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Erscheint tiigltch nachm, mit Ausnahme der von».». Festtage. Bezugspreis: Vierteljahr!. 1 Mk. SV Pf. (ohne Bestellgeld). Post-Bestellnummer 6888. Bet außerdeutschen Postanstalten laut ZeitungS-PreiSliste. Einzelnummer 10 Pfennige. Unabhängiges Tageblatt für Wahrheit, Recht und Freiheit. vucd<ln»clterrl. beaaktion untl «ercdSNrrteNer Dresden, Pillnitzer Straße 43. Inserate werden die 6 gespaltene Petitzeile oder deren Raum mit 18 Pf. berechnet, bei Wiederholung bedeutender Rabatt. Redaktions-Sprechstunde: 11—1 Uhr. Fernsprecher: Amt I. Nr. 1366. Nr. Ä8Ä. «atholtke», Adam u. Eva. Donnerstag, den 24. Dezember 1903. Protestanten, Adam». Eva. 2. Jahrgang. Mittelstandspolitik und Zentrum. Die gesamte soziale Gesetzgebung im weitesten Sinne des Wortes hat zwei große Aufgaben in materieller Richtung ; einerseits soll sie die wirtschaftlich Unselbständigen, die nur auf ihrer Hände Arbeit angewiesen sind, schützen vor der Ausbeutung durch das rüsichtslose Kapital; auf der anderen Seite aber muß sie verhindern, daß die kleinen wirtschaft lich Selbständigen um ihre Existenz kommen und zur Lohn arbeit herabsinken; mit anderen Worten: der Mittelstand muß erhalten werden. Diese letztere Ausgabe der Sozialreform ist ebenso dringend und ebenso nötig wie erstere; denn in einem gesunden und kräftigen Mittelstand allein liegt das Rückgrat eines Staates und einer Nation. Eine Handvoll Reiche und ein Armeekorps wirtschaftlich Unselbständiger führen zum Ruin; der starke Balken, der beide trägt und verbindet, ist der Mittelstand. Nach diesem Gesichtspunkt hat das Zentrum stets ge handelt und den Mittelstand zu erhalten und zu stärken gesucht: es ist dies allerdings keine geringe Aufgabe, da einesteils der gewaltige Kapitalismus stets vordringt und andernteils die Sozialdemokratie erklärt, daß der Mittel stand unrettbar verloren sei. Doch unbekümmert darüber schritt das Zentrum seines Weges fort und kann nun auch auf recht schöne Erfolge bereits Hinweisen. WaS zur Erhaltung der Landwirtschaft von diesem geschehen und wieder neu beantragt ist, dient der Kräfti gung des Mittelstandes; unbestritten steht das eine fest, daß ohne jahrzentelanges Drängen und Mahnen der Zentrnmsfraktion wir noch heute kein Handwerkerschntzgesetz hätten und so das Handwerk noch mehr dem Ruin Preis- gegeben wäre; mit ihm würde aber ein sehr wichtiges Glied des Mittelstandes ansscheiden. Schon seit einer Reihe von Jahren hat aber die Zentrumsfraktion auch ihre Fürsorge dein kaufmännischen Mittelstand angedeihen lassen. Die neuen sozialpolitischen Anträge derselben im Reichs tage bekunden unzweideutig, daß es auf dieser Bahn weiter wandeln will. Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, das man mit Fug und Recht als ein Lex Bachem-Roeren bezeichnen könnte, hat schon viel Gutes gewirkt, aber seine Durchführung hat gezeigt, daß es eben stets findige, ge riebene Geschäftsleute gibt, die eine Lücke im Gesetz ans- spüren und durch diese schlüpfen zum Schaden der anderen und ehrlichen Geschäftswelt. Das Ansverkanfswesen ist in seiner heutigen Ge staltung eine wahre Eiterbeule im Geschäftsleben. Da gibt es Läden, die das ganze Jahr Ausverkauf wegen Geschäfts aufgabe halten; vorne strömen die Leute herein, angezogen durch die „Lockvögel" und die Meinung, hier könne billig eingekauft werden, und durch das Hintertor werden ganze Sendungen frischer Ware eingeführt; der solide Geschäfts mann, dem es zuwider ist, auf solche Weise den Leuten Sand in die Augen zu streuen, sitzt auf dem Trocknen, die Kassen des anderen füllen sich. Die Zentrnmsfraktion fordert deshalb eine gesetzliche Regelung des gesamten Ausverkaufs geschäftes. Gegen die Abzahlungsgeschäfte, die den Klein- kanfmann ebenso schädigen, wie die Kunden, ist bereits 1891 ein Gesetz erlassen