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2. Beilage zu Nr. 26H der „Säuischen Nolkszeitung" „Viel Feind', viel «hr!« Daß die Katholiken, respektive die katholische Kirche, in Sachsen am meisten von allen deutschen Staaten gehaßt sind, ist eine Tatsache, die sich erst jetzt wieder zur Evidenz er wiesen hat. Erwiesen dadurch, daß in letzter Zeit wieder zwei Kampforgane gegen den Katholizismus gebildet worden sind oder gebildet werden. Schreiber dieses hat in verschiedenen Gegenden Deutsch lands gelebt, wo das Verhältnis der Konfession umge kehrt als hier in Sachsen war, das heißt es war die Zahl der Katholiken überwiegender, als die der Protestanten, aber von einer solchen Unduldsamkeit der Katholiken gegenüber Andersgläubiger, wie sie hier gegnüber den Katholiken existiert, ist ihm niemals etlvas zu Gesicht gekommen: im Gegenteil, man übte Toleranz auf beiden Seiten und lebte friedlich und einträchtig bei einander. Wie schon gemeldet, scheint die „Wartburg", das Organ des Evangelischen Bundes, nicht mehr die Angriffe der ultramontanen Presse abwehren zu können, und man hat, um den „römischen Feind" total zu vernichten, jetzt be schlossen. ein Monatsblatt des sächsischen Evangelischen Bundes zu gründen. Bei Aufhebung des 8 2 des Jesuiten gesetzes haben sich fast sämtliche Dresdner Zeitungen die größte Mühe gegeben, voll und ganz für den Evangelischen Bund einzutreten und auch bei der letzten Tagung des Bundes waren sie reine getreue Knappen, die für ihn durchs Feuer gingen, es ist also durchaus nicht cinzuseben, weshalb nun noch dieses Monatsblatt gegen die „Ultramontanen" in die Schranken treten soll. Es heißt in der Ankündigung, das Blatt würde zur „Abwehr" gegen die „ultramontanc Presse" gegründet werden. (Man sagt natürlich aus ge wissen Gründen stets „ultramontan", niemals katholisch.) Daß unter der ultramontanen Presse die „Sächsische Volks zeitung" gemeint ist, versteht sich von selbst. Tie „Sächsische Dolkszeitung" ist stets bemüht, die An griffe der Gegner zurückzuweisen und wird es auch weiter tun, aber daß sie den Herren vom Evangelischen Bunde einen solchen Respekt eingeslößt hat, daß dieselben neben ihrem Hauptorgan, der „Wartburg", noch ein Nebenblatt gründen würden, daß hätten wir doch nicht erwartet. Es ist aber ein Beweis, daß das „Kaplanblättchcn" oder „Bennoblättchen", wie die Herren sich sonst geringschätzend ausdrücken, vollständig an seinem Platze ist und die Kory phäen des Evangelischen Bundes können versichert sein, daß das „Bennoblättchen" ihnen bei Verdrehungen und Ver leumdungen auch weiter auf die Finger klopfen wird. Aller dings wird die „Sächsische Volkszeitung" auch noch ein weiteres tun, sie wird die Herren vom Bunde darauf auf merksam machen, wo ihnen der Schuh am meisten drückt und wo sie nach Art des Vogel Strauß den Kopf in den Sand stecken, um nichts zu sehen, dieses ist der Zwie spalt in ihrem eigenen Lager, in ihrer eigenen Kirche. Der Kampf mit Nom läßt sie nämlich vollständig vergessen, daß immer mehr und mehr Mitglieder ihrer Kirche von dem wahren Evangelium sich lossagen, und daß selbst Pastoren dazu beitragen, Verwirrung die die Reihen der protestantischen Gläubigen zu tragen, indem sic so ver messen sind, die Lehre unseres Herrn und Heilandes einer „Revision" zu unterziehen. Wie gesagt, davon sehen diese Katholikenhasser nichts oder besser gesagt, sie wollen nichts davon sehen. Tie Haupt- sache ist ihnen der „Kampf gegen Rom" und die „Los von Rom"-Bewegung, welche beiden Dinge sie geradezu als Sport betreiben. Den ehrlich-denkenden christlichen Protestanten widert dieses Schauspiel selbst an und früher oder später wird die Zeit kommen, wo den Herren von ihren eigenen Glaubensgenossen ein energisches „Halt!" ent gegengerufen werden wird. Eine zweite Waffe „gegen das wachsende Fortschreiten des Ultrainontanismus" ist