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Bon Bernhard Ott«, Generalsekretär des Gesamtverbanocs der christlichen Gewerlschafte» Deutschlands. Fast in jeder Zeitung, welche man zurzeit in die Hand be- bekommt, wird die Frage der sogenannten Goldköhne oder eines wertbeständigeren Lohnes behandelt. Daß die Behandlung dieser Frage vielfach sehr dilettantcnhaft und den wirklichen Verhält nissen wenig gerecht werdend erfolgt, sei nur nebenher betont. Einige Tageszeitungen brachten es sogar fertig, den Markstnrz in Verbindung mit der Forderung der Arbeitnehmer nach Gold- löhnen zu bringen. Kurz: die Diskussion über diese wichtige und schwierige Frage ist überall im Gange. In den Kreisen der Arbeitnehmer herrscht über die jetzigen Zustände eine große Er regung. Die Arbeitnehmer sagen sich mit Recht: ungezählte Grup pen und Kreise halten sich trotz der Markentwertnng schadlos, sie passen ihre Preise rücksichtslos der Geldentwertung an, während sich unsere Lebenshaltung, da wir unsere Löhne unter vicl- sach zu geringen Erhöhungen in einem Zeitpunkt, in dem sie durch die Geldentwertung längst überholt sind, ausgczahlt er halten, andauernd verschlechtert. Nichtsdestoweniger ist es aber notwendig, die ganze Frage unter dem Gesichtspunkt des wirtschaftlich Möglichen und nicht unter dem des Wünschenswerten zu betrachten. Mit dem Wort „Goldlöhne" werden verschiedene Begriffe verbunden; Vegrisfe, welche sich in der Praxis nicht verwirklichen lassen. In weiten Kreisen der Arbeitnehmerschaft versteht man darunter Friedcns- löhnc, welche durch entsprechende Aufschläge stets ans dem Frie densstand, bezw. FricdenSwcrt gehalten werden. Nun dürfen wir uns aber darüber nicht tänschcn, daß wir keine Friedens- Verhältnisse mehr haben. Die wirtschaftliche Basis, aus der wir stehen, ist sehr geschwächt, und alle diejenigen Volksschichten, welch« sich vollkommen schadlos halten, schadlos halten vielfach ans Kosten der breiten Masse, bilden im Verhältnis zu den Millionen Arbeitnehmern, Sozialrentnern, Kriegsbeschädigten usw. nur einen kleinen Bruchteil. Man darf sich nicht darüber täu schen, daß die Kürzung des zu großen und mit Recht großes Aergernis erregenden Einkommens dieser Kreise durch eine Ver teilung auf die Millionen Arbeitnehmer nur wenig ans den einzelnen ausmachcn würde. Auch bei dieser Frage dürfen wir wiederum nicht außer acht lassen, daß der große außenpolitische Druck, welcher auf unserem Wirtschaftsleben liegt, seine hemmende und beeinträch tigende Rückwirkung auf alle sozialen und wirtschaftlichen Fragen im Innern unseres Landes ausübt. Ebenso wie die Lohnfrage nicht lediglich ein Verteilungsproblcm, sondern vorwiegend ein Prodnktionsproblem ist, muß man sich klar darüber sein, daß „Goldlöhne" in dem vielfach verstandenen Sinn Folgerungen ans lösen, welche zu untragbaren Verhältnissen — wenigstens im gegenwärtigen Augenblick — führen würden. Im Hindergrund so genannter Goldlölme steht die Goldrechnung. Konsequent durch- gesührt bedeutet das, daß der Staat in seinem Haushalt, für seine Beamten usw. sich darauf einstcllen müßte, daß ferner in allen Dinge», wo noch nicht in Gold gerechnet wird, dieses auto matisch sich vollziehen würde. Man denke nur einmal an die Mieten. In FriedenSzeitcn mußten die Arbeitnehmer, im allge meinen gesehen, wenigstens ein Sechstel, im Durchschnitt sogar ein Fünftel ihres Einkommens fiir Wohnungsmiete ansgeben. Der Uebcrgang zu Goldlöhnen