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Beilage zu Nr. 1i>7 der „Sächsischen Bolkszeituug" vom 3V August tVOS. Aus Stadt und Land. —* Die diesjährige Haupt Versamm lung des Sächsischen Lehrervereins wird sich mit der Lehrerbildungsfrage beschäftigen. Der Referent, Herr Dr. Schubert in Leipzig, stellte in Uebereinstimmung mit dem Vorstand des Sächsischen Lehrervereins folgende Leitsätze auf: Sowohl die Allgemein- als auch die Berufs bildung der Lehrer ist breiter und tiefer anzulegen. Dem Seminar ist eine siebente Klasse als Oberstufe anzugliedern. Ter Lehrplan der Seminare hat sich (unter Beseitigung des bisherigen propädeutischen Kursus in den Unterklassen) eng an den Lehrplan der mittleren Volksschule anzuschließen. Der Sprachunterricht ist unter Beibehaltung des Lateins durch Einführung einer modernen Sprache (Englisch oder Französisch) zu erweitern. Die Allgemeinbildung ist mit dem fünften Jahre zu einem gewissen Abschluß zu bringen. Tie letzten Jahre dienen in der Hauptsache der Berufs- bildung und tragen akademischen Charakter. Der obli- gatorische Musikunterricht hat lediglich die Aufgabe, die Be fähigung zur Erteilung des Gesangsunterrichts in der Volksschule zu vermitteln, doch ist Gelegenheit zu weiter- gehender musikalischer Ausbildung zu bieten. Jedem Abiturienten eines sächsischen Lehrerseminars muß die Be rechtigung zum Universitätsstudium und zur Ablegung der Prüfung vor der Königlichen Prüfungskommission zu Leip zig zugesprochen werden. —* Nach Bundesratsbeschluß wird am 1. Dezember 1905 im Deutschen Reiche wieder eine Volkszählung stattfinden. Im Königreich Sachsen, für das die Ausfüh rung der Zählung durch die im 13. Stück des Gesetz- und Verordnungsblattes veröffentlichte Verordnung des König lichen Ministeriums des Innern vom 1. August d. I. des näheren geregelt worden ist, werden wieder die sogenannten Haushaltungslisten als hauptsächlichstes Erhebungsformu- lar dienen. Nach dem Bundesratsbeschluß sind bei der diesjährigen Zählung folgende Fragen zu stellen: 1. Vor- und Familienname: 2. Verwandtschaft oder sonstige Stellung zum Haushaltungsvorstand, insbesondere auch ob zur Haushaltung gehöriger Dienstbote für häusliche oder für gewerbliche Verrichtungen; 3. Familienstand; 4. Ge schlecht; 5. Geburtstag und Geburtsjahr; 6. Hauptberuf (Haupterwerb) und Stellung im Hauptberufe; 7) Reli gionsbekenntnis (Konfession): 8. Staatsangehörigkeit (ob reichsangehörig oder welchem fremden Staate angehörig; 9. ob im aktiven Dienste des deutschen Heeres oder der deutschen Marine stehend; 10. für reichsangehörige, land- sturmpflichtige Männer im 39. bis zum vollendeten 45. Lebensjahre (aus der Geburtszeit vom 1. Dezember 1860 bis 31. Dezember 1866 einschließlich): ob militärisch aus gebildet (im Heere oder in der Marine) oder ob nicht mili- tärisch ausgebildet. In Sachsen wird bezüglich der Staats- angehörigkeit nicht nur die Angabe, ob reichsangehörig, son dern auch, ob Sachse, verlangt; außerdem haben die nur vorübergehend in einer Haushaltung anwesenden Personen ihren Wohnort einzutragen. Auch werden in Sachsen, wie schon bei verschiedenen früheren Volkszählungen, die vor- übergehend abwesenden Personen mit festgestellt werden. Man gewinnt dadurch die Möglichkeit, die wirkliche Zu sammensetzung der Haushaltungen, unabhängig vom zu- fälligen Stand am Zählungstage, zu ermitteln. Einige weitere besondere Zusatzfragen werden in die Erhebungs listen in den Städten Dresden und Chemnitz auf Antrag und für die Zwecke der betreffenden StadtveNvaltungen eingefügt werden. Die bei der letzten Volkszählung (1. Dezember 1900) gestellten Fragen nach dem Wohnort und dem Arbeitsort, die namentlich für die großen Städte und deren Vororte von Interesse waren, werden diesmal nicht wiederkehren, da sie kaum zu erheblich anderen Er gebnissen