kürzlich in Leipzig geschmiedet worden. Da hat sich, wie schon berichtet, eine „Freie deutsche evangelische Konferenz" gebildet. Es wird ge sagt, daß die Referenten bei der Gründung dieser Kon ferenz, Herr Professor Wach und Herr Generalsnperinten- dent Kaftan, „mit Nachdruck auf das wachsende Fortschreiten des Ultrainontanismus" hingewiesen haben. Das ist nicht recht zu verstehen. Einmal wird mit Trompetengeschmetter erklärt, daß die evangelische Bewegung immer mehr Fort schritte mache, jedes Ouartal wird die Meldung von so und so vielen Uebertritten von der katholischen zur evangelischen Kirche gebracht und nun plötzlich wird wieder von einem „Fortschreiten des Ultrainontanismus" gesprochen! — Er kläret mir, Graf Oerindur! Dann ist von den Herren noch betont worden, daß die evangelische Kirche beansprucht, durchaus ein selbständiger Faktor in unserem öffent lichen Leben zu sein!" Das heißt mit anderen Worten: Nach den Herren ihrer Pfeife soll alles tanze» und die Ka tholiken können froh sein, daß sie von den führenden Leitern der „Kampf gegen Rom"-Bewegung geduldet werden, im übrigen haben sie „nir to seggen!" — Das wäre so nach dem Wunsche dieser Herren: Gott sei Dank sind wir aber noch nicht so weit, und es wird dieses wohl auch nur ein Wunsch bleiben, so lange man in deutschen Landen das Wort Toleranz nicht nur dem Namen nach kennt. Den Spektakel, den diese Herren vollführen würden, möchte man sehen, wenn in einem Lande, wo es mit der Konfessionalität in umgekehrter Weise als hier in Sachsen bestellt wäre, solche gehässige Propaganda von seiten der Katholiken betrieben würde! Eingangs haben wir schon erwähnt, daß wir solche Gegenden kennen und dort gelebt haben, aber eine solche Treiberei ist von Katholiken nie in Szene gesetzt worden, man hat sich dort unter Anders gläubigen bewegt, wie es sich für anständige Menschen ge ziemt. Wir sind natürlich weit davon entfernt, etwa die Pro testanten im Allgemeinen für diese Hetze verantwortlich zu machen, das liegt uns fern, wir wissen ganz genau, von welcher Seite und zu welchem Zwecke diese Bekämpfung der Katholiken ansgeht und geschieht und werden nach wie vor uns gegen maßlose Angriffe mir Energie zu verteidigen wissen. Nach der Devise: Für Wahrheit, Recht und Freiheit, die den Titel unseres Blattes ziert, wird die „Sächsische Volkszeitung" auch ferner jede Verleumdung. Verdächtigung und Anrempelung des katholischen Glaubens und der Katholiken bekämpfen. Je mehr wir von alleil Seiten angegriffen werden, je mehr man sich gegen uns verbindet, um uns zu vernichten, desto mehr werden wir die Wahrheit zu verbreiten suchen, um den Hetzereien und Wühlereien den Boden zu entziehen. Dann können wir stolz auf unsere Arbeit sein, denn die Erfolge werden nicht ausbleiben — „Viel Feind', viel E h r'!" - «>. Aus Sradr und Land. —* Der Sächsische Landesverband für staatlick>e Pensionsversicherung der Privatangestellten sandte von seiner in Chemnitz stattgesundenen Vorstands sitzung an Se. Majestät den König Friedrich August ein Hnldigungstelegramm, worauf Herr Redakteur Tiesler- Dresden als Vorsitzender des Landesverbandes folgende Antwort erbielt: „Ich Hab Mich über die von Ihnen und den Mitgliedern des Sächsischen Landesverbandes für staat liche Pensionsversicherung der Privatangestellten Mir ge brachten Huldigungsgruß und Treuegelöbnis sehr gefreut und danke berzlichst für die Segenswünsche zu meiner Re gierung. Friedrich Anglist." ' B u r e a ubeamle , als Bureauvorsteher. Bu- reaiigebilfen. Bureauanwärter. Sekretäre. Registratoren, Assistenten, Erpedienten, Kopisten, Schreiber nsw. bei Be- börden, Berufsgenossenschaften, Krankenkassen, Versiche- rnngs-, Aktien- und sonstigen Gesellschaften und kaufmänni schen Unternehmungen, bei Rechtsanwälten, Notaren. Pa tentanwälten und sonstigen Privaten, die sich einer Berufs organisation anschließen