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Zweites Blatt Sächsische Volkszeitung vom 4. Juni 19V7 Nr. 125 Der Besuch der englischen Journalisten in Dresden. (Ein Epilog.) Am Sonnabend abend 11 Uhr 50 Minuten sin- die englischen Journalisten vermittelst Extraznges der Inter' nationalen Schlafwagengesellschaft nach München weiter gereift. „Hipp hipp Hurra"-Rufe -er Dresdner Kollegen- schüft, welche die Engländer bis zum Bahnhofe begleitet liatten, begleiteten die Abfahrt -es Zuges; noch einige wehende Tücher aus den Fenstern der davonsausenden Waggons, dann war der glänzend erleuchtete Zug im Dunkel der Nacht verschwunden. Die englischen Pressever- treten waren von der ehrenvollen und liebenswllrdig-freund- sclimtlichen Aufnahme in Dresden tatsächlich hocherfreut und versicherten, daß Dresden in dieser Hinsicht Berlin so gar noch übertroffen habe. Selbstverständlich haben hierzu die ausgezeichneten und prompt funktionierenden Vorbe- reitnngen des Dresdner Ortsausschusses in erster Linie mit beigetragen und nicht einmal das frühere Eintreffen des Extrazuges, der die Gäste aus der Neichshauptstadt brachte, verursachte irgendwelche Störung. Nach der kurzen herzlichen Begrüßung am Hauptbahn hose durch den Vertreter der Stadt Dresden, Herrn Stadt rat Wokurka, und die Vorsitzenden der hiesigen Pressever eine, Redakteure Geißler und Mäder, begaben sich die Gäste nach den bereitstehenden Landauern, um nach dem Hotel Europäischer Hof zu fahren. In -er ersten Etage dieses modernen Niesenhotels tvaren 20 Salons für die Engländer reserviert und in allen diesen Räumen dufteten den Gästen hübsche Blumen als Willkommengruß entgegen. Dann folgte der ehrenvolle Empfang einer Deputation der Eng länder durch Se. Majestät den König im Residenzschlosse und die Prächtige Fahrt auf dem Elbstrome mit seinen ge rade jetzt im herrlichsten Frühlingsschmucke prangenden Ufern. Die Begrüßung an Bord des Dampfers durch den Dresdner Ortsausschuß mit Herrn Oberbürgermeister Beutler an der Spitze war eine durckxuis herzliche, und auch die Erwiderung des alten Mr. Bunting war von solch lie benswürdigem Geiste getragen, daß schon dieser erste Emp fang eiwe gewisse Gewähr für den weiteren günstigen Ver lauf des Besuches in Dresden bildete. Im Schlosse zu Pillnitz, an dessen Freitreppe das schöne Schiff anlegte, waren die Engländer und der Dresdner Ortsausschuß Gäste Sr. Majestät des Königs. Der Minister des Königlichen Hauses, Exzellenz von Metzsch-Reichenbach. empnng die Herren mit gewinnender Liebenswürdigkeit und nahm einige Vorstellungen entgegen. Dann schritt man langsam durch den herrlichen Saal des Wasserpalais und durch den entzückenden Lustgarten, in dessen Mitte die große Fontäne zu Ehren der Miste plätscherte, und nachdem sich die Herren im javanischen Salon mit seinen kostbaren, echten Malereien versammelt hatten, betrat man den Speisesaal, dessen mächtige, weit geöffnete Flügeltüren einen köstlichen Blick in den frischgrünen Park gestatteten. Hier nahm die Gesellschaft zwangslos an kleinen Tischen Platz, auf denen herrliche Arrangements von La France-Rosen und Maiblumen dufteten. Man speiste von echt Meißner Porzellan und von Silbergeschirr. Im Lustgarten wurden dann Kaffee und Zigarren gereicht und nach kurzer Zeit führte das Schiff die Gäste wieder nach Dresden zurück. Die meisten der Herren entschieden sich für einen Besuch der Gemäldegalerie, sie wollten die berühmte Madonna sehen und dann ging es nach der Oper, in der Richard Strauß' „Salome" in erstklassiger Besetzung in Szene ging. Für 1/26 Uhr hatte die Stadt Dresden die Gäste zu einen: Abschiedsdincr nach dem Königlichen Belvedere der Brühlschen Terrasse eingeladen. In dem stilvollen Saals kamen dann nach der schwungvollen Eröffnungsrede des Herrn Oberbürgermeisters