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Erscheint täglich nachm, mit Ausnahme der Sonn- u. Festtage. Vezngspreiö r Vierteljahr!. 1 Mk. SO Pf. (ohne Bestellgeld). Post-Bestellnummer 8858. Bei autzerdeutschen Postanstalten laut Zeitungs-Preisliste. Einzelnummer 1« Pfennige. Unabhängiges Tageblatt für Wahrheit, Recht und Freiheit. vuedarudttrel. Heilalrtion uml SercdäMrtrller Dresden, Pillnitzer Straße 43. Inserate werden die 6 gespaltene Petitzeile oder deren Raum mit 15 Pf. berechnet, bei Wiederholung bedeutender Rabatt. Redaktions-Sprechstunde: 11—1 Uhr. Fernsprecher: Amt I. Nr. 1566. 161. Katholiken: Eamillus. ToNNtlbeNl), dkN 18. Juli 1903. Protestanten: Ettgcnitts. Ä. AllhpfttNIg. Interessantes ans der Los von Rom - Bewegung. Das „Neue Sächsische Kirchenblatt" bringt in dir. 26 eine Uebersicht über die Los von Nom-Bewegnng, speziell über die in den Jahren I960—1902 für die Bewegung aufgebrachten Mittel und die — für den objektiven Beur teiler — recht kläglichen Erfolge. Folgende Einzelheiten dürften für die Leser der „Sächsischen Bolkszeitnng" von Interesse sein: Seit Beginn der Bewegung, von 1900—1902 wurden an Geldmitteln aufgebracht: in Ostpreußen 1500 Mk., in Brandenburg und Hessen je 5000 Mk., in Hannover 6000 Mk., in Baden 8000 Mk.. in Schlesien 9000 Mk., in Westfalen über 41000 Mk., in der Nheinprovinz 70 000 Mk. In Sachsen wurden gesammelt: im ganzen 48 000 Mk., im ersten Jahre 1500 Mk., im zweiten Jahre 16 000 Mk. und im dritten Jahre 28.700 Mk. Zusammen sind also für die Bewegung rund 190060 Mk. deutsches Geld nach Oesterreich geflossen. Und dies ist noch längst nicht alles, wie das Blatt selbst bemerkt. Tie privaten Spenden, die direkt übermittelt wurden, sind nicht zu kontrollieren. Seit dem letzten Jahre, heißt es weiter, haben sich neue Quellen erschlossen. Die Bitte des Vorsitzenden des Hauptansschnsses, des Herrn 8up. I). Meher in Zwickau, das; die einzelnen Ephorien Sachsens bestimmte, feste Beiträge für dieses Werk sicherstellen möchten, ist von sehr schönem Erfolg gekrönt gewesen. Von 27 Ephorien haben bisher nur fünf sich nicht dazu verstanden, solche feste Beiträge den einzelnen Kirchengemeinden zur Verfügung zu stellen, so z. V. erhält Rochlitz mit einem Beitrag von 2000 Mk. den Vikar von Joachimötal, Zwickau mit 2100 Mk. den Vikar in Kaaden usw. Der Fortgang der Bewegung wird natürlich als hoch erfreulich und befriedigend dargestellt, „trotz der vielfachen gesetzwidrigen (!) Begünstigung der römischen und Benach teiligung der evangelischen Kirche durch die Behörden." Zahlen beweisen; hier aber das Gegenteil von dem. was bewiesen worden soll. Es sind ungefähr 120 Orte, in denen bis Ende 1902 regelmäßig evangelischer Gottes dienst eingerichtet wurde. Die Zahl der Uebertritte ist in den letzten vier Jahren zusammen 22 706, davon 21292 ans der römischen Kirche. Man ist so ehrlich einzngestehen, daß auch 3138 Uebertritte zur „Papstkirche" vorhanden sind. „Zählt man die Uebertritte zu den Altkatholiken hinzu, so ergeben sich mindestens 34 000 Seelen, die durch die Bewegung romsrci >!) geworden sind!" Also nicht die Bekehrung znm Evangelischen Glauben ist das Ziel, das Nach geschiedener Ehe. Ein Sittenbild aus dem heutigen Frankreich. Von Comtesse de Beaurepaire. — Deutsch von Helene Kreinbs. (28. Fortsetzung > (Nachdruck verboten.