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bestanden, bei dem die Konstituierung eines dem deutschen analogen Komitees englischer Geistlicher vorgenommen wurde. Die seit Jahren von beiden Seiten eifrig fortgesetz ten Aiuiähcrnngsversuche, die im Jahre 1608 durch die große Englandfahrt deutscher Pastoren einen imposanten Ausdruck fanden, sind nun durch die Schaffung der beiden ständigen Komitees in ein neues Stadium getreten. Ge» heimrat Harnack gab dem „Berl. Lokalanz." über seine Er lebnisse Auskunft und meinte dabei n. a.: Die friedens fördernde Tätigkeit der beiden Komitees — an der Spitze des englischen steht der Erzbischof von Canterbury, der erste Geistliche der Staatskirche — soll in geeigneter Einwirkung auf die öffentliche Meinung hüben und drüben bestehen, in der Aufklärung von Mißverständnissen und der Milderung von Gegensätzen. Vor allem wird der Presse große Auf merksamkeit geschenkt werde» und es ist die Absicht des Komitees, hier auf die Beseitigung von irrigen Meinungen und dem Frieden ungünstigen Tendenzen zu wirken. Ge- .keimrat Harnack hält diese Arbeit für sehr aussichtsreich, besonders in England. „Ein solcher Anstoß, der von der Geistlichkeit ausgeht, wirkt dort bedeutend kräftiger als bei uns. Ter Einfluß der Geistlichen ist viel größer, und es kommt noch das einmütige Zusammenwirken der ver schiedenen Bekenntnisse hinzu." Auf die Frage, ob »ach alledem eine nachteilige Wirkung auf die Stimmung des gesamten englischen Volkes zu erwarte» sei, erwiderte Har nack: „Man darf ja natürlich nicht prophezeihen. Aber ich knüpfe große Hoffnungen an diese Bewegung. Es ist an zunehmen, daß sie auch in der Politik ihre guten Folgen zeitigen wird." König Georg erwies den deutschen Abge sandten das größte Wohlwollen. Nachdem bei der Audienz k>. Spiecker mit einer Ansprache dem Könige ein Gedenk buch überreichte, erbat sich Geheimrat Harnack die Erlaub nis, in deutscher Sprache zu reden. Nachdem er seiner Freude darüber Ausdruck gegeben hatte, in einer solchen Jriedenskommissio» nach England zu kommen, bemerkte er, daß die Zahl der aktiven Teilnehmer in England, dank den konfessionellen Verhältnissen, größer sei als in Deutsch land. Aber es gäbe bei uns eine große Zahl von stillen Anhängern dieser Bewegung. Ter König antwortete sehr freundlich Er wolle, gleich seinem Vater, den Frieden fördern: und jedes Unternehmen, das diesem Zwecke diene, dürfe seiner ganzen Sympathien und seiner Förderung ge wiß sein. — Drr Vorstand des deutschen Prvtcstantcnvcreins ver öffentlicht folgenden Aufruf: „Dem Drängen orthodoxer Eiferer folgend hat der preu ßische evangelische Oberkirchenrat gegen Plärrer Jatho in Köln, für dessen treue Arbeit Tausende dankbar Zeugnis abgelegt haben, ein Jrrlehreverfahren eingeleitet. Nicht die christliche Gesinnung, nicht treue Seelsorgearbeit, nicht ernste theologische Selbstbildnng und die Herzen gewin nende lind erhebende Predigt sollen den Pfarrer seines Amtes würdig machen — Gehorsam gegen die theologischen Anschauungen der herrschenden Orthodoxie und buchstäbliche Anerkennung der Dogmen und Bekenntnisfornieln werden gefordert — in bedenklicher Aehnlichkeit mit dem Moder- nisteneide. Durch das Verfahren gegen Jatho wird das Recht der freigesinnten Gemeindemitglieder und Pfarrer in der Kirche bedroht. Wir sehen die Gefahr vor Augen, daß in unserer Kirche Noms Grundsätze maßgebend werden." Ganz zutreffend im Vergleiche mit dein Modernisten- eide. Wer auf die Kirche Wert legt, kann gegen einen sol chen Eid nichts einwenden. Wer aber die Jch-Neligion als die einzig wahre ansieht, der bekämpft den Eid und jede Kirchenlehre überhaupt. Tie Scheidung der Geister voll zieht sich immer deutlicher. — Aufruf