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Dienstag den 28. Januar 1923 Nr. v. Seite 2 übernimmt die Verpflichtung, die Besichtigung der Wildsütterung, des Fasanerieschlößchens dauernd, und des Sch osses selbst an 150 Tagen des Jahres zu gestatten. Ferner erhält der Fami lienverein eine Barabsindung von 14 Millionen Mark nebst b v. H. Zinsen vom 1. Juli 1920 ab. Dem vormaligen König wird das Jagdrecht auf Lebenszeit auf den Revieren Rehrseld, Altenberg und Nassau, und aus Auer- und Birkwild aus dem Revier Bad Elster 1 eingeräumt. 8 2 beschäftigt sich mit den Kunstsammlungen und legt die Gründung einer Kulturstistung als Stiftung des öffentlichen Rechts fest. Als Zweck der Kulturstistung wird di« Förderung und Erstattung der einzigartigen Sammlungen d«S ehemaligen Königshauses und deS Staates in einheitlicher Hand und im Interesse des Volksganzen bezeichnet. Der Vorstand der Kultur- stistung besteht aus dem jeweiligen Kultusminister, Finanzmtnt- ster und drei weiteren vom Gesamtministerium zu ernennen den Mitglieder». Zur Kulturstiftung zählen die Gemäldegalerie, das Kupserstichkabinett, das Grüne Gewölbe, die Skulpturen- sannnlung, das Historische Muftum, die Gewehrgalerie, di« Por- zellansamnilung, da? Münzkabinett, die Museen für Tier- und Völkerkunde, das Mineralogi'ch-geologiiche Museum nebst der prähistorischen Sammlung, der Mathematisch-Physikalische Salon und die Landesbibliothek, sämtlich in Dresden, und zusammen- genommen, Objekte von vie'en Milliarden Wert. 8 3 behandelt das übrige Haussideikommißvermögen. Da nach fallen dem Staate die Einrichtungsgegenstände in den Fest- ränmen des Dresdner Schlafes und im Pillnitzer Schlosse, so wie der gesamte Inhalt der im Ta'chenbergpalais befindlichen Kapelle zu, gegen die Verpflichtung, die Kapelle in einer der Ueberlieferüng entsprechenden Weise zu erhalten (katholische Kul- tuSzwecke). Ferner erhält der Staat den gesamten Fundus der Hostheater, das Grundstück des Neuen Schauspielhauses und andere Grundstücke in Dresden. DaS gesamte übrige Hausfidei- kommißvcrmögen geht in das sreie Eigentum, des FamtlienvereinS über. - 4 verpflichtet den Familienvercin Hau» Wettin »ur Er haltung der verschiedenen Familiengrüfte in der Hofkirche usw. Im 8 5 wird dem Familienvercin ein Kapital von rund Sch Millionen Mark zur Ablösung des Anspruchs aus die Sekundo- geniturrente zur Verfügung gestellt. In den 88 6—10 werden dl« rein rechtlichen Frage» geregelt. Außer den oben angeführten Gebäuden, Gegenständen und Rechten erhält der Fammilienverein noch aus den vornial» Königlichen Sammlungen (künftig Sächsische Kulturstiftung) ein« Reihe verschiedener, für da» Hau» Wettin in persönlicher Be ziehung kostbarer Stücke (auS dem Grünen Gewölbe 9? Num mer», darunter Miniaturen, Petschafte und das berühmte „Gol dene Ti" auS dem Besitz Augusts des Starken). Ferner auS dem Grünen Gewölbe den polnischen Krönungsornat, je 20 Rock knöpfe aus der Diamanten-, der Brillanten-, der Rubin-, der Saphir- und der Smaragdgarnitur, ferner den (niemals ge tragenen) Großen Stern zum Hausorden der sächsischen Rauten krone und andere Edelsteine und Perlen. Aus dem Historischen Museum erhält der Familienverein 125 Stück alter Waffen, Bilder und