als vor fünf Jahren führen würden. Auch Er- Hebungen über die Muttersprache und besondere Gebrechen sind für die Reichs- und sächsische Landesstatistik diesmal nicht beabsichtigt, weil die darüber gewonnenen Verhältnis- zahlen zweifellos auch heute noch ziemlich zutreffend sind. —* Für das Proportionalwahlrecht be geistert sich die sozialdemokratische Leipziger Volkszeitung in einem langen Leitartikel, der die sächsischen Landtags wahlen in erster Linie im Auge hat. Was das Blatt zur Empfehlung der Verhältniswahl anfllhrt, ist ja ganz gut und schön; aber wenn die Sozialdemokraten selbst von der Vorzüglichkeit der Proportionalwahl so sehr überzeugt sind, warum sperren sie sich denn gegen seine Einführung in solchen Fällen, wo sie selbst die absolute Mehrheit haben! —* Die Flur- und Treppenbeleuchtung muß mit deni Kürzerwerden der Tage genau beobachtet wer den. Die Meinung vieler, daß sie nur während bestimmter Monate einzutretcn hat, ist falsch. Die Beleuchtung der Treppen hat vielmehr ohne Rücksicht auf die Jahreszeit stets vom Beginn der Dunkelheit oder von dem Zeitpunkte an, an dem die Straßen öffentlich beleuchtet werden, auzu- fangen. Pirna. In reichem Festschmucke prangte die Stadt am Sonnabend und Sonntag, und alles war von seiten der Be völkerung aufgeboten worden, um das dreifache Fest feier lich und großartig zu begehen; die Jubelfeier der 500- jährigen Zugehörigkeit zum Hause Wettin, das Heimatsfest und die Enthüllung des König-Albert-Denkmals hatten da zu den Anlaß gegeben. Von allen Seiten lvaren in Hellen Scharen Gäste zusammengeströmt und besonders feierlich gestaltete sich die Begrüßung der ehemaligen Pirnaer. Ein Festspiel sowie ein Konzert füllten den ersten Abend aus. Sonntag begannen die Feierlichkeiten mit einem Festgottes dienst in der Stadtkirche. Um ^3 Uhr nachmittags sammelten sich die Teilnehmer zum Festzuge. Um 4 Uhr traf Se. Majestät der König, begleitet von den Prinzen, im vierspännigen Wagen an der Elbbrücke ein und fuhr nach einer Begrüßung durch den Bürgermeister nach dem Rat- Hause, vor welchem eine Ehrenbatterie aufgestellt war. Der feierliche Empfang ßanü im Stadtverordnetensaale statt. Auf eine Ansprache des Bürgermeisters erwiderte der Monarch in huldvollen Worten und nahm sodann mehrere Vorstellungen entgegen; dann begab er sich in den dem noch verhüllten König Albert-Denkmal gegenüber errichteten Pavillon, woraus der imposante Festzug seinen Anfang nahm. Als dieser beendet lvar, hielt Herr Superintendent Dr. Seydewitz die Enthüllungsrede. Das Denkmal ist ein Werk der Herren Bildhauer Fischer und Architekt Reuter, und stellt den verewigten Herrscher in Generalsuniform mit dem Helm auf dem Haupte stehend dar. König Friedrich August umschritt dqs Denkmal, ließ sich die Herren des Komitees und die Künstler vorstellen und verabschiedete sich dann. Unter lautem Jubel fuhr der Monarch durch die Festftadt nach Pillnitz zurück. Abends war festliche Illu mination und Festkommers. Pirna. Die vielen Pilzvergiftungen dieses Jahres haben zu einem interessanten Anschauungsunterricht Veran- lassung gegeben. In Kleinhennersdorf bei Schandau hat der Lehrer Herrmann eine Ausstellung von eßbaren und giftigen Pilzen, die in unserem Elbsandsteingebirge Vor kommen, veranstaltet. Mehrere Lehrerkonferenzen werden dieser Ausstellung einen Besuch abstatten. Riesa. Am Sonntag, den 27. August d. I., hat die Gemeinde von Riesa einen ersten Anfang gemacht im litur gischen Gesänge. Es tvar zwar eine einstimmige Messe nur, aber nach Bericht von Musikkundigen, bei denen Nachfrage gehalten wurde, ziemlich korrekt und gut aufgeführt. Wenn man bedenkt, wie schnell in Riesa alles sich entwickelt hat, ferner daß ein ständiger Organist nicht da ist, sondern bald dieser, bald jener spielt und dirigiert, so muß man über dieses Werk ganz einfach