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Sächsische Volkszeitung : 02.06.1922
- Erscheinungsdatum
- 1922-06-02
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-192206027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19220602
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19220602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1922
-
Monat
1922-06
- Tag 1922-06-02
-
Monat
1922-06
-
Jahr
1922
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 02.06.1922
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Freitag den 9. Juni 1VLL Ke. »2«. Seite 9 Aus -em Ausland Ei» Kabiuett Seipel-Grünberger Wien. 31. Mai. Am Dienstag abend haben sich die bürger lichen Parteien über die Kabinettsbildung geeinigt. vundrS- tauzler wird der Führer der christlich-sozialen Partei, Prälat Dr. Seipel. Minister des Inner,» der bisherige Hjmdelsminister Dr. Alfred Grünberger, der einzige Nichtparlamentarier des Kabinetts. Auster Seipel gehören dem Kabinett noch 6 Christlich soziale und 3 Großdeutsche an. Die Grostdeutschen besitzen in der Person des ersten StaatSanwalteS Dr. Frank als Vizekanzler das Portefeuille für Inneres, ferner die Minister für Justiz und Handel. Das jetzt besonder- wichtig« Finanzministerium übernimmt der ehemalige Graf August Segur, der bisherige Finanzrefercnt des Lande- Oesterreich. Der abtretende Bundes kanzler Dr. Schober wird auf den Wunsch der bürgerlichen Parteien, insbesondere der Lhristlichsozialen, daS Polizeiprä sidium übernehmen. Die wahren polnischen Absichten Warschau. 31. Mai. Knrjer Polski schreibt in einem Artikel über Oberschlesien: Ten grössten Schmerz verursacht uns die Tat sache, dass wir auf Grund der Konventionen die deutschen Güter und Fabriken nicht in dem Maste enteignen können, wie wir das für vorteilhaft halte», um so mehr, da wir gern in Oblerschlesien Rache nehme» möchten für die Leiden, die wir im gesamten preußischen Teile im Lause von über 150 Jahren erduldet haben. Die Annahme der deutschen Note Baris, 3l. Mai. Die Reparationskomm'ssion hielt gestern eine offisielle Sitzung ab, als deren Ergebnis mitgeteilt wird, dnst die Neparat ionskomm ission von der deutschen Antwortnote nunmehr befriedigt sei und in einer entsprechenden Mitteilung an die Berliner Regienmg das provisorische Moratorium als endgültig bis zum Ende des JabreS verlängert erklärt wird. Damit ist die Repara tionsfrage, wie immer die Anleiheverhandlungen verlaußn, jeden« salls für 1822 aus der Welt geschafft und wird nicht mehr mit ihren Sanktionsdiobnngen, Besetzung uiw. die europäische Debatte verschärfen. DaS Thema der Ruhrbeseyung ist abgetan. SS ist dabei eine feststehende Tatsache, dast man am Quai d'Orsay im Amisbereich Poinc-rräs msi dieser Regelung nicht znsrieden ist. Aber in diesem Falle bleibt die Meinung der Reparationskommission — deren Souveränität Po'mcarä vor ein paar Wochen, als er Lloyd George jede Reparationserörterung verweigerte, so schars betonte — ausschlaggebend Die Anleiheverhandlungen Paris, 1. Juni. Der AnleiheauSschust der ReparationSkom» Mission, das sogen. MorgawKomitee, das sich bis Mittwoch vertagt hatie trat schon gestern um 4 Uhr nachmittags zusammen, um die Anleiheberatung n weiterzu'ühren Nach der «Thicago Tribüne' wird der Anschuß in seiner Veröffentlichung der Beratungen die Erklärung abgeben, dast das Londoner Ultimatum an Deutschland vom Mai v. Js. nnersüllbar