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Sächsische Volkszeitung : 01.06.1922
- Erscheinungsdatum
- 1922-06-01
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-192206018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19220601
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19220601
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1922
-
Monat
1922-06
- Tag 1922-06-01
-
Monat
1922-06
-
Jahr
1922
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 01.06.1922
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To> ncr-tag den 1. Juni 1V22 bereitet worden. Dem Vertrage an sich stehen wir nicht ohne Be denken gegenüber, die wir bei geeigneter Gelegenheit Vorbringen werden. Gegen die Methoden der Pariser Verhandlungen sind manche Bedenken vorzubringen. Es ist bedenklich, wenn der eine Spieler alle Karten auf de» Tisch legt, wahrend man von den Karten des Gegenspielers gar nichts sieht. Wir haben heute noch keine Mittel, um der Inflation mit einem Schlage ein Ende zu machen. Die Zwangsanleihe deckt doch nur in diesem Jahre einen Teil d^r Leistungen aus dem Friedensvertrage. Die Zwangsan» leihe ist für den Besitz ein weit größeres Opfer als die schärfste Vermögenssteuer. Jetzt ist der günstigste Moment da. um das ReparationSpro- blem in seinem ganzen Umfange auszurollen und gleichzeitig durch die Widerlegung von der Legende von der deutschen Schuld am Weltkriege den Versailler Vertrag aus seine» Angeln zu heben. Wir müssen die Aushebung der ganz unberechtigten Besetzung von Düsseldorf. Duisburg und Ruhrort und eine Herabsetzung der übrigen Besetzungskosten verlangen. Wir müssen vor allein auch die Herabsetzung der Reparationslasten und eine Aenderung des Verhältnisses im Saargebiet verlangen. (Unruhe links.) Ame rika, dessen ehemaliger Präsident durch seine Versprechungen uns zum Waffenstillstand veranlasst hat. wird hoffentlich seine gewich tige Stimme dafür erheben. Abg. Dr. Dernburg sDemst: Die heutige Debatte ist für das Ausland lehrreicher, als dem Vaterlandsinteresse dienlich ist. (Sehr gut! links.) Von rechts und links ist dem Auslande heute Material geliefert worden, mit dem die Negierung bombardiert Werden kan». In Fragen der auswärtigen Politik sollte es über haupt keine Parteipolemik geben. (Lebhafte Zustimmung in der Mitte.) lieber die Pariser Reparationsverhandlungen sind dir Parteien ton der Negierung sehr eingehend informiert worden. Wer hier ans lieber Gewohnheit ein Mißtrauensvotum mit angeb lichen Verstößen gegen das parlamentarische System begründen will, der kennt das parlamentarische System nicht. Das Londoner Memorandum konnte nicht die Grundlage für ein befriedigendes Verhältnis mit Rußland bieten. Wir, die wir so viel gelitten und gehungert habe», können am besten die Not Rußlands verstehen. Der Napallovertrag entspricht dem Geiste, den wir den Geist vo» Genua nennen und von dem bei den übrigen Mächten recht wenig zu spüren war. Die französische Befürchtung eines russisch-deut schen Bündnisses ist ganz unsinnig. Der Redner geht dann auf die Pariser Anleihevcrhandlungen ein. Da die Bedingungen für Anleihen nicht von» Schuldner, sondern vom Gläubiger gemacht werden, müssen wir uns auf schwere Bedingungen gefaßt machen, es ist aber zu hoffen, daß die Anlciheverhandlungen zu einer ge nauen Prüfung der wirklichen Leistungsfähigkeit Deutschlands