zum Konfcssivnskricgc. Ans Martin Luthers Schriften und Briefen wird in der freisinnigen „Voss. Ztg." ein Sendschreiben Dr. Luthers an die Modernisten und an dere Ehristen hergestellt. Es heißt da: „Da geht nun ein neu Wetter her. Ich hatte mich schier zur Ruhe gestellt und meinte, es wäre ausgestritten: so hebt sich's allerdings und geht mir, wie der böse Mann spricht: wenn der Mensch aufhört, so muß er anbeben. Wo blieben denn Glaube und Liebe? Sollen sie hernach kom men? Warum sollten sie nicht vorangehen? Ruhm, eitel Ehre und ein neuer Mönchschein würden damit wohl er worben, aber dem Gewissen ist nichts geholfen. Da fragen auch solche falschen Geister nichts nach, gleichwie der Papst nichts danach fragt, wo Glaube oder Liebe bleibe, wenn nur die Werke seines Gehorsams und Gesetzes gehen, da dringt er hi» und tuen» sie geschehen, so ist doch nichts gescl-ehen . . . Tie Briefe aus Nom habe ich gelesen, still, ichmerzbewegt, weil ich auf den Höhen der Kirche das mit Auge» sehe» muß. Ich fürchte, das Licht des Gewissens und das Licht der Wahrheit haben sie so außer sich ge bracht, daß sie jeder Empfindung unfähig sind. Was soll ich armer Mensch Ruhe suche», der ich keinen größeren Wunsch weiß, als das öffentliche Treiben zu verlassen und für mich in der Verborgenheit leben zu dürfen? Aber zugleich er kläre ich auch, so lange man mein Lehramt und das Amt am Worte Gottes nicht von mir nimmt, und ich nicht frei von ihnen werde, so lange werde ich frei sein in ihnen, werde sie freiheitlich verwalten. Tenn jene Todsünde, die mir nie vergeben werden könnte, mag ich nicht auf mich laden und schuldig erfunden werde» eines sündhaften Still schweigens und der Vernachlässigung der Wahrheit und vie ler tausender Seelen. Was ich getan habe und was ich tue, das tue ich unter dem Drange der Not: jederzeit bin ich be reit, abzutreten, wenn nur die Wahrheit nicht abzutreten braucht. Alles sollen sie von mir verlangen und freiwillig will ich es ihnen darbringen, wenn sie nur den Menschen den Weg zu ihrer Seligkeit frei sein lassen! Sonst will ich nichts, welcl>er Wunsch kann ihnen mehr Ehre machen? Ich bitte nicht um einen Kardinalshut, nicht um Gold, um nichts, was heutzutage in Nom im Preise steht. Unter die- sen Umständen kann ich weder Drohungen fürchten noch Versprechungen groß achten. Mit Gewalt, und Bannen würde man aus Deutschland ein zweites Böhmen machen. Denn die Deutschen sind starrsinnig, und wenn man sie nicht mit Gründen der Vernunft oder der Schrift überführt, so ist es für die Päpste bedenklich, sie zu reizen — vor allem heutzutage, wo in deutschen Landen die Wissenschaft und die Sprachen herrschen und wo auch die Laien sich der Bildung zuwenden. Für mich ist der Würfel gefallen, ich verachte der Römlinge Gunst und Grimm; auf immer weise ich die Versöhnung, auf immer die Gemeinschaft mit ihnen zurück. Ein Ende soll nehmen jene falsche scheinheilige Demut und sie sollen nicht mehr durch sie in ihrem Hoch- mut sich bestärkt sehen. O, wäre Kaiser Karl ein Mann und schritte zum Kampfe für Christi Sache wider diese Teufel! Was haben Ordnung und Frieden mit der Herr schaft der römischen Pfaffen zu tun? O wir blinde Deutsche, wie kindisch handeln wir und lassen uns so jämmerlich die Nomanisten äffen und narren! Summa, es ist zu viel! Zu viel zerreißt den Sack, es kann so nicht gehen, stehen, noch bleiben. Gott muß dreinsehen. Will Dreinsehen nicht hel fen, so muß Dreinschlagen helfen!" Dieses Schreiben druckte das nationalliberale „Leipz. Tagebl." heute ab und nennt es einen „feinsinnigen Ver such, mit Luthers Worten wider Pius X. zu kämpfen". Das „Dreinschlagen" ist doch wohl kein „feinsinniger" Kampf, wozu man den Kaiser aufruft. Dieser