112 II. Geschichtliches. suchen, wenn auch Hampel in seinem Werkchen über das ungarische Drahtemail*) nicht unterlässt, darauf hinzuweisen, dass von dem Zeit alter der Reformation an die ungarischen Goldschmiedsgesellen mit Vorliebe ihre weitere Ausbildung in Augsburg und Nürnberg gesucht haben. So kann wohl ein Anlass zu diesen offenbar eine Zeitlang sehr beliebten Arbeiten aus der in Ungarn eifrig gepflegten Draht- Email-Techmk m die deutschen Goldschmiedestädte übertragen sein. Die Beachtung, welche diese speziell magyarische Technik in neuerer Zeit gefunden hat, knüpft sich an die Ausstellungen alt-ungari scher Kunstwerke, die in Budapest in den Jahren 1876 und 1884 abgehalten wurden. Die Werke der Goldschmiedekunst, an welchen ’ Beispiele derselben Vorkommen, erreichte allerdings nur die Zahl von 4- Doch ist dies Drahtemail, namentlich in seiner stilistischen Er scheinung so eigenartig, dass eine Verwechselung mit den vorher er wähnten griechisch-russischen Filigranemails fast ausgeschlossen er scheint. Auch eine Beziehung zu dem Zellenemail von Byzanz an zunehmen, scheint unstatthaft. Einmal liegt zwischen den allerletzten Spuren des letzteren und dem Auftreten der ungarischen Schmelz arbeiten zu Anfang des 15. Jahrhunderts ein Zwischenraum von mehr als 100 Jahren. Dann aber ist das stilistische Merkmal des byzan tinischen Emails eine reine Flächenverzierung, während das ungarische seinen Hauptreiz der zarten Reliefwirkung der Drahtkonture ver dankt. Bei dem mit Schmelzfarben geschmückten Filigran aber trat, wie wir gesehen haben, dieses immer als Hauptsache auf und war selbst nicht mit Emaillen gefüllt, die entweder nur den Grund kolo rierten oder in eigenen Drahtcloisons als Beiwerk hinzugefügt waren- hier pflegt die ganze Fläche mit Schmelzfarben überzogen zu sein! für deren verschiedene Töne die aufliegenden Drähte die Grenzen bilden. Nicht unpassend findet Hampel für die stilistische Wirkung dieser ungarischen Drahtemaillen das Vorbild in den mit farbiger Seide durchsetzten Goldstickereien, an welchen die mittelalterlichen Kirchenschätze Ungarns noch reich sind. Auch die beiden Techniken eigentümlichen Muster verraten eine offenbare Verwandtschaft. Es sind fast ausschließlich Blumenomamente mit rankenartigen, aus zwei bis drei nebeneinander laufenden Drähten gebildeten Stielen. Die *) Das ungarische Drahtemail; ein Abschnitt ungarischer Kunstgeschichte Dr. Joseph Hampel. Budapest 1888, F. Kilian.