9. Das Maleremail von Limoges. 133 ändern Maltechnik und vermittelst einer ungefügen, leicht im Pinsel trocknenden Farbe ein nicht geringes Mafs von künstlerischer Sicher heit. Dann aber setzt es eine grofse Anzahl von Bränden voraus, von denen jeder bei den unzähligen und kaum zu berechnenden Zufälligkeiten, welchen der Schmelzprozess ausgesetzt ist, die Vernich tung der ganzen bereits aufgewendeten Arbeit bedeuten kann. Es darf uns deshalb nicht wunder nehmen, wenn wir die beschriebene Maltechnik, obgleich man sie als die einzig richtige und wahrhaft künstlerische bezeichnen muss, doch verhältnismäfsig selten ange wendet sehen. Anstatt dessen verfuhren die limusiner Grisaille-Maler nach einem Verfahren, welches man nicht unpassend als eine Sgraffito- Technik bezeichnen kann: sie kratzten nämlich mit einem spitzen In strument aus der ersten dünnen Lage von Weifs die Zeichnung in Linienmanier aus, so dass da, wo der Stift eine Linie ausgekratzt hatte, der schwarze Grund zum Vorschein kam. Die Schatten wurden durch Strichlagen angegeben, die dem Bilde das Aussehen einer Feder zeichnung oder eines Holzschnittes gaben. Um die Härten dieser Be handlungsweise zu mildern, wurde dann wieder eine durchschimmernde Schicht Weifs über die ganze Zeichnung gelegt und eingebrannt. Manche Meister, denen das ursprüngliche Schwarz der Schraffuren und Kon turlinien noch zu hart war, benutzten nicht den schwärzen Grund als Unterlage, sondern brannten die erste, ein mildes Grau ergebende dünnere Lage von Weifs ein und verfuhren auf diesem Grau in der beschriebenen Weise. Mit diesem eine wesentliche Erleichterung darstellenden Ver fahren konnte man nicht allein die inneren Partien der Einzel figuren herausarbeiten, welche sich als weifse Silhouetten vom schwarzen Grunde absetzten; auch gröfsere Kompositionen, die ganze Bilder darstellten und neben den handelnden Personen im Vordergründe auch landschaftliche Mittel- und Hintergründe, Luft u. dgl. hatten, liefsen sich so mit deutlichen Konturen und in Strichmanier angelegten Schattenmassen darstellen. Mit diesen und mit den Hilfsmitteln, welche die gröfsere oder geringere Durchsichtigkeit der verschieden dicken Schichten weifser Schmelzfarbe ergaben, mufste der Künstler zu wirken suchen, um ein harmonisches, in einer Tonart abgestimmtes Bild zu erzielen. Als letzte Hand wurden dann auf das fertig eingebrannte Bild noch die Goldlichter aufgesetzt, die namentlich dazu dienten, die