worden, doch wird es vielfach da durch umgangen, daß jetzt zwischen Käufer und Verkäufer ein „Mietvertrag" abgeschlossen wird. Die Gegenstände ge hören dem Verkäufer, bis eine Summe in Raten als „Pacht" gezahlt ist, die sehr hoch über dem wirklicheil Wert der Möbel usw. steht. Raffinierte Bettler wissen hie" noch ein gutes Geschäft zu machen; sie gehen in ein Abzahlungsgeschäft, schaffen sich Möbel, Betten usw. an; einige Wochenraten zahlen sie, und dann geht man mit dein Vertrag betteln und jammert, daß die fällige Rate nicht anfzubringen sei und somit alles verloren gehe. Dieser Appell an die Wohltätigkeit ist in der Regel sehr erfolgreich; die Rate wird nicht bezahlt und im Nachbar- Hause weiter gebettelt. So arbeiten sich Abzahlungs geschäfte und Bettelei vielfach in die Hände. Die vierte Forderung der Zentrumsfraktion geht dahin, daß Offizieren und Beamten untersagt werde, in Bcamten- warcnhäusern dem Geschäftsmann Konkurrenz zu machen. Die Allgemeinheit des Staates bringt die Besoldungen für die Beamten auf und dann darf sie fordern, daß diese nicht einem Teile, dem Kaufmannsstand, selbst Konkurrenz machen. DaS soziale Gewissen der Offiziere und Beamten sollte ihnen schon dieses als verwerflich darstellen; aber da dieses in so weiten Kreisen eingeschlafen ist, muß eben der Staat als Mahner und Warner selbst auftreten. Wir sind überzeugt, daß diese Anträge der Zentrums- fraktion die freudigste Zustimmung in allen gewerblichen Kreisen finden und man den Antragstellern in diesen sehr zu Dank versuchtet ist. Aber die Selbsthilfe muß auch hier einsetzen; die Kleinkaufleute müssen sich vereinigen in Rabattkonsumvereine, Einkaufsgenossenschaften usw. Dann nnr ist auch für ihre materielle Existenz die Grundlage ge geben. Politische Rundschau. Der»tschl«»d. — Der Kaiser hat bei seiner Ansprache in Hannover unter andern! die Worte gebraucht, daß die deutsche Legion und Blüchers rechtzeitiges Erscheinen das englische Heer bei Waterloo vor der Vernichtung bewahrt hätte. General CheSneh und Wellington haben die Tatsache selbst be stätigt. Der englische Hochmut fühlt sich jedoch durch die Erinnerung an diese geschichtliche Tatsache verletzt und die Zeitungen sprechen ihre Mißstimmung darüber offen aus. So handeln kleine Geister. — Der Gesundheitszustand des Kaisers ist nun ein derartiger geworden, daß er dem deutschen Volke zu un getrübter Freude gereichen kann. In vollem Umfange hat der Monarch wieder die Pflichten seines fürstlichen Berufes ausgenommen. Dem auf der Durchreise nach Gmünden in Berlin rastenden greisen König Ehristian von Dänemark bereitete unser Kaiser trotz des „Inkognitos" de» hohen Gastes am Potsdamer Hoflager einen überaus herzlichen Empfang. Nach dieser Monarchenbegegnnng strebte Kaiser Wilhelm den hannoverschen Gefilden zu. um sich in der Göhrde der Waidmannslnst wieder zu überlassen und in der Stadt Hannover teilzunehmen an der Hundertjahrfeier dreier Regimenter, speziell seines Königs-Ulanen-Regiments. Hier hat der Kaiser auch seine erste öffentliche Rede ge halten seit seiner Erkrankung und wie der ReichStags- präsident Graf Ballestrem schon mitteilen konnte, so wird jetzt von den Zuhörern bestätigt, daß auch nicht das mindeste von der Erkrankung zurückgeblieben ist. — Gin verdienter Zentrnmsjonrnalist. Redakteur Huber in Ell.oangen, ist gestern nachmittag gestorben. Seit 13 Jahren leitete er den daselbst erscheinenden „Jpf". Sein Schicksal ist um so tragischer, als er am 1. Januar 1901 in die Redaktion des Stuttgarter „Deutschen Volks blattes" eintreten sollte und nun unmittelbar vorher ab berufen worden ist. li. i. i>. — Gine Berdächtignng dcS Zentrums im „GornoSlozak". Der „blonde deutsche Jüngling", wie die „Nat. Zeitung" den polnischen Abgeordneten Korfanth bezeichnet hat, setzt in seinem Blatte den verleumderischen Kamps gegen das Zentrum