sei und anulliert werden müsse. Die Anleihe gesichert? Paris, 1. Juni. Der Matin meldet: Morgan hat den sran- zöstschen Ministerpräsidenten besucht. Die Anleihe an Deutschland kann atS gesichelt gelten. Sie wird aber frühesten» AnfanpJuli zur Beifügung stehen. Morgan hat Pwncare zugeüanden. daß die Anleihe zu vier Fünfteln direkt an die Alliierten abgesührt werden müsse. Die Abtragung der alliierten Schulden an die Vereinigten Staaten soll nach Mor an im S ptember ausgenommen werden. Lloyd George zur Erfüllungspolitik London, 1. Juni. Das Unterhaus hatte sich fast vollzählig versammelt, als Lloyd George am Mittwoch nachmittag aufitand, um über die Wiedergutmachung zu sprechen. Der deutsche Bot schafter wohnte der Sitzung in der Diplomatenloge bei. Der Pre mierminister führte n. a. aus: Was den Vorschlag angehe, das; dir englische Negierung einer Annullierung der Gcsamtforderungen an Kriegsschulden, die sie an andere Länder hat, zustiinmen solle, ohne das; andererseits ihre Schulden nachgelassen werden, so meinte Lloyd George, kein« Negierung könne einen derartigen Vorschlag in ernste Erwägung ziehen. England sei durchaus wil lens. in eine internasionale Diskussion einzutreten, die den Zweck verfolgt, die Frage der gesamten Weltkriegsschulden zu regeln, unter der Bedingung natürlich, dast nicht nur den Schuldnern Englands, sondern auch England selbst Erleichterungen gewährt werden. Llohd George führte weiter aus, er sei sicher, dast die deutsche Negierung auch wirkliche Anstrengungen gemacht habe, um ihre Wiedergiitmachungsverpflichilingen zu erfüllen. Die ge. gen'värtige deutsche Regierung habe bestimmt >hr bestes getan, und er glaube, sie werde wirklich ans diesem Wege fortfahren trotz aller politischen Schwierigkeiten, und deshalb habe sie An spruch auf Achtung. Eine Politik der Nichterfüllung würde eine Politik des sofortigen Unglücks für Deutschland fein. Es sei nicht die Rede davon, dast Frankreich allein vorgebe. Wenn Deutsch land allzu widerspenstig gegen den Versailler Vertrag sein werde, so müsse cS daran denken, dast auch England ihn mitunterzeichnet und ratifiziert habe und an ibn gebunden sei. Wenn eine Re gierung sich weigern sollte, den Vertrag zu erfüllen, so würde man Frankreich nicht allein lasten. Alle Unterzeichner des Vertrages müsste» und würden gemeinsam bandeln. Wir treten stets für eine Politik der Mästigung ein. Zu dem. was wir taten, hatten wir Veranlassung. Auch wenn unsere Absichten in Frankreich mistversiandcn werden, treten wir weiter für eine Politik der Mästigung ein. Jede Setmrathandlung eines Verbündeten würde der Entente verhängnisvoll sein. Nach dem Premierminister er- Lord Robert Lecil das Wort und erklärt«, man müsse Frank- reich klar machen, daß daö, waö e» von Deutschland verlange, zu viel sei. Der schwedisch-russisch« Vertrag abgelehut 1. Juni. Der nlffisch.chwtdilche Handelsvertrag ist ln der Zweiten Kammer mit 105 gegen 84 Stimmen der Sozial demokraten und Kommunisten abgelehnt worden. Da di« Sozial demokraten und Kommunisten in der Kammer 106 Grimmen haben, war ein Teil der Linken nicht anwesend. — Die Erste Kammer debattiert noch über de» Vertrag, doch dürste er auch dier abgetehnt werden. Kathvlische Schulstatisiik vo« Nordamerika TP» katholische Bildungssystem der Vereinigten Staaten umfasst 8706 Schulen. S6SO der 6551 katholischen Elementar schulen find Pfarrschulen. Für