Die Erde bietet dem Menschen einen festen Stand. Das Schön heitsgefühl verlangt, dass er sich dieser Basis zur Unterstützung seines Schwerpunktes bediene, um eine sichere Haltung zu bewahren. Dieses Bestreben wird durch eine auffällige Eigenthümlichkeit seiner ganzen Erscheinung wesentlich begünstigt. Wenn man nämlich den menschlichen Körper von vorn betrachtet, so kann man eine Mittel linie annehmen, welche denselben vom Scheitel bis zur Fusssohle in Hälften theilt. Die einzelnen Tlieile dieser Hälften, wie Augen, Ohren, Hände u. s. w., entsprechen einander in Beziehung auf Zahl, Form und Lage und vermögen daher, einander die Wage zu halten. Die immer thätige Schwerkraft vereinigt demnach ihre Wirkung mit der Wirkung des Gleichgewichts oder der Symmetrie, wodurch jede Haltungslosigkeit vermieden und der Ausdruck der Sicherheit, der Ruhe und Würde in der menschlichen Erscheinung zur Geltung gebracht wird. Hierdurch bezeichnet die Natur den bei der Anordnung des hän genden Schmuckes einzuschlagenden Weg. Soll das Auge beruhigt, das ästhetische Gefühl befriedigt werden, so muss eine gleichmässige oder ehenmässige Vertheilung der Schmuck mittel von der gedachten Mittellinie aus in horizontaler Richtung nach links und rechts stattfinden. Die beiden Ohr gehänge dürfen z. B. nicht verschieden sein oder in verschiedener Höhe hängen. Eben so wenig darf das Haupthaar auf der einen Seite in Locken gekräuselt und auf der anderen Seite in anliegende Zöpfe geflochten sein. Eine solche Frisur würde ebenso geschmacklos sein, als der schiefe Scheitel, womit manche Frauen und Mädchen sich zu schmücken vermeinen. Der hängende Schmuck ist also vorzugsweise ein symmetri scher Schmuck. Die Symmetrie des Schmuckes wird eine strenge genannt, wenn die, zu beiden Seiten einer hervorgehobenen Mitte befindlichen und ein ander entsprechendenTheile in Zahl und Form völlig übereinstimmen. Auf den ersten Stufen der bildenden Kunst wurde dieses Gesetz in seinem ganzen Umfange gehandhabt. Die Falten der Gewänder waren auf beiden Seiten des Körpers durchaus gleich. Das eine schmückende Band der Kopfbedeckung hing genau wie das andere. Die Haltung der Hände und Füsse war links wie rechts. In derselben Weise, wie man die Anordnung der Theile einer einzelnen Gestalt traf, bewirkte man auch die Zusammenstellung der Figuren zu Gruppen, namentlich hei Compositionen auf den Flächen der Architektur, wo der enge An schluss derselben an die Structur der Bauwerke die grösste Strenge in der Befolgung der Gesetze der Symmetrie verlangte. Mit der weiteren Entwickelung der Kunst vergrösserte sich auch die Freiheit derselben innerhalb der Grenzen der Symmetrie. Man