Miniaturen, ebenso aus der Gewehrgalerie. Aus der Skulpturensammlung fallen dem Hause Wettin 25 Mamnwr- und Bronzestücke zu, aus der Porzellansammlung viele kostbare Stücke, die allerdings meist noch einmal vorhanden sind. Buch aus der Gemäldegalerie erhält das Haus Wettin zahlreiche wert volle Bilder, vor allem Heiligenbilder und alte Holländer. Oftsachsentag der Ientrumsz>artei Schirgiswalde, 21. Januar. Die Verlzandlnngen des Ostsachenlages wurden vormitcag eingclenel mu einer Bertrelerversammtung, die r>»r über 100 Teilnehmern besucht mar. Trotz der schwierigen Reise- Verhältnisse waren fast alle Ortsgruppe» des Wahlkreises r st- sachse» der Zentrumspartei vertreten. Bürgermeister Hetz! ei» erstattete einen ausführlichen Bericht über die Entwicklung dry ZenlrumSpartci m Sachsen. Während der Rede erschien, freudig begrüßt, ReichSiniiujler a. D. Giezbects. Außer vom Vor sitzenden wurde der Zcntrumsführer noch von dem stell». Vorsitzen den der Ortsgruppe Schirgiswalde Herrn Lehrer Prefcher de- grüßt. Rcichsmiuister a. D. Gresberts erstattete dann en anssühliches Referat über die äußere und innere Poli tik, das zum größten Teil vcriaulichen Charakter trug. Die Anssprache, die sich bis in die zweite Stunde hineinzog, ergav vollständge llebereinstiiliiwting der Meinungen, die in der An nahme der in der Nachmitlagsversammlung vorgelegten Entschlie ßungen ihren Niederschlag fand. Die Vertreterversommlung nahm einen erhebenden Verlauf und die Befriedigung über diesen Verlauf fand lebhaftesten Ausdruck. Für den Wahlfonds der Gesaintpartei wurden ansehnliche Benage gegeben. Verlaus der Tagung Die sächsische Zentrumspartei veranstaltete am Sonntag in Schirg swalde einen Oslsachsentag. Schon lange vor Beginn der Tagung war der große Saal des „Erbzerichtes" überfüllt. Aas allen Teilen des ostsächsischen Wahlkreises, vor allem aus der Lausitz, waren Mitglieder und Freunde der Zentrumspartei ge kommen. Obgleich das katholische Städtchen Lchirgiswalde von jeher einer der stärksten Pfeiler in der Partei war, hat es e ne derart wcchlorganisicrte, großangelegte Tagung noch nicht gesehen. Schon das äußere Bild der Versammlung legte ein glänzendes Zeugnis ab für den Geist des Zusammenhalts in der Partei und das Interesse an der Sackre des Zentrums. Lebhafter Beifall er- scholl, als der Redner des Tages, Neichsminister a. D. (Äies- berts, der nach langer Krankheit direkt aus dem Sanatorium (urlaubsweisc) zur Tagung gekommen war, erschien. Der Vor sitzende der Ortsgruppe Sckprgiswalde, Kaplan Dr. Soppa. be grüßte die Erschienenen, insbesondere den Minister und die De- legierten, und gab dem Wunsche Ausdruck, daß die Tagung zum Besten der Zentrnmsparlei ganz Sachsens sein möchte. Er bat. daß man der Parte) auch künftig Treue bewahren möge. Bürgermeister H e ß I e i n - Schirgiswalde begrüßte eben falls die stattl che Versammlung aufs herzlichste. Er gab seiner Befriedigung über den guten Verlauf der Delegiertenvcrsaini». lung am Vormittag Ausdruck, in welcher u. a. beschlossen worden sei, Parteitage in den einzelnen Kreisen alzuhalten. ScknrgiS- Walde mache damit den Anfang. Die Zentrumspartei sei auf dem Vormarsche. Er gab der Zuversicht Ansdruck, daß von der Sch'r- giswalder Tagung sich