Beutler, die in einem Hoch auf Ihre Majestäten den Kaiser und König und König Eduard von England gipfelte, all die Empfindungen der Engländer zum Ausdruck: der Tank für die Gastfreundschaft, die Be wunderung und Anerkennung für das, was Deutschland leistet und erreicht, und das Versprechen, all die noch be stehenden Mißverständnisse aufzuklären und zu beseitigen. Selbstverständlich fanden die Kunstschätze Dresdens, seine Naturschönheiten und der freundliche Sinn seiner Bewoh ner die gebührende Anerkennung. Hoffentlich erfüllen sich die an den Besuch der Engländer geknüpften Erwartungen auch für Dresden und Sachsen. Ans der christlichen Kirche. ß Das Fronleichnamsfest bei St. Stefan wurde am vergangenen Donnerstag in Wien in der herkömmlichen überaus feierlichen Weise begangen. Außer dem Kais-r wohnten der Feier die Erzherzoge Franz Ferdinand. Joseph und Rainer, Franz Salvator und Friedrich. Heinrich Ferdinand und Leopold Salvator, Joseph Ferdinand und Peter Ferdinand, sämtliche Minister, die Spitzen der Be hörden, die Generalität und die Aristokratie bst In dem Oratonum der Kirche wohnten die Erzherzoginnen Maria Chris' ne, Blanka mit ihren Töchtern, den Erzherzogiimen Marne Dolores, Maria Immakulata, Margareta und den Erzherzogen Rainer, Karl und Leopold, dann Iran Erz. j Herzogin Marie Valerie mit ihren Töchtern, den Erz- ' Herzoginnen Elisabeth Franziska und Hedwig und iwen Söhnen, den Erzherzögeu Franz Karl Salvator mW Hubert Salvator, dann Erzherzogin Jsabella mit Töchtern, Erz- Herzoginnen Maria Henriette und Gabriele, ,.l läßlich Prinzessin Adelgunde von Bayern nnd Pstuzstsin Maria Anna von Bourbon-Parma der Zeremonie bei. Nach der Prozession defilierten die Trnppen. die in den Straßen Spalier bildeten, vor dein Kaiser. ü Bayerische Volkswallfahrten nach Jerusalem. Wie in der Presse schon mehrmals gemeldet, wurden Heuer vom bayerischen Pilgerverein vom heiligen Lande zwei billige Voltswallfahrten nach Jerusalem von München ans organi siert. Der erste Zug (vom 17. Juli bis 7. August) findet sicher statt; es ist nur noch eine geringe Anzahl Plätze zwei ter und dritter Klasse frei. Auch für den zweiten Zug (8. bis 29. August) ist schon eine große Anzahl Teilnehmer ge meldet, aber noch nicht hinreichend genug, um deu Pilger zug zu so außergewöhnlich billigen Preisen (I. Klasse 425 Mark, 2. Klasse 375 Mark, 3. Klasse 265 Mark) abgehen zu lassen. Ta wegen Miete des eigenen Pilgerschiffes eine definitive Entscheidung über die Durchführung auch dieses zweiten Zuges in der allernächsten Zeit getroffeir tverdeu muß, wird dringend ersucht, Laß alle, tvelche im Sinne habe», air deu Wallfahrten teilznnehmen, sich jetzt sofort melden. Anmeldniigsadresse: Bayerischer Pilgerverein vom heiligen Lande, München II, Frauenplatz 13. Vermischtes. V Ter im März dieses Jahres in Berlin unter dem Ehrenvorsitz des Fürsten von Brilow begründete „Ver ein für Wohlfahrtsmarken, E. V.", welcher nach dem Beispiele anderer Länder auch in Deutschland durch Herstellung und Verbreitung von Marken Mittel zur Be kämpfung von Volkskrankheiten (der Säuglingssterblichkeit, der Tuberkulose u. a.) anfbringen will, hat mit der Aus gabe seiner ersten Marke begonnen. Sie trägt in schmucker, doppelsarbiger Ausführung das Bildnis Ihrer Majestät der Kaiserin und Ihrer Königlichen Hoheit der Prinzessin Viktoria Luise. Tie Marke, deren Preis 5 Pfennig, bei Abnahme von 5000 Stück nnd mehr 4 Pfennig beträgt, eig net sich als Versclllnßmarke für Postsendungen aller Art nnd muß ans der Rückseite der Briefumschläge, Postkarten nsw. angebracht werden. Die Reichspostverwaltnng hat ihre Entwertung durch den Ankunftsstempel gestattet. — Tie hochbedentsamen Zwecke des Vereins kann der Einzelne fördern, indem er entweder Vereinsmitglied wird, oder auch ohne Mitglied