höhere Bildung sorgen die 113 Priesterseminarien und 16 Universitäten. An den katholischen Schulen betätigen sich -760 Professoren und 4S 505 Lehrer, msge. samt 54 265. Darunter sind 50 l Diözrsanpriester, 5678 Orden», männer, 41 948 Ordensschwestern, 5985 Laien und 146 Prrvat- lehrer. Im Jahre 1926 wurde» die katholischen Bildungsanstal- tcu von 1 981 051 Schülern besucht. Davon -n:rie!en auf die Universitäten >9 082, Scminarien 6667, Kollegien 15 9)6. Hoch- schulen 129 838, Priesterseminarien 4631, Novitiate und Beruss- sckmlkn 10 544 und aus die Eleinentarschulen 1 795 673. '>> 4 089 Sckiv,:.' waren Kn'öcn und 10169/r N-.'chen. Hinzu koinmen mm noch die katholischen Schüler der Privat- und Staatsschnlen. Bemerkenswert ist, sah unter den Studenten der nichtkatholischen Schulen 61 katholische Verbände bestehen. Dabei darf man nicht anher acht lassen, dast die katholischen Schulen nicht von dem Staate, sondern von den Katholiken unterhalten werden. Die katholischen Elementarschulen allein ersparen den Vereinigten Staaten jedes Jahr durchschnittlich 71 826 920 Dollar oder mehr als 280 000 000 deutsche Goldmark. Uneingerechnet bleiben dabei noch die katholischen Schulgebäude und Einrichtungen im Gesamt. Werte von 143 653 840 Dollar. Daneben müssen die Katholiken auch ihren Teil zum Unterhalt der Staatsschulen beitragen. Schwere Opfer werden also von ihnen verlangt, über für die katholische Sache mit Freuden gebracht. Deutsches Reich Aus dem Reichslage Am Mittwoch hielt der Reichst.; ferne letzte Lrtznng ror Pfingsten ab. um sich bis zum. 13. Inn zu vertagen. Duste S'.tzu.-.g hätte noch die Einleitung zu politisch weittragenden Aus. e nandersetzungen werden können» wenn eS der deurichen VoikS- partei gelungen wäre, ihren Willen auf Wiede, crasrnunz der am Dienstag beendeten grosten Debatte durchzusetzen und die Pa riser Note sowie die Finanzverhandlungen mit Paris vor das Forum der breiten Oeffentlichkeit zu ziehen. Da sich aber das Haus einem Anträge brispien anschloß, der die Aussprache über diese Dinge erst dann eintreten lasten will, wenn die Regierung nähere Mitteilungen machen kann, sowurde kurz vo? Torschluß auch diese gefährliche Klippe umsegelt. Aber wenn der Anschein nicht trügt, dann find diese Ding« und damit neue innerpolitische Schmierigkeiten nicht etwa aufgehoben, sondern nur ausgeschoden. Abgesehen von diesen Vorgängen verlief die Mittwochssitzung des Reichstages ohne weiteren Zwischenfall. Eine Reihe von kleineren, besonders sozialen Gesetzentwürfen wurden in aller Kürze durch- bxraicn und angenommen. Ueber diesen Rahmen hinaus ragten zwei Punkte der Tagesordnung: Einmal die Genehmigung des Vertrages zwischen Deutschland und Dänemark über die Regelung der durch den Uebergang der Staatshoheit in Nordschleswig auf Dänemark entstandenen Fragen. Mit der Behandlung dieses Gegenstandes wiederholte sich in kleinerer Aufmachung das Bild, das wir am Dienstag in der feierlichen Sitzung über Oberschlesien erlebten. Auch hier handelte es sich mit t^r Genehmigung dieses Vertrages um den schmerzlichen Verlust nicht nur eines deut schen Landes, sondern auch um deutsche Volkskraft und ceutsche Volksgenossen, die hoch im Norden nunmehr unter dänisch« Staatshoheit gelangen. Auch hier geht durch den Versailler Spruch deutsches Volkstum verloren und in gleicher Weise stehen wir mit überaus schmerzlichen Gefühlen des Abschiedes