neues Leben und Optimismus in die Zen» lrnmst'artei ergießen werde. Die Landtagswahlen hoben erneut bewiesen, daß diejenigen Recht behalten haben, die von je den Standpunkt vertreten haben, daß in Sachs-m Besserung schassen kann allein eine große christliche Partei, und die sei du Zentrumspartei. Mit dem Rufe: Aus zum Kampf und Sieg für unser deutsches Vaterlandl Sorgen Sie dafür' schloß er seine von Beifall begleitete Ansprache. Im Mittelpunkte der Tagung stand die Rede deS Reichspost ministers a. D. Giesberts über «Die Politik der Zen - trumspartei seit der Revolution". Seit Abschluß des Versailler Vertrages ist das betrübendsle Ereignis in unse rem Vatcrlaitde die Besetzung des Ruhrgebietes durch die Fran. zosen. Diese BeschlagnalMe des wirtschaftlichen Herzens Leiulch- lands ist die welsche Antwort darauf, daß wir seit Abschluß des Vertrages Menschenmögliches geleistet haben, unn den Bestim mungen des Vertrages nachzukommen. Wir wollen allez tun, damit die unverantwortliche Ruhraktion zum schließichen Erfolg für unser Vatcrand werde. Man macht der Zentrumspartei ven Vorwurf, daß sie seit der Revolution gemeinsam mit den Sozia listen in der Regierung sitzt und Erfüllungspolitik rrnbt. Tie Zentrnmst'artei ist unschuldig an der Revolution, sondern die jenige» tragen die Schuld, die damals die Flucht aus ihren Re- gierungsstellen ergriffen. Die Revolution ist heute, nach vier Jahren, überwunden trotz der inneren Nöte und zwar dank d,s gesunden Instinkts des deutschen Volkes. Die Revolution war nicht das Ergebnis eines von langer Hand vorbereiteten Planes, sondern das Resultat eines durch innere und äußere Bedräng nisse erzeugten seelischen Verzweiflungszustandes.. T».e allen Gegensätze zwischen Sozialdemokratie und Zentrum, nam'.ntlicy auf religiösem Gebiete, bleiben nach wie vor bestehen. Wer der Zentrnmspartci heute Vorwürfe macht wegen ihres Zusammen gehens mit der Sozialdemokratie, der hat sehr schnell Weltge schichte vergessen. Es handelt sich für die Partei heute varnm, das deutsche Volk vor dem Chaos, vor dem Bolschewismus zu be wahren. Wenn die bolschewistische Welle von Rußland her nicht auch Deutschland überflutete, so hat einen gute» Anteil daran die Zentrumspalitck. Wir stehen bewußt auf dem Standpnnkie. mit den Sozialdemokraten gemeinsam die Negierung zu bilden, wenn es zum besten unseres Volkes ist. Bewußt hat die Zen trumspartei gemeinsam mit den Sozialdemokraten den Verscnll.r Vertrag unterschrieben, mag man ihr heute deswegen n>ch so schwere Vorwürfe machen. Die Unterzeichnung des Vertrages war gewiß furchtbar schwer und hat mir selbst, der ich ja seiner, zeit mit in Weimar war, furchtbare innere Kämpfe gekostet, Kämpfe, die sich jetzt in meinem Gesundheitszustand geltend machen. Der Minister schilderte ausführlich die Verhandlungen über Unterzeichnung oder Ablehnung des Friedensvertrages in Weimar, denen er so'bst beigewohnt hatte. Damals erklärten die Rechtsparteien ausdrücklich, daß sie keinen Fehler darin s-.h.