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Aus Stadk und Land. (Kort etznnq au» dem Hauptblatt.) —* Das technische Personal des Residenz- theaterS veranstaltet am 8. April d. I. im Gewerbe haus. Ostra-Allee. einen Familien-Abend, betitelt «Ein Gartenfest bei der lustigen Witwe". Die Svlo-Herrschasten des ResidenztheaterS haben unter Leitung des Herrn Kapell meister Brenner in liebenswürdiger Weise den gesanglichen Teil des Programms übernommen. Viele Dresdner Firmen haben Gaben zu einer reichhaltigen Tombola gestiftet. —* Das Königliche Finanzministerium beabsichtigt im Anschluß an die städtische Straßenbahn Wölfnitz—Post platz—Arsenal zwischen dem Arsenal und Klotzsche (Schänkhllbel) eine Straßenbahn zu erbauen, deren Be trieb die Stadtgemeinde übernehmen wird. Die Straßen bahn ist für Personen- und späterhin auch für Güterverkehr bestimmt und wird eingleisig ausgebaut. Der Rat ge nehmigte den hierüber vorliegenden Vertragsentwurf. —* Man kaufe keine Ansichtskarten, auf denen Tier quälereien abgebildet sind! So erhielten wir kürzlich einige Karten, auf denen Jungenstreiche dargestellt waren; sie sollten witzig sein. In einem Falle ließen die Bengel einige Frösche in den Schirm eines lesenden alten Fräuleins springen, im anderen banden sie den Hund von der Leine und befestigten statt seiner eine Ratte mit dem Schwanz daran, im dritten Falle war eine Katze, mit einer Schlinge um den Hals, an einen steigenden Kinderballon festgebunden. Derartige Karten müßten beim Händler gleich mit Ent- rüstung zurückgewiesen werden. Es ist doch schon die Klage allgemein, daß Tierquälereien immer häufiger werden, die Roheit von Tag zu Tag zunimmt, und daß unsere Kinder nicht mehr kindlich sind. Warum liefert man nun unter der Form des Kunstwerks noch neue Mittel, welche das Verderben und die Verrohung nur steigern können? So harmlos die Sache an und für sich auSsieht, so muß sie doch schlimme Folgen zeitigen. Man unterstütze diese Vorschubletstung der Roheit nicht! JohstSdt, 29. März. Beim Schlachten eines Kaninchens hat in Schmiedeberg ein Maurer seinen Tod gefunden. Er durchschnitt sich mit dem Messer die Schlagader am Oberschenkel und verblutete, da Hilfe nicht sogleich zur Stelle war. Leipzig. Eine in der Kirchstraße wohnhafte 19 Jahre alte Arbeiterin erlitt gerade in dem Moment einen Ohn machtsanfall, als sie einen Topf kochenden Wassers in den Händen hielt. DaS Mädchen verbrühte sich dabei die ganze vordere Körperseite. Uuterwiesental, 29. März. Am ersten Feiertag abends erloschen plötzlich hier und in Böhmisch Wiesental infolge Kurzschluß sämtliche elektrischen Flammen, so daß man wieder zur Petroleumlampe greifen mußte. Zittau, 29. März. Ein tödlicher Unglücksfall ereignete sich Montag abend in Oberseifersdorf. Dort berührte der 16jährtge Dienstknecht Reichelt in der ersten Etage der Wohnung seines Dienstherr» nach Hinausbeugen aus einem Fenster die dort vorbeiführende elektrische Starkstromleitung. Er wurde augenblicklich getötet. Gera, 29. März. In Abwesenheit der Eltern machte sich die 2*/, Jahre alte Tochter des Kutschers Freund am Ofen zu schaffen und stand sofort in Hellen Flammen. DaS kleine Wesen starb unter gräßlichen Schmerzen an den erhaltenen Brandwunden. Erfurt, 29. März. DaS dritte Thüringische Infanterie- Regiment Nr. 71 begeht vom 21.—23. Mat d. I. in Erfurt die Feier des 50jährigen Jubiläums. Zu dieser Festlichkeit haben bisher gegen 3000 ehemalige Angehörige des Regiments ihr Erscheinen zugesagt. Sport. 