und zur Goldrechnung würde sich zweifellos ohne schwere innere Erschütterungen und ohne größere Arbeitslosigkeit nicht vollziehen können. Aus all diesen Gründen ie! eint es richtiger, daß das Wort „Goldlöhne" im Zusammenhang m l der jetzt notwendigen Neuregelung der Löhne und Gehälter nnchcheidet. Richtig betrachtet, ist das Wort „Goldlohn" ein Shlagwort. Die Situation steht aber zurzeit so, daß etwa? geschehen muß. So geht es nicht weiter. Was ist nun nötig bezw. möglich um zu wertbeständigeren Löhnen und Gehältern, bezw. zu einer Anpassung der Löhne und Gehälter an die gesunkene Kaufkraft zu kommen? Sowohl die Spitzengewerkschaftcn unter sich, wie auch das Reichsarbeitsministerium mit den Spitzcngewerkschaften, und um gekehrt haben bereits einige Besprechungen gehabt. Die Ver handlungen werden im Laufe dieser Tage noch weiter fortgeführt. Aus den bisher geführten Besprechungen ergibt sich bereits eine Grundlage, auf der jedenfalls diese umstrittene Frage eine den Umständen nach mögliche Lösung finden dürfte. Die Besprechungen und Verhandlungen werden beschleunigt, weil die Angelegenheit drängt. Mit den Arbeitgebern werden ebenfalls Besprechungen stattfinden und es wlrd von deren Verhalten wesentlich Ab hängen, ob man ohne gesetzliche Bindungen und Verordnungen zu demjenigen kommen kann, was mit Rücksicht aus die gegen wärtige Lage notwendig ist. Die Gewerkschaften aller Richtungen , denken sich im großen und ganzen die Lösung der Frage ,so: 1 die zukünftigen Löhne und Gehälter werden bestehen a) aus l! einem Grundloh» und b) ans einem beweglichen kurzfristigen Zuschlag zum Grundloh», der jeweils auf Grund eines ver besserten LebenShaltungsindex errechnet wird. Der Grundlohn soll nach wie vor der freien Vereinbarung unter den Parteien, also der Vereinbarung »wischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, unterliegen. Wie hoch soll nun der Grunde lohn sein? Derselbe wird, wie es auch jetzt der Fall ist, nicht sür alle Gewerbe tzleich sein können. Die Verhältnisse sind in den einzelnen Gewerben sehr verschieden. Auch wird man nicht ohne weiteres eine Anlehnung an die Friedensverhältnisse zur Grundlage nehmen können, weil im Wirtschaftsleben gegenüber der FriedenLzeit große Verschiebungen vor sich gegangen sind; Verschiebungen sowohl hinsichtlich der Stellung der einzelnen Gewerbe im Wirtschaftsleben wie auch hinsichtlich der Löhne und Gehälter im Verhältnis zur Vorkriegszeit. Die Löhne zwischen gelernten und ungelernten Arbeitern haben sich, im Verhältnis zur Vorkriegszeit, zum Beispiel verschoben. Ferner liegen Ver schiebungen in den Löhnen einzelner Gruppen und Gewerbe vor. Hinzu kommt, daß z. B. für die Angestellten die Gehaltsbe messung im Frieden säst ganz inoioidnell gestaltet war und Tarifverträge eine Seltenheit waren. Aus all diesen. Gründen kann der Grundloh» gar nicht auf einen einheitlichen Nenner gebracht werden und muß nach wie vor der freien Vereinbarung unter den Parteien und notwendigenfalls auch dein gewerkschaft lichen Kampf unterliegen. Um zu einer möglichst schnellen Rege lung zu kommen, wird man vorerst vielleicht ungefähr von dem gegenwärtigen Lohn als Grnndlohn anSgehe», und die Gewerk schaften haben dann, entsprechend ihrer eigenen Stärke und den wirtschaftlichen Verhältnissen zu versuchen, den Grundloh» aur eine Höhere Basis zu bringen. Zu dem Grnndlohn kommt, wie vorhin bereits betont, der bewegliche kurzfristige