-n würden, wenn die Zentrumspartei gemeinsam mit den Soz is- demokraten di« Negierung der Erfüllung bilden würden. Sie haben der Partei also selbst die Brücke gebaut. Warum? Weil sie selbst nicht Mut genug hatten, die Vrrantwortnng zu überneh men. Kräftig für unsere Politik setzte sich Erzberger ein. der ein Opfer seiner Ueberzeugung wurde, genau wie später Ra thenau. Erzberger habe unendlich große Verdienste um die Lache des Zentrums Wir danken ihm das über das Grab hinai'S. Er war einer der entschiedensten Vertreter des Reichsgedank'nS. Er war nicht Gemeingut des deutschen Volkes vor dem Kruge. Erzberger schuf ein einheitliches Verkehrs- und Finanzwesen und einheitliche Kultnrgesetze. Die Zentrumspartei hat dem Reichs- einheitsgedcmken in die Arbeilerherzen gelegt, geboren -ns der Liebe zur Heimat. Die Politik der rücksichtslosen Bereicherung verwerfen wir. weil sie tm Gegensatz »teht zur christlichen Welt anschauung. Hier liegen auch die Wurzeln zu- unserer Erfül lungspolitik. Wir wollen der Welt den guten Willen zeigen und Zeit gewinnen, die weltöffentliche Meinung anders zu gestalte». Beides hat unsere Ersüllungspolitik bis heute erreicht. U.n die Goldmilliarden geht es uns heute nicht in erster Linie. ft".lern um die deutsche Freiheit. Das Rc.'acaftonsvioblrm wird durch die Ruhraktion einer endgültgien Lösung entgegengetragen. , Zu Wirtschaftsfragen ubergeymd, rollte er die Frag: auf, ob eS richtig war. die Zwangswir:>cha:t ausz»heben. Dir Ratio nierung der wichtigsten Lsbenko.lttel (Brot, Fett, Fleuch, Milch) hätte mau beibehalten sollen. A.i.y diesen S!andp>m!t hat Erzberger vertreten und die heutigen Preisverhältuisse geben ihm recht. Aufgabe der Zentrumsvo.nck ist Ausbr ngung größt möglicher Mittel zur Bekämpfung des Hungers, denn der Hunger ist erneut Pionier des lolschewiltsch^n Gedankens in unserem Volke. Bedauerlich ist die Kürzlich'lgleit der Lanrnic'schaft in der Um läge frage. Der Lärm u.n eie Um age w>rv mehr aus po litischen als aus wirtschaftliche Grün'e» gemacht Unbedingt nötig ist die Hebung »vr Produktion, uii' inserc Han- delötilanz aktiv zu gesta len. Dazu ft cie An^heouni r-s Ackst- stundentagcs absolut nicht notwendig. Im Gegenteil, die Zen trumspartei tritt für Beschaltung des " chtitano.->ia,„ S eiuj ine- den ein, ober man muß ten Achtstv >'>-. > Ara. scug anders inter pretieren, indem man me Arbeit d's'erenziert. Abstufung tcr Arbeit nach ihrer Schw ce' Das ist eine un-ftrer 'chn, rianen Aufgaben. Von diesem Standpunkte aas muß auch sie Ficge der Einstellung ausländischer Arbeiter recvenir werdeiu Die »ia- lienischen und polnischen E emenle am '.bein'.sap n Bergbau >. >r- de» jetzt zu einer schweren Gefahr >m Ruhrgebier. 'ft,m lässt,ch ist der Ste l l e na b ba r, in den Siacus- und Kommunallutre- ben, freilich muß dieser vorsichtig und ohne Hä-.cn gesch hen. In der Steuerpolitik, die Erzbergec nanien» ch in bezug auf Stützung unserer Mark sehr weitschan-'iit' a,,-e cgst Haft m^st eine Aenderung eintreten. Den Arbeitecn und Beamte» w rd die Steuer sofort von ihrem Einkommen abgezogen, weite Kr 's« aber haben ihre Steuerzettel von 1921 noch nicht zugestellt «rh.r'lcn. Im Mittelpunkte aller Bestrebungen rber muß stehen Erhal tung der Errungenschaften der Neuzeit: V«r- samiwlungS-, Wahl-, Koalitionsfreiheit, Beir» kSrätegesetz, Vcr- sorgung der Arbeitslosen u. a. m. Auch die religiösen Freiheiten lasten wir uns nicht nepmei:, dazu ist aber i.stcr Zusammenhalt im Zentrum