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Aum 70. tHedenIitage an die erste Hiseiilialmfalsit in Sachsen von Leipzig nach Ältlien. Es lvar ein bewegtes Leben und Treiben, das am L4. April 1837 i:> der allem Pleißenstadt Leipzig l>errschte. Hin unabsehbarer Mensck-enstrom ergoß sich nach der Gegend des ehemaligen tisi'orgcnvonverkS uird verbreitete sich weit über die Grenzen der- Stadt hinaus auf alle benackcharten Wege und Helder. Lauter frohe, erwartungsvolle Gesichter, vereinzelte Rufe der Ungedllld und Neugier und endlich Heller, mit Blitzesschnelle sich fortpflanzeirder Inbelruf „sie lammen, sie kommen", und dahin brauste er, der erste Eisen- t«cchnzng auf der turzen Strecke von Leipzig nach Altl>en, eiyen« Torfe vor Borsdorf. - Nur eine Mensck>enllasse bltckte ihm nach mit neid- und schmerzersiilltem Auge, es her 1833 eine niit 316 Unterschriften bedeckte Petition an das Königliche Ministerium des Innern, an dessen Spitze dan-als Herr v. Carlowitz stand, ein Mann, der in der Folge das regste Interesse fiir den Vau in dieser einfluß- reick>en Stellung bewiesen und um die Förderung des Pro- jektes große Verdienste sich erworben hat, waS auch in den Worten des Vorsitzenden deS Eisciibahnkomitees, G. Har kort, ans der ersten Generalversammlung am 5. Juni 1835 zum Ausdruck kam: „daß sein Name in der Geschichte auch dieses Unternehmens ein dauerndes Denkmal find«.'". Bald darauf, 3. April 183-1, bildete sich in Leipzig ein aus 12 Männern bestehendes „Eisenbahn-Komitee", das die aus d r Leipzig- Erste Lampfwagcnfahrt Ke t»er Eisenbahn den 24. April twi7 von Althen nah Leipzig -nrüe' waren die Fuhrleute und Lohnl'utsclx'r, sie trugen Flor um oem HutI Drastisch kommt ihr Groll über die Konkurrenz z:,m Ausdruck iu keu Worten des Dichters: „Ae Fuhriuaun saht': ä walle duch, Un 's wihr'u zur Genüge, Daß hie den Blitz*), und henke mich, Aen ang'rer Blitz d'rschlnge! Ae Dräsner Kutscher schlämmte bei: 'Das war ä NessuunirenI Ich adder that, bei meiner Treu Mich dröwtver verlustireit!" >'Au»'i'-nk-ilc, der für 1828) Hat man lediglich gegenwärtige Verhältnisse im Auge, crnuiert man sich lediglich daran, wie es jetzt oftmals nur der Anregung einiger einflußreick>er Personen bedarf, nur nicht bloß eine Eisenbahnverbindung zwisckx'u zlvei -Orten, nein, ganze Balmshsteme zustande zu bringen, so kann man sieh allerdings nicht leicht einen -ß'grifs davon ntachen, mit welclzen Schtvierigkeiten die Errichtung der erstell g rößeren deutscktzm Eisenbahn zu kämpfen hatte. — Tie Nürnberg—Fürther Eisenbahn (1835). die erste in Deutsch land, war nur vier Fünftel Meilen lang. — Um so lehr- >eick>ei- ist es aber, die Entstehung dieses Unternehmens bis zur Inbetriebnahme der ersten Strecke Leipzig-Altheil in gedrängter Darstellung au sich vorüberziehen zu lassen, um io anregender, von dem Wirken der Männer zn hören, die dazu die Idee gabeu und sich der Ansfühning mit Gesckstck und Eifer unterzogen. — ES bleibt das Verdienst des großen Nationalöt'onvmen Friedrich Li st, den Anstoß zum Ban dieser Bahn ge geben zu lxiben. Dieser vielseitige und kemitilisreick/e Manu lwtte sich iu Amerika bei der Herstellung einiger der ältesten Rahnen beteiligt und dann in Teutsclstand, zniläckch in Ham burg Stimmung für seine Eisenbahnpläne zn mack-en ge sucht. Von Hamburg, wo »lau auf das von ihm in um