Zuschlag, der nach einem Index bemessen wird. Der bisher vielfach bei Lohnbewegungen gebrauchte Lebens haltungsindex weist sehr große Mängel aus. Man hat sich des halb auf einen neuen „Wochenindex" geeinigt. ES kommt aller dings hierbei noch ein Umstand in Frage, der nicht ganz über sehen lverden darf. Auch mit diesem verbesserten kurzfristigen Index wird man nur die jeweils vorhandene Teuerung erfassen, nicht aber — das ist in Zeiten ständig fortschreitender Geldent wertung wichtig — die kommende Teuerung. Aus dem Grunde bleibt noch zu prüfen, ob cs nicht zweckmäßig ist, den Lebens haltungsindex mit einem anderen Index zu kombinieren. Hier würde wohl nur der Großhandelsindex, welcher der Teuerung im Kleinhandel stets vorauscilt, in Frage kommen können. Aller dings bleibt zu berücksichtigen, daß in Zeiten steigender Mark entwicklung der Großhandelsindex umgekehrt auch eher ein Nach lassen der Teuerung anzeigt, als es sich im Kleinhandel praktisch answirkt. Nach wie vor schließen nun in Zukunst die Gewerk schaften Tarifverträge ab. Die Tarifverträge könnten dann auch für eine längere Dauer, etwa für drei Monate, insbesondere für eine Zeit, während der man glaubt, den Grundlohn ans der ab geschlossenen Basis halten zu sollen, vereinbart werden. Es kommt dann in die Tarifverträge die Bestimmung hinein, daß die seit der letzten Lohnzahlung auf Grund des Index errechnet«: Teuerung jeweils durch entsprechende prozentuale Ausschläge aus geglichen wird. Im großen und ganzen entspricht die gekennzeichnete Linie dem, was bei den seither geführten Besprechungen hcransgckonimen ist. lieber manche Fragen wird allerdings noch weiter beraten werden müssen. Viel hängt auch von der Stellungnahme der Arbeitgeber ab. Wenn sich die Arbeitgeber in der Zentralarbcits- gemeinschast etwa nicht bereit finden sollten, den veränderten Verhältnissen entsprechend Rechnung zu tragen, dann wird jeden falls nichts anderes übrig bleiben, als durch irgendeinen ge setzlichen Akt, sei es im Wege einer Notverordnung oder sonstwie, zu bestimmen, daß die ermittelten Teuerungszahle» auf Grund des Index durch angepaßtc Lohnanfschläge ausgeglichen werden müssen. Auf alle Fälle ist aber ein Ucbereinkommen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, ferner eine entsprechende Ein stellung der Schicdsinstanzen und Schlicht»,igsausschüsse, ins besondere auch mit Hilfe des Arbeitsministeriums, einer gesetz geberischen Maßnahme, deren praktische Auswirkung sich noch gar nicht ganz übersehen läßt, vorzuzieheu. Bei der Betrachtung der ganzen Dinge darf man nicht übersehen, daß diese Maßnahmen als Notmaßnahmcn, welche durch die anormalen wirtschaftlichen Berhältmssc bedingt sind, angesehen werden müssen. Eine Lösung der Frage aus der an gegebenen Basis wird auch bedingen, daß der Staat sür seine Beamten und für die Staatsarbeiter in gleicher Richtung der"' fahren muß und daß Rückwirkungen hinsichtlich der Bemessung der Zuschläge für Erwerbslose, Sozialrentner usw. ohne weiteres gegeben sind. Alles in allem liegen aber die Verhältnisse so, daß die jetzigen Zustände im Lohnwesen bringend einer Aenderung bedürfen. Die beteiligten Faktoren, insbesondere soweit die Ge werkschaften in Frage kommen, sind bestrebt, die Frage rccht bald und in einer Form, wie es den gegebenen Umständen na h nur möglich ist, zu einer Lösung zu bringen. » Me Nttjchlkchltt«»z »et -kniilMs dt» -kitsche» Mrs Die Aiußenhandelsziffern des Jahres 