unerläßlich. Die Zentrnmspartci muß die unabhängige politische Partei bleiben, wie sie auS Kultnrkampfzeiten herborgegar.gen ist. Die innere Unruhe m der Zentrumspartei muß aufhören. Windtborstlcnte müssen die Zentrumsloute sein mit Zielen, die das Wohl unseres Vaterlan des und deutschen Volkes im Auge und Hcrzen haben. Im Anschluß an den mit minutenlangem^ brau endem Bei fall aufgenoinmenen Bortrag wurden folgende drei Ent schließungen einstimmig angenommen: 1. Ruhraktion Entschließung 1: Die zum Ostsachsentag am Sonntag den 21. Januar 1923 ln Schirgiswalde vcrsainmelten Vertreter der Ortsgruppen der Zentrumspartei des Wahlkrei'es Ost'achftn und die von über 1200 Personen besuchte Zentrumsvcrsammlung geben ihrer Ent rüstung über die Gewaltherrschaft der Franzosen ini Ruhrrevier Ausdruck. Sie ent'enden den schwerle- driickien Brüdern und Schwestern im ge aniten beftioeii Gebiete herzlichen Gruß und versichern sie der lebhaftesten Anteilnahme. Sie danken den Arbeitgebern und Arbeitnehmern des Ruhr reviers für ihr mannhaftes Auftreten. Sie rufen der Ve- Bcvölkeruiig des besetzte» Gebietes zu: Haltet aus im Stnrm- gebrauS! Sie geloben: Treue gegen Treue. In der einen großen Not soll und darf mir ein Wille herrschen, getragen von einem einigen Volke. In diesem Sinne appellieren sie an alle Volksgenossen im ganzen Deutschen Reiche: Seid einig, seid treu, seid aber auch be'onnen! Nichts könnte dem äußeren Feinde erwünschter sei», als unbesonnene Handlungen. Die Regierungen des Reiches und der Länder aber werden aufgefordrrt, mit aller Energie gegen Wucher und Schiebertum vorzugehen, und gegen den Vergnügungstaumel wei- ter Kreise einzuschreiien. Treu auf dein Bode» der Verkostung stehend, bekenne» die Versammelten sich zur Mitarbeit an den Reichs und Staatsanfgaben mit dem großen Zieft: Freiheit für das deutsche Volk und Vaterland, Befreiung aus dem Joch der Unter drücker. Dfe Perle des Schwarzwaldes Roman von Ed. Wagner (Nachdruck verboten.) (39. Fortsetzung.) „O. wie freue ich mich, Sie zu sehen, Großvater!" rief sie ans. „Ich habe Sie seit meiner Ankunft in London vor eines Woche jeden Tag erwartet und fürchtete schon, Sie würden gar nicht komme»!" Der alte Lord reichte ihr nur ernst die Hand, indem er erwiderte: „Ich erhielt deinen Brief, welcher mir deine Rückkehr nach London niittcilte, Edith, aber es war mir nicht möglich, eher zu dir kommen." „Ich bin immer froh. Sie zu sehen, zu welcher Zeit es auch sei» niag, lieber Großvater!" sprach Lady Trevor lebhaft. „Wie geht es d icftS Frühjahr mit Jbrer Gesundheit? Als ich Sie zu St. Leonards sah, waren Sie leidend." „Ich bin ganz wohl, Edith," versetzte der alte Herr. „Ich bin mit Glenham beinahe den ganzen Winter tn der Stadt ge wesen." „Ja, ich weiß," erwiderte Lady Trevor, sich neben den Marquis sehend und ihn mit einem Blick zärtlichste» Betrübnis ansebend. „Sie waren bemüht, Miß Romberg aufzusuche». Haben Sie sie gefunden?" „Ich habe Gordon seit meiner Rückkehr in die Stadt nicht wiedcraescben." fubr die Lady fort. „Wo ist er?" „Auf dem Kontinent, um eine neue Svur zu verfolgen, die aber gewiß cbenft re'ultntlos sein wird wie alle die übrigen." ant- worlete der alte Lord seufzend. „Miß Romberg wird seit beinahe sieben