zu sein, Marken verwendet. Ordent liches Mitglied kann jeder werden, welcher sich bereit er klärt, von den Wohlfahrtsmarken im Jahre mindestens für einen Betrag von 10 Mark zu entnehmen. Zn Ehrenmit gliedern können vom Kuratorium solche Personen ernannt werden, welche jährlich siir mindestens 100 Mark Wohl fahrtsmarken zu entnehmen gewillt sind. Airmeldungen zur Mitgliedsckxrft nimmt die Geschäftsstelle des Vereins. Berlin >V., Wilhelmstraße 68 (Kultusministerium), ent gegen, welche auch die Versendring der Marken an die Mit glieder vermittelst. Im übrigen erfolgt der Markenvertrieb durch die Hanptgeschistsstelle des Vereins, die Losevertiebs- gesellschmt Königlich preußischer Lotterieeinnehmer, Berlin X. 24, Monbijonplatz 2, ferner durch die Königlichen Lotte rie-Einnehmer, zahlreiche Buchhandlungen und sonstige Markenverkanssstellen. j Im Variötö K ö n igSb 0 s bat seit l. d. M. ein vollständig neues Spezialitäten-Progromm begonnen. Das Sommervrooramm hatte bis jetzt gnnz tüchtige Kräfte gebrallst. Im Mai war es kn sonders unterhaltend zusammengcstelll und konnte der Besuch des geräumigen Saales, der eine ausgezeichnete Ventilation besitzt, nur bestens empfohlen worden. Die Vorsny-nngen waren der art, daß sie auch für Familien eine grue Unterhaltung bieten. Jeden Sonntag nnd zwst Vorstellungen, deren Anfang out 4 und 8 Uhr festgesetzt ist. ! Ter Zirkus Henry, der beim Publikum Dresdens seit 1903 und 1905 in bester Erinnerung siebt, trifft gegen — 104 — Der Nachmittag des zweiten Verhandlnngstagcs ging zu Ende, als ein Ereignis ein trat, das das ganze bisherige gerichtliche Verfahren über den Haufen warf und der Presse ganz ungewöhnlich sensationelle Enthüllungen versprach. Es wurde dem Gerichte ein altes Dokument, ein Testament des Vaters des ermordeten Hugh MaiiNrxrring, überreicht, nach dessen Bestimmungen sein gesamter Landbesitz, sowie die Hauptmasse seines übrigen Vermögens dein vorher enterbten, älteren Sohne, Harold Skott Mainwaring, vermacht nnd dieser in seine vollen Rechte als ältester Sohn wieder eingesetzt wurde. Gleich- zeitig mit Vorlage dieses vom Alter vergilbten Schriftstückes meldete ein ge wisser Harold Skott MaiMvaring — als einziger Sohn des in dem Testament genannten, inzwischen aber verstorbenen Harold Skott Mainwaring — seine Anwrüche ans das ihm rechtmäßig zugehörige Erbe seines Vaters an und bat. die Vertvaltnng der Erbschaftsmasse seinem Anwälte George Sutherland zu übertragen. Dieser Zwischenfall, der die bisherigen Verhandlungen gänzlich ver änderte. verairlaßte, daß die Verhandlung vertagt wurde. Noch an demselben Abend schrieen die Zeitungsausträger auf allen Straßen und Plätzen: „Mainwaring-Prozeß! — Neueste Nachrichten! — Entdeckung eines ' über 25 Jahre verheimlichten Testamentes! — Der rechtmäßige Erbe!" Sonderbarerweise waren die beiden, die bei dieser unerwarteten Wen dung der Dinge am stärksten interessiert waren, die letzten, die die über raschende Neuigkeit erfuhren. Ralph Maiistvaring und sein Sohn, die erst zum nächsten Tage eine Vor ladung hatten, befanden sich zu Hause. Ter letztere saß iir der Bibliothek, als plötzlich Herr Whitney blaß und verstört eintrat und hastig fragte: „Herr Mainwaring, ist Ihr Vater da?" „Jawohl," sagte der junge Mann freundlich. „Sie werden ihn in sei- neu Zimmern finden. Aber sagen Sie, was haben Sie denn? Sie sehen ja io verstört aus. Wo brennt's denn? Ist irgendwas geschehen?" „Genug, nur sich die Haare auszurcißen," antwortete Whitney ziemlich barsch: „Sie täten gut, niit hinauf zu kommen!" „?la. das muß ja etwas ganz Absonderliches sein. Gehen Sie, bitte, voraus, ich komme auf der Stelle nach." Als er fast unmittelbar daraus das Zimmer seiires Vaters'betrat, hörte er gerade, wie der Anwalt in größter Erregung rief: „Es ist, wie ich