1622 ließen erkennen, daß di« Ernährungsbasis der deutschen Bevölkerung weitgehendst geschmälert worden ist. Auf den ersten Blick fiel auf der Ein fuhrseite der starke Rückgang an Lebensmitteln und Getränken «im mehr als die Hälfte in die Augen. Der Versailler Frie- denSvertrag hatte wichtige, landwirtschaftlich« Ueberschußgebiete. aus d;m deutschen Staatskörper gerissen, die Einfuhr konnte die sen Aussall bei weitem nicht welimachen. An Brotgetreide wur den auf dem NachkriegSgebietsumfang des Deutschen Reiches 113 Millionen Zentner weniger produziert, im ganzen ergibt sich 1922 ein Mindervcrbrauch von 136 Zentner Getreide gegenüber 1913. Gleichfalls ging der innerdeutsche Fleischkonsum erheblich zurück, in den preußischen Städten allein um k>9 Prozent. Diesen Nück- aang des Fleischverbrauches konnte »i.i» schon auZ der gering:» Fuilermitteleinfuhr des Jahres 1922 schließen. Außerdem traten an die Stelle hochwertiger Nahrungsmittel, wie Butter, Schmalz, Käse und Milch minderwertige, wie Margarin- und Oel. Nach einer Statistik über di: beschanxslichtigen Schlachtun gen im erst?» Vierteljahr 1923, die vom NeichSstatistischen Amt veröffentlicht wird, ist der Rückgang des Fleischkonsums im Zn- nehmen begriffen. Gegenüber dem letzten Vierteljahr l922 ist besonders stark die Abnahme der Schlachtungen an Schaken; ge genüber dcm ersten Vierteljahr 1622 baden alle Schlachtungen abgcnommen, ausgenommen die von Hund:». Im Vergleich »nt den SchlachtungSergcbmssen im ersten Vierteljahr 1913 zeigt sich vor allem ein sehr starker Ausfall der Schlachtungen an Schwei ne» und Ziegen, zr-genommen dagegen hoben die Schlachtungen an Pferden und Hund»». Lin Zeichen der Zeit! Dabei muß man noch berücksichtigen, daß die Schlachtungen im ersten Vier teljahr 1623 viel tiefer m den deutschen Vi'hblstand eingegriffen haben als ini gleichen Zeitraum des Vorjahres und des letzten Friedensjachres. Unter Zugrundelegung der vom Neichsgesund- heiiSamt fcstgestcllten DurchscknittSschlachtgewichte errechnet sich a»S den beschaupflichtigcn Schlachtungen eine Gesamtfleischmenge von rund 6.1 Millionen Zentner. Für den gleichen Zeitraum de? Jahres- 1913 erhält man unter Zugrundelegung der für die Vor kriegszeit geltenden Durchschnitts i'ch'achtgeivichte (die höher sind als die der Nachkriegszeit) bei den gleich u Ticrgattungen eine Fleischmenge vor rund 1l.8 Millionen Z.-ntner, gegenüber der Vorkriegszeit ergibt sich hiernach ein Aus'all an Fleisch um rund 7,5 Millionen Zentrier oder 48 Prozent. Diese wenigen Zahlen beweisin deutlicher als alles andere die quantitative und gualitativ- Verschsicherung m der Ernäh- rung des deutschen Volkes. In diesem Zusammenhang darf nickst vergessen werden, daß u. a. d?r Versailler Vertrag enorme Bieh- lieferunaen an unsere Rcparationsglänbiger von unS fordert und zwar sogar Viehlieferungen an Länder, die selbst einen Ueber, schuß an Vieh haben, so z. V. Jugoslawien. Erst neulich hat nian diesem Kuriosum ein Ende gmiacht durch eine neue Verein barung zwischen Deutschland und Jngosiaw>:n, in der au Stelle der deutschcn Viehlieferungcn di; Lieferung von Eisenbahnmate- rial tritt Es wird sich zeigen, wie lange noch die unsinnigen Ne- parationSbcstimmungen dcS Versailler Verlrages Bestand haben werden gegen die zwingende Logik de? weltwirtschaftlichen Ab laufes. » ^ Führungen durch die Kulturabteilunz der Iahresschau in Dresden Von jetzt ab finden regelmäßig Führungen durch die Kul- turableilung der JabreSschau, oic sich bekanntlick im .K.ip-Herr- scheii Palais-, Ecke Park- und Lcmie-straße befindet, statt. An einzelne» Führungen sind vorgesehen: Durch die Abteilung „SelbsigcftrligeS Spielzeug" Montags und Donnerstags nach:». >1 und t.t5 Ift:r; durch die Abteilung .Erziehung und Sporl" Montags und DomiiröiagS nachmittags -l Uhr; durch den Ar!'e»Sraum für Fortbildungk-sihnle.i Donners tags nachm. 