wiederum vor Tausenden unserer Volksgenossen, die in Zukunft staatlich nicht mehr zu uns gehören sollen. Dieses Zwischenspiel der sonst so geschäftlichen Sitzung trug doch feierlichen Charakter. Für die einzelnen Parteien wurden kurze Erklärungen abgegeben, und auch der Reichskanzler selbst vereinigte mit den Parteien seinen und der Regierung Abschiedsgrnß. Die Sitzung schloß mit der Abstimmung über das deutschnaiionale Mißtrauensvotum. Der Unabhängige Crispien gab diesem Antrag diejenige Charakteristik, die er verdient, wenn er in einer kurzen Erklärung seiner Frak tion zum Ansdruck brachte, daß der Antrag der Deutschnationalen in keiner Weise sachlich ans die von der Negierung abgegebenen Erklärungen eingehe. ES ist das widerliche Spiel deS Agitations- bedlirfnisseS, mit dem von seiten der Dcntschnationalcn stets und ständig gearbeitet wird und der Antrag wird weder gerechtfertigter noch verständlicher, wenn sich Herr Hergt auch noch solche Mühe gab, ihn zu begründen, was dabei herauskam, war nichts anderes, als eine sophistische Herumrederei. Um so bedauerlicher ist eS, dast auch die Deutsche Volkspartei sich dazu entschloß, dem Miß trauensvotum znzustimmen. An der Abstimmung nahmen jedoch die volksparicilichen Abgeordneten Bauch. Heintze, Kahl, Rippler und Kramer nicht teil, obwohl sie im Hause anwesend waren. Deutschnaiionale und Deutsche Volkspartei gingen zusammen. Aber auch der Dritte im Bunde fehlte nicht. Und das war Höl lein, derselbe Höllein, dessen Genossen schon häufiger selbst in den heiligen Hallen der beiden größten deutschen Parlamente soga> mit den Fäusten gegen die Genossen von rechts zu Feld« zogen, allwo es beinahe blau« Beulen gab! Rnn sitzen sie vereint zu- sammen. Arm in Arm: Tie Hergt, Becker und Höllein — was für ein Kleeblatt — weil es gegen die Regierung geht. Und Herr Höllein hatte sehr wohl das Gefühl, wie schlimm zum mindesten für ihn die Gesellschaft ist und so exemplifizierte er denn unter Lachen der Rechte» und der Mitte des längeren und des breite ren, dast seine Motive der Zustimmung zun, Misttrauensvotrun andere seien als dis der beiden Rechtsparteien. Ja, wenn seine Motive noch dieselbe» wären, wie die der beiden anderen Scknld- genossen, dann wäre die Verheiratung vollkommen. Gegensätze pflegen sich zu berühren, so auch hier. Rechter Hand. linker Hand, beides vertauscht. DaS Mißtrauensvotum aber wurde gegen die ses Trifolium abgelehnt. Scharfe Oppofitionssitzuup bei der Deutschen Dolkspartei Berlin» 1 Juni. In der Mtttwochssitzung des Aeltesten- ausschusses bat die Deutsche Vollspnrtei eine sehr schwer wiegende Erklärung gegen den Münster Tr. Hermes abgegeben. Tie Abge ordneten der Deutschen Volkspartei sind der Ueberzeugunq, das sie bei den Berbandlungen im Answärtigeiianssctmst mit den Partei führern über den Inhalt der Note durcb die ReichSregierung irre- getührt worden sind. Die Deutsche Volkspartei ist dadurch i» die schäriste Opposition zur Regierung getreten. Infolgedessen gilt zurzeii die Stellung des Reichsfinanzministers auch in anderen paila. meniarischen Kreisen als nicht lehr fest. Die Regierung wird während der Parlamentsserien bi« zum 13. Juni versuchen müssen, eine neue parlamentarische Basis zu finden In einzelnen parla mentarischen Kreisen wird dabei mit der Möglichkeit gerechnet, dast diese Woche eine gewisse Umbildung deS Kabinetts erreicht wer den kann. ' ' Verschärfung