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geordneten zu wenden. Tagegen könne es, wie in dem Er lasse weiter ausgeführt wird, als mit den Grundsätzen der Boamtendisziplin unvereinbar, nicht geduldet werden, datz Bsanrte sich mit ihren Wünschen, sei es schriftlich, münd lich oder auf andere Weise direkt an einzelne Abgeordnete loenden. Es müsse vielmehr erwartet werden, datz die Be- ariücn zu ihren Vorgesetzten Behörden das Vertrauen hät ten, datz ihre berechtigten Wnnsck>e und Anliegen stets ein gehend geprüft, wohlwollend beurteilt und nach Möglich keit berücksichtigt würden. Wenn trotzdem Beamte zur Er reichung ihrer Ziele sich unvorsckwiftsmätziger Wege bedie nen sollten, so hätten sie zu gewärtigen, datz gegen sie mit disziplinären Matznahmen vorgegangen lverden würde. Tiefer Erlatz ist gar nicht haltbar und nicht durckstührbar. Wer kann es denn kontrollieren, ob ein Beamter zu einein Abgeordneten geht? Wenn Beamte Petitionen einreichen, so gelten sie später immer noch zu einzelnen Abgeordneten, um sie für ihre Sache zu interessieren und ihnen Ausschlüsse zu geben. Tas ist das gute Recht der Beamten. Den Ab geordneten aber kann man vollends nicht verwehren, sich mit Beamten in Verbindung zu setzen, zumal eich hierdurch die volle Kontrolle der Regierung vielfach ermöglicht ist. Uns erscheint deshalb die ganze Sache als ein echtes Bureaukratenstück. Hat denn die Negierung viel zu fürch ten, nxmn Mainte mit Abgeordneten verkehren? — Mangel an Gewissenhaftigkeit. Tie „Nordd. Allg. Zeirg.", das offiziöse Organ des Fürsten Diilow und von Loebell, latte sich bekanntlich gewaltig darüber entrüstet, datz der Abgeordnete Bebel die vielverbreitete Ansickst von dem Telegramm des Kaisers aus Dückeburg: „Ich werde die ganze Bande ailseinanderjagen" im Reichstage wicder- boit habe, nachdem sie schon in der „Allgem. Zeitg." vom 18. Tezember widerlegt worden sei. In dem neuerlichen Tementi heitzt es nun unter anderem: „Indem sie der Ab geordnete Bebel anss neue in Umlauf setzt, bekundet er »nieder den so oft an ihm beobachteten Mangel an Ge wissenhaftigkeit in der Benutzung von Zeitungs artikeln." Wir laben keine Veranlassung, denn Abgeord neten Bebel beiznspringen, aber weil die „Nordd. Allgem. Zeirg." so entrüstet tut, möchten wir sie doch an das Sprich wort erinnern: „Was du nicht willst, das man dir tut . . ." Nwch am I!l. Februar (Nr. 12) Uxirmte nämlich die „Nordd. Allgem. Zeitg." die alte Lüge ans, .Kardinal Vannntelli labe an> dem Katholikentag in Essen gesagt: „Tie Katholiken körten gern aus daS Wort ihrer Bischöfe und würden sich in ihrem ganzen Vorgehen, möge es sich auf Religion, auf bürgerliche oder soziale Angelegenheiten beziehen, ihrer und des Heiligen Stuhles Autorität unterwerfen." Wenn das Blatt es wagt, diese alte Lüge wieder aufzutischen. um sie für die Wahlen anSzubeuten, obgleich sie unzählige Male widerlegt und sogar durch daS svätere offizielle Schreiben des Papstes an Kardinal Fischer vom 10. Oktober 1000, das der „Allgem. Zeitg." auch nicht entgangen sein dürfte, vollständig entkräftet worden ist, verrät das gewiß einen hohen „Mangel an Ofewnsenhaftigkeit", den man bei einem angesehene» Regierungsorgan nicht vermuten sollte. dcunk.ros — Als v r etwa vierzehn Tagen die -weite To hier des Zareepaare?, Tatjana, vor den'. Schlafengehen ent kleidet wurde, fand man an der inneren Zeit? ihres Ob-r- röckcbens. nuten am S-nme. einen mit einer SicherlieitS- nadel befestigten Brief, der die Adresse der Zarin trug. Ueber dem Verschlutz des Kuverts war eine Krone; im Kuvert befand sich eine Karte im Format einer größeren länglichen Visitenkarte. Die Karte war auf beiden Seiten eng mit feiner Schrift beschrieben, so eng, datz sie einen verhälmismätztg reichen Inhalt hatte. Es war darin die Dränung ausgesprochen, daß der Zar von Frauevhaud fallen werde, wenn er nicht schleunigst dem Standrecht ein Ende mache