führen. Abg. Böhm (Bauer. Volksp.) begrüßt den Abschluß des Rapallovcrtrages und stimmt dem Reichskanzler darin zu, daß die Politik der Termine endlich aufgegeben werden müsse. Die im AuSlande verbreiteten Legenden von dem Reichtum Deutschlands seien unbegründet. Die Scheinblüte der deutschen Wirtschaft werde bald verschwinden. Abg. Jäckel (Soz.) protestiert im Namen der Bevölkerung des seit dem 8. März ,92, besetzten Gebietes gegen die militäri sche» Sanktionen. Damit schließt die Aussprache über Genua. Die Abstimmung über das Mißtrauensvotum findet morgen statt. Um das Mißtrauensvotum Berlin, 30. Mai. Die Deutsche Volkspartei, die heute abend zu einer Fraktionssitzung zusammengctreten ist. wird sich heute über das dcutschncuionale Mißtrauensvotum noch nicht schlüssig werden Tie Fraktion wird morgen vormittag erneut zusam- mentrctcu. Die deutsche Antwortnote Berlin, 3,. Mai. In der der Reparaiionskommission am 29. Nkai durch die deutsche Kriegslastenkomiiiissiou überreichten Note wird folgendes ausgeführt: Unter Bezugnahme auf ihre Note vom 9. Mai d. I. und die Besprechungen, die inzwischen in Paris stattgefunden haben, be ehrt sich die deutsche Negierung, einen Plan über die Einnahmen und Ausgaben des Reiches im Rechnungsjahre 1922 mitzuteilen. Die Erhöhung der Einnahmen gegenüber dem zurzeit dem Deut- scheu Reichstage vorliegenden Haushaltplan beruht auf einer er neuten Schätzung der deutschen Steuern einschließlich des Steuer- kompromjsses und berücksichtigt das in letzter Zeit erzielte Aufkom men des voraufgegangenen Jahres und die seit der letzten Schätzung fortgeschrittene Geldentwertung. Zu den Ausgaben wird folgendes bemerkt: Die Zuschüsse für die Betriebsverwaltungen sind beseitigt. Für die Lebens« mittelvcrbilligung sind für das Jahr 1922 nur noch 9,5 Millionen gegenüber ,7,2 Milliarden Mark 1921 vorgesehen. Im übrigen sind die Subventionen und Subsidien, soweit es die Rücksicht auf bestehende Verpflichtungen zulassen, weggefallen und weitere Streichungen bei den AuSgakbeansätzen vorgenommen. Auf diese Weise sind im Haushalt 1922 gegenüber 1921 Ausgaben im Be trage von 24ch Milliarden Mark obgesetzt worden. Bei dem außer ordentlichen Haushalt der allgemeinen Reichsverwaltung und den Betriebsverwaltungen sind gegenüber den Ansätzen des Etats Er sparnisse in Höhe von mindestcnS drei Milliarden Mark in Aus sicht genommen. Die Erzielung weiterer Ersparnisse bei der Reichsverwaltung ist in die Wege geleitet. Schwebende Schuld Die deutsche Regierung ist entschlossen, jedes weitere An wachsen der schwebenden Schuld noch Kräften zu verhindern. Sie ist jedoch davon überzeugt, daß unter den gegenwärtigen finan ziellen Verhältnissen solche Anstrengungen nicht durchgeführt wer den können, wenn Deutschland nicht eine ausreichende Unter stützung im Wege einer äußeren Anleihe erhält. Vorausgesetzt, daß diese Unterstützung binnen angemessener Frist verfügbar wird, unternimmt es die deutsche Negierung, sich mit der Angelegenheit auf folgender Grundlage zu befassen: 1. Der Stand der schwebenden Schuld vom 81. März 1922 gilt von jetzt ab als der normale Höchstbetrag. 