Aufruf spricht Bänd' und zeigt, wo wir stehen. Katholiken, seid auf der Wacht > — Tie christlichen Gewerkschaften Deutschlands haben sich im abgelaufenen Jahre recht günstig' entwickelt. So »reit bis jetzt vorläufig Angaben vorliegen, hatten eine Mitgliederzunahme zu verzeichnen: die Verbände der Textil- arbeiter 10 600, Metallarbeiter 0000, Holzarbeiter 2000, Tabakarbeiter 1800, Lederarbeiter 1000 und Arbeiter der Nahrungs- und Genußmittelindustrie ebenfalls 1000. Er hebliche Fortschritte haben auch die dem Gesamtverbande der christlichen Gewerkschaften Deutschlands angeschlossenen Ver bände der Staatsarbeiter und — Angestellten aufzuweisen, so daß die Gesamtzunahme der christlichen Gewerkschaften Deutschlands über 80 000 Mitglieder erheblich hinaus gehen wird. — Vo« BudgetauSschusse de« österreichischen Abgeord. neteuhause« wurde der Antrag, daß die italienische Fakultät vom Wintersemester 1911/12 an Provisorisch für 4 Jahre in Wien errichtet, und sodann in daS italienische Sprach- gebiet verlegt werden soll, angenommen. — Der Heere«au«schuß der ungarischen Delegation hat daS Ordinarium und das Extraordmarium deS HeereS- budgetS in der Spezialdebatte angenommen. — Zum Hochschulrummel. Während die Streikführer in Lemberg und Krakau angesichts deS klägl chen Aus ganges ihrerÄktion bereits abblassen, wollen sich ihre Geistes- verwandten in Wien und Graz diese Gelegenheit, ihr Müt chen an der kathol. Studentenschaft zu kühlen, nicht ent gehen lassen. So fand am vergangenen Sonntage im Wiener „Metropol"-Hotcl eine größtenteils von Sozialisten und Juden besuchte Studeutcnversammlung unter dem Protektorate einiger freimaurerischer Privatdozenten statt, in welcher neue Hochschulstürme angekündigt wurden, um die LoSrrennung der theologischen Fakultäten vom Universi- tätsverbande zu erzwingen. Da vier anwesende katholische Studenten gegen die Schlußresolution stimmten, kam es zu erregten Szenen. Doch wurden Tätlichkeiten vermieden. — Anders natürlich im „demschesten" Graz. Hier besorgen die Deutschradikalen die Kulturkampfbehe. Nach ihrem Protestmeeting zogen sie aus den Ludwigsring, den Bummel- platz der katholischen Verbindungen „Karolina" und „Traun- gau". Hier kam es zu wüsten Schlägereien, Kappendieb- stählen und schließlich zur Verhaftung dreier radikaler Rausbolde. Da diesmal die Behörden keinen Pardon geben, und auch die den nationalen Burschenschaften nahestehenden Abgeordneten die Konjunktur zu einem Hochschulkampse nicht für günstig erachten, dürste es damit beim guten Willen bleiben. Schweiz. Eine christlichsoziale Arbeiterpartei. Die am 2. Fe bruar in Zürich versammelten Vorsitzenden der christlichen Arbeiterorganisationen der Schweiz beschlossen, der im Herbste dieses Jahres stattfindenden Delegationsversamm lung die Gründung einer selbständigen politischen Partei der christlichsozialen Arbeiter, die sämtliche christliche Arbei terorganisationen der Schweiz umfassen würde, zu bean tragen. Dabei ist ein eventueller Anschluß an die noch zu gründende schweizerische konservative Volkspartei geplant. Der Beschluß ist nach der „Schaffhauscr Zeitg." ein Ulti matum an die Leitung der katholischen Volkspartei der Schweiz, endlich an die Parteikonstituierung- zu schreiten. Wrieneenland. — De« Entwurf der BersaffungSreform brachte der Ministerpräsident VenizeloS in der Kammer ein. In seiner Rede führte er aus, die Neuwahlen hätten eine einheit- lichcre gesetzgebende Körperschaft ergeben, die eine erfolg, reiche Durchführung der Revision erboffen laste. Damit werde das Ziel erreicht, das der eigentliche Zweck der vom Volke gebilligten Militärrevolte gewesen sei. Amerika. — Der Aufstand i« Mexiko. Vor Juarez, das die Rebellen mit erneuter