieb nichts übrig, als zu warten. Warten! Welcher Jammer, wenn das Herz bricht, wenn der Kops sich verwirrt! Was Wunder, wenn der Zustand Herrn Mareskats sich tagtäglich verschlimmerte! Trotz aller Mühe, die er sich gab. gegen den Sturm seiner Gefühle anzukämpfen, drohte er zu unterliegen; es wurde wieder dunkel vor seinen Augen! Jsabella und Maria-Angela verzweifelten beinahe vor der Aussichts losigkeit. ihren Vater zu trösten. Was war ans der Mutter geworden? Wann würde sie wiederkommen? Auf diese Frage gab es keine Antwort. Eine andere Sorge nahm sie überdies in Anspruch. Seit drei Monaten war die Mutter jetzt fort; die Coupons der brasilianischen Rente, mit denen sie zu rechnen hatten, wurden wegen der Unruhen da drüben nicht aus gezahlt, und niemand konnte sagen, wie lange man darauf warten mußte. Das gab in bälde eine leere Kasse! Und was dann? Endlich kam ein Brief von Pepa und brachte für einige Stunden wieder Trost in die gequälten Gemüter. Allerdings war das Schreiben schon zwei Monate alt und trug die Spuren amtlicher Oeffnung. Pepa sprach von der glücklichen Ueberfahrt, die sie nicht im geringsten angegriffen hätte. Sie sei ganz gesund und danke Gott, der ihre Kräfte bewahrt habe für ihr ferneres Unternehmen. Durch die Unruhen im Lande sei allerdings das Vordringen einigermaßen erschwert. „Ich habe mir", fuhr sie fort, „durch die französische Gesandtschaft einen Paß besorgen lassen, der mir den Weg öffnen wird. Es heißt — sicher weiß ich es nicht — daß unsere Provinz durch die Truppen des früheren Gouverneurs besetzt ist. Wie dem aber auch sein mag, ob ich diese antreffe, oder ob ich den neuen Befehlshabern begegne, mein Paß wird mich ohne Schwierigkeiten hindurchführen. Fürchtet also nichts für mich, für meine persönliche Sicherheit ist gesorgt. Macht Euch auch keine Sorge, wenn meine Briefe unregelmäßig an kommen. Mich bekümmert es freilich, daß ich nicht weiß, wie ich von Euch Nachricht erhalten soll. Schreibt mir jedoch mit jeder überseeischen Post unter der