Monateil vermißt, und ich bin nahe daran, zu verp, zweifeln." „Welch ein seltsames Geheimnis dies ist!" sagte die Lady gedankenvoll. „Meine Ansicht ist, daß das Mädchen tot sein muß!" ' I -- „Wo aber ist denn ibre Dienerin?" fragt« Lord Leonards scharf. „Zwei Per'onen können doch nicht von der Erde ver schwinden, ohne nur eine Spur nirückznlassen? Ich lasse mich nicht von der Ueberzeugung abbringen, daß da irgend eine Schurkerei verübt worden ist! Abczr so wahr ich lebe, ich will die Wahrheit ans Licht bringen, und derjenige, welcher Miß Mom berg ei» Leid zugefügt hat, — wer «S auch sein mag, — soll dafür seine Strafe empfangen, — leine «remplarilche Strafei" Lady Edith erzitterte, aber ihr Gesicht blieb unbewegt und scheinbar teilnehmend. „Wie sehr Sie sich doch für das Schicksal dieses Mädchen«, ivelcheS Sie nur zweimal gesehen haben, interessieren!" äußert« sie. „Sie gefiel auch mir —" „Sie gefiel dir — dir?" unterbrach der Marquis sie mit Bitterkeit. „Ohne deine Verräterei, sie aus meinem Bereich zu bringe», würde sie heute sicher tn meinem Hause sein. Wenn sie tot ist, fällt die Schuld auf dich! Mir ist ja alles nur zu klar! Du wußtest, daß ich sie adoptieren wollte, wenn sie damit einverstanden sei, und einzig darum faßtest du die Idee, sie nach Greycourt zu schicken. Du — nur du bist verant wortlich für alles, was geschehen ist!" Lady Trevor hielt ihr Taschentuch vor die Anaeu und tat, als wenn sie schluchzte. Aber den Marquis beirrte das nicht. „Deiner Hinterlist habe ich alle Sorgen meines Lebens zuzuschreiben, — meine ganze schreckliche Einsamkeit," fuhr er fort, und tiefe Furchen lagerten sich auf seiner Stirn. „Wenn du meine kleine Enkelin nach dem Tode ihrer Mutter, wie diese eS dir aufgetrage», zu mir gebracht hättest, würde ich Adeline heute bei mir haben. Manchmal zweifle ich doch noch an dir, trotz aller deiner Versicherungen. Manchmal bei Tag wie bei Nacht, drängt sich mir, — ob ich will oder nicht, — doch noch der Gedanke auf, baß du das unschuldige Kind dennoch getöt hast, um sein Vermögen zu erben!" „Großvater!" Der Marquis stieß ihre Hand zurück, welche sie nach Ihn« ausstreckte, und rückte weiter von ihr fort. „Ich kann diesen Namen von deinen Lippen nicht hören, Edith!" rief er hart. „Ich war die ganze vorige Woche wach und dachte zuerst an Miß Romberg und dann an dich und meine kleine Adeliue. Und alle meine früheren Zweifel an dir kamen mit verdoppelter Stärke über mich. Ich erinnerte mich, daß dein Mann eine Schmach für die Edelmannschaft Englands war, daß — — Doch ich bin nicht gekommen, um alte Ge schichten wieder aufzurühren oder dich anzuklagen. Ich will es nicht wissen, ob du schuldig oder ob dn es nicht bist. An dem Tage, an dem die Geheimnisse aller Herzen offenbar' werden, wird sa auch die Geschichte von dem Tode der kleinen Adeline ihre Prüfung zu bestehen haben!" „Sie tun mir grausames Unrecht!" sagte Lady Trevor, heimlich erbebend. „Ich bin unschuldig an dem Tobe der klei nen Adcline. Zu bereuen habe ich nur, daß ich sie nicht gleich nach ihrer Mutter Tode zu Ihnen gebracht habe. Lassen Sie doch endlich Ibre Zweifel an mir satten und seien Sie gerecht gegen mich, Großvater!" Und sie sah den Marquis mit so traurig bittenden