78 II. Geschichtliches. gewisse Plumpheit der Zeichnung und den mangelnden Glanz der Farben die Arbeit eines Nachahmers des Griechen verrät, trägt ein viertes noch völlig den Stempel der byzantinischen Schmelzkunst bester Zeit und dürfte laut Inschrift als ein Geschenk zu betrachten sein, welches Theophano durch die Emailleure ihres Hofes für ihre gleichnamige Enkelin, die dreizehnte Aebtissin von Essen, ar beiten liefs. Von sonstigen deutschen Zellenschmelzarbeiten dieser Epoche sind die vier Evangelistensymbole auf der übrigens mit byzantinischem Email geschmückten Buchdecke der kgl. Bibliothek zu München be reits erwähnt. Die Emailornamente auf dem mit den getriebenen Bildern Ottos III. und seiner Mutter Theophano gezierten Evangeliar von Echternach (gegenwärtig in Gotha), sowie andere an gleichzeitigen Edelschmiedearbeiten vorkommende Emailplättchen sind wohl eben falls der trierischen Schule zuzuschreiben. Die ersten Regierungsjahre Heinrichs II., d. Heiligen (1002—1024), fielen in jene merkwürdige Zeit des „Chiliasmus“, die zunächst auf dem Gebiete des Kirchenbaues und der dem Kirchendienst geweihten Künste, dann aber auch in allen Kunstfertigkeiten, welche dem Profanleben dienten, einen ungeahnten Aufschwung brachten. Die ganze christliche Welt durchlebte die letzten Jahrzehnte des zehnten Jahrhunderts in Erwartung der durch die Apokalypse verkündeten Wiederkunft Christi und des Eintritts des jüngsten Gerichtes; von weltlichen Dingen abgewendet hatte man wenig an Neuschöpfung von Bauten, selbst nicht an die Erhaltung der bestehenden gedacht. Als das gefürchtete tausendste Jahr nach der Geburt des Heilands verstrichen war, ohne die erwartete Katastrophe gebracht zu haben, atmete die Welt erlöst von der Vernichtungsfurcht wie neugeboren auf, und alle Hände regten sich um das Versäumte nachzuholen. Der ausgesprochen kirchliche Sinn des Kaisers, der diesem den Beinamen des „Vaters der Geistlichen“ eintrug, wirkte belebend auf die Entwickelung aller der Kirche dienenden Künste. In diese Zeit fällt das herrliche jetzt im Clunymuseum aufbewahrte Antependium, welches Heinrich dem Baseler Münster schenkte. Weitere reiche Ge schenke machte der Kaiser dem Kloster des von ihm besonders ver ehrten heil. Benedikt auf Monte Cassino. Bei der Beschreibung der selben erwähnt der Chronist Leo Ostiensis einen goldenen Kelch, aufs reichste mit Edelsteinen, Perlen und „smaltis optimis“ geziert;