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Geschäftsstelle und Redaktion« Dresden »A. 16, Holbetnstrahe 4M Nr. 117 LS. Jahrg. Montag den 22. Mai ISIS , >. -c» ve,u,«prrt», Aodgad« > mit tllustr. Beilage vierteljährlich L itt In Dresden und gane Deutsch, land frei Hau» 2 S2 t» Oesterreich «.4» li. «»«gäbe S bierteljährilch I.Ntt ^ In Dresden und ganz Deutschland frei Hau» 2.22 Xl in Oesterreich 4.07 li. linzel-Nummer 1V Dir Sächfische BoltSzeitung erscheint an allen Wochentagen nachmittag». Fernsprecher 21366 Postscheckkonto Leipzig Nr. 14 7S7 o c Anzeigen: Annahme von »eichästSanzeigen bi» I tt llhr. von Aamilienanzetgen bi» 11 llhr dorm, Pret» für die Petit-Tpattzeile Lv 4 im ReNa- nieteit tttt g Iür imdeutlich geschriebene, sowie durch Fern- spreche! autgegedciie Anzeigen können wir die BerantworlUchkeit sür die Richtigkeit de» repe» : nicht aberuehmen. Sprechstunde der Redaktion: 11—12 Uhr vorm. ll , > Organ der Zentrumspartei. Einzige Tageszeitung für die katholische Bevölkerung im Königreich Sachsen. Ausgabe ä mit illustrierter Unterhaltungsbeilage und relig. Wochenbeilage Feierabend. Ausgabe k nur mit der Wochenbeilage. Peter Spahn (Zu seinem 70. Geburtstage) Am 22. Mai begeht Peter Spahn seinen 70. Geburts- tag. In dieser wasfenklirrenden Zeit des Leids feiern wir nicht gern Gedenktage, aber der Tag, an dein ein Mann, der ein Menschenleben lang für uns gearbeitet hat, über die Schwelle des GreisenalterS tritt, läßt »ns auch heute einen Augenblick stille stehen und unsere Gedanken sich zu dem Geburtskind wenden. Der Führer des deutschen Zentrums und Frankfurter Oberlandesgerichtspräsident ist dem deutschen Volke gewiß kein Unbekannter, aber doch nur wenige wissen, welch großer und guter Mensch Tr. Spahn ist. Diesen aber ist es ein Herzensbedürfnis, den ver dienten und verehrten Mann heute ihren Tank und ihre Segenswünsche auszusprechen. Auch unser katholisches Volk, alle Anhänger der Zentrumspartei wollen den 70. Geburts tag Tr. Spahns nicht vorübergehen lassen, ohne ihrem Führer und dem klugen »nd nnermüdlichen Wahrer ihrer Rechte ihre Huldigung darznbringen. Tenn wenn der Jubilar dem Volke auch nicht so nahe zu stehen scheint, wie andere seiner Führer, wenn Tr. Spahn in seinem langen Leben in der Oeffentlichkeit auch nie um Volksgnnst sich beworben hat, so weiß unser Volk doch gut. wo ihm ein treuer Freund und Helfer steht. Weil nun aber der Wirk liche Geheime Rat und Oberlandesgerichtspräsident Dr. Spahn trotz seiner jahrzehntelangen Tätigkeit im hellsten Licht der Oeffentlichkeit es stets verstanden hat, seine Person neben den Lichtkegel seiner Tätigkeit zu stellen, darf er uns nicht böse sein, wenn wir an seinem 70. Geburtstag endlich einmal laut sagen, wie wir ihn stets iin stillen geachtet, geschäht und verehrt haben. Wenn inan von einem so hervorragenden Juristen und Politiker wie Spahn schreiben will, muß man schon' seiner .juristischen und politischen Tätigkeit zunächst gedenken. Als junger Amtsrichter ans Marienbnrg kam Peter Spahn im Jahre 1882 zusammen mit Pros. Hihe und v. Strombeck in das preußische Abgeordnetenhaus und 2 Jahre später be gleiteten ihn dieselben Freunde in den deutschen Reichs tag. Nächst dem alten Stiftsrat Horn sind Spahn und Hihe fetzt wohl die dienstältesten Mitglieder der Zentrninsfraktio» des Reichstages, nachdem der greise v. Strombeck als Alters präsident des preußischen Abgeordnetenhauses vor einiger Zeit gestorben ist. Im Abgeordnetenhause kam der Amts- richter Spahn in die Schule Windthorsts. der für tüchtige Leute einen guten und geübten Blick hatte. Tie kleine Erzellenz faßte zu dein arbeitssrcudigen jungen Abgeord neten Vertrauen, das Spahns Werdegang Pom Amts richter znm Oberlandesgerichtspräsidenten