Wucht angegriffen haben, ist noch immer keine Entscheidung gefallen. In Honduras haben die Revolutionäre und die Regierung auf die Intervention der Vereinigten Staaten hin einen Waffenstillstand ge- schlossen, der als Vorläufer definitiver FrtedenSverhand- lungen angesehen wird. Aus Stadt und Land. Dresden, den IV ffebruar 1«11 —* Er. Majestät der König, der am 8. d. M. in Port Slwan von Statin P ischa empfangen wurde, ist gestern in Chartum eingetroffen. —* Se. Königl. Hoheit Prinz John»» Georg nahm Freitag vormittag im P >lat» auf der Ztnzendorffstraße die Vorträge der EtaatSminister und deS Königl. Kabinetts- sekretärS en«aeaen. —* Zentrumswahlverein für daS Königreich Sachsen, Ortsgruppe Z i t t a u - O st r i tz. Sonntag den 19. Februar nachmittags i/>6 Uhr findet im Kretscham saale zu Seitendorf eine Zentrumswählerversamm- lung statt. Der Vorsitzende der Ortsgruppe, Lehrer Lorenz- Zittau, wird sprechen über Zentrumspolitik. Alle Zentrumswähler von 'Seitendorf, Reichenau und Kö nigshain sind zu dieser Versammlung herzlichst eingela-en. Anschließend daran ist Diskussion über Ausbau unserer Organisation. Zentrumsinänner! Der Vorstand der obi gen Ortsgruppe appelliert an eure so oft bewiesene Treue -im Kampfe für Wahrheit. Freiheit und Recht! Es gilt öffentlich zu dokumentieren, daß die Mehrzahl der katholi- schon Männer der Südlausitz unerschrocken wie bisher auch in den jetzigen stürmischen Zeiten eintntt für jene große deutsche christliche Reichs- und Volkspartei, die sich -uni Ziele gesetzt hat die Hebung aller Volks klaffen in wirtschaftlicher und moralischer Beziehung und zwar auf dem Boden christlicher Weltanschauung. —' Zn »cu Rriwstagtwahwn. Im vierten sächsischen Wahlkreise DreSden-Neustadt wurde Herr Siadtverord, eter, Kautmann und Glasermeister Johannes W.tz ich-Dresden als Kandidat der Kons rvativen. der R former, der Tewsch- Sozialen, der MittelstandSpartei und deS Bundes der Land- Wirte aufg'st-llt. —* Zur Kandidatur des Bundesdirektors Everling. In dem sächsischen Wahlkreise Döbeln-Roßwein wollen die Konservativen den liberalen Abgeordneten Everling nicht mehr unterstützen, sondern einen eigenen Kandidaten auf- stellen. Hierzu schreibt man der „Kreuzzeitg." von wohl- informicrter Seite: „Wie recht haben doch jene führenden Männer im Evangelischen Bunde, der verewigte Graf Wintzingerode, Professor 14. Nippold, Professor v. Witte, Pfarrer Finken scher und jene anderen Männer gehabt, als sie sich 1906 in Hamburg ganz entschieden gegen die von langer Hand vor bereitete Wahl des Krefelder Pfarrers Everling zum Direk tor des Bundes aussprachen! Gleich Nippold, der seinen früheren Schüler doch etwas genauer kannte, vermißte auch damals Graf Wintzingerode an Everling die moralische Qualifikation, den weiten Blick und vor allem den rechten Takt, den eine solche Stellung erfordere und brachte diese Bedenken in längerer Rede auch zum Ausdrucke. Dennoch gelang es den kirchlich- und politisch-liberalen Kreisen der rheinischen und westfälischen Bllndler, die Wahl Everlings durchzusetzen unter heftigstem Widerspruche der besonnenen Elemente im Gesamtvorstande. Infolgedessen trat Pro fessor Nippold, einer der Gründer des Bundes, sofort aus dcni Vorstande aus. Everling selbst aber erklärte nachmals lachend im Gespräche mit Dritten fast wörtlich, jedenfalls aber dem Sinne nach: „Sie haben doch eigentlich sehr leicht sinnig gehandelt, daß Sie mich auf Lebenszeit zum Direktor gewählt haben." Diese bescheidene Selbsterkenntnis, di? man sonst an diesem Herrn nicht gewöhnt ist, traf den Nagel auf den Kopf. Denn tatsächlich hatte sich Everling in den größeren Bundesversammlungen stets besonders unliebsam bemerkbar gemacht durch seine