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Sächsische Volkszeitung : 01.04.1921
- Erscheinungsdatum
- 1921-04-01
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-192104015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19210401
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19210401
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1921
-
Monat
1921-04
- Tag 1921-04-01
-
Monat
1921-04
-
Jahr
1921
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 01.04.1921
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Freitag den 1. April 1821 «chstschr «olliszel«»»- Nr. 74. Seite 2 das Post- und Telegraphenamt ausgepliindcrt und sich dort festge setzt. Ein anderer kommunistischer Herd ist das Uustruthtal. Hier haben die Kommunisten den Bahnhof von Roßleben gesprengt. Auch in der Gegend des Geiscltales beslirchtet die Bevölkerung neuen Aufrubr. In der westlichen Hälfte streiken sämtliche Betriebe der Braunkohlen- und Brikett-Aktiengesellschaft. Die Arbeiter haben die Betriebe besetzt und sämtliche Lastautos requiriert. Die Steinkohlengrube Plötz b. Löbsen ist von Auf ständischen besetzt und droht, zu ersaufen, wenn nicht schleunigst Abhilfe kommt. Der Kampfplatz in und um Gröber« südöstlich von Halle, der von den Ausrührern in der Nacht verlassen wurde, bietet ein schreckliche« Bild der Verwüstung. Die 10 Sicherheils» wänner, die im Kampfe mit den Aufrührern gefallen sind, fand mau schrecklich verstümmelt vor, und durchweg hatte man sie zum großen Teile ihrer Kleidung usw. beraubt. Es wurden hier einig» Verhaftungen vorgenomme», darunter auch der AmlSvorstchcr von Gröber«, der die Leute seiner Gemeinde aufgehetzt und sie auigcfordcrt hat, keinen Sicherheitspolizisten, der sich in Gtöber« zeigt, am Leben zu lasset». Täglich verüben die Ausrührer in den Lite», die sie durchziehen, schwere Verbrechen. Aus ,dem Kreise Liebenwerda sind dringende Anforderungen von Polizei- -truppen erfolgt. Dort haben die Aufrührer zahlreiche Geiseln ver haftet und in mehreren Fällen gar das Todesurteil für heute abend bereits ausgesprochen. I Magdebura, 31. März. Nach einer um 7 Uhr abend« von der Meldestelle beim Oberpräsidium ausgegebenen Nachricht, ist in Magdeburg sowie im Regierungsbezirk alles ruhig. In einzelnen Ortschaften bei Aschersleben haben Kommimistcnberiammlungen statt- ' gesunden, in denen zugereiste Agitatoren auftraten. Diese wurden fsestgenommcn. In Meriebura und im Regierungsbezirk Merseburg herrscht Ruhe. Das Gewerkschaftskartell Merseburg hat alle Ar beiter, die dem Gewerkschaitskartell angeboren, auigefordet. sofort die Arbeit aufzunebmen. Eine Bande von 150 Mann hat die Postkasse sowohl in Naundorf, wie in Löbejün geraubt und die Lelephondräbte zerichnitten. Eine Altion gegen, diese Bande ist eingeleitet. In Bitterield herrscht Ruhe. In Liebenweida hat sich die Laqe weiter verschärft. Es haben sich Aktionsausschüsse vnd Rote Gerüchte gebildet, die Urteile sprechen. Eine große Litton gegen den ganzen Kreis Liebenwerda ist im Gauge. Die Altion im Nnliruttale wird weitcrgesührt. Im Kreise Sckileustiigen Awd in Suhl ist die Arbeit in allen Betrieben wieder ausgenommen .Worden In Halle ist alles ruhig. Die Arbeiter der städtischen (Werke in Halle haben dem Ausrufe des Gewerkschaftstartells Folge ^geleistet und die Arbeit wieder ausgenommen. Halle hat wieder Wicht und Waf'er. Der Eisenbahnbetrieb von Halle nach Thüringen <ist wieder alckgciiommen. ^ Erfurt. 31. März. Im Lanke des gestrigen Tage« vis in äne späicn Abendstunden wurden zahlreiche Verhaftungen vor- rgenoiiimen. Im Norden Erfurts ist ein Lager von 60 Gewehren (beschlagnahmt worden. Rathaus, Hauptpost, Gas- und Elektrizitäts werk werden durch die Polizei stark geschützt. > Erfurt, 31. März. Am Mittwoch sind die beiden Kommn- vistenführer Förster und Orphal verhaftet worden. Die kommunistische Nachrichtenzentrale wurde aufgehoben. Von der Polizei wurden weitere Verhaftungen vorgenommeii, die im Zu sammenhänge mit dem Eisenbahnauschlag stehen. Es steht fest, daß bekannte Kommumstemüheer als Urheber anzusehen sind. Bei einem von ihnen wurde ein Wasfenlager aufgehoben, in dem sich eine größere Anzahl