4 Uhr; und durch die Abteilung ..Sächsischer Lan desverband für Volksbildung" tagt ch jeder; nt. Außerdem werden auf Wunsch Soad-rftihrnngen vcranstal- tct. Anmeldungen hierzu Halen 8 Tage vorher :.i der Verkehrs - abteiliittg der Iahresschau, LennLstraße 3. mit genauer Angabe von Tag und Stunde zu erfolgen. Die Schwarzen und die Roten , Bon Konrad von Bolanden. lü. Fortsetzung.) ..Allerdings bin Ich in der Lage, Sie bescheiden zu können i Der Fmtichritt unseres goldenen Zeitalters ist auch in dsi Schulen hineinged'-ungen. r m die Ketten zu sprengen, mit denen das Wissen gebunden war. Daö edle Herz unseres Landes- fürsten »nd ein: Kammer, welch' auf der Höhe steht, beide haben der Schule gegeb:». was der Schule gehört. Mit fortschreitender Bildung werden die Ai.strüche an den Staatsbürger größer, und die Wwgc des anfgek'örte» Staatsbürgers ist die Schule. Ohne gereistes Bürgertum kein zeitgemäßer Staat, ohne bildungsfähig : Schule kein wiss.-nSreicheS Bürgertum. Mithin ruhen Fortschritt, Aufklärung und StaatSwohl lediglich aut der Schule. Sw, die Schule allein, ist die Bildnerin des Volkes, sie allein vermag eS. Roheit und Barbarentum erfolgreich zu bekämpstn. Soll aber die Schule emsteste» kennen für Gesittung und Bildung des Volkev, dann muß sie frei st in von der Botmäßigkeit jener Ge walten. in deren Interesse nicht Aufklärung, fondern Verdummung des Volkes liegt Ebenso wüsten viele hindernde und veraltete Gegenstände füllen uni Letrftofsen Platz zu machen, welche d:m Zeit-eiste cnlst recke». Ebemie, Botanik, Naturgeschichte, Land wirtschaft, Mickbistraie Uarcn bisher Fremdlinge in den Volks schulen. Eidlich »clilug die Stunde, jene Leuchten in die Schul- 'äle zu stellen, damit alle Finsternisse törichter Vorurteile und dummen Nüerglaiilene verschwinden." Schröter vernahm diesen Erguß wie eine studierte Red: vor ihin niiSgeschültet und saß im höchsten Grade erstaunt. Ec sah den Kopf deö Schulmeisters t>es im Nacken liegen, er sah die znsaminengekniffcnen Augen, der:n eigentümlichen Glanz, und wurde versucht an dem gesunden Verstände des Mannes zu zweifeln. „Obne Ihre hohe Meinung über das Schulwesen zu be- streiien, wollte ich nur fragen, warum den Kindern da? Beten, der katholische Grnß und die Biblisch; Geschichte verboten wur- den " „Etwas Geduld, — s.rgleich komme ick daraufi — Bon Ko?» movolistömns kehrte man in den Volksschulen soviel wie gar nichts. Sitten und Gebräuche fremder Völker waren in de» Volksschulen kvanikche Dörfer. Tic länciickie Inge»? glanlte an einen Elott i» drei Personen ini höchsten Falle noch an das deutsch- Volk, — alle übriqcn Nationen existierten nicht. Dis Bauern tranken ihr?» Kassen ohne alle Kenntnisse von Anvflan- zung, Eriitewcise -und Klima seiner Heimat Die Knaben sah:n täalich Steine zur Erde fallen, aber von den Gesehen der Schwere Wilsen st; nichts. Und so wurde in allen Stücken oe-ündizl. Un wissenheit regierte und Verdummung. Der ganze Schulvla» er streckte sich auf Lese», Schreiben, Rechne» »nd