staunen. Es zeigt sich immer wie- der, was Energie und Beharrlichkeit vermag. Den Riesaern mag es ein Ansporn sein zur endgültigen Organisation eines gemischten Chores; denn jetzt soll es an die Ein übung einer drei- resp. vierstimmigen Messe gehen. Alles was singen kann, muß teilnchmen in der Hoffnung, daß in nicht allzu ferner Zeit auch ein ständiger Organist zur Ver« fügung sein wird. Rochlitz. In Weiditz bei Nochlitz ist eine Telegraphen anstalt mit öffentlicher Fernsprechstelle eröffnet worden. Die neue Anstalt hält beschränkten Tagesdienst ab. Leipzig. Die 8. Generalversammlung des Verbandes der Friseurgehilfen Deutschlands beauftragte den Haupt- Vorstand, in Gemeinschaft mit dem Damenfriseur- und Perrückenmachergehilfenverbande Petitionen an den Reichs tag und den Bundesrat zu richten, in denen ersucht wird, Bestimmungen zu erlassen, daß die Arbeitszeit im Barbier- und Friseurgetverbe nur von 7 Uhr morgens bis 8 Uhr abends, bis 9 Uhr des Sonnabends und bis 12 Uhr mittags an Sonn- und Festtagen dauern darf, daß ferner eine stän- dige Kontrolle über die Freigabe eines Wochennachmittags ausgeübt wird, und daß die Beschäftigung von Gehilfen und Lehrlingen an den drei zweiten Feiertagen unterbleibt. Außerdem wurde der Hauptvorstand beauftragt, eine Pe- j tition an den Bundesrat in Erwägung zu ziehen, nach der j es den Meistern verboten werden soll, Lehrlinge in Ka- j fernen, Krankenhäusern und Gefängnissen zu beschäftigen. Plauen i. V. Die vor drei Jahren auf der Verbands- Versammlung der vogtländischen Gebirgsvereine beschlossene einheitliche Wegemarkierung ist nunmehr durchgefllhrt. Man hat zu unterscheiden zwischen Haupt- und Nebenstrecken. Die Hauptstrecken sind durchgängig mit den zwei Farben »veiß - 64 — „Bleibt er denn noch lange hier?" fragte Martha mit Anstrengung, tvas der Aufmerksamkeit des Herzogs nicht entging. „Du zitterst immer noch bei Ezedys Namen, kannst du ihn denn nicht vergessen, Martha?" „Hugo!" sagte wehklagend die junge Frau und ihre Stimme drückte ihr inneres Leid aus. „Gedenke sein, wenn es dir gefällt," sagte ihr Gatte spöttisch, „aber er-- inner dich, was ich dir einst sagte, sonst stirbt Ezedy!" Das Lilienantlitz der jungen Frau wurde noch bleicher und als sie von ihrem Spaziergang ins Zimmer zurückkehrte, zitterte sie am ganzen Körper wie gestern. 20. Dem schönen, blumendurchdufteten Frühling folgen düstere wolkige Tage. Ein Sturm war im Anzuge. Die Vögel flogen niedrig. Brumm- fliegen schwärmten in der Luft, aber Herzog Odille schien sich wenig um diese Zeichen des herannahenden Sturmes zu kümmern. Er war mit seinen Ge danken beschäftigt, und die Zügel seiner vier Pferde nachlässig zwischen den schlanken Händen haltend, fuhr er in schnellem Trabe gen Ronavar. Im Hofe angekommen, warf er die Zügel dem Kutscher zu und war in wenigen Augenblicken im Salon, wo er Klemenze und Isidora traf. Klemenze empfing ihn ungewöhnlich freundlich, und sie nahmen Platz. Sie sprachen von den in der Gegend wohnenden Bekannten und von ihren Plänen für den Sommer, von Klemenzes Hochzeit, und Odilles von Zeit zu Zeit fast geschlossene Augen störten die stolze Klemenze nicht, lebhaft, unter halten- und geistreich zu sein. „Wo ist Julius?" fragte Odille nach einiger Zeit. „Ich glaube, er ist ausgeritten, ich werde läuten und Nachfragen." „Ich danke, bemühen Sie sich nicht," sagte Hugo. „Ich habe auf deni Waldwege einen Reiter auf grauem Pferde gesehen, das war er gewiß." „Nein," sagte Isidora, „er hat ein braunes Pferd." „Sandor Ezedy hat ein solches, wir sahen es fast täglich." Der Herzog betrachtete die alten Fresken des Saales. „Das Schloß muß sehr alt sein," sagte er, „die Fresken erinnern an Michel Angela." „Es ist im 17. Jahrhundert erbaut." „Wo logiert denn Ezedy? So viel ich weiß, hat er in dieser Gegend keine Besitzung." „Er