Ihnen sage, Herr Mainwaring, die Bombe ist geplatzt!" Ralph, der behaglich rauchend in einem Lehnstuhl saß, schnellte empor, als wenn auf ihn geschossen worden wäre. „Zum Teufel, Herr! Was meinen Sie damit?" „Ich meine damit, daß das, was ich schon lange erwartet und gefürchtet habe, endlich eingetreten ist." „Nun, wenn es Ihnen nicht unerwartet kommt, ist ja anzunehmen, daß Sie wenigstens darauf vorbereitet sind. WaS hat denn dieser Winkeladvokat und seine saubere Klientin Neues ausgeheckt?" „Die? Gar nichts," erwiderte der Anwalt, den Spott des Zornigen völlig ignorierend. „Im Gegenteil, ich bin überzeugt, daß keiner von beiden damit. n>as hier diese Zeitung bringt, irgend etwas zu trur gehabt hat. Bitte, lesen Sie." — 101 — „Ja. das tim Sie. Aber warum sprechen Sie in einer so rätselhaft ver zweifelten Weise? Nachdem Sie mir Ihre Lebensgcschichte erzählt haben, bin uy so voll guter Zuversicht für Ihre Sache, daß ich ihrem endlichen Ausgang mit gar keiner Sorge, sondern nur mit Ungeduld entgegensetze, gerade so, wie wenn ich beim Lesen eines spannenden Romaues die Fortsetzung kaum er warten kann." Harold lächelte über den Vergleich. „Sie vergessen nur, daß ebenso wie die Fortsetzungen in einem Roman, so auch die im Buche des Lebens oft erschreckende Ueberraschuiigev bringen." Sie sah ihn einen Augenblick forschend an, dann sprach sie ernst wie er: ,ES muß »och irgend etwas geben, was Sie mir vorenthalten. Falls cs so ist, muß ich mich begnügen, zu warten, bis Sie mir von selbst Ihr volles Vertrauen schenken. Das meinige wird dadurch keineswegs geschmälert. Es schien mir nnr, daß Sie bei Ihren Aussichten — dem großen Reichtum und der teneidenslr-erten Stellung, die Sie so lxstd besitzen tverdeu — kaum Un angenehmes von der Zukunft erwarten könnten." Ein bitterer Zug legte sich um seinen Mund, als er beinahe murmelnd erwiderte: „Ja, aber was nützt einem Menschen aller Reichtum und aller Glanz, trenn er dabei eine imübersteigliche Schranke zwischen sich und dem findet, was zu besitzen sein einziges Begehren ans Erden ist." „Ich fürchte, Sie gar nicht mehr zu verstehen. Ich vermag mir kein Hindernis vorziistellen, daß Sie nicht überwinden könnten." „Und doch stehe ich vor einem solchen," entgegnete er sanft. „Es gibt Verhältnisse »nd Tinge, die unzerbrechliche Fesseln anlegen." „Ja," antwortete sie traurig, „es gibt Kummer, den selbst die tvärmste und innigste Freundschaft nicht lindern kann." „Denken Sie das nicht von Ihrer Freundschaft für mich," fiel Harold schnell ein. „Wenn irgend etwas, so wird sie cs sein, die mir die Kraft ver leihen wird, allem die Stirn zu bieten und das Dunkel zu klären. Gelingt mir das, so werde ich Ihnen eines Tages sagen, was ich Ihnen jetzt noch nicht sagen kann. Gelingt es mir aber nickst, mich von der Last zu befreien, die am mir liegt, so werde ich iir dem Bewußtsein Ihrer Freundschaft — wenn auch nicht völligen Ersatz — so doch wenigstens Trost dafür finden, vas zu erreichen das Schicksal mir versagte." ./Und ich würde im letzteren Falle nie erfahren." fragte sie zagend, „ivaS Ihr Gemüt bedrückt und verkümmert, »m Ihnen gerade dann meine Freund schaft beweisen zu können?" „Nein. So hoch ich Ihre Güte sck)ätze, dazu" — er stockte einen Augen blick vor kaum zu bemeisternder Bewegung — „dazu sind Sic mir zu teuer, gnädiges Fräulein. Niemals würde ich Ihr gütiges Herz damit beschweren, rvas zu tragen mir allein auferlcgt ist. Ich würde weit von Ihnen gehen, nur Sie Ihren Weg in Frieden ziehen zu lassen." „Und Sie könnten wirklich glauben," entgegnete sie mit traurig vor- '.vurfsvollem Blick, „daß ich Ruhe und Frieden genießen könnte, wenn ich weiß, daß Sie in der Ferne in Gram und Kumnrer leben? Sollten Sie mich so wenig kennen?" „Die Zeit wird Sie vergessen lassen." „Niemals!" > i rs