des Harzer Bergarbeiterstreiks Halle, 1. Juni. Ter Streik auf den siaailichen Harzer Berg» und Hüttenwerken hat in so fern eine Verschärsuna erfahren, als in der Juliustnitte und in Oker dieHockö'en ousgeblastn werden mußten, ' weil sich die Streikenden weigerten, die Notstandearbeiten »u verrichten. ' Aum Aeberfliege« Klingenthals durch französische Flieger Am 22. Mai überflog en mit französischen R'ngkokardcn ge» keun;eichnetcS srarrMsches Flugzeug die Gegend von Kling.nthar und Muldenberg. Diese Nachricht hat inTnesdcn einiges Ansßh.n erregt. Man böite u. a- die Ansicht, daß eS sich um ein von der tschechischen Regierung mit L .ndeSauinahmen beauftragtet» sianzössches Flugzeug handele, daß in Unkenntnis die Landesprcnze überfloa>n haben. Wie der Teluision Sachsendirnst an Berliner amtlicher Stelle eilähit, ist der Bortatl ganz bedeutungslos, da die verbündeten und assoziierten Mächte nach dem Versailler Fiiedensveitrag Artikel 208, während der Okkupationszeit generell die Berechtigung Haien, deutsche- Gebiet zu übelflieaen Die Deutfchenhetze in Oberschlesien Breslau, 1. Juni. Eine erhöhte Deutschenhetze ist gegen- wärtig in den an Polen fallenden Teile OberichlesienS im Gange. Im Kreise Hindeniurg macht sich eine neue Bandeniätigkeit bemerk bar. Schwere Bedenken erregt das Verhallen der sranzösischen Truppen. ES ist sestgestellt worden, daß Angehörige der französi schen Tankgeschwader sowie der technischen und GaS-Forniationen in aller Stille mit alten Zivilkleidern ausgerüstet worden sind. Sie haben sich in den polnische» Teil Oberschtesiens begeben. Angesichts dieser Bedrohung erhebt sich in stärkstem Maße die Forderung der deutschen Bevölkerung, daß Oberlchlesien zunächst von den Franzosen geräumt wird, und dast die Engländer und Italiener den Sicher heitsdienst bis zum Eintreffen der dem scheu Lruvpen übernehmen. Die Arbeitsgemeinschaft für das oberschlesische Industriegebiet hielt am Mittwoch in Kaitow tz eine Sitzung ab, um sich ans eine Aktion zu einigen. Bis zum Abend ist jedoch keine Verständigung erzielt worden; im Gegenteil ist es zu stürmischen Antritten gekommen. Ablehnung der Getreideumlage in Bayern München, 31. Mai. Die bayrische Landesbauernkammcp lehnte gestern nach lebhafter Aussprache das Gctreideumlagever-- fahrcn für das Jahr 1922/23 ab und beschloß, in eine Erörterung des diesbezüglichen Reichsgesetzentwurses nicht einzutreten. Auf Kosten des Reiches Die «RcichSgewerkschaft", der wir die Verantwortung für die Nachricht überlassen müssen, weist von zwei Fällen zu berich ten, in denen auf Kosten des Reiches einseitige Propaganda ge- trieben ist. Ein Artikel «Menne und Genossen" ist in einer Auf lage von 15 000 Stück auf Reichs kosten in Flugiblattsorm hcrgestcllt und auf allen Dienststellen ausgehängt worden. Die geistigen Väter dieses Machwerkes seien mit namhaften Geldbe trägen zu weiterem löblichen Tun ermuntert. — Weit schwerer ist der zweite Fall, die neue «Gewerkschaft Deutscher Neichsbahn- beamten" betreffend. Propagandarnndschreiben dieser Gewerk schaft hatten während der Dien st stunden von weiblichen Betriebsassistentinnen verpackt werden müssen. 