unter dem Beifall des „Vorwärts" fort; so schreibt er jetzt: „Wir haben erfahren, daß der Abgeordnete Krolik in der FraktionSsitznng des Zentrums gebeten hat, einen Antrag cinzii- bringen, um die Arbeitszeit der Zinkhnttenarbeitcr auf acht Stunden herabzusetzen. Herr .tzrolik beschrieb ausführlich das Elend der Zinkhültenarbeiter, Ivie schnell ihnen Beine nud Hände ver krüppelt werden. Ivie schnell sie aussterbcn, die Herrn Zentrmns- abgeordneten haben zugchört, mit dem Kopf geschüttelt, auch gesagt, man müsse etwas für die Hüttenarbeiter tun — aber einen Antrag haben sie nicht gestellt. Herr Krolik wurde abgeblitzt und der Arme grämt sich, daß die Zentrnmsabgeordneten so wenig Verständnis für die Interessen unseres Volkes haben." Der Zentrumsabgeordnete Krolik hat nicht ein Wort über die Zink Hütte narb eit er in der Fraktion gesprochen, wohl aber über die Bleihüttenarbciter und wie er damit in der Fraktion Erfolg gehabt hat und Unterstützung fand, zeigte der Antrag Trimb orn - Krolik (Nr. 89, l l. Legislaturperiode, I. Session 1903/0-1), der die ver bündeten Negierungen ersucht, auf Grund der Paragraphen 120o und 139 a, der Gewerbeordnng ausreichende Schutz- maßregeln für die in Blei Hütten beschäftigten Arbeiter tunlichst bald zu erlassen. Dieser Antrag trägt die Unter schriften aller anwesenden Zentrnmsabgeordneten. Dein Abgeordneten Korfanth muß dieses amtliche Aktenstück auch zngegangen sein: aber trotzdem schreibt er: „Einen Antrag haben sie nicht gestellt; Herr Krolik wurde abgeblitzt!" Und der „Vorwärts" druckt den ganzen Schwindel nach, obwohl er wissen sollte, daß für die Zinkhüttenarbeiter bereits eine Bundesratsverordnnng besteht. So kämpft Korfanth Arm in Arm mit der Sozialdemokratie gegen das Zentrum! — Das ehrengerichtliche Verfahren wurde gegen alle Forbacher Trainoffizicre cingeleitet; sie wurden bis auf drei vom Dienste suspendiert. Vilse ist Hanptzenge. Das Resultat der Untersuchung ist noch nicht bekannt. Vier- Offiziere sollen bereits mit schlichtem Abschied entlassen worden sein. Da über das Gnadengesuch Bilses erst nach Beendigung des ehrengerichtlichen Verfahrens eine Ent scheidung gefällt werden kann, so ist die auch n»S gemeldete Begnadigung Bilses als verfrüht anznsehen. — Zur Crimmitschauer Weihnachtsfeier schreibt man uns aus Berlin außer schärferen Sätzen auch folgendes: „Im „roten Sachsen" tut man alles, um die Sozial demokratie künstlich in die Höhe zu treiben, obwohl es an dem Elbestrand kaum noch möglich ist; so hat soeben die sächsische Erste Kammer beschlossen, für einen verschärften Gendameriedienst in dem Streikort Crimmitschau lOOOOMk. zu genehmigen. Eine größere Weihnachtöfrende hätte man den Sozialdemokraten gar nicht bereiten können; nach der großen Niederlage in: Reichstage kommt ihr dieser Beschluß sehr angenehm, um tüchtig kritisieren zu können. Sachsen ist und bleibt durch seine Verwaltungsexperimente die beste Sozialistenzüchterei und zwar in — Reinkultur." — Zur Beratung des Gesetzentwurfs über die Ab ändcrung der badischen Verfassung ist in der Zweiten Kammer eine Kommission gebildet, die ans 7 Liberalen, 7 Zentrnmsabgeordneten, l Demokraten und 2 Sozial demokraten besteht. Serbien. — In einer Zuschrift an das offiziöse Blatt „Samon- prava" gibt der Leiter des Preßbnreans, Balngdschitsch eine Erklärung des russischen Geschäftsträgers Mnrawjew be kannt, worin Mnrawjew jedwede Verbindung mit der oppositionellen serbischen Presse in Abrede stellt und mitteilt, daß Dtußland offiziell niemals die Entfernung gewisser Offiziere ans der serbischen Armee verlangt habe. — Nach anderer Meldung hat König Peter den Oberst Maschin gewonnen, die Königsmörder zum Rücktritt ans der Armee zu bewegen. Maschin soll einige günstige Resultate zu ver zeichnen haben. Qstasier». — „Dailh Mail" meldet ans Schanghai: Die japanische