und die weiteste politische Amnestie verkünde. Tue er das, so solle sein Leben und daS seiner engeren Familie völlig gesichert bleiben. DaS gelte zunächst für das eigentliche Rußland. Was die Regierung mit der baltischen oder kaukasischen Revolution anstelle, sei ganz gb ichgültig. Am besten sei es. Rußland stoße alle Fremd völker von sich ab. um sich ganz allein zu gehören, auch wenn damit ein Londverlust verbunden sein müsse. Au den: Tage, an dem der Brief gesunde» wurde, sind die kaiserlichen Kinder nur etwa eine Stunde im Park ge wesen. Sie machten eine Schlittenfahrt und verlieben tun Schlitten nur kurze Zeit, um dann wieder zum Schloß zurückzukehren, da ein rauher Nordost wehte. Ebensowenig vermögen sich die Personen der Begleitung und Umgebung das Rätsel zu erklären. Am ausfallendsten und unheim lichsten aber ist es, datz der Schreiber oder die Schreiberin des Briefes Kunde hat von geplanten Ausflügen. Fahrten usw.. die nur im intimsten Kreise besprochen wurden. Die Untersuchung bat nicht die geringste Aufklärung ergeben. — In her vergangenen Woche hat das russische Par lament sich wieder als konfus und rinfruchtbar gezeigt; nichts Brauchbares hat es hervorgebracht, und alles, was man sagen kann, beschränkt sich auf die Parteistärke. Die Parlaments- und Fraktionsstärke teilt sich jetzt in fünf Gruppen fast gleicher Stärke, und zwar: äußerste Linke 120 Stimmen, Linke 96 Stimmen, linkes Zentrum 104 Stimmen, rechtes Zentrum 88 Stimmen und Rechte 102 Stimmen. Tie äußerste Linke umfaßt die Sozialdemokraten als die radikalste Gruppe mit 69 Sitzen, die Sozial revolutionäre, die trotz ihres Namens minder radikal sind, mit 41 Sitzen; sie bilden die sogenannte Fratnon der Mini- malistcii, die auch gegen den Terror und die Mordtaten an Staatsbeamten sind, wie ihr Führer Archangelski pro grammatisch erklärt hat; die Volkssozialisten, die noch zu wenig entwickelt sind, um genau im Programme vorge- führt werden zu lönnen, die aber in der Agrarfrage den Kadetten sehr nahe stehen. Tann kommt die Linke, der die Arbeitsgruppe zugehört. Zunächst umfaßte sie nur etwa 00 Stimmen, dann gesellte sich aber die Bauernbunds- gruppe dazu und die sogenannten Ut'rainisten; das sind die Vertreter der Gouvernements Podolien, Wolhynien ui'w. Sic kam dadurch ans rund 100 Stimmen. Zum linken Zentrum darf man nicht die Kadetten rechnen, sondern 21 Kosaken 07 Milhamedaner und auch nach ihrer demo kratischen Grundrichtung die Polen. Tie Kadetten als rechtes Zentrum und die Monarchisten verschiedener Fär bung als Rechte schließen die Reibe. Es ist möglich, daß sich dieses Bild noch ändert, aber zunächst steht fest, daß eine Mehrheit der Linken auch ohne die Kadetten mit den Polen, Mnhamedanern und Kosaken gebildet werden kann, die 0-20 Mann stärker als die Majorität ist. Selbstver ständlich verabsäumt die Linke nichts, um die Polen bei sich festzubalten, und es ist wahrscheinlich, daß ein Autononii,- antrag der Polen ebenso mit den linken Stimmen ange- nvmmen würde, wie die bedingungslose Arbeitslosenunter, stützung. Aber durch die Stimmen -er Linken wäre der Antrag von vornberein konlpromittiert und würde niemals erfüllt werden. Wenn die Polen wieder rechts geworden sind, und die Kadetten wieder weiter links gegangen sind, wird die konfuse Duma ihr rechtes Bild bekommen. Stadl »«d Laad. (Aortietzung aus dem Hauptblatt.) —* Dritte Internationale Gartenbau- Ausstellung Dresden. Im Ausstellungspalast und im Park schreiten die Vorarbeiten zu dieser vielver sprechenden Ausstellung rüstig vorwärts. Se. Majestät der König wird die Ausstellung am 4. Mai vormittags per sönlich eröffnen. Zu der Feier sind culch Ihre Majestät die Königin-Witwe und die Prinzen und Prinzessinnen «unge laden worden. Ten Ausstellern winken hervorragend' Preise, nicht nur die sächsische Staats reg ierung, sondern auch die anderer Staaten werden Staatsmedaillen stiften. Aus