fassender Weise geplante deutsche Eisenbahnstist-em nicht ein- gehen wollte, begab sich List nach Leipzig, wo gerade damals l 1833), zur Zeit des geplanten Anschlusses Sachsens an den Zollverein, M-rtebrsfiagen lebhaft erörtert tvurden. Es gelang List, mehrere einslußreickw Leipziger .Kauf leute, u. a. W i l h. Setzffartb, D. Dusonr- Feronce. G. Harkort, C. Lampe für seinen Plan den Bau einer Eisenbahn von Leipzig nach Dresden, zn interessieren. In den zwischen diesen Männern gepflogenen Beratungen kam man zu der Ueberz ugung, daß es für das Uirternelnnen von großer Üst'dentnng sei, die Regierung für sich zn gewinnen. Man richtete dalx'r unterm 20. Nobem- *) .Blitz' lvar der Name der L komo«<vc. ersten Anschläge machte und die Wirksamkeit der seit 5. Juni 1835 begründeten Aktiengesellschaft vorbereitete. List konnte in dieses Komitee, da er lein Mitglied der Leipziger Stadtgemeinde lvar, nicht gewählt werden, wurde aber in der zweiten, am 1. April stattsindenden Sitzung, einstimmig als Mitglied des Komitee tooptiert. Vor das große Publi kum trat das Komitee mit einer „Erklärung und Bitte", iu der es die Auslastung seiner Ausgabe näher darlegte. Es erfüllt uns noch heute mit Bewunderung, wenn wir sehen, wieviel Zuversicht und Vertrauen mau in Leipzig und ganz S<lchsen dem immerhin doch ganz neuen und ungewohnten Unternehmen entgegenbrachke. Man mußte fast alle Be lehrung im Auslände holen, um z. B. über amerikanisches Eisenlahnnx'sen Kenntnis zn erlangen, nahm man die Ver- Mittelung der Regierung in Anspruch, und es gelangte in folgedessen eine Büchersendnng des sächsisckwn Konsuls in Neuyork im Werte von 17 sä Talern, mit einem Portobetrag von 265 Talern belastet nach Dresden. Mit der Bildung des Komitees war der erste organi- 'atorische Schritt zur Verwirklichung des Planes geschehen. Nun ging es an die Wahl der Strecke. Verschiedene Linien wurden sorgfältig vermessen und geprüft. Schließlich ent- lchied man sich für eine Nom König!ickxm Wasserbalidirektor Hailptmann Kunz vorgeschlagene und vermessene, die in einem weiten Bogen, die Höhen möglickK vermeidend, nach Regel mit den übertriebensten Ansprück-en zu kämpfen. Der hotw Stand der Aktien, das Mißtrauen der Landleute gegen die „Leipziger Kaufleute", die Mißliebigkeit des Zwangs verfahrens ließen die ungeheuerlichsten Forderungen hervor treten. So trat man in der einen Flur mit Entsck-ädigungs- ansprüchen ux'gen durch die Bahneinschnitte abgeschnittenen Wassers auf, in der anderen klagte ein Windmüller wegen entzogenen Windes, ein anderer Windmüller forderte Ent- sclädigiing deswegen, weil die Bauern wegen Entäußerung deS.Griliid und Bodens weniger Getreide bauen würden und dergleiclxm. Ta das Eilteiguungsg-esckäst infolgedessen sehr langsam vonstatten ging, auch die hierzu erforderlickx'n end gültigen Pläne nur erst für die zuuäMl. Leipzig gelegene Linie genehmigt waren, ging man zuvörderst an den Bau dieser Strecke. Man begann die Arbeiten im .Herbst 1835 und zwar zunächst an der Muldebrücke bei Wurzen, lieber Mulde und Elbe nareu mächtige Brücken zn bau-en, dazu kan» noch östlich von Oschatz ein sehr cmsehnlickx'r Viadukt, der freilich später seiner großen Unterhaltungskosten Nx'gen. in einen Daiuiii veruxnidelt wurde und datier dem Eisenbahn- sahrer von heute nicht mehr in seiner alten Gestalt entgegen- tritt. Der 