- „Nein! Aber bis jetzt hatten Sie den Anstand, diese Gegend zu vermeiden. Daß Sie nun kurz nach der Be gegnung mit den Kindern im Tnileriengarton hier so hartnäckig wieder erscheinen, mußte uns verdächtig Vor kommen." „Ah! Sie wissen....?" „Natürlich wissen wir alles. Auch Nolande, der wir es anfangs verbergen wollten, mußte es gewahr werden, damit nicht noch neue Angst zu ihrem großen Leid hinzu- komme. Wir haben es ihr mitgeteilt, als »vir ihre Ent fernung für nötig hielten." „Also Sie sind die Anstifterin dieser Reise? Ich will es mir merken." „Unsere Freundschaft für die arme schwergeprüfte Frau gab uns den Rat ein." „Und der Miß Kate, dieser Plaudertasche, verdanke ich Ihre liebenswürdigen Verdächtigungen? Die hätte auch schweiget! können." „Es war ihre Pflicht, zu reden." „Ihre Pflicht!" widerholte Marzel mit Bitterkeit. Und jede Rücksicht vergessend, fügte er hinzu: „Wahrscheinlich hält sie es auch für ihre Pflicht, ineinen Kindern die Ge fühle des Hasses und Abscheues beiznbringen, die sie selbst für mich an den Tag legt. Raten Sie ihr auch dazu? Und befiehlt Nolande es?" Bertinets Stimme bebte vor Erregung. „Miß Kate denkt und fühlt, wie cS ihr beliebt." ant wortete Frau Marande. „Die Verhältnisse, die sich vor ihren Augen zngetragen, bedürfen keiner weiteren Auslegung und Deutung, und es wäre überflüssig, der Erzieherin eine passende Handlungsweise vorznschreiben. Was nun gar Aolandc anbetrifft, so tun Sie ihr mit Ihren Vermutungen schreiendes Unrecht, Herr Bcrtinet. und daS wissen Sie auch. Nolande ist um Ihre Ehre besorgter, als Sie selbst es sind. Wenn auch die Verleugnung Ihrer einstigen Grundsätze, wenn Ihr schändlicher Verrat der Unglücklichen das tiefste Herzeleid bereiten, so sieht sic cs doch als ihre Aufgabe an, jede Kenntnis davon den jungen unschuldigen Seelen fern sich die Herren Pastoren gesteckt, sondern möglichst viele Seelen romsrei zu machen! Welch edle Auffassung von der Verbreitung des Evangeliums Ehristi und welche Un summe christlicher Toleranz sich da offenbart! Mit Recht fragt da die „Sächsische Volkszeitnng": „Was nützt es dem Protestantisinus, die Katholiken Böhmens znm Abfall zu bringen, wenn mit diesem Zuwachs weiter nichts gewonnen ist, als Leute, die keinen christlichen Besitzstand in die neue Kirche mitbringen, sondern das Proletariat verstärken, d. h. jene, welche bereits mit Harnack alles positiven Ehristen tnms bar sind?" Geschmackvoll fährt der Artikelschreiber des Kirchen blattes fort: „Nicht zu zählen sind natürlich die konfessions los gewordenen Leute, meist wohl Sozialdemokraten." Nun, wir möchten den Herren leise zu verstehen geben, daß diese in Sachsen genau g zählt sind; cs sollen ja bloß 300 000 sein, und die 75 jungen Theologen, die bis Ende 1902 in den Dienst der Gemeinden getreten sind, hätten in Sachsen vollauf Arbeit mit den Seelen, die Witten berg frei geworden sind. Vom Evang. Bund. Nach Meldung der Dresdener Blätter ist das Sommer fest des Evang. Bundes sehr gut besucht gewesen. Soweit wir genannten Zeitungen entnehmen können, hat auch keine besonders kriegerische Stimmung gegen die „Ultramontanen", „Römischen" nsiv. geherrscht. In Er staunen hat uns aber die Aenßernng des Herrn Lbcrpfarrer I)r. Költzsch-Ehemnitz gesetzt, die nach der „D. Wacht" lautet: „Heute, am 14. Juli, feiert man in Frankreich das Fest der Revolution, einer Spezialität der katholischen Welt. Auch wir Protestanten sind revolutionär, aber als Erreger und Träger aller Kultur. Man sehe nur die Deutsche Städteansstellnng an. Dort sehen wir die moderne Zeit, und mit Freude können wir konsta tiere», das; auf dieser Ausstellung die protestantischen Städte die Führung haben. Daß Revolutionen eine „Spezialität der katholischen Welt" sein sollen, glaubt der Herr Oberpfarrer doch selbst nicht oder müssen wir ihn daran erinnern, daß die Dresdener Barritadenbaner anno lK49 keine Katholiken waren? Ver unglückt ist es, wenn der Herr Oberpfarrer Dr. Költzsch die Dresdener Städteansstellnng herbeischleppt als Beweis für die Suprematie der protestantischen Kultur. Demgegenüber möchte man fast den