wohnt eine halbe Stunde von uns bei Gesa Peothcy, seinem guten Freunde," sagte Klemenze geringschätzend: „das müßten Sie, bei dem er täg lich verkehrt, doch wissen." Nach einiger Zeit erhob sich der Herzog. „Die Zeit ist in Ihrer Gesell schaft so schnell vergangen, daß eS fast zu spät ist. um noch länger vom Hause fortzubleiben." Klemenze wurde vor Freude bei diesen Worten rosenrot. Sie verbarg sie auch gar nicht und war so lebhaft und kokett, daß eS selbst Isidora auffiel. Odille betrachtete sie voll Interesse und als er den Gaal verließ, um- spielte das Lächeln eines Satans seine Lippen. Nach Hause zurückgekehrt, eilte er ungewöhnlich hastig die Treppe hinauf und begab sich in den großen Gaal, wo die Herzogin weilte. — 61 — „Ob er sie aus Liebe geheiratet hat, oder ob er sie nur ihrer Schönheit wegen besitzen wollte? Wird er sie noch lieben, wenn einst ihre sonnige Frühlings- blume dahin ist? Dann sprachen sie von anderen Dingen. Der Herzog war ein außerordentlich aufmerksamer Hausherr und Ezedy ein unterhaltender Gast. Beide waren sich, wie dies meist bei vielgereisten Menschen der Fall ist, in ihren Gewohnheiten, Erfahrungen und in ihrer Bildung ähnlich und als beim Abschied Odille Sandor mit Herzlichkeit aufforderte, an den Jagden auf seinen Besitzunen teilzunehmen, war es nicht Verstellung, sondern ein wirk licher Wunsch, den er aussprach und den Sandor mit der größten Dank- barkeit annahm. Kaum hatte Sandors Gespann den Hof verlassen, als eine Ponyequipage zum Tore einbog. Die Ponys lenkte Klemenze und neben ihr saß ihr Bruder Julius. Ezedy nahm höflich seinen Hut ab, dann knallte er mit der Peitsche und die Pferde flogen weiter. „Schon wieder," sagte Klemenze, und ihre Züge fanden in diesem Augen blick nicht die gewohnte Ruhe, so daß Julius überrascht seine Schwester betrach tete. „Sie liebt ihn noch immer," dachte er, „obgleich sie es nicht zeigt." Der Kammerdiener führte sie in den Salon, und nachdem er sie benach richtigt, daß die Herzogin krank sei, beeilte er sich, den Herzog aufzusuchen. „Ezedy hat also nur Odille besucht," sagte Klemenze nachdenklich. „Sie haben sich schnell nach den, Duell versöhnt. Und doch behaupten viele, daß das Ganze Marthas wegen geschah. Es scheint, Ezedy verzeiht und vergißt leicht dort, wo es seine Interessen verlangen. Klemenze sprach in spöttischem Tone und doch war ihre Stimme nicht frei von schmerzlichem Beben. „Seine Interessen?" fragte Julius überrascht. „Ohne diese würde er doch nicht in ein Haus kommen, dessen Herrn er haßt und die Gegend meiden, wo er nichts mehr zu suchen hat." — „Klemenze!" Des Mädchens Angesicht war zornig erregt, ihre Blicke drobend. ihre Lippen zitterten bei dieser Behauptung. In diesem Augenblicke trat der Her- zog ein. „Wie sehr bedauere ich," sagte er höflich grüßend, „daß Martba zu krank ist, um Sie empfangen zu können." Hier unterbrach er kick und schaute fragend auf Julius, den er noch nicht kannte. „Mein Bruder Julius," sagte Klemenze. welche sich bemühte, ibre ge wöhnliche Ruhe wieder zu erlangen. „Es tut mir leid, daß ich Martha nicht sehen kann, vielleicht haben Sie die Freundlichkeit, ihr mein Anliegen vorzutragen." „Mit dem größten Vergnügen." „Meine Hochzeit wird in kurzem in Ronavar sein, und ich möchte Martha als Braulführerin zu dieser Feier gewinnen!" „Ich werde eS ihr vortragen, indes danke ick in ihrem Namen tür die Einladung," entgegnete der Herzog, welcher, obgleich er die Handlungsweise - der Ronavarys Martha gegenüber kannte, doch nickt im geringsten über Kle- menzes Wunsch staunte, er wußte ja. daß die Einladung nickt Martba. sondern die Herzogin Odille anging. „WaS fehlt Martba?" fragte während des Gespräches Julius. „Vermutlich eine Erkältung. Es war gestern kälter als gewöhnlich im Juni und sie blieb im leichten Kleide länger im Park als sonst."