den alle? vcr- 'chlingLiidcn Stoff — die Religion. Katechismus und Bibel do minierten. Die Geistlichkeit beider .Konfessionen hielt das Volk o.m knrzgew.eff«:'.;!' Le-tseste höchst mangelhcister Erziehung. Wer christlich»? Dogma verstand n»d engherzig; Moral übte, der war cm vollendeter Maine. Der Glaube batte das Wissen gelötet." Dem Gutsbesitzer riß die Geduld. „Derfclben Ansicht bin auch -ch." unrerorach er Sen anrg:- üärtcn Schulmeister. „Wer christliche Sitten! chre kennt and übt im Leben, der ist ein ganzer Mann." ' Stephan lächelt; mitleidig. „Dieses Vorurteil sei Ihnen vergeben, Herr Schroter! Sie wuchsen auf in demselben An- mm» Ehrenwort: Ihre Narp- knmmcn werden gereifter denken! Dir ecken chtele Volls-lnldmig wird sie von diesem ungesunden Vorurtnle befreien." „Die nngesmide Anschauung ist nicht auf meiner, sonder» auf Ihrer Seite, Herr Schulmeister!" „Den Titel muß ick abw'isen " fuhr Stephan auf. „Schul meister find wir gewesen in Zeiten siast-rer Geisteskiiechtschast. — jetzt find wir ..VolkSsthiUllehDer Schulmeister ging her vor auS der großen Masse Nngebiloerer, — er wurde vom Pflug:, vom Webstiistl?. von der Sclmstcrbank hiinveggenommcn und ln die Sckulc versetzt. Leider gibt'es- heute noch solche antidiluvia- nische Exemplare," — and er deutet; veräch'li.ch nach dcm Erd geschoß. „Wir, dis Vo!ksschnll:hr:r, hingegen empfingen gemo gene wissenschaftliche Bildung in dm, Teminarien. Mit Kennt nissen lvladcn treten wir unter das Volk, um eS aur ein: dem Zeitgeist« würd g? Stufe zu heben. Ohne Selbstlob dar» ich es wohl sagen, — denn ich spreche ja nicht von mir persönlich son dern von meinem Stande, — ich darf sagen: die Volkssclmllelner find berufen. Schöpfer einer neuen Kultur, B^früiider einer neuen Gesellschaft zu werden." „Und was sür ein: neu? Gesellschaft wollen Sie hier m Waldhofen gründe», Herr BokkSschul':hr;r?" frag der Landwirt, empört über Anmaßung und Horfml dcS Dünkelhaft m „Eine Gesellschaft reifer Menschen, welch: d-e Kinderk.chnhe vern»oft'oker Gläubigkeit und engherzigen Konfesiimg'iSimis ab- qewnrfe», — ein; Gesellschaft, die sieh ihrer Bildung nicht zu bekämen hat." „So. — io!" sprach der Gutsbesitzer und di; b:llen Augen feuchteten. „Ich habe Ihre Belehrung über S t> ilnesea uns Lehrer zedulo-g avgrhört und biltc Sie mit gleicher Geduld meine Ansicht zu vernehmen. — Zuerst muß ich die Vcrnn- ,Iimpfunq alter »erdi »ter Lebrer di: in hi-hgelchrnn Sennua- rien iiiist gebildet wnrdcn. z>irkckw;:se». Best,»den gingen diese Männer durch das Leben, ohne Dünkel und lleberspanntheit. Zuweilen geschah eS allerdings, daß sie vom Psluge und aus Werkstätten in den Schulsaal Hernien wurden; dies beweist gar nichts gegen ihre Tüchiiak-it. ES iv'cd Ihnen nicht »nbckaiim sein, daß große unsterbliche Männer. Feldherren und .Könige, dom Pflug-' und auS Werkstätten u. f Throne und zu den höch sten Acmtcrn berufen worden sind Jo. di; guten, alten, ehr- rare» Schulmeister haben die ländliche Jugend gelehrt, was den Bavrri' z» wissen notwendig ist Sie Hab >, christliche Sitle qe- vflcgt, Zucht und Bescheidenheit durch Wort und Beispiel ge predigt. zu einem ganz tüchtigen Bonernstaiid; nach Kräften b:>- gclragcn Die neue» VolkSsckvillehrer hingegen beginnen damit, Gebet mid religiöse Geschichte zu v-rdräuqen. Dagegen solle» Naturgeschichte, Botanik und gar Efeini; ciiiaest'ihrt werden in !er Volksschule. Das -st lächerlich. — ja — abgeschmackt'" Der