schlechten Witz machen, die Pulver- erstndnng sei keine Protestantische Erfindung,schon dieweilen sie wesentlich älter ist, als der Protestantismus. Doch lassen nur das. Wir meinen aber, studierte Herren sollten doch anfhören, die moderne Kultur für den Protestantismus allein in Beschlag zu nehmen. Es würde gerade in Deutschland sehr schwer werden, die Erfinder, Industriellen nsw. nach ihrer Konfession zu scheiden, das aber müßte doch wohl geschehen, wenn man die protestantische und katholische Kultur trennen null. Man müßte auch fragen, ans wessen Schultern die „protestantische Kultur" des Herrn De. Költzsch steht. Ist sie vom Himmel gefallen? Hat sie Luther er funden? Jeoe Kulturgeschichte des deutschen Voltes dürfte genügenden Aufschluß geben, daß vor, längst vor der „protestan tischen" Kultur die „katholische" bestanden hat, und daß letztere heute genau noch so lebendig ist, wie die „protestan tische". schon weil die Katholiken die Ehre haben, durchaus nicht dümmer als die Herren Protestanten zu sein. — Herr Pastor Zillinger hat über „die Frauen und den Protestan tisnms" gesprochen und soll nach der „D. Wacht" gesagt haben: „Die römische Kirche habe in dem Marienkultus die Frau vergöttert, im irdischen Leben aber geknechtet. Erinnert sei nur an die sirtmische Madonna und die thüringische Landgräfin Elisa beth. Beide sind katholische Heilige, aber menschlich nnwahr. Ent setzlich wahr ist nur das unnatürliche Nonncnlm» der katholischen Kirche." Ei, znm Kuckuck! Was gehen denn die katholischen Nonnen den Herrn Pastor an! ! Hat er je gelesen, daß ein katholisches Blatt es sich angemaßt hätte, die evang. Diakonissinnen ein „unnatürliches" Institut zu nennen? ! Laßt doch die barmherzigen Schwestern, ob sie sich kathol. Nonnen nennen und nicht heiraten dürfen, oder sich prote stantische Diakonissinnen nennen und event. heiraten dürfen, ruhig ihre Werke der Barmherzigkeit üben. Wir vergelten nicht gleiches mit gleichem, darum sprechen nur den Diako nissinnen nnnmwnnden unsere Achtung ans. Die Mutter Gottes und die bl. Elisabeth hätte Herr Pastor Zillinger taktvoller ganz ans dem Spiele lassen sollen. Endlich, die „römische Kirche" soll die „Frau im irdischen Leben ge knechtet" haben! ! Wenn dieser Satz in der belegten Zeitung richtig gegeben ist, dann hat der Herr Pastor nur bewiesen, daß er die christliche .Kulturgeschichte bisher mit Nichtachtung gestraft hat. — Zuletzt hat sich auch Herr Zeidler ans Aussig hören lassen und nach den „Dr. Nachr." n. a. den Satz verbrochen, der „Ronianisinns sei der uralte Feind jeder Kultur". Daß der Herr unter „Romanisinns" die katholische Kirche, das katholische Leben versteht, wissen wir. Solchen Satz anfznstellen, grenzt denn doch an pyramidalen Unsinn! Wenn die Dresdener Abteilung des Evang. Bnndes eine Tertianerverbindnng wäre und Herr Zeidler einer derjenigen, die ans der letzten Bank hernm- rntschen — dann, aber auch nur dann dürfte dort solch unwissenschaftliches Zeug geredet werden. Daß Herr Zeidler Beifall für diesen Satz erhalten hAtte, steht nicht in den Blättern. Ganz natürlich! Denn wohl die meisten, viel leicht alle der anwesenden Damen und Herren haben gewnßt, zu halten. Leider sprechen Ihre Großtaten so laut, daß sich nur schwer das Echo derselben unterdrücken läßt. Bis jetzt hat alleilt Hermine etwas verstanden und den Kummer über das Geschehene empfunden. Sie konnte nicht mehr getäuscht werden, aber von ihr hat die Mutter Nachsicht und Vergebung verlangt." Bertinet kämpfte mit einer schmerzlichen Rührung. Frau Marande sah es. aber sie konnte kein Mitleid mit ihm empfinden. „Deshalb müßten Sie," fuhr sie fort, „diesem sanften und frommen Wesen ans den Knien danken, daß es Sie j mehr schont, als