der Reihe der Preise mögen der Ehrenpreis des deutschen Kaisers, eine große Porzcllanvase mit dem Mldnis Kaiser Wilhelms ll. und der Ansicht des Berliner Residenzsschlosses, und der des Königs von Sackyen, gleichfalls eine Porzellan vase, erwähnt sein. Hiesige und auswärtige Vereine, die in Beziehung zur Gortenbaukunst stehen, sowie Privat personen haben gleichfalls bereits Preise gestiftet. In der Ausstellung »vird täglich von nachmittags 4 bis 11 Uhr abends Konzert sein, zuweilen mich mittags über. Das vorläufige Programm für die Zeit der Ausstellung lautet: Freitag, den 0. Mai, beginnen die Preisrichter ihr Amt, Sonnabend, den 4. Mai, ist die Eröffnung, Sonntag findet der Kongreß deutscher Gartenkünstler statt, Montag nach mittag ist das Festmahl, Dienstag Festvorstelluug im Opernhanse, eventuell finden unter Leitung des Herrn Geh. Hofrates Prof. Tr. Drude tagsüber erläuternde Vorträge in der Ausstellung statt, Mittwoch ist eine Dampferfahrt nach der Sächsischen Schweiz (Besuch der Bastei) geplant und an« Donnerstag findet eine Bindereiausstelluug statt. Bis jetzt sind 8008 O.nadratmeter für Gartenbau und 2970 Oircidratweter für Industrie belegt. — * Der Ortsverbc» nd Tresde»» der Pen - sionsanstalt deutscher Journalisten und Schrift st e ller hielt am Sonnabend in« Hotel „Auralien- hof" seine diesjährige Generalversammlung ab, an der zahlreiche Mitglieder teiliicchmen. Ans dem vom ersten Vorsitzenden. Redakteur Guido Mäher, erstatteten Jahres berichte ist hcrvorzuhebcn, daß der Ortsperband gegenwärtig 186 Mitglieder zählt, unter denen sich über 100 Journa listen, Schriftsteller und Schriftstellerinnen befindet». Mit besonderem Danke gedenkt der Bericht des Beitritts Seiner Majestät des Königs als unterstützendes Mitglied der Pen- sionsanstalt, ferner wird die Audienz erwähnt, die Seine Königliche Hoheit Prinz Ludwig von Bayern, der Mit begründer der Pensionsanstalt, dem Gesamtvorstande bei seiner AMvesenheit in Dresden getvährte. Ten Kassen bericht, her einen befriedigenden Stand der Vereinsfinanzen erkennen ließ, erstatteten die Herren Schatzmeister Schrift steller Altkirch und Redakteur Leede. Airs Antrag der Rechnungsprüfer Gandil und Wiedemann wurde dem Ge- samtporstande Entlastung erteilt. Der bisherige erste Vor- 22 20 'achte sie zu öffnen, vergebens, diese, wie auch die nächstfolgende, vor der er jetzt stand, zeigten sich verschlossen. Und die Verfolger waren 'ckon ans der dritten Treppe — ihre Schritte und Stimme» schlugen wie die Posaune des letzten Ostrickstes an sein Ohr. Als er jetzt zu der drittel» Tür eilte, wurde dieselbe durch jemand von innen anfgetan. Eine ältere Dame zeigte sich im Nabmen der Tür. Doch beim Anblick Kühnappels. der im Gesicht und an den Händen blutete, wich sie mit einem entsetzten Schrei zurück. — „Ter Bischossinörder -- faßt ibn, saßt ihn!" riefen die Verfolger, die jetzt ans der Bildfläche erschienen »raren. In dem Gemach befanden sich noch me beere Leute, eine ganze Familie, die mit einigen Gästen eben um eine dampfende Pnnschterine Platz genommen hatten, um mit einem vollen Glase das anbrcchende neue Jahr zu begrüßen. Ein verdächtiges Geräusch draußen batte die Hausfrau veranlaßt, nach der Ursache desselben zu sehen. Ter Aufschrei der Dame und Kühnappels Erscheinen batten dann auch die übrigen vom Tisch aufgescheucht. Ans de» alarmierenden Zuruf der Verfolger hin, warf sich der Haus herr, eilt zirar srlwn bejahrter, aber noch kräftiger Manu, dem Flüchtling ent gegen und packte ibn bei der Brust. Ter Mut des »ix»deren Mannes fand indessei» einen üble»» Lohn; denn .Kühnappel. der trästige, professionelle Ransbvld, versetzte ihm einen so wuch tige» Faust schlag ins Gesicht, daß er balbbetäubt rückwärts taumelte und gegen den Tisch mit der Pnnscbterrine mit solcher Wucht anprallte, daß ersterer ins Schnallten geriet und letztere liiniinlerstürzend, ihren heißen, duftenden Jn- balt