Gewehre, Handgranaten und Munition Versand. Gröber» geräumt Delitzsch, 81. März. Die „Delitzscher Ieiiung" berichtet über die Kämpfe in Gräbers: Gestern nachmittag 4 Ubr ist der Ort von den Noten Banden kampflos geräumt worden. Sie haben sich in die Gegend von Gnetz und Ammendorf zurückgezogen, wo sie sich verschanzen. Sie ziehen plündernd und raubend umher. Der Gemeindevorsteher Helle aus Roitzschgen wurde von. ihnen erschossen. Der Hauptstützpunkt soll der Petersberg bei Halle sein. Schutzpolizei und Reichswehr ist im Anmarsch. Die Kämpfe sind noch im Gange. Ein Anschlag ans das Kraftwerk Hegermühle Berlin, 8t. März. Wie das Märkische Elektrizitätswerk wltteilt, wurde in der Nacht zum Donnerstag das Kraftwerk Hegermühle bei Eberswnide von beirnfsneten Banden angc- grisse», die ans die Leute des Werkes Gewehifener richteten und sich pelvalisam Eintritt in das Werk zu verschaffen suchten. Der Angriff wurde aber von der eigenen Belegschaft abgeschlagen. Abbruch des Streikes im Ruhrgebiet Essen, 81. März. Wie von kommunistischer Seite mitgekilt wird, hat die Streikleitung für den Westen in der vergangenen Nacht den Abbruch des Streiks beschlossen. Immer noch di« sortwühlende Minderheit (Eigener Drahtbericht der „Sachs. Vo,tsztg.) Berlin, 1. April Die Arbeiter der städtischen Elek trizitätswerke Berlins haben am gestrigen Donnerstagabend in einer Versammlung beschlossen, in den Ausstand zu treten. Be merkenswert ist, daß sämtliche ElektrszttätSarbeiter GroßberlinS zu dieser Versammlung eingeladen waren, daß aber nur etwa 400 er schienen waren. Etwa 200 stimmten für den Streik und etwa 12S dagegen. Man muß abwarten, wie sich der Hauvtteil der Arbeiter in den städtischen Elektrizitätswerken zu diesem Streikbeschluß einer radikalen Minderheit stellen wird. Wie an unterrichteter Stelle verlautet, ist di« Stimmung der Arbeiterschaft zumeist gegen den Ausstand, als dessen Ziel dir Kommunisten dt« Befreiung Sylts bezeichnen. «ln neue« Attentat Köln, 81. März. Verbrescherische Elemente haben i« der ver gangenen Nacht nach einer Meldung der „Köln. Ztg." die vor einigen Jahren erbaute qroße Eiienbahnbrücke bei Sonnborn mit Dynamit zu sprengen versucht. Ihr Borhaben ist mißlungen. Die von de» Schutzpolizei an der Brücke Vorgefundene Bückst mit Dynamit war ausreichend, um die Brück« vollständig zu zerstören. Bon dcn Ver brechern fehlt jede Spur. Neue rkommuniftenneste» Kottbus, 81 März. Die Lag« im Braunkohttnbezirk deS Kreises Ltebenwerda hat sich seit gestern v er sch är ft. Mit glieder der neu gebildeten Roten Armee nahmen Haussuchungen vor, die vor allen Dingen der Erlangung von Waffen galten. Ein Landjäger wurde entwaffnet. Die Nachricht von der Ver haftung der Direktoren der Mtlly-Grube entspricht nicht den Tat sachen. Die Direltoren verhandeln vielmehr mit den Arbeitswilligen. „Wer kein Verständnis für die katholische Presse zeigt, kann auf den Titel eines guten Katholiken keinen Anspruch machen!" Bffchof Emmmel Freiherr von Krittler Wie sieht es mit meinem Interesse für die gute Presse? Vin ich bereits Mitglied des Kathol. Preßvereins? Habe ich die Zahlkarte für den Prehverein schon benutzt? Die Postscheck-Konto-Nr. für den Haupt-Kassierer des Kath. Preh- vereins in Dresden ist 11007 Postscheckamt Dresden Der Komrnunisterr-„Ftthrer" Sylt ist derjenige, dcr sich seinerzeit beim Berliner ElekirlzitätSarbeiierstreik gerühmt hat, er brauche nur auf den Knopf zu drucken und ganz Berlin werde springen. Sylt der nach dem damaligen Scheitern dieses Streiks für eine Zeittang ausgeschaltct war, betreibt in letzter Zeit eine außerordentliche Wühlarbeit unter den Elestrizitätsarbeitern. Der „Vorwäis" sucht sich nun die Person dieses Führers ein wenig genauer anzusehcn. Er sagt darüber: „Sylt ist erst seit kurzer Zeit organisiert. Während des Krieges zog er es vor, außerhalb der Arbeiterbewegung zu bleiben und sich zu Hause das Wohlwollen seiner Arbeitgeber zu sichern. Der Erfolg kam denn auch in Gestalt eines Verdienstkrenzes, mit dem zu prahlen er sich nicht genierte, so lange die Konjunliur günstig war. Diese fragwürdige Erscheinung, die eS sich während des Krieges fern vom Schuß im Schatten seiner Arbeitgeber