2. Wenn am 30. Juni 1922 oder am letzten Tage eines der folgenden Monate der Betrag der schwebenden Schuld den nor malen Hüchstbctrag überschreitet, so werden Schritte getan werden, um sicherzustellen, daß die Ueberschreitung innerhalb der folgen den drei Monate zurückgezahlt wird, und zwar entweder mit Hilfe von Eingängen, die die Ausgaben in den drei Monaten über steigen, soweit solche Eingänge verfügbar sein sollten oder durch die Aufnahme von Krediten auf andere Weise als bei der NeichS- bank und in einer Form, die nicht die Inflation erhöht. Wenn trotz dieser Schritte der Betrag der schwebenden Schuld am Ende der drei Monate noch den normalen Höchstbetrag überschreitet, wird die deutsche Regierung alsbald Vorschläge für den Ausbau des Steuersystems einbringen, mit dem Ziele, daß noch in deni jeweils laufenden Rechnungsjahre oder — wenn davon mehr als die Hälfte abgelaufen ist — binnen sechs Monaten ein Betrag besclxrfft ist. der nicht geringer ist, als die bereits vorhandene und die bis zum Ende des Rechnungsjahres veraussichtlich noch weiter entstehenden Ueberschreitung«». Das vorstehende Verfahren unterliegt bis auf weiteres fol genden Maßgaben: a) So lange noch keine Eingänge von auswärtigen Anleihen zur Verfügung stehen, und die von der deutschen Regierung in Er füllung von Verpflichtungen auf Grund des Vertrages von Ver sailles seit dem 1. April 1922 in ausländischen Zahlungsmitteln geleisteten Zahlungen zu decken, wird für die Feststellung, ob und inwieweit eine Ueberschreitung des normalen HöchstbetrageS vor liegt, ein Betrag in Höhe des Papiermarkgegenwertes der vorläu fig auf diese Weise nicht gedeckten Gesamtheit der geleisteten Zah- lungen dem Stand der schwebenden Schuld vom 81. März 1922 hinzugerechnetz b) Alle Eingänge aus auswärtigen Anleihen sollen zur völ ligen Rückzahlung dieses über den normalen Höchstbetrag hinaus, gehenden Betrages verwendet werden und zwar mit Vorrang vor allem anderen Verwendungszwecken, vorbehaltlich der auf Grund des Vertrages von Versailles in ausländischen ZahlungS. Mitteln zu begleichenden Verbindlichkeiten und solcher anderer Lasten, hinsichtlich derer die NeparatjonSkommission auf Ersuchen der deutschen Regierung ihre Zustimmung besonders erteilt. Nachprüfung. Auf der Grundlage des Schreibens, das die Reparationskom mission vom 21. März 1922 aiflwen Reichskanzler gerichtet hat, erklärt sich die deutsche Regierung grundsätzlich mit den in diesem Schreiben vorgesehenen Nachprüfungen einverstanden. Sie geht dabei davon aus, daß diese Nachprüfungen die Souveränität Deutschlands nicht antasten, den geregelten Gang der Verwaltung nicht stören und in die durch das Steuergeheimnis geschützten Ver mögensverhältnisse und -Angelegenheiten der einzelnen Steuer pflichtigen nicht eindringen dürfe. Was die Einnahmen anbelangt, so wird die deutsche Regie rung dem Garantiekomitee alle gesetzlichen oder reglementarischen Bestimmungen mitteilen. Sie wird mit dem Garantiekomitee über die anwendung der Steuertarifgesetzgebung ins Benehmen treten u,nd ihn alle notwendigen Erleichterungen zur Nachprüfung ihrer Aufgaben gewähren. Kapitalflucht In Hinblick auf die starke Inanspruchnahme der Reichsregie» rung ist es der Neichsregierung nicht möglich gewesen, die Frage über Rückführung geflüchteten Kapitals und zur Bekämpfung der Kapitalflucht zsu klären. Sie ist aber mit der Reparationskommis, fron darin einig, daß alles getan werden muß, um das Aufbrin- gungSsoll zu erreichen. Im übrigen erklärt sich die deutsche Ne gierung bereit, über die Einzelheiten einer Bekämpfung der Ka