531 Meter lange -Oberauer Tunnel galt lange als ein großes Wunderwerk: nicht wenige Reisende sollen, wie Hahn «die Eisenbahnen, S. 30, Leipzig 1005) er zählt, die Balm befahren haben, um die ganz ungetvohnte Durchfahrt durch den Tunnel kennen zu lernen. Tie erste Lokomotive, „Komet" benannt, in England für den Preis von 1383 Pfund gekauft, traf Ende November 1836, in 15 Kisten veigxickt, in Leipzig ein. Man ließ das Wunderwerk, das ans Böcke gestellt und geheizt wurde, um die Bewegungen zu zeigen, gegen ein kleines Entgelt sehen. Wegen Besclassnng der Magen stellte es sich bald als wünschenswert und erforderlich heraus, eine eigene Wagen- l'ananstalt zu errichten. Vorher hatte man ans Anraten des Prof. E r d in a n n , der ans seiner Reise durch M'Iistvn Ersahrnngi'ii über das dortige Eisenbahnwesen gesammelt latte. bei dein Brüsseler Wagenbauer P a u w e l s drei Wagen, von jeder Klasse einen (Diligenie und elmr ü I>unee) bestellt. Auch aus England und Nürnberg hatte mau der gleichen Wage» bezogen. Nach vielen Bemühungen und Ver- Handlungen gelang es aber, sich vom Auslands unabl>ängiq zn machen, indem ein englischer Wagenbauer Namens Thomas Worsdell mit noch einigen (Gehilfen Anfang 1837 nach Leipzig übersiedelte und hier eine eigene Wagen- lwnanstalt errichtete. Im Frühjahr 1837 traf eine zweite Lokomotive, „Blitz", und mit ihr auch ein zweiter englischer Führer. John G r e e n e r, in Leipzig ein. Nachdem Unter- und Oberbau von Leipzig bis Altheu, sowie die Fertigstellung der M'sörderniigsmittel beribet waren, konnte nach verhältnismäßig kurzer Bauzeit im April 1837 die erste Strecke von Leipzig bis zn der bei dem Torfe Althen vor Borsdorf errichteten heute längst nicht mehr bestehenden — Haltestelle mit einem Park vou acht Wagen errichtet werden. Tie erste Fahrt erfolgte am 24. April 1837 früh 0 Uhr. Eine besondere Weihe erhielt sie dadurch, daß außer dem Direktorium, den Ansschußmitgkie- dern und eingeladenen (hasten auch Se. Majestät der spätere König von Sachsen, damals noch Prinz Johann, daran teilnahm. Tie übrigen Fahrten erfolgten in Zwi schenräumen von einer Stunde. Tie Fahrpreise »raren zu acht Groschen in der ersten, zn sechs Grosckxm in der zwei ten und zn vier Groschen in der dritten Klasse berechnet. Tie Fahrscheine, welche in der Regel zugleich zur Rückfahrt von Althen ansgegeben wurden, lauteten ans einen bestimm ten numerierten Platz. Sie tiaren von grüner Farbe und enthielten ans der Rückseite einen Auszug ans der Be triebsordnung. Tie ersten Fahrten gingen überaus gtück- z vor» »cd T' -- - FL ' kükrt nm 1837. Nilche te-ee« H<ikrsck>e>',». It, nierKiin^, n. Ilill» t nur sltr c!«^n «lic un«! <>«'n I'i.'rlr. i!,«t,»us 1>« n>» rk1 I »«> r r I:nt N»«» 1»,'i r>c>,'l,rnnüsk-'n t' r!» UUk,^ cl 8 v« »tiN-1.. i»n nr r» rnil r(t!« < kn rni>88 .k, «l, rnou n n r oforb »«»innn ninnnliinni» v<", w-It I,« »n xvLI,rnn<1 ilnr l'tttinkrunnlinn in clor l 9iorden ausgreist und die Elbe bei Riesa überschreitet. Für diese Linie hatte sich auch der Techniker der englischen Re gierung. James Walker, der im -Oktober 1835 in Saclsten weilte, in einem aussührlici-en Gutachten ausge sproclx'ii. Für seine Mülxnraltnng und die durch seinen Assistenten vorgenommene Nivellierung der gcmxihtten Linie sowie die Abfassung des schristlickxw Gutachtens berechnete Walker die