über den ganzen Fußboden ergoß. Ter ganze Vorgang spielte sich mit fabelhafter Geschwindigkeit ab, und noch ebe die Verfolger daS Zimmer betreten batten, war schon alles vorüber. Es »car das der Augenblick eines gräßlichen Tumults, Geschrei, Lärm, Poltern, Krachen mischte sich chaotisch dnrckleinander. Ter Flüchtling batte indessen leinen Augenblick seine Geistesgegenwart verloren, und kaum daß er seinen Gegner niederge-chlagei», da hatte sein Blick auch schon eine Verandatür mit Glassüllung erspäht, ans die er wie ein ge hetzter Eber zliüiirzte: ein lauter.Krack», ein gräßlickas Anstlirren der großen zertrümmerten Türscheihen, und der Flüchtling war den Blicken aller ent schwunden. Sekundenlanges Schweigen folgte dieser neuen Katastrophe. „Vorwärts, vorwärts, der Bösewicht darf uns nicht entkommen!" rief einer der verfolgenden Beamten, und alle stürzten ans die Veranda. Es »var zu spät. Kühiiapvel hatte mehr als geung Zeit gefunden, um sich über die eiserne Brustwehr der Veranda z» scktwingeii, und die .Heranstretenden hörten nur noch einen dnmpsen Schall des nute» ansschlagenden Körpers — dann »var cS totenstill. Die obei» atemlos Lauschenden vernahmen in der schwarzen Tiefe ein leises Rauschen und Gurgeln, das vor» den» unten sich vorüberwälzenden Flutkanal aufstieg. „Der ist besorgt und aufgehoben!" sagte eiiwr der Beamten. „Mag seine Seele der Satan holen!" siet der Hausherr ein, indem ec sich das angefenclstete Taschentuch gegen sein geschwollenes Gesicht drückt:. So endete die Flucht und Verfolgung des Bisckfvfsmörders Rudolf Kühnapsx'l gerade in dem Moment, als von den Türmen der Stadt die Mitter- nachtsglocken den Anbruch des neuen Jahres verkündeten. In seiner Bootsläjüte streckte sich ans einer alten Matratze der Fischer Gregor Targen. In einem kleinen eisernen Ofen glühten Steinkohlen, und eine noch halb gefüllte Flasche Branntwein, die dicht am .Haupte des Taliegenden stawd, zeigte an. daß der wackere Mann auch für seine innere Erivärmnng aus reichend Sorge getragen hatte. Er schlief fest und seine schnarchenden Töne mischten sich mit dem dumpfe» Nanschen der Flut, die plätschernd gegen die Planken des Fahr zeuges schlug. To pochte es au die Kajütentür — Gregor sprang auf. „Bist dn's, mein Junge!" rief er gähnend. „Jawohl, in bin's, öffne aber schnell!" Gregor schob den Riegel zurück und Rudolf Kübnappel kroch in gebückter Haltung durch die znrückgesck>obeiie Kajütentür herein. „Potz Bomben und Granaten — Mensch, wo kommst du denn her? Du bist ja ganz pudelnaß!" rief Gregor, der in dem engen, dunklen Loch mit dem Ankömmling in vertrauliche Berührung kan». „Hast di» Schnaps da, dann her damit; denn ich bii» nahe daran, zu ver schmachten." „Hier, nimm die Flasche! Stärke dich, und dann erzähleI" Ter Alte steckte einen Kicnspai» in die glühende»» Kohlen, zog ihn dam» brennend heraus und zündete eine kleine Oellampe ai». „Kerl, wie siehst du ans?! Du bast ickweres Pech gehabt!" sagte Gre gor, indem er Kübnappel ins Gesicht leuchtete. „Dich labe»» gewiß die schwarzem „Nabe»»" überfallen und gehörig zerfedert." Kühnappel trank wieder und immer wieder aus der Schnapsflasche «Wie das erfrischt!" „Du trinkst mir den ganzen Branntwein i»»eg; aber Geld hast dl» keins mitgebracht, um wieder welck'/cn zu lausen," brummte Targen. „Was, ich kein Geld mitgebracht? Sieh her!" Kübnappel hatte einen Lederbentel hervorgezogen und hielt ihn nun geöffnet dem anderen hin. „Ei der Kuckuck, das sind ja lauter Goldstücke!" „Natürlich sind es tvelckfe — fünfzig „Fritzen"." „Fünfzig — Helle Wetter! Da hast du dem, Alten seine Kasse gründlich ausgeränmt." „Ich könnte »veit mehr haben, »venu ich nickst so dumm geivesen wäre. Doch nun sollst du hören, wie alles herging." „Nimm erst noch einen Schluck! — So! Und nun schieß los!" „Wollen wir nicht erst hiniiberfahren?" „Nein, hier im Schilfrohr sind wir sicherer als drüben. Erzähle!"