wollen, wird der Beitritt zum Verbände deut s ch e r B u r e a nbea m ten , Sitz in Leipzig, empfohlen. Der Verband gewährt die Rechte einer juristischen Person, vertritt in wirksamer Weise die Interessen aller Bnreaubeamten, fördert durch seine Kreis vereine Bildung und Geselligkeit, besitzt eine Kranken- und Begräbniskasse, eine Sterbetasse, eine Unterstütznngskasse für Stellenlosigkeit und Erkrankung der Ehefrau sowie für andere Notfälle, eine Tarlehnskasse, vermittelt Stellen und unterhält eine eigene Verbandszeitnng. Der Verband zählt bereits über 2500 Mitglieder: Kreisvereine und Zahlstellen bestehe» etwa 00 in allen Gegenden des Deutschen Reiches. Ter Mitgliedsbeitrag beträgt für volljährige Mitglieder -I Mark, für minderjährige 2 Mark für das Jahr. Anmel dungen nehmen entgegen und Auskünfte erteilen bereit willigst die Vertrauensmänner der sächsischen Kreisvereine in Leipzig, Chemnitz, Freiberg, Werdau, Zwickau, Plauen, Pirna und des Kreisvereins Altenbnrg, S. A., ferner der Vorsteher der Bezirksvereinigung Königreich Sachsen (ein schließlich Amtsgerichtsbezirk Altenbnrg) Kanzleivorftehcr Otto Lange in P l a n e n , Heubnerstraße 00, und die Ge- — 144 — „Wollen Sie damit sagen, daß in Ihrem Hause in der Tat der Mangel herrscht?" fragte Holdstvorth erschreckt mit leiser Stimme. „Ja, so ist es," bestätigte Konweg wie mit Tränen kämpfend. „Alles, was ich in diesem Augenblick besitze, besteht in zwei Schilling!" „Haben Sie denn außer Ihrem Beruf gar keine Einnahmequellen?" „Nein. Ich bedurfte auch keiner Nebeneinahmen. so lange ich im Zen trum der Stadt wohnte und eine ausgedehnte Praxis hatte. Aber Brotneid und rücksichtslose Konkurrenz sprengten lügenhafte Gerüchte über mich ans und schadeten meinem Ruf. Ich verlor meine besten Kunden und mußte endlich hierher in diesen entlegenen Stadtteil ziehen, weil die Mieten hier billiger sind. Gott weiß, wie ich seitdem gelobt habe," rief er zähneknirschend, „der Pfandleiher war bald meine einzige Hilfe, und jetzt sind kaum noch die nötigen Betten vorhanden. Es ist ein Leben vom Teufel!" brauste er aus einmal wild auf, sich mit der Hand durch das Haar fahrend: „Wenn ich nicht Weib und Kind hätte, meine herzige kleine Nelly, für welche ich, trotzdem ich ihr Vater nicht bin, doch die Liebe eines Vaters empfinde, ja. wenn mich diese beiden teuren Wesen nicht hielten, ich wüßte, was ich täte." Hierauf trocknete er sich mit dem Taschentuch, welches er, während er sprach, nervös in den Händen geballt hatte, die Stirn und sah verzweiflnngs- voll vor sich nieder. Tic eingetretene Pause unterbrach Holdswortb: „Könnte ich nicht idgend etwas für Sie tun?" „Ach, wie dürste ich es wagen," erwiderte Konweg stockend, als wenn verhaltene Tränen ihm die Stimme erstickten, „eine Bitte an Sie zu richten, dessen Güte gegen mein Stieftöchterchen mir schon so unendlich viele Ver pflichtungen auferlegt hat, ick, möchte nicht noch tiefer in Ihre Schuld ge raten. und doch — und doch — wenn ich an mein armes, armes Weib denke, so erscheint es wie Unrecht, wenn ich die Hilfe zurückweise, die mir so selbstlos angeboten wird. Nur um meiner Frau willen," — er seufzte tief — „sa. nur allein um ihretwillen will ich mich daher überwinden, will ich Sie . . ." „Ich verstehe." fiel Holdsworth ein. „Trotzdem ich selbst nicht viel besitze, will ich Ihnen doch eine kleine Summe zur Verfügung stellen, um Sie in stand zu setzen, damit die dringendsten Bedürfnisse Ihrer Familie zu be friedigen." Diese letzten Worte sprach Holdsworth mit besonderem Nachdruck. „Wie wäre es mir möglich, mich einer solchen Demütigung auszusetzen, geschähe cs nicht für Weib und Kind!" antwortete KoMveg. anscheinend von Rührung fast übermannt. „Welche Persönliche Entbehrung könnte mich je- mals dahin bringen, meinen Mannesstolz zu vergessen! Lieber verhungern, als betteln! Nein." fuhr