glänzend ge rechtfertigt hat. Als Parlamentarier zog er znm ersten Male die Aufmerksamkeit weiterer Kreise ans sich, als er noch im Branden des Kulturkampfes in einer wirkungs vollen Rede die himmelschreienden Schnlverhältnisse West preußens im Abgeordnetenhanse geißelte. ' Als dann die große und schwere Aufgabe, für eine neue Zeit ein neues einheitliches Recht zu schaffen, in Angriff genommen wurde, da war es der wissensreiche Spahn, den Windthorst als Vertreter der Zentrnmsfraktion in die Kommission zur Vorberatung des B. G. B. entsandte. Tas Riesenwerk des B. G. B. ist mit der Person Spahns aufs engste ver knüpft und Spahn selbst erblickt in ihm sein Lebenswerk. ,An der jahrelangen Vorberatung des B. G. B. hat Spahn entscheidend mitgewirkt, wie denn nachher auch im Reichs tage das große Geseheswerk unter entscheidender Mit wirkung des Zentrums, besonders der Abgeordneten Spahn, Gröber und Karl Bachem, zustande gekommen ist. Spahns Wissen und Arbeitsfreude und seine stets sich gleich bleibe.nde Liebenswürdigkeit trugen ihm die besondere persönliche Hochschätzung und Freundschaft des Staatssekretärs Nieberding ein. und seine großen Verdienste um das Zu standekommen des B. G. B. ehrte die juristische Fakultät i» Tübingen mit der Verleihung des Ehrendoktors. In der Tat gibt Spahns umfangreiches und tiefgründiges Wissen zu immer neuem Staunen Anlaß. Ta ist kein Gebiet der sozialen, wirtschaftlichen, finanziellen Gesetzgebung, kein Thema des militärischen oder internationalen Rechtes, ans dem Spahn nicht so zuhause ist, daß er gleich darüber das Wort ergreifen kan». Im Hanptansschnß des Reichstages, dessen Vorsitzender er ist, weckt dies große Wissen Dr. Spahns immer wieder staunende Bewunderung. Daß solch reiches juristisches Wissen auch dem Politiker Spalm zugute kommt, liegt auf der Hand. Hatte ihm schon die Schulung durch Windthorsts tiefen Einblick in das versiegelte Auch einer klugen und wcitschauenden Poli- tik gegeben, so festigten und vertiefte» sich Spalms politische Kenntnisse nach Windthorsts Tod, als Lieber die Führung der Partei übernahm, immer mehr. Mit Lieber, seinem iiassanischen Landsmann, dessen rechte Hand er war, ver banden ihn auch enge persönliche Beziehungen und an seiner Seite entwickelte er sich immer mehr zum berufenen Führer der Zentrumspartei. Als Lieber die Augen für immer schloß, fiel denn auch Tr. Spahn gemeinsam mit Gröber, Das Neueste vom Tage Al WM AM WÄllU (W. T. B. Amtlich.) Großes Hauptquartier, 22. Mai 1916. Westlicher Kriegsschauplatz Oestlich vou Nieuport drang eine Patrouille unserer Marineinfanterie in die französischen Gräben ein, zerstörte die Verteidigungsanlagen des Gegners und brachte einen Offizier. 32 Mann gefangen zurück. Südwestlich von Givenchy-en-Gohelle wurden mehrere Linien der englischen Stellung in etwa zwei Kilometern Breite genommen und nächtliche Gegenstöße abgewiesen. An Gefangenen sind 8 Offiziere, 220 Mann, an Beute vier Maschinengewehre, drei Minenwerser eingebracht. Der Gegner erlitt ganz außergewöhnlich blutige Verluste. In der Gegend von Berrh-au-Bac blieb in den frühen Morgenstunden ein französischer Gasangrifssversuch er gebnislos. Links der Maas stürmten unsere Truppen die franzö sischen Stellungen auf den östlichen Ausläufern der Höhe 304 und hielten sie gegen wiederholte feindliche Angriffe. Neben seinen großen blutigen Verlusten büßte der Gegner an Gefangenen 9 Offiziere, 518 Mann ein und ließ fünf Maschinengewehre in unserer Hand. Die Beute aus unserem Angriffe am Südhange des „Toten Mannes" hat sich auf 13 Geschütze, 2 t Maschinengewehre erhöht. Auch hier und aus Richtung Chattanconrt hatten Versuche des Feindes, den verlorenen Boden znrückzugewinnen, keinen Erfolg. Rechts der Maas