8p. Nationales Wettfliegen zu Dresden am 29. März. Die Resultate der Wettfahrt des Nationalen WettfltegenS vom 1. Osterfelertage gehen von heute früh an telegraphisch bei Herrn Hauptmann v. Funke, dem Organisator des Preßbureaus deS König!. Sächs. Vereins für Luftschiffahrt, ein. Die Zusammenstellung der Resultate und die Fest- srtzung des Siegers erfolgr erst in 14 Lagen bei dem Zusammentritte des Preisgerichts, das sich aus folgenden Herren zusammensetzt: Professor Dr. Abegg-BreSlau, Major v. Eulitz Dresden, Rektor Professor Dr. Pocschcl-Meißen, Justizrat Dr. Reichel-Meitzen, Rudolf Sieler-Plauen, Dr. Weißwange-Dresden und Architekt Wui-derlich-DreSden. Eine frühere Festsetzung des Siegers ist infolge der genauen Abmessung der Entfernungen, welche die einzelnen BallonS zurückgelegt haben, nicht möglich. Ebenso müssen auch die Bordbücher genau geprüft werden. Bezüglich der Fuchsjagd dürfte tatsächlich dem Ballon Sachsen des Chemnitzer Vereins für Luftschiffahrt, der mit Herrn Dr. Rostosky (Führer) und Herrn Leutnant Eulitz besetzt war, der Sieg zugesprochen werden. Der Fuchsballon Dresden landete am Ostersonntag nachm. i/z6 Uhr bei Algersdoif zwischen Bvdenbach und Böhmisch- Leipa. In der nächsten Entfernung, und zwar nur 286 Meter davon, landete dann der Ballon Sachsen, der sich allerdings, wie nach hier mitgeteilt worden ist, von einigen Bauern am Schleppseil halten ließ. Ob die Landung als ordnungsmäßig angesehen werden wird, muß das Preisgericht selbstverständlich entscheiden. Wie man hört, ist bereits ein Protest gegen den Sieger eingelegt worden, lieber die Resultate der Wettfahrt liegen bis jetzt folgende telegraphische Nachrichten vor: Budapest (Ungarn). 28. März. Ballon Groß vormittags 11 Uhr 6 Min. glatt bei Legend gelandet. MarkSnepu (Ungarn). 28. März. Ballon Colmar mittags 1 Uhr bet Zolnak (Ungarn) gesichtet. Mezon Cowa Csaaza (Ungarn), 28. März, Ballon Chemnitz mittag» 1 Uhr 56 Min. glatt gelandet. Tirgu-Jiu (Rumänien), 28. März, Ballon Erfurt 4 Uhr nachmittags gelandet. PerjamoS (Ungarn). 28. März. Ballon Colmar wegen SchneesturwS vorzeitig 4 Uhr 58 Mia. nachmittags glatt gelandet. Magy Arad (Ungarn), 28. März. Ballon Hamburg morgens 1 Uhr 33 Min. glatt gelandet. »p. Leipzig. Eine ganz wunderbare Fahrt im Ballon hat vorige Woche Herr Hauptmann Mohr vom Sächsischen Verein für Luftschiffahrt mit dem Ballon „Leipzig" von Leipzig aus ausgefllhrt. Diese Nachtfahrt führte zuerst über die bewaldeten Höhen des Frankenwaldes, über die tiefeingeschnittenen Täler des Main, über den Spessart. In der Gegend von Aschaffenburg erlebten die Fahrer einen herrlichen Sonnenaufgang und ein dreifaches Hurra einer Kompagnie marschierender Soldaten bot ihnen den Guten» Morgen-Gruß. In der Nähe von Mainz wurde der Rhein erreicht und der Ballon schickte sich an, eine Rhein-Reise zu machen. Da lagen sie alle die schönen Orte mit dem guten Klang — Schloß Johannisberg, Rüdisheim, Aßmanns hausen usw. Wie Nippfiguren lagen die schönen Schlösser und Ruinen unter den Fahrern, dort Schloß Nheinfels, da Schloß Rheinstein, dort der Mänseturm. Dann zog die Mosel, die ja auch ein nicht zu verachtendes Rebengelände auf seinen Ufern hat, den Ballon an, und lachend winkte das freundliche Bern-Kastel den durstigen Seglern der Lüfte zur Höhe hinauf, die hier 1900 Meter betrug. Sieben Kilometer südöstlich von Trier vorbei zieht der Ballon gen Luxemburg seine Bahn. In der Nähe von Berchem wurde nach Znrücklegung eines Weges von 590 Kilometern 12 Uhr 7 Minuten mittags sehr glatt gelandet. Nach einem Bummel durch das malerische Luxemburg kehrten die Luft- reisenden hochbefriedigt in die Heimat zurück, den Ballon „Leipzig" eilig zurückbringend, da er ja beim Nationalen Wettfliegen zu Dresden an den Kämpfen teilnehmcn sollte. Vermischtes. V Vernichtung der Vogelbrnt durch unzeitige Abfuhr von Waldhölzern. Im Frühjahre kommen all jährlich abgeschlagene Neisigwcllen und -Hölzer zum Verkauf. Bei der Abfuhr