Sie es verdienen. Aber statt dessen wollen Sie derjenigen, die Ihretwegen schon so viel ge weint, aufs neue Tränen entlocken, indem Sie die Kinder rauben!" „Halten Sie ein!" rief Bertinet, der mm alle Selbst beherrschung verlor. „Einen solchen Plan hatte ich nicht gefaßt. Ich fühlte nur das unabweisbare Bedürfnis, die Kleinen von weitem zu sehen. Sie gehören doch gerade so gut mir, wie Nolanden " „Und sie werden, was immer auch dagegen geschehen mag, die Bande bleiben, welche Sie an Nolande fesseln," unterbrach ihn Frau Marande. „Das wird die gerechte Vergeltung sein." „Und diese bittere Freude." fuhr Marzel fort, ohne den Einwnrf zu beachten, „diesen kleinen Trost mißgönnt mir Volandc, indem sie abreist. Ans diese Weise glaubt sie den mir angedichtcten Plänen zu eckgehe»! Welch ein Wahn! Als ob ich, wenn mir daran gelegen wäre, nicht schon morgen erfahren könnte, wo sie sich verborgen hält. Es kostete nur ein Wort an den Polizei-Präsidenten, der mir gerne seine besten Agenten zur Verfügung stellte. Aber ich werde das nicht tun. Mag sie mich immerhin ver alten, sie soll mir doch nicht alles Gefühl absprechen können. Meinem Edelsinn allein verdankt sie es, ihre Kinder zu behalten." Frau Marande war keineswegs überzeugt; dieser ge rühmte Edelsinn schien ihr wenig zuverlässig. Jedoch wollte sie ihn nicht znm Aenßersten treiben, sondern eS bei einer ernsten Mahnung bewenden lassen „Ich muß dann zu meiner großen Befriedigung ein- sehen, daß nur uns in unsere» Voraussetzungen geirrt haben. Uebrigcnö hätten »vir auch in Betracht ziehen müssen, daß. obwohl ja die Macht ans Ihrer Seite ist. Sie schließlich keinen Vorteil davon hätten, ein Unternehmen zu wagen, welches vor aller Welt Sie als Wortbrüchige» kennzeichnen würde. Denn in diesem Falle wäre der Kampf kein leichter gewesen; jetzt war Nolande gesonnen, sich bis znm Aenßersten zu verteidigen." Bertinet fühlte den Stich, aber er ließ sich nichts an- merken. „Sie können überzeugt sein, daß ich ihr keine Ver anlassung dazu geben werde," versicherte er. Dann entfernte er sich eiligen Schrittes. „Der Unglückselige!" dachte Fra» Marande, welche ! ilnn nachschante. „Ich habe ihm das Spiel verdorben; es ! war ein günstiger Zufall, daß ich ihn hier traf. Er wird jetzt wohl davon abstehen." Bertinet war von den widerstrebendsten Gefühlen ge martert. So hatte man also seine Absicht vereitelt, che er sich selbst darüber klar geworden. Und eigentlich war es besser so: Frau Marande Halle ihm in zwei Worten die Gefahr gezeigt, in welche er sich durch Anssührnng seines Vorsatzes gestürzt hätte. Sicherlich durfte er dabei ans gewisse Unterstützung reckmen; er war jetzt eine wichtige Persönlichkeit, und die Regierung hätte keinen Anstand genommen, ihm in einer so interessanten Sache kräftige Hilfe z» leisten. Dennoch, die Menschen und die öüentliche Meinung sind veränderlich. Schon sah man in den Kreisen des Neuangekommenen seinen steten Erfolg mit scheelen Angen an; Neid und Miß gunst suchten seinen Glücksstern zu verdunkeln. Würden die Nebenbuhler sich die gute Gelegenheit entgehen lassen, wieder einmal sein Familienleben ans Tageslicht zu zerren zu hämischen oder tadelnden (Klassen? Er hatte genug davon. Und was würden erst seine früheren Freunde sagen? Aufs neue würden sie mit ihrer Verachtung über ihn herfallen. Und trotz allem war ihn; an ihrer Meinung gelegen; nichts verwundete ihn so sehr, als die Geringschätzung, die sie ihn; bei jeder Veranlassung bezeugten. Blieb ihm also wirklich nichts anderes übrig, als auch ans den Anblick der Kinder ans der Ferne zu verzichten? Mußte er ihnen immer ein Fremder bleiben? Er kam zu keinem Entschluss,'. nber er fühlte sich recht unglücklich. /Fortsetzung folgt.)