pitalflucht mit dem Garantiekomitee ins Benehmen zu treten und auf Grund dessen die Maßnahmen zu treffen, die geeignet er scheinen, die Kapitalflucht zu verhindern. Di« deutsche Regierung wird der Reparationskommission ror dem 80. Juin 1923 das Pro gramm für die zu ergreifenden Maßnahmen mitteilen. Autonomie der Reichsbank schen Negierung ist durch das Gesetz vom 26. Mai dieses Jahre sichergestellt. Statistik Die deutsche Regierung hat angeordiirt. daß die statistischen BerLffenil'ckungen wieder auf der Basis v-r Vorkr'.egsz- i eejcl- gcn S e wild dem Garantiekomit:« e.ne Auszeichnung über den gegen»artigen Stand dieser Veröffentlichungen m netten und schlägt vor, die auf dem Gebiet« der Statistik liegenden Fragen m:t dem Garantiekomitee im einzelnen zu erörtern. Bei der Abgabe der vorstehenden Erklärungen geht die, deutsche Regierung davon aus, daß Sie Repiratjonslomnnjswn tie in der Entscheidung vom 2l. März 1922 <ür das Jahr - ->12 be- stehende Regelung der Reparationsleistungen nunmehr für end gültig erklären wird. Der Note bemefügt ist als Anlage eine llebersicht über di« Neuregelung des Etats. Die neue Entwaffnungsnote der Entente Berlin, 31. Mai. Dem deutschen Botschafter in Paris ist, wie bereits gestern mitgeleilt wurde, vo» dem Präsidenten der Botschafterkonsereuz eine Not« überreicht worden, die die Ent militarisierung oder — mit anderen Worten — dir Vernichtung zahlreicher rheinischer Eisenbahnen verlangt. Nach einer halb- amtlichen Mitteilung unterliegt die Note gegenwärtig der Prnsung durch die zuständigen Stellen. ES kann aber jetzt schon gesagt werden, daß diese Forderungen, die übrigens Kosten in einer zurzeit noch nicht zu übersehenden Höhe verursachen werden, jedenfalls zum größten Teile im Artikel 13 des Friedens»«, träges keine Unterstützung finden. Ueber den 31. Mai hinweg! Aus dem Reichstage wird uns von einem parlamentarischen Mitarbeiter geschrieben: Die Dinge im Reichstage, wie überhaupt im Lager der Parteien gehen einer Klärung entgegen. Die Meinungsverschie denheiten sind inzwischen ausgeglichen worden, es hat sich heraus gestellt. daß die mangelnde unmittelbare Fühlungnahme zwischen den regierenden Stellen eine Reihe von Mißverständnissen hervor, gerufen hat, die aber nun als behoben gelten können. Alles und jedes kommt darauf an, daß wir über den Schick- salStag des 81. Mai hinauskommen. Das ist nun auch der Fall. ES ist nicht zu erwarten, daß die vielfachen Drohungen mit Ge waltanwendung gegen Deutschland nach dem 81. Mai zur Aus- führung kommen. Die Vorberatungen, die der Neichsminister Hermes in Paris mit Mitgliedern der Reporationskommission führte, haben nach allerdings sehr schilleren Auseinandersetzungen zu einer Annäherung geführt. Die Reparationsverhandlungen sind heute auf einem Fundament ausgebaut, das eine Einigung erhoffen läßt. ES ist viel in den letzten Tagen die Rede von besonderen Zu geständnissen des Reichsfinanzministers gewesen, die den Rahmen des Möglichen überschritten hätten. ES hat sich herausgestellt, daß das nicht der Fall ist. Die vorerst unverbindlichen Zusagen des ReichsfinanAministerS haben zur unbedingten Voraussetzung, daß vor ihrem Inkrafttreten Deutschland eine internationale Anleihe nicht nur bewilligt wird, sondern auch schon gewährt ist! Diese Anleihe muß da seinl Ihre Gelder müssen zur Verfügung gestellt werden