werden vielfach Vogelnester mit der Brut vernichtet. Dies kann vermieden werden, wenn man die Zeit verlegt und die verkauften Hölzer entweder vor dem 1. April oder von der zweiten Hälfte des Juli an ab- fahren läßt. Man merke sich diesen Wink. Er dient dem Vogelschutz. v Der rauhe Nachwinter ist für die bereits heimgckehrten Vögel eine Ursache deS Verderbens. Vergetzt bei der ins Winterliche umgeschlagenen Witterung nicht, daß die schutzlosen Lerchen und anderen Singvögel verhungern müssen, wenn mitleidige Menschen nicht für sie sorgen. Theater und Musik. j Dresden. Mitteilungen auö dem Bureau der König l. Hoftbeater. Die vierte Wirde-holung der Traum» dicbtung „HanneleS Himmelfahrt' von Gerhart Hauptmann im König l. Schauspiel Hause findet Donnerstag den St. März außer Abonnement statt. i Dresden. Residenztheater. Sonnabend abends geht als Bemfiz für den leider erkrankten Kapellmeister Delling er seine Operette .Der letzte JonaS' als Uraufführung in Szene. l Dresden. Konzerte. Arrangements und Etntrurskartev F. RieS, König!. Hof-Musikalienhandlung, Konzert-Direktion und Piano-Lager (Inhaber: g. Plötaerj, Seestraße 2t (Kaufhaus). Konzert zum Besten deS VincentiuS-BereinS, veranstaltet von Generalmusikdirektor E. v. Schuch unter gütiger Mitwirkung von Minute Nast, Königl. Kammersängerin. Irma Tervani, Königl. Hosopernsängerin, Ernst v. Lohnänyt (Klavier, Alfred Siltard (Orgel) und die Königt. Hofopernsäuger Friedrich Praschke und Friedrich Soot Montag den 4. April, abend» Uhr, Bereinsbaus. Sitzplätze L b. g, 2 Stehplätze L 1 Sit. — 44 — „Lebt wohl, Vater! . . . Lebe Wohl, Mutter! . . . Lebe wohl, meine Heimat!" „Ja — ja — ja!" Dann fuhr er davon im Morgengrauen. Einen weichen, Weißen Mantel hatte die Heimat um die Schultern geschlagen. Nun legte sie auch noch ibren Arm um seinen Hals: „Lebe wohl!" — Sechstes Kapitel. Auf dem Seehofe schlichen die Tage dumpf und schwer dahin. Die Ernte war beendet, die Scheuern voll bis zum First. Aber es war keine rechte Freude bei allem Reichtum. Am Tage der „Sichelhenke", wo sonst Helles Jauchzen durch den Hof klang, war es, als säße die blasse Sorge zu Gaste. Kein Wunder: wenn die Herrschaft in Sorgen ist, dämpft sich die Freude des Gesindes. Nur Friedl, die junge Magd auf dem Seehofe, war heiter und guter Dinge, und die Sorgen des Lebens fochten sie nicht an. Wie ein Sausewind flog sie durch Haus und Hof, stets rüstig bei der Arbeit, und stets ein frohes Lied auf den frischroten Lippen. Sie war lustig wie ein Vogel im Frühling und zwitscherte in einem fori mit dem roten Schnäbelein. Selbst Tafinger, so ernst und streng er sonst war — wenn er die Friedl singen und jauchzen hörte, heiterte sich sein steinernes Gesicht auf, und er blieb stehen und lauschte. - Wie ei» Sonnenstrahl huschte sie durch das alte, finstere Haus und trug ein wenig Licht hinein, ein wenig Helle! — Im Erlengrunde war jetzt trübe Zeit. Nur selten mehr klang ein Jauchzen durch das stille Tal. und Fidel und Brummbaß waren verstummt. Es gab rundum weder eine Hochzeit noch eine Kirchweih, dazu war die Zeit zu ernst und zu schwer. Die Musikanten hatten nichts zu tun, und die goldenen Quellen, aus denen sie sonst zu schöpfen gewohnt waren, versiegten. Wenn Kriegsfanfaren durch die Welt schmetterten, ist nicht Zeit zu Spiel und Tanz. , Die Musikanten und Spielleute fingen an zu hungern, das übrige fahrende Volk aus dem Erlengrunde teilte mehr oder weniger dieses Los. Auch die Bauern klagten über die schlechten Zeiten. Es gab wohl Obst und Kartoffeln, aber alles war spottbillig. Der Fruchthandel lief flau, Handel und Wandel stockten infolge des Krieges, das Geld war rar. Manches Bäuerlein mußte Schulden machen, konnte die Zinsen nicht zusammenbringen