absprechende Kritik über die Geschäftsleitung in Halle, wie auch über die Redaktion der vom Bunde damals noch in Berlin unterhaltenen offi ziellen „Deutsch-evangelischen Korrespondenz". In dieser Taktik lag Methode. Professor Witte sollte von seinem Posten in der Geschäftsleitung verdrängt werden. Die „Deutsch-evangelische Korrespondenz" aber sollte die Basis, das willkommene Sprungbrett bieten, von dem Everling sein Ziel, eine politische Nolle zu spielen, erreichen konnte. Tie Redaktion dieser Korrespondenz wurde denn auch im April 1006 nach Halle verlegt, damit alle Fäden im Zentral bureau vereinigt wären. Und obwohl sich Everling auf der Hamburger Tagung 1906 noch emphatisch gegen die poli tische Agitation und Betätigung des Bundes ausgesprochen hatte, hatte er nach seiner definitiven Ernennung zum hoch besoldeten Geschäftsführer nichts eiligeres zu tun, als sich um ein Neichstagsmandat zu bewerben. Die unerwartete Auflösung am 13. Dezember 1906 kam seinen ehrgeizigen Plänen abermals sehr zu statten. Er ließ sich in Döbeln- Roßwein als Kandidat der Ordnungsparteien wählen und stellte den Gesamtvorstand dann vor die vollendete Tatsache. In der „Deutsch-evang. Korresp." aber, als deren npiritng raatar er sich mit Vorliebe geriert, schrieb er über sich selbst am 12. Februar 1007: „Selbstverständlich wird Lic. Ever ling seine Politik im Neichsparlamente in rein politischen und wirtschaftlichen Fragen als nationaler Staatsbürger als Persönlichkeit (!) und nicht ettva als Bundcsbirektor vorbildlich oder gar verbindlich für den Evangelischen Bund treiben." Tatsächlich hatte'Everling jetzt das Heft in Händen, zumal auch der langjährige verdiente Schriftführer Professor Witte, der bis April 1906 die Geschäfte des Bundes geleitet hatte, bereits zum Oktober jenes Jahre? um seine Entlassung beim Zcntralvorstande eingekommen war. Everling hatte ihn in der Verteilung der Arbeiten förmlich aufs Trockene gesetzt. Als Wittes Entschluß, dieser unwürdigen Behandlung durch seinen Rücktritt ein Ende zu machen, ini Bundeshause bekannt wurde, triumphierte Everling in aufrichtiger Schadenfreude, wobei er u. a. Homers Worte rezitierte! Auf der Graudenzer Versamm lung freilich lobte er Witte über den grünen Klee und be antragte, daß ihm, wenn ich nicht irre, die Hälfte seines Gehaltes als Pension bewilligt werde. Um den Schein der Einmütigkeit auch nach außen hin zu wahren, wurde Witte ferner veranlaßt, im Vorstände des Evangelischen Bundes zu bleiben, wo sein Einfluß auf die Geschäftsleitung und die Redaktion der „Deutsch-evang. Korresp." gleich Null ist. Was aber die Hauptsache war: Mit Witte hatte sich Everling wieder einen positiv gerichteten, konservativen Mann, der ihm an Erfahrung, Sachkenntnis, Takt und Be sonnenheit weit überlegen war, vom Halse geschafft. Everlings Auftreten im Reichstage ist ja erst kürzlich in der „Kreuzzeitg." zutreffend beurteilt und verurteilt wor den. Genaue Kenner seiner Geschäftsführung in Halle und seiner bald zynisch witzelnden, bald schwülstigen oder gehässigen Artikel in der „Deutsch-evang. Korresp." sind darüber einig, daß er dieses für die Tagespresse bestimmte und von den Beiträgen auch der konservativ gesinnten Bundesmitglieder mit unterhaltene Organ, das dem Evan gelischen Bunde jährlich rund 20 000 Mark oder mehr kostet, wiederholt arg mißbraucht hat, und zwar nicht bloß dazu, um die eigene Persönlichkeit und Tätigkeit ins rechte Licht zu setzen, sondern auch zur Bekämpfung der konservativen Partei, ihrer angesehensten Blätter und ihm mißliebiger Abgeordneter, wofür ja noch die letzten Nummern jener Korrespondenz seit Mitte Dezember Zeugnis ablegen. Zur Irreführung der öffentlichen Meinung erklärt er dann von