können. Die Anleihe mutz ferner zu für uns tragbaren und von uns angenommenen Bedingungen und auch in einer angemessenen Frist gegeben sein. Gerade aus dieser letzten Tat sache erklärt sich vielleicht auch die Wahl des 31. Dkirz als Stich tag für die Festlegung der schwebenden Schuld. Allerdings darf man sich nicht dem Glauben hingeben, daß diese internationale Anleihe, von der heute noch niemand bestimmt sagen kann, ob sie auch wirklich zustande kommt und unter welchen Bedingungen das der Fall sein wird, nun schon in den nächsten Tagen fix und fertig sei. Diese Anleihe Verhandlungen können noch Wochen und Monate dauern. Das Entscheidende ist. daß nun endlich mit der weiteren Notenausgabe Schluß geinacht wird. Wir dürfen freilich nicht verkennen, daß, wenn wir auch dem Neichshaushalt eine finanzielle Entlastung durch solche einschneidenden Maß nahmen verschaffen, doch die Lage der gesamten Volkswirtschaft recht erheblich in Mitleidenschaft gezogen wird. Aber es entschei det auch das Wohl der Gesamtheit, hinter dem die unter den gegenwärtigen Verhältnissen obwaltenden hohen und übergroßen Verdienstmöglichkeiten einzelner Kreise zurückzutreten haben. Die Repaoationsverhandlungen werden also vorerst über deil 81. Mai hinaus geführt werden. Der Reichstag wird sich zu den Pariser Abmachungen noch zu äußern haben, und nach Lage der Tinge wird das nicht ohne schweren Kampf abgehen. Zunächst handelt es sich um die Verlängerung des Provisoriums bis zum 81. Dezember 1922. Im Vordergrund« steht die Möglichkeit des Empfanges einer internationalen Anleihe, daneben die Besserung der MaÄ, in Verbindung damit die Balanzierung des Budgets. ES wäre tragikomisch, wenn über diese Forderungen in dem Augenblick, in dem ihre Erfüllung in greifbarer Nähe steht, nun, wiäer die traditionelle deutsche politische Uneinigkeit die Ober hand gewänne. Kronprinzen - Erinnerungen (Fortsetzung.) Weiter geht der Weg. Ich war nun über 21 Jahre alt und nahm mit der Ecnen- ming zum Kompagniechcf der 2. Kompagnie des 1. Garderegi ments den Dienst wiederum auf. An sich hatten wir Harrpllcute im 1. Garderegiment leichte »nd dankbare Arbeit. Das Nnteroffizierkorps war voll besetzt und bestand fast durchweg aus sehr tüchtigen Männern, das all- jährliche Rckrutenmaterial war vorzüglich. Da waren viele nicht im Verhältnis zu ihrer Länge auch in die Breite gegangen und es wurde mit Sorgfalt darauf geachtet, daß gerade solche Leute nicht überanstrengt wurden. Meine allgemeinen Grundsätze waren: Wenig Dienst, den aber energisch. Im übrigen die Leute nach Möglichkeit in Ruhe lassen. Viel Urlaub, Fröblichkeit in der Kaserne, Ausflüge, Besichtigungen der Sehenswürdigkeiten in Stadt und Umgebung, auch gelegentlichen Theaterbesuch. Manch einen habe ich nachher im Kriege wiedcrgetroffen — manch einer ruht jetzt in fremder Erde, getreu dem Helmliandspruch unseres 1. BaiaillonS: Semper talisi — Hatte ich noch in meinen Leutnantsjahren alles, was mir an Heffcsten entgegen,wuchs, mit einer gewissen interessierten Neugierde mitgemacht, so begann mit der reifenden Kritik eine immer schärfere Abneigung gegen das Pomphafte dieser Feste in mir zu werden. Hoffeste! Dabei fällt mir einer ein, den ich noch niemals ohne ein gutes Lächeln und Behagen auf diesen Festen sehen konnte: Adolf Menzel. Meist war sein Erscheinen schon eine Tragödie, die in seinem