und schlich in der Dämmerstunde auf den Seehof, um Geld zu borgen. Tafinger borgte nur gegen hohe Zinsen und doppelte Sicherheit und trug die Namen seiner Schuldner in das große schwarze Buch ein, das am ganzen See bekannt und gefürchtet war Denn wer einmal da drinnen stand, der kam nur selten wieder heraus. Es fehlte in den schweren Zeiten aber auch die Liebe nickst. Mit leisen Schritten ging sie durchs Land, und tausend Hände regten sich in ihrem Dienste: tausend schlanke, warme Frauenhände, die Tag und Nacht geschäftig waren, für die Soldaten im Felde Liebesgaben zu sammeln, um den jungen Kämpfern ihre schwere Lage zu erleichtern und ihre Not zu lindern. Ge- segnet, gepriesen wurden sie dafür — dis deutschen Frauen und Töchter I — — 41 — Eine stille Sehnsucht war immer in seiner Seele gewesen, ein leises Heimweh nach dem fernen heiligen Lande seiner Jugend. Im ersten Jahre, als er das Gymnasium in Ravensburg besuchte, hatte es ihn so gepackt, daß er in einer dunklen Hcrbstnacht aus Edels Haus floh und zum Seehof eilte. Seine Mutter erwachte an seinem Schluchzen, fand ihn im Grase liegen und brachte ihn heimlich nach Ravensburg zurück. Nur Hans Edel erfuhr von der Flucht — und der schwieg: er war doppelt herzlich gegen den stillen Knaben mit dem tiefen, weichen Gemüt. Mit den Jahren milderte sich zwar der Schmerz, aber das ungestillte Sehnen klang immerfort durch seine Brust. Auch jetzt erfaßte ihn wieder dieses heiße Sehnen, als er von der Hei mat Abschied nehmen sollte, als er ihr zum letzten Male in das braune, sonn verbrannte Gesicht sah. Er stand auf einem Hügel, wo eine einsame Tanne ihre vergoldete Pyramide zum Himmel streckte. In dem dunklen Tannengeäst hing das Abendrot wie eine goldene Wolke, der Himmel leuchtete wie ein rotglühender Schild und glitzernde Schleier senkten sich zur Erde und hüllten alles Land in märchenhaften Schimmer. So stand sie vor ihm — seine Heimat! Sie grüßte ihn, sah ihn an aus treuen blauen Augen und lächelte. Er vernahm ihr leises Atmen, hörte ihren Herzschlag und der Duft ihres Haares wehte über sein Gesicht. Sie zeigte ihm all ihre Herrlichkeit: das Vaterhaus mit seinem vom Abendrot über rieselten Dache und den flaminenden Fenstern, hinter denen hundert Kerzen zu brennen schienen: die wogenden Felder, deren Halme gleich goldenen Haaren im Winde wehten: die Hügel mit Wald und Busch, in Purpur ge- taucht, violette Schärpen niit goldenen Fransen um die steinernen Brüste; die grünen Augen in: bläulichen Schatten des Tales, die sich wie weicher Samt anschmiegten; den blitzenden Fluß, der raschen Laufes, mit nackten Füßen wie ein wilder Junge, mit Hellem Jauchzen, durchs Land lief, die hundert ver- sck.lungenen Wege und Pfade, die sich wie ein Silbernetz über die Felder spannten; das träumende Dorf im Abendschimmer; der Erlengrund und viel hundert gute, liebe Menschen . . . Und dann den See! Ten See im Abendschein! Wie ein Niesenopal, der in seiner schillernden Spiegelfläche alle Farben töne der Welt eingcsogen hat und sie unter dem Kuß der Sonne wieder au«- strahlt, lag er da. Die Wellen kamen und gingen. Sie trugen weiße Schaumkronen auf den Häuptern, goldene Flocken hingen daran, rosenrote Blumen blühten aus der Tiefe empor — Niesenkclche, auf deren leuchtenden Grunde weiße Perlen glänzten. Der ganze See begann zu leuchten, zu funkeln und zu sprühen wie ein Fcuerbecken. Eine stille, satte Rosenpracht erblühte aus den schaukelnden Wellen, weißer Schaum säumte wie Hermelin den schweren, faltenreichen Königsmantel, und in berauschender Pracht, in strahlender Schönheit spannte sich der Abendhimmel über die weite, glänzende Fläche. Niemals hatte Alois die Heimat in solcher Schörcheit erschaut. „Heimaterde. 11