griffen die Franzosen mehrfach ver gebens unsere Linien in der Gegend des Steinbruches (südlich des Gehöftes Handromonl) und ans der Vanr-Knppe an. Beim dritten Ansturm gelang es ihnen aber, im Stein- brnch Fuß zu fassen. Tie Nacht hindurch war die beider seitige Artillerietätigkeit im ganzen Kampfabschnitte außer- ordentlich heftig. Unsere Fliegergeschwader wiederholten gestern nach mittag mit beobachtetem großen Erfolge ihre Angriffe auf den Etappenhafe» Dünkirchen. Ein feindlicher Doppel decker stürzte nach Kampf ins Meer. Weitere vier Flug zeuge wurden im Luftkampfe innerhalb unserer Linien außer Gefecht gesetzt, und zwar in Gegend von Wervicg, bei Noyon, bei Mauconrt (östlich der Maas) und nordöstlich von Ehateau-SalinS, letzteres durch Leutnant Wintgens als dessen viertes. Außerdem schoß Oberleutnant Bölcke süd lich des „Toten Mannes" den 18. und 18. Gegner ab. Ter hervorragende Flieger-Offizier ist in Anerkennung seiner Leistungen von Seiner Majestät dem Kaiser znm Hanpt- mann befördert worden. Oestlicher und Balkan-Kriegsschauplatz Tie Lage ist im allgemeinen unverändert. Oberste Heeresleitung. Zinn hkiitigr» 70. Geburtstag des Abgcvrdnktcn Obrr- lniidrsgcrichtspräsidciiten Tr. Spahn heißt es im „Berliner L o k a l a n z e i g e r", er sei einer der einslußreichsten und erfolgreichsten Parlamentarier des Zentrums. Zur Zeit Bülows sei er ein ebenso ent schiedener wie geschickter und ehrlicher Makler zwischen Reirhstagsmehrheit und Negierung gewesen. Seine aus gleichende und schlichtende Tätigkeit habe ihn znm gesuchten Vizepräsidenten in wichtigen Reichstags- und Landtags- ausschüssen gemacht. Sie habe-ihm als Vorsitzenden der Reichstagskommission für das bürgerliche Gesetzbuch ermög licht, letzterem zur Annahme zu verhelfen. Als zweiter und erster Vizepräsident des Reichstages habe er in schwieriger Zeit die Opposition durch seine „berüchtigten" Dauer- sitznngen gemeistert. In ihm verkörpere sich ein gewaltiges Stück parlamentarischer und Zeitgeschichte der letzten vier Jahrzehnte. Der Zar schreibt an Jofsrc Verschiedenen Morgenblättern wird gemeldet, daß ein Kurier des Zaren in das französische Hanptgnartier abge reist sei, »m dem Präsidenten Poincaro und dem General Josfre je ein Handschreiben des Zaren zu überreichen. Brand Paris, 21. Mai. „Petit Parisien" zufolge hat ein Brand im Hafen von La Rochelle-a-Pallice in den Woll- speichern 500 Pallen Baumwolle vernichtet. ^ , Karl Bachem, Hertling, Hitze die Führung zu. Als Frei herr v. Hertling die ehrenvolle Berufung znm bäuerischen Ministerpräsidenten erhielt, war Dr. Spahn auch in der Lage, Hertlings Nachfolger in dessen vorzüglicher Behand lung der internationalen Fragen zu werden. Aber wie sehr auch von Jahr zu Jahr die Arbeitslast zunahin, die Tr. Spalm als Führer der Zentrumspartei" und als Vorsitzender der Reichstagssraktion auf sich nehmen mußte, er fand immer noch Zeit, seine Amtstätigkeit voll und ganz z» versehen. Neben seiner parlamentarischen Arbeit ist diese sein Stolz und seine Freude. Seine Mit arbeiter im Amt staunen nicht minder über den Umfang und die Jntensivität seiner beruflichen Wirksamkeit, als seine parlamentarischen Mitarbeiter über das große Maß seiner Tätigkeit ini Reichstage nnd für die Partei. Sein Arbeitsdrang und seine Arbeitsfreude kennen keine Gren zen: wie sehr ihn auch seine Freunde drängen, er möge sich doch im Amte mehr entlasten, nichts hat ihn bisher dazu vermocht — nnd wie im Schnellzug von Frankfurt nach Berlin, so liegen auch in seinem Neichstagszimmer stets feine Akten vor ihm. Dr. Spahn kennt eben keine Müdig keit und kein Erschlaffen: und wenn er jetzt auch 70 Jahre alt wird, er fühlt sich doch noch so arbeitsfroh wie ein Vierziger. Kein Wunder, daß solch ein