Hause und auf der Fahrt nach dem Schlosse spielte, vorangegan gen; denn er war in die Arbeit immer so sehr vertieft, daß er am Ende trotz aller Eile bei der Toilette zu spät kam. In seinen letzten Jahren wurde schon stets ein Adjutant meines Vaters entsandt, der den alten Herrn in seiner Wohnung abholen und häufig genug noch anzichen helfen mußte. Half nichts — zu spät kam er doch. Unvergeßlich ist er mir, wie ich ihn beim Fest vom Schwar zen Adclcrorden sah. Die Ritter dieses hohen Ordens trugen an diesem Tage den großen roten Samtmantel mit der Kette. Der kleine Mann, dem keiner von den Mänteln passen wollte, lag nun in einem dauernden wilden Kampf mit seiner Schleppe und blickte dazu mit den sprechend funkelnden Augen zornig blitzend aus seinen Brillengläsern. Nach der Rangordnung traf es sich, daß der zwerghaflc kleine Menzel mit dem überlebensgroßen HauS- iniiiisler von Wedel Zusammengehen mußte. Wenn nun dieses ungleiche Paar ehrfürchtig vor dem Throne stand, so war das an sich schon ein Bild, da? gute, wanne Heiterkeiten der Seele wecken konnte. Es fand noch eine Steigerung, wenn in diesen Augenblick in dem alten Menzel der Künstler erwachte. Er schien dann völlig zu vergessen, wo er war, und ich habe es mit ange sehen, wie er nach kurzem Kopfrucken die Arme in die Seiten stemmte und völlig von dem malerischen Eindrücke befangen, mei nen Vater lange und eindringlich fixierte. . . Endlich faßte Wedel sich ein Herz und zupfte Menzel fest am Aermel. Wenn ein Blick fauchen kann vor Wut, dann war es dieser, den er jetzt mit zurückgeworfenen Kopf bis in die Augenhöhe seines langen Partners stieß. juni 1919 — Morgens Briefe geschrieben. Dann nach dem Frühstück drüben in der Schmiede vor dem Amboß. Der Luijt (Schmied in Wieringen) erzählt, daß ihm ein Amerikaner für ein Hufeisen, das ich geschmiedet habe, 25 Gulden geboten habe, ob er ihm eins geben dürfe? Die Menschen sind doch mweränderlich bereit, unsereinem den Größenwahn zu sug- gcrreren — sogar wenn wir fern ihrem Jahrmarkt auf einer kleinen Seegrasinsel sitzen. Früher haben sie meine fortgeworfenen Zigarettenstummel aufgelesen und jetzt bietet ein Snob eine Sumime, mit der man in der Heimat einem armen Menschen aus der Nut helfen könnte, für ein Stück Eisen, das ich unter dem Hammer hatte. Mittags habe ich meinen guten Kummer, der hier eine Zeitlang bei mir ist, die Geschichte mit dem Amerikaner erzählt. Er ist Feuer und Flamme: 25 Gulden? Bei der Valuta? Ich täte den ganzen Tag egal weg Hufeisen für die Brüder machen! Und jetzt ist wieder Abend — Im tcmnenumrauschten Gelbensande verlobte icki mich an einem mir unvergeßlichen Sammeltage des Jahres 19 ,4 mit Cecilie, Herzogin zu Mecklenburg. Noch nicht 18 Jahre war sie damals alt, stand in der ersten Jugendblüte nick» war voll Froh sinn und Heiter-eit. Die Jahre ihrer Kindheit an der Seite ihrer zwar etwas eigenwilligen, aber liebevollen und schönen Mutter waren voll ungetrübten Glückes für sie gewesen. Als mir meine junge, schöne Frau an einem strahlenden Junitage des folgenden Jahres ihre Hand fürs Leben reichte, ist sie wie mif Rosen in das neue Leben in Berlin eingeschritten, umsubelt von vielen Tausenden, getragen von der Liebe und Sym pathie eines ganzen Volkes. Als ich an jenem Tage mit meiner zweiten Kompagnie die Linden herunter zum Sck-'. oo. um die Ehrenkompaynie zu