70» Sendungen seien in den BureauS adressiert und kontrolliert worden. Die Kanzlei sei beauftragt worden, den amtlichen Stempel auf die Umschläge zu drucke», und so sei die Post um 2000 Mark Porto geschädigt worden. Der Eiienbahndirekiion Erfurt, sowie dem ReichsverkehrSministerium ist Anzeige gemacht worden. Kronprinzen - Erinnerungen sFortsehung.) Ein Staatöwesen, das uns in dieser Zeit besonderes Jnler- cssc bot, war das englische, lieber Englands politische Struktur Ixitte mir mein Großonkel König Eduard in manchen Stunden viel erzählt... Er war zweifelsohne eine bedeutende Persön lichkeit von durchaus welterfahrener Weisheit und von großer Sachlichkeit, er hat mir in verschiedenen politischen Plaudcrstun- den, die für mich Lehrstunden wurden, seine Sorge darüber auS- gcdrückt, dast die wirtschaftliche Konkurrenz Deutschlands eines Tages zunr Zusammenstöße mit England sichren mutzte. There must be put a stop Io it! sagte er bei solcher Gelegenheit. Ich persönlich hielt es damals für wünschenswert, eine Ver ständigung mit England ans wirtschaftlichem, handelspolitischem und kolonialem Felde anzustreben. Fürst Bülow, mit dem ich die heikle Frage einmal besprach, verwies mich damals auf ein Wort des Fürsten Bismarck, der ausgesprochen habe: datz er gerne bereit wäre, die Engländer zu lieben, aber sie wollten sich ja nicht lieben lassen . . . Von seiten der Regierung wurde sowohl in der Aera Bülow wie in der Zeit des Herrn von Bethmann weder eine Verstän digung mit England noch ein Anschluß an Rutzland energisch und mit klarem Aktionsprogramm angestrebt. Durch die lange Regierungszeit seiner Mutter ist Eduard VII. erst als bejahrter Mann au-f den Thron gekommen. Nachdem er mit einer guten Erziehung und Bildung dem Elternhaus ent. wachsen war. hat er sich genußhungrig in daS Leben gestürzt und seinen damals starken Leidenschaften für Frauen, Spiel und Sport sich hingegeben. Er ist so durch alle Kreise, alle Schichten, ob gut, ob schlecht, gegangen und nichts Menschliches ist ihm dabei fremd geblieben. Wie ein alter, ruhig gewordener Seefahrer von überstandcnen Fahrten seiner vergangenen Jahre spricht, so hat er mir von dieser Zeit ersähst- Ei» guter Menschenkenner und kühler Politiker hat er über all dort, wo er sein« Persönlichkeit in- Treffen stellte, nachhaltige Erfolge erzielt. Sein Einfluß war eS, der Frankreich trotz Faschoda in der Entente cordiale an England band und er persönlich hat den Zaren mehr und rnehx von Deutschland entfernt und für England gewannen. Warum das alles? Um Deutschland zu vernichten? Sicher nicht! — Aber er und sein Land hatten erkannt, datz Deutschland in den letzten Jahren wirtschaftlich, handelspolitisch und industriell in einen so starken Wettbewerb eingetreten war, datz England in Gefahr kam, überflügelt zu werden. Der einzige Mann der Regierung, bei dem ich wie in allen Problemen der äußeren Politik so auch bei diesen Fragen der inneren Angelegenheiten Verständnis für meine Befürchtungen fand, war Admiral von Lirpitz. Ich habe seit dem Juli 1909, in dem von Bethmann die Nachfolge des Fürsten Bülow antrat, in Len acht Jahren der Kanzlerschaft oft mit ikm über die Stellungnahme der Regierung nach außen wie innen besprochen. Zwischen unserer geistigen Wesensart lag eine unüberbrückbare Kluft. Ich habe ihn aber als anständig denkenden und handelnde» hochehrenwerten Mann erkannt, aber er tvar Bureankrat, dessen Seele von Schwerblütig- keit und Unentschlossenheit war. Sein bedenkliches Herz hatte keine Flügel, sein Wille war freudlos, sein Entschluß lahm. Mein letztes Gespräch hatte ich mit Bethmann am 2. August 1914 im Berliner