Man» überall Achtung und Ehrung, im Kreise seiner politischen Freunde aber auch Verehrung und Liebe findet. Davon gab ihm die Feier seines 25jährigen Jubiläums als Reichstagsabgeordneter, das er im Jahre 1909 begehen konnte, Zeugnis. Doch Tr. Spalm wird nicht gern gefeiert, er ist nicht gern, wo man ihm huldigen könnte. Tas Streben Tr. Spahns, ganz in der Stille zu arbeiten, möglichst stets im Schatten zu bleiben, geht so weit, daß seine Freunde ihm fast Zwang antun müssen, um ihn einmal in den Brennpunkt der öffentlichen Aufmerksamkeit zu zielen. Darum tritt er auch auf den Generalversammlungen der deutschen Katholiken so wenig hervor. Er hat in früheren Jahren wohl einige Male ans Katholikentagungen gesprochen, hat im Jahre 1899 zu Neisse der Versammlung sogar präsidiert, aber er ist sich in seiner Bescheidenheit wohl zu sehr bewußt, daß glanzvolles Reden nicht seine stärkste Seite ist. WaS ihm jedoch an oratorischer Begabung abgeht, hat er über reich an erstaunlicher Vielseitigkeit des Wissens, reichster Lebensersahrnng, politischer Klugheit und sicherem Takt. Tas weiß im Parlament auch leder, denn so gern die Be richterstatter wegen der leisen, auf den Tribünen nur schwer- verständlichen Sprache Tr. Spahns eine Pause in ihren Arbeiten eintreten lassen, so eifrig drängen im Saal und von den RegiernngSbänke» Abgeordnete und Regierungs vertreter znm Rednerpult, wenn Spahn spricht. Selbst in der Blockzeit, als das Zentrum „unten durch" war bei der Regierung und den Blockparteien- fand Dr. Spahn stets ansmerksame Zuhörer. Tenn niemand vermag sich de« Geivicht seiner Gründe zu entziehen, ein jeder hat vou Spahn den Eindruck, daß ans ibn ein Mann von großer Erfahrung, reichen Wissen, wohlwollender Gesinnung und ernsten Gerechtigkeitsgefühls spricht. Wenn man nach einem Beweis für die Unrichtigkeit des Satzes, daß die Politik den Charakter verdürbe, ver langte, so genügte der Hinweis aus Tr. Spahn. Die Lauterkeit seines Charakters und sein rechtlicher Sinn wer den auch überall anerkannt, und seine Freunde scherzen schon gern einmal, daß Spalm nur einen Fehler habe, er sei nämlich zu gerecht. Tas allseitige Vertrauen in Spahns Gerechtigkeitssinn und ehrliche Gesinnung hebt natürlich auch seinen politischen Einfluß. Wer mit Spahn verhan delt, mag er nun Freund oder politischer Gegner sein, wird keinen Augenblick von der Besorgnis beschlichen, er könne hintergangen oder überlistet werden. Dazu ist Spalms Gesinnung viel zu gerade, aber eben diese Aufrichtigkeit und Geradheit sichern ihm Ansehen, Vertrauen und Er folg. Und dabei die große Geduld nnd Liebenswürdigkeit! Sonst scheint es eine von den weniger guten Eigenschaften politischer Führer — Windthorst nicht ausgenommen zu sein, daß sie gelegentlich auch einmal gröber werde». Bei Spahn hat man sich dessen nicht zu versehen. Ta mag zu dem Vielbeschästigen kommen wer will, einer freundlichen Aufnahme ist er immer sicher. Gewiß muß er die Ohren spitzen, um das flinke Gemurmel des stattlichen alten Herrn mit dem allzeit liebenswürdigen Lächeln zu verstehen, aber er darf fragen und zwischenreden, der freundliche greise Herr wird darob nicht ungeduldig: nur wenn das Ansfragen gar zu lange währt oder der.Vielgeplagte eine Antwort nicht geben darf, dann wird er — bei Leibe nicht ungemütlich, sondern macht nur eine mehr entschuldigende und höflich verlegene als abweisende Handbewegnng, die den mit Tr. Spahns Eigenheiten Vertranten ohne weiteres ver ständlich. Wenn er nur rin wenig mehr Zeit hätte! Oft möchte man auch wünschen, der alte Herr möchte einmal Funken schlagen, aber der olpmpische Donner liegt ihm gar nicht, einen Jupiter lonans gibt er nie ab. Dr. Spahn ist in seinem ganzen Wesen, in seinem Reden und Tun so an-