Negierung charterte hier zehn Dampfer von ins- gesamt 30 000 Tonnen Tragfähigkeit. — Demselben Blatt wird ans Kobe gemeldet, daß die Regierung 7 Dampfer für den Truppentransport und 3 für den Provianltransport gechartert habe. — Eine dein Nenterschen Bureau ans Petersburg den 21. d. M. von einem Privatkorrespondenten zngegangene Depesche besagt, das Verhältnis zwischen Ruß land lind Japan sei unverändert. Das russische Auswärtige Amt teile nicht die in England vorherrschende pessimistische Stimmung. Die englischen Meldungen seien von ansang an pessimistisch gewesen; aber das Petersburger Auswärtige Amt sehe keinen Grund, weshalb es* die Hoffnung ans friedliche Regelung der Meinungsverschiedenheiten ver- lieren sollte. Der „Berliner Lokalanzeiger", der bekanntlich alles weiß, aber meistens daneben, berichtet, die von Londoner Jndustriellenkreisen fortwährend in Kardisf (Englands Kohlen- metropole) eingehenden Aufträge für Kohlenliefernngen nach Ostasien werden als ein sicheres Anzeichen für das in nächster Zeit erfolgende Ansbrechen des japanisch-russischen Krieges angesehen, lieber den Umfang der Bestellungen wird strengstes Stillschweigen beobachtet. In den Bureaus des englischen auswärtigen Amtes wird mit fieberhafter Tätigkeit in Ueberstnnden gearbeitet. — Warten wir die Sache in aller Ruhe ab. Es ist doch zu bekannt, daß England einen russisch japanischen Krieg wünscht, um das verführte Japan nach bekanntem englischen Muster in d»>r Stunde der Gefahr treulos zu verlassen, unterdessen aber sich in Eanton cvent. auch Schanghai in China und im persischen Meerbusen festznsetzen. Aus Stadt und Land. Dresden, den 23. Dezember t903. * Seine Majestät der König empfing heute mittags die Departementschefs der Kgl. Hofstaaten zu Vorträgen. * Heute nachmittag fand- bei Sr. Majestät dem Könige im Residenzschlosse eine Christbeschernng für lO arme Kon firmanden (8 Knaben und 8 Mädchen) statt. Se. Majestät beschenkte die Konfirmanden mit vollständigen Anzügen sowie weiteren nützlichen Sachen und weilte hierbei einige Zeit unter den Kindern. * Ihre König!. Hoheit die Prinzessin Mathilde ver- anstaltete gestern nachmittag zugleich für Se. Kgl. Hoheit Prinz Max eine Weihnachtsbeschermig für l l arme Kinder im Residenzschlosse. * Ihre König!. Hoheit Prinzessin Mathilde zeichnete die König!. Hofbnchhandlnng, Schloßstraße 32. mit Höchst- ihrem Besuche ans. In Begleitung Ihrer König!. Hoheit befand sich die Hofdame Freiin von Gärtner. * Ihre Exzellenz Frau Mathilde, Reichsgräfin und Margnise von und zu Hoenübroech, geb. Reichs- gräfin von Loö. Dame des Malteser Ordens, ist, wie uns ans Köln gemeldet wird, nach langem, mit größter Geduld ertragenen Leiden und öfterem Empfang der hl. Sakra- mente am Sonnabend, den 19. d. Mts., im 33. Lebens jahre in die Einigkeit abbernfen worden. Sie starb i,n Annenkloster zu Remagen am Rhein, wo sie mit ihrer Tochter, Gräfin Therese, in Zurückgezogenheit lebte, um wie eine zweite heil. Monika, die Bekehrung ihres von der katholischen Kirche abgefallenen Sohnes, Grafen Paul zu Hoensbroech, zu erbitten. Leider war es ihr nach Gottes Ratschluß nicht beschieden. die Erhörnng ihres Gebetes zu erleben. Viele Jahre lebte Gräfin Hoensbroech mit der Tochter ans dem Gute ihrer Enkelin, Gräfin Monika von Stollberg-Stollberg. zu Näckelwitz in der wendischen Lausitz. Seit dem im Jahre 1378 erfolgten Tode der Eltern ver trat die Verewigte bei ihrer Enkelin Mutterstelle, bis diese nach erfolgter Mündigkeit am 5. Dezember 1898 in Tonrnai in Belgien in den Orden der «Irrmo.^ <I» 8t. /Vmlrä (Schwestern vom heil. Andreas) eingetreten war. Welch' edle Seele mit Gräfin Hoensbroech ans dem irdischen Leben geschieden ist, weiß jeder, der sie näher kannte. Sie lebte nnr der Erziehung ihrer Kinder und der Wohltätig keit. Die Verstorbene war geboren zu Düsseldorf am