er mit der Miene gekränkter Würde fort, „so arm ich auch bin. so weiß ich doch, was ich meiner Herkunft, meiner Erziehung, meiner sozialen Stellung schuldig bin, und ich wiederhole, wenn es nicht für Frau und Kind wäre, so vermöchte keine Not. und wäre sie noch so groß, mich zu bewegen. Ihre Güte anzurufen." Er hielt inne: als er aber bemerkte, daß Holdsworth ungeduldig aus sah. begann er sogleich wieder: „Wenn zehn Pfund —" hier stockte er verlegen. „Gut. Sie wünschen also zehn Pfund zu haben?" „Zu leihen, zu leihen, wenn ich es wagen darf." verbesserte Konweg. „Was kann Ihnen aher eine so kleine Summe nützen?" 141 — Er war jetzt sechs Wochen in Hanwitch. Er hatte sein Leben so sparsam als möglich eingerichtet, und von dem Golde, das er von Australien mitgebracht hatte, besaß er noch den größten Teil Einige Hundert Pfund sind aber nni ein geringes Kapital und wenn sie ansgegeben waren, was dann? Dies war die Sorge, die ihn jetzt ununterbrochen quälte. Er wußte reckst gut, daß er nach Sydney zu rückkehren konnte, daß Herr Scherinann ihn freudig willkommen heißen und ihn in seine frühere Stellung wieder einsetzen würde. Indessen der bloße Gedanke, England zu verlassen, mackste ibn schon elend. Angenommen, er erlangte von Dolly unter irgend welchem Vorwand die Erlaubnis, Nelly mitznnebinen: war es ihm den» aber möglich, sich von Dolly zu trennen? Mußte er sich nicht sagen, daß er sie dann vielleicht niemals Wiedersehen würde? Und wenn er an ihren ent setzlichen Mann dachte, sich das kümmerliche elende Leben vergegenwärtigte, welches sie führte, und sich verstellte, daß er, fern von ihr, sie immer nur in Entbehrung und Not vor sich sehen, »nd jeder Aussicht beraubt sein würde, ihr in dem einen oder anderen Fall im geheimen auf irgend eine sie nicht verletzende Weise beispringcn zu können - wenn er das alles bedachte, dann war für ibn jeder Gedanke an eine Veränderung seines Wohnsitzes ausge schlossen. Nein, er mußte zur Hand bleiben, um sie schützen und schirmen zu können, wenn früher oder später die mit Sicherheit zu erwartende Zeit ein trat. wo ihr von Stufe z» Stufe tiefer sinkender Mann sie an den Rand des äußersten Elendes gebracht haben würde. Aber welche Beschäftigung sollte er nun ergreifen, »in sich seinen Unter halt zu verdienen? Für was eignete er sich? Er war ein guter Buchhalter: wenigstens hatte Herr Schermann ihm dieses Lob erteilt: Hantwich war ein großer Ort und es konnte nickst gar so schwer sein, eine Anstellung z» finden. Jedenfalls mußte er es versuchen. Es gab ein Bankgeschäft, in welchem er anfragen konnte, einige große Brauereien und mehrere Versicherungsgesellschaften. In dem einen oder anderen Kontor durfte er wohl hoffen anzukommen. Im Notfall blieb ibm auch noch die Aussicht, in einem der zahlreichen Kaufläden einzntreten: er war aber im Herzen noch zu sehr Seemann, als daß er hierzu Neigung empfunden hätte. Ehe er diesen Schritt tat. wollte er lieber versuchen, eine Schule zu eröffnen. Frau Painots Wohnung ge währt dazu Raum, Schüler, so hoffte er. würden sich schon nach und nach finden. Mit solchen Gedanken trat er eines Tages den Weg a». und zwar zuerst in das Bankgeschäft. Dasselbe lag in der Hochstraße, dem Marktplatz gegenüber: einige steinerne Stufen und eine starke Flügeltür bildeten den Eingang. Holds- ivorth trat in das Kontor, welches in seiner ganzen Breite durch einen Zahl- tisch geteilt war, hinter dem vier junge Leute an Schreibpulten saßen. Ein Mann, der wie ein wohlhabender Landwirt aussah. schüttete aus einem Lederbeutel einen Haufen Silberstücke, vermischt mit Banknoten auf den Tisch und begann das Geld aufzuzählcn. Nach jeden aufgcreihten 20 Pfund hielt er inne. uni Bemerkungen landwirtschaftlicher Natur gegen einen alten Herrn zu machen, der einen langen Backenbart und eine Brille trug und einen jüdischen Gesichtstypus hatte. in