Wohlergehen ließ und die sich jetzt plötzlich so ultra- revolutionär gebärdet, soll also wieder einmal der ungekrönte König sein, nach dessen Pfeife Berlin tanzt." Berlin, 81. März. Der Kommunistenführer Ettktrizltäts- arbeiter Wilhelm Sylt wurde heute morgen wegen Aufruhrs von der Kriminalpolizei selige»ommcn und nach dem Polizeipräsidium gebracht. Als er aus dem Polizetgesängnis dem Kriminalkommissar zur Vernehmung vorgesührt werden sollte, schlug er den ihm beglei tenden Beamten mit der geballstn Faust ins Gesicht und versuchte dessen Ueberraschung ausznnützen, um zu flüchten. Der Beamt« machte aber von seiner Waffe Gebrauch und strickte Sylt durch einen Schuß nieder. — Nach einer späteren Meldung ist Sylt sofort nach seinem Fluchtversuch von dem Kreisärzte Medizinalrat Dr. Liebmami untersucht worden. Nach seine» Angaben ist die Verletzung zwar schwer, aber nicbt lebensgefährlich, da weder Herz noch Lunge ge- troffen worden sind. Amtlich wird gemeldet: Der Kommunist Wilhelm Sylt ist ln der vergangenen Nacht in derChariteeseinerSchußver« ldtzunH erlegen. Kommunistisches aus Ostpreußen Wehlau, 31. März. Wie die „Wehinuer Zeitung" muc. . ist in Goldbach in der vergangenen Nacht ein Sohn deS Besitzers Thiel von Kommunisten erschossen worden. Auch in ixr Nähe von Goldbach wurden in der vergangenen Nacht verschie dene Telegraphen st äugen abgesägt. Der Kleinboh». zu; nach Labiau mutzte verschiedentlich anhaitcn, bis die Tele, grophenstangen und -drähte von: Gleis entfernt werden ko»»' n. > ——- De» Stand der Entwaffnung Deutschlands London, SO. März. Reuter meldet: In Anbetracht der t!n- rnhcn in verschiedenen Teilen Deutschlands seien die letzten Zalih» betr. das Fortschreiten der Entwaffnung Deutschlands von Jnicrclle. Die Ablieferung und Zerstörung von Kriegsmaterial in der Zeit voni 24. Februar bis 24. März sei weiterhin zufriedenstellend. Es blieben nur noch 1100 Geschütze von Deutschland auszuliciern. Im vergangenen Monat seien 700 Geschütze ausgeliefert und zerstör! worden. Damit sei die Zahl der bisher ausgeliefericn Geschütze aus ungefähr 80000 gestiegen. An Maschinenaewehren mußten noch 10700 ausgeliefert werden- Im letzte» Monat wurden 68»y Maschinengewehre zerstört. Damit beträgt die Zahl der bisher zcr. störten Maschinenqewehre 67 000. Außerdem wurden 206000 Er wehre und Karabiner im vcigangenen Monat ausgeliefert und »ec- nichtet, was die Gesamtzahl der bisker vernichteten auf 8250 000 erhöht. Auszuliefern seien noch 280000 Gewehre. Die Schlei fung der Festungen werde wobl nicht vor sechs Monaten beendet sein. Der einzige unbefriedigende Punkt sei. daß die Bewaffnung dc, Festungen Königsberg und Küstrin noch nicht auSgeltefert iet. Anmerkung der W. T. B-: Wenn auch die obige Darstellung im allgemeinen zutreffend ist, so ist doch hinznzusügen, daß die Zahl der zerstörten Waffen durchweg zu niedrig angegeben ist. Am 81. Januar dS. IS. waren bereit» tatsächlich 48000 Geschütze, 74 000 Maschinengewehre und 3730000 Gewcbre und Karabiner zerstört. Dabei sind die Lieferunaen gemäß den WaffenstillstandSbedlnguugen, d. h. 2500 leichte und 1368 schwere Geschütze, sowie 28188 Maschinen, gewehre nicht berücksichtigt. War den einziaen unbefriedigenden Punkt anlangt, den Reuter hervorhebt, die Bewaffnung von Königsberg und Küstrin, so ist dazu zu bemerken, daß die Bestückung beider Festungin insgesamt nur 658 Geschütze beträgt. Die deutsche Regierung hat sich über dcn Nechtsstandpunkt in dieser Frage in ihrer Note an Re Miiitärkontrvllkommission geäußert. Die Entwaffnung Bayerns Berlin, 81. März. Nach einer amtlichen Meldung läuft von den in den Pariser Entschließungen gestellten Fristen für die Entwaffnung der Einwohnerwehren die nächste heute ab. Tie Reichsregierung hat den Standpunkt eingenommen, daß die Ent waffnung der Einwohnerwehren fristgemäß durchzuführen ist. Im ganzen Reiche wird eS auch möglich sein, die Frist vom 31. d, M., soweit sie sich auf die schweren Waffen und Teile der leichten Waffen bezieht, innczuhalten. Nur Bayern scheint in Verzug zu bleiben. Die Reichsregierung hat am 23. d. M. nochmals durch ein vom Vizekanzler Dr-Heinz« persönlich überreichkes Schreiben bei