Kleinigkeit von 863 Pfund. Bei dein Enteignungsversabren l)atte man in der lich von statten. Sie erzielten am 2-1. April 1837 eine Ein nahme von 268 Llxrler 8 Grosclx'ii, am folgenden Tage von 251 Tlmler 1 Groschen. Wurde in der folgenden Zeit der Betrieb auch mitunter unterbrocken, so Nnr doch ein großer Schritt getan und ein bedentcnider Erfolg erzielt. Mt um so größerer Aussicht aus ein gutes Ehlingen konnte man die Arbeiten weitersühren. und so nach abermals zwei Jah ren die ganze Linie znm Wöhle Sachsens und ganz Denk sch- landü dem Betriebe übergeben. ThoIotowsky. Au- Ttadt und Land. (sforlsetzung au» dem Hauptblatt.) Der Frühjahrs-Verbandstag des Sächsischen Landesverbandes für staatlichc Pensions - und Hinkerbliebeuen-Versiche- ru n g de r P r i ta ta n g cst elI tc n fand am 2l. d. M. vonnittags 1l Uln im Saale des „Palnrengartens", Pir naische Straße, statt. Der Saal uxir überfüllt und der im4>o- santen Ver'aunnlung ivolmten auch eine Anzahl Vertretm der Königlichen Bekwrdc'ii bei. Wir bemerkten die Herren Regierungsrat Dr. Keller als Vertreter des Königlichen !>zmidcSversicherungöamt«.'s. NegiernngSrat Dr. Heberland als Vertreter d.>r Königlickrc'n LandesversichenmgSanstalt, Reyienlngsassessor Tr. Adolph als Vertreter des König- lichm Ministeriums des Innern und Bezirksassessor Dr. v. Lochen als Vertreter der Königlick-en AmtShauptinann- chast Tresden-Altstadt. Nachdem der Vorsitzende. Herr Redakteur Tiesler, die Versammlung mit einem drei sacken Hoch ans Ihre Majestäten den Kaiser und den König Friedrich August eröffnet li-atte, ergriff der mit lebliaftem Beifall dc'grüßte .Herr Reichstag-sabgeordnete Dr. Stresc- mann das Mort zn einem einstündigen Llortrage über die am 14. März im Neick>stage erfolgte Beantu>ortung der Interpellation bezüglich der Pensions- und Hinterbliebenen- M'rsick-erimg der Privatbeamten und über die diesbezügliclx' Denkschrift. Der Redner führte ans, daß die Frage gegen- wärtig im Mittelpunkte der Erörterungen über die Fort führung der deutschen Sozialpolitik stehe und daß die Denk- schrift ans Grund der Erliebungen des Ansschusst'S zur Förderung der erUlähnten Versickerung entstanden sei. ES sei nottvendig, immer tvieder auf die Grundgedanken und die moralische Berechtigung der Sacke lnnzutteisen. Der Stand der Privatbeamten wünscke ebenfalls, daß die sozialpolitische Osistetzgc'bililg, die unter dem alten Kaiser Willelm und unter dem Fürsten Bismarck entstanden sei, auch ans ihn ausge dehnt werde und wobt sämtliche Parteien im Neick>stage seien sich darüber einig, daß diese Forderung berechtigt sei. Noch vor einigen Jahren iwbe sich allerdings die von Dr. O-ertel redigierte „Deutsche Tageszeitung" gegen diese Forderung ansgesprockxm. Man müsse bedenken, daß es gegenuxirtig zirta l >,ä Millionen Privatbeamte im Dentsckx'n Reiche gebe, die man als einen nenentstandenen Mittelstand bezeichnen könne, dem ebenfalls die Vorteile einer stnat- Iick>en Pensions- und Hinterllliebenen-Versicherung znge- billigt nx'rden müßten, wie dem Arbeiterstande, für de» in dieser Hinsickst sckwn Vttlliardim ansg«^geben uwrden seien. Die Anödelmnng einer staatlickx'n Versick>ernng ans die Prik'atbeamteil liege jedoch nicht nur im Interesse dieses Standes, sondern auch im Interesse der Industrie. In Sacksten bestel-en in dieser Hinsicht noch gute Verl)ältnisfe.