VolkSscknllebrer sprang empor. «Herr Schröter, — Sie vergessen sick!" „Durchaus nicht! Ich sage eS mi' Ueberlez iug' lächerlich und abgeschmackt ist cs, den Kindern ländlicher Schulen Lehr- floss« von Universiläten und technische» BildiinciSammlten ein- ti ichtern zu wollen. Wen haben Sw vor sieb? Kinder von sechs bis dreizehn Jahren. — und Ihr Schulplcm ist nicht für Kinder. Darum ist cS widersinnig. VollLsebulen in Universitäten oder >o etwas verwandeln zu wollen. Und dann, Herr VollSschnllehrer, WNM brauchen Bauern Mythologie. Ebemie, Botanik und höher; tzlalnrkunde? Würde hierdurch d-e Laiidmictsebost gefördert» Im Geaenleike! .-Mancher Aberwitz nnr-nser Erfindungen und kranker Vorurteile flog: nuc die Felder. Naturkunde empfängt der Bauer auf der llniverfilär der Erfahrung und »nmiltelvarer Anschauung. Die Saaten zu bestellen »ich den Eigenfckaflen deö Boden?, die Aecker wirtschaftlich z:: hearb-ftcii. lernt der Bauer nicht in Schiilsälen vom Volksichul'eyrer, sondern vom Bauer» turch praktische Anweistmg. Der berühmtste Ehcmiler der Ge- geiiwart bat für Landwirtschaftkick'S Entdeckungen «gemacht, die sick falsch, unpraktisch »nd nutzlos- erwiesim. Ich selbst bebe Anwcisungcn dcS gelehrte» Herr» be'olit und tun durch Scha den klug geworden. Wolle» Sie Tnch6,,.->es- lci'siii, als- d.:c größte Ehemiker? Nehmen Sie -'S mir mH: übet. Herr Stephan, cbschon Sic ein gelehrtes Seminar besah», halte 'ck nicht den Mut, Ihnen nieinen Grundbesttz zum Bebauen auch mir eia lmlbeS Jahr anznberlraueu' — Und was soll der Bauer mit Chemie? Etwa um de» Wein m gallm.'ren? Oder die zum Verkauf; bestimmte Milch mit fremden Stoffen zu tränken? Der Bauer ist eben Bauer und kein Gelehrter. Hingegen wäre das Sgflem des neuen Volks-sckulwes.'nS ganz aeeignel, di; ländlich« Jugend zu verderbe», sie mit gelehriem Dünkel anzufnllen nud zu verleiten, ein mageres Halbwissen für Gest'hrsanikeit zu Hal len. Die Bescheidenheit, welche jedem Stande, auch dem Bauern stände. Wohl aiisteht, würde in einen Hochmut verwandelt, der in alles hineinreden will, der alles zu verstehen sich vermißt. Wir hätten auf dcm Lande die bohle Ansklärnng der Städte, stolze? Verneinen, seichte Vielwifserei. D'c ländftche Einfachheit wäre iahin. die moralische Gesundheit vergiftet Zuckt und gute Sitt:, Religion und Glauben bedroht. Und was endlich die hohe Aus bildung der Volksschullehrer i» den Semmarien betrifft, so inm- sen sick die gelehrten Herren wohl hüten, die Säle der Volks schulen damit anznsülst'n. Sie lehren .Kinder, — keine Ctnden- len. Wenn Seminarien den Tckiuftchrer über seinen Beruf hin aus bilden, so könne» sie ihn nickt verpflichten wollen, alles-, was er weiß, a»ch den .Kindern cinlrichiern zu sollen. Auch ich crhieli eine Bildung über nieinen Baiiermtand bmauS, ich besitze man- ck-eS gute Buch über Landwirtschaft und lese darin. Ich lese zur Unterhaltung noch vieles-, waS znm Ackerbau gar nicht gehört, — dek-ball sind aber die Ncckcr des- Siepe-.scpv, der weder lesen noch 'chreibcn kann, und der ein ausgezeichneter Bauer ist. in einem cbenso guten Stande, wie die mcimgen. Genieße» und benützen Sie immerhin Ihr reiches Wissen. Herr Stephan, verlangen Sie aber nicht, daß Bauernsöhne und Mädeln» geradesoviel wisse», wie Sic. ES wäre dies eine ganz mioölige Önälerei der Kinder und für Sie verschwendete Mühe. — Das ist meine Ansicht," — und der Glitsckcsthcr griff zum Hute. (Fortsetzung folgt.)