Schlosse. Im Begriffe, den kleinen Garten zwischen dem Berliner Schloß und der Spree zu verlassen, traf ich mit dem soeben zum Vortrage bei S. M. kommenden Kanzler zusammen. ^ Bethmann: Kaiserliche Hoheit gehen jetzt zur Front? Ich: Jawohl. Bethmann: Wird die Armee es schaffen? Ich: Was eine Armee der Welt schaffen kann, das Missen wir, aber ich kann es nicht Unterlasten, Eure Exzellenz daraus hinznweisen, daß die politische Konstellation, unter der wir in den Krieg eintreten, die denkbar ungünstigst« ist. Bethmann: Inwiefern? Ich: das ist doch klar: Rußland, Frankreich, England auf der Gegenseite, Italien, Rumänien günstigstenßfalls neutral — aber auch das ist unwahrscheinlich. Bethmann: DaS ist ja ausgeschlossen, England bleibt be stimmt neutral. Ich: Eure Exzellenz werden in wenigen Tagen die Krieg?» erklärnng haben. Cs bleibt uns jetzt nur noch einS: Bundesgc- nostcn zu finden, alles mnß daran gesetzt werden, die Türkei und Bulgarien zum Abschluß von Bündnissen zu bringen. Bethmann: Ich würde die- für da- größte Unglück für Deutschland halten." Ich starrte ihn unverstehend an. bis ich den Sinn seiner Morte erkannte. Bei seiner unbegreiflichen Ideologie meinte er also: Wir könnten uns die sichere Neutralität Englands durch selche Bündnisse verscherzen, eine Freundschaft, einen Neutrali tät-Willen, die allein in seinem Kopfe bestanden! » » * Den unglückseligen Rückzugsbefehl der O. H. L. nach der Marii-sichlocht soll ich verschuldet haben . . . Als sich die Lage bei der 1. und 2. Armee östlich Paris ver schärfte. entsandte der Cbef deS GencralstabS den Oberstleutnant Hentsch als Nachrichtenoffizier der Obersten Heeresleitung auf eine Oricntierungsfahrt zu den A. O. K. Man legte, wie Genial reu Kühl einst sagte, di: Entscheidung über den Ausgang der Schlacht geradezu in seine Hand. . . Mag sein, daß .Hentsch ans se'N'c Fahrt und namentlich beim Q. O.-K. 2 wirklich recht ungünstige Eindrücke gewann, n ag auch sein, daß ,hm die Nerven versagten, jedenfalls hat er beim A. O.-K. 2 anstatt «S mit schärf ster En»ra:c zu rücksichtslosem Widerstande anzustnrner, dem NückzngScnffch.uß roll znge'simmt. Ich erklä-te dem Oberstleut nant Hentsch, daß von einem sofortigen Rückzüge meiner fünften Armee gar keine Rede sein könne- daß ein Zwang hierzu sich weder als dem Gesamtbild noch aus der Lage bei der Arne-' ergebe und daß auch, ehe der Gedanke überhaupt erwogen werden könne, die Rückführung aller meiner Verwundeten aus dem so eben glücklich durchgefirhrten Unternehmen (Nachtangriff, die französische Armee SarrailS baute nach dem Stoße nachweislich rund 20 Kilometer ab) gesichert sein müsse. Als Hentsch trotz die ser Einwände dringlich wurde, flagte ich ihn nach seiner schrift lichen Vollmacht — er besaß keine. Darauf habe ich ihm bedeutet, daß wir nicht in der Lage seien, seinen Wünschen nachzugeben. Mein Bruder Eitel Fritz führte in jenen Tagen das erste Gardcregiment. Er schilderte später in tief ehrlichem Zorn, wie wir den Sieg in der Hand gehalten hätten, da kam ein Ordon nanzoffizier mit dem verfluchten Befehl. Unsere famosen Grena diere hätten cs gar nickt glauben wollen und immer gefragt: Warum müssen wir zurück, wir haben doch die Franzosen ge. schlagen. Und sie hatten Recht. Das deutsche Heer ist an der Marne nicht geschlagen, es ist von seinen Führern zurückgenomme« worden.
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