Augen an, daß die ganze unüberwindliche Aversion, die er vor ihr empfand, dazu gehörte, ihn .ungerührt bleiben zu lassen. „Wir wollen nicht weiter davon reden," entgegnet« Lord Leonards kühl, „sondern von etwas, was den» am nächsten liegt. Und das ist dieser Mr. Pulford. Er ist noch in deinen Diensten, wie ich höre, Edith. Ich kam besonders deshalb hierher, um ihn doch einmal zur Rede zu stellen. Das Gerücht, daß du ihn zu heiraten beabsichtigst, tritt mit immer größerer Bestimmtheit auf." - „So bitte ich Sie, diesem Gerücht mit Ent'chiebenheit entgegenzutreten, Großvater, denn ich habe nie die Absicht ge habt, ihn zu heiraten," erwiderte die Lady, die vor dem Ge danken eines Zusammenstoßes zwischen dem alten Lord und Pulford erbebte. „Ich weiß zu gut, was ich meinem Renae und meiner Familie schulde, als daß ich eine zweite Heirat ich'icßen könnte, welche gegen den Willen meines Großvaters wäre. Außer dem" — und sie senkte mädchenhaft die Augen — hofft ich, daß Ihr früherer, eine Wiederverheiratnng von mir be'rc'fender Wunsch noch in Erfüllung geht. Sie wissen, daß ich Lord Glenham liebe. Seine Mutter wünscht me^r als je die Heirat ihres Sohnes mit mir und diese Heirat wird zustande koni" «n, wenn der Einfluß einer Mutter und die Beständigkeit einer Liebe, wie die meine, noch etwas ausznrichten vermögen!" Der Marquis hatte ihr mit gefurchter Stirn zugehört. „Glenham kann tun, was er will, ich werde ihn in keiner Weise beeinslnssen," sagte er jetzt. „Solange ich glaubte, Miß Romberg sei eine Abenteurerin, suchte ich ihn durch eine Heirat mit dir vor einer Torheit zu bewahren. Nun ich das Mädchen aber gesehen habe und weiß, daß sie rsein und seiner würdig ist, würde ich ihn verachten, wenn er dich heiratete. Das ist meine unumwundene Ansicht von der Sache!" Ehe Lady Trevor antworten konnte, trat Mr. Pulford ins Zimmer. Er verbeugte sich mit einer Art Vertraulichkeit vor de» Marquis, welcher ihn einzig mit stolzer Verachtung betrachtete. „Wir haben soeben von Ihnen ge'prochen, Mr. Pulsord," sagte der alte Lord streng. „Ich habe Lady Trevor mitgeftilt, daß ein Gerücht im Umlauf ist, welches Sie mit ihr verlobt bezeichnet. Darf ich Sie bitten, dieftm Gerücht zu widerspreche»?" Mr. Pulford sah erst Lady Trevor fragend an, deren ver stohlene Gebärde, dem Marquis eine zufriedenstellende Antwort zu geben, er jedoch nicht beachtete; dann wandte er sich dem alten Lord zu. „Ich bin so glücklich, Mylord, dieftn Widcr'pruch nicht nötig zu haben," sprach er. „Edith, läge doch auch dn dem Mar quis, daß das Gerücht auf Wahrheit beruht, — daß dn beab sichtigtest, ihm eine Ueberraschung zu bereite», — und daß ich binnen kurzem sein Schwiegerenkel und dein glücklicher Gatte sein werde I" > Die Wirkung dieser ruhigen Erklärung auf den Marquis, nachdem Lady Trevor ihm ein paar Minuten früher ihre Ver lobung mit Entrüstung in Abrede gestellt hatte, überstieg noch die, welche Pulford erwartet hatte. Nachdem Lord Leonards eine Weile ln ungläubiger Er starrung dagestanden hatte, erklärte er dem würdigen Paar« ebenso ruhig, wie Pulsord gesprochen hatte, aber mit Eiseskälte, daß er diese Heirat niemals anerkennen, sondern leine Enkelin vielmehr verstoßen und enterben werde. (Fortsetzung folgt.)