stellen, hat mich die warn: Herz: ge Teil nahme all der vielen Menschen tief bewegt. Dazu bo? die Stadt mit den fröhlichen Gesichtern, den vielen hübschen Mcide'n und all und überall den Rosen ein unvergeßlich schönes Bild. Meine Grenadiere fühlten sich natürlich völlig als zur Fa milie gehörig und schritten stolz und stramm daher. Ein gütiges Geschick hat es gefügt, daß meine Wahl frei von cmengenden politischen oder dynastischen Rücksichten auf di« Frau fallen konnte. der ich von Herzen zugetan war mW die mir auch gern ihre Hont gegeben hat. Soll ich zu all dem Thörichten, das über meine The ge redet oder geschrieben worden ist .überhaupt etwas 'agen? —? Wenn sich die guten Leute, die so «glänzende Beziebnugen' haben, doch weniger wichtig tun wollten! Wenn in den Zeitungen mebr fach zu lesen war: Die Scheidung des Kronprinzenpaares muhe bevorstehend, dann hat das auf uns beide nur fröhlich erheiternd gewirkt: Was doch die Herrschaften Bedarf an Sensationen haken! Im Anschluß an meine dreijährige Dienstzeit als Kom pagniechef sollte ich nun eine Eskadron bekommen. Ich bat S. M.^ durch Exzellenz von Hülsen, mir eine Schwadron des Regiments. Gardedukorps anzuvertrauen. S. M. wollte mich zu den Lcib- gardehusaren tun. Schließlich gab der Kaiser nach, er common-' vierte mich im Januar 1906 zur Führung der LeiSeskadren de? Regiments Gardedukorps, verlieh mir aber nicht die schöne Uni form des Regiments, sondern bestimmte, daß ich die Um'rm der 2. Kürassiere Königin tragen sollte. Ich denke mit tiefer Genugtuung der herrlichen Zeit, in dev ich diesem stolzen Regiments angehörte, dessen ruhmvolle Tradi tion mit der Geschichte des brandenburgisch-preußischcn Staate» so eng verknüpft ist. Daß eS keine Paradetruppe -mr, las hat das Regiment am Tage von Zorndorf ebenso bewiesen, wir in dem gewaltigen Ringen des Weltkrieges. Zu meinem Geburtstag cm 6. Mai fand ein kleines Album mit den Unterschritten der Offi ziere und GardeduforpS der alten Eskadron seinen Weg auf nie:ne stille Insel. Wie viele Namen da fehlen! Jin Osten und im Westen ruhen ihre tapferen Träger . . . Nachdem ich wieder 2)4 Jahre als Soldat D'enst getan, drängte eS mich lebhaft, an der Weiterbildung lueiner noch recht lückenhaften Kenntnisse auf staatSmänni schein und Volks virlschaff- lichem Gebiet zu arbeiten. Mehrfache Wünsche .n dieser Richtung waren ohne Berücksichtigung geblieben. Mit um fo größerer Freude begrüßte ich 1907 meine end- liehe Kommandierung zum Oberpräsidium in Potsdam beim Fi nanzministerium und beim ReichSmarineamt. Meine informa torische Beschäftigung in den Ministerien führte mich rasch zu einer lebhaften Fühlungnahme mit den großen Fragen der ?c t. So kam ich zu eingehendem Studium der heimischen und cniS.än- discheu Presse. Der Puls unseres Lebens ist die Ze.t >uz — in ihr hämmert der Herzschlag der Zeit. Damals in jener Zeit war es mein erster bescheidener Gewinn, daß ich die Bes<.ntung der Zeitung für de», der hören, sehen und erkennen will, klar ffn- schätzen lernte. So ergaben sich auch in bezug auf kulturelle oder innerpolitische Einzelfragen für mich bald Gesichtspunkte, die mich die Probleme wesentlich anders sehen siegen, al» S. M. sie aus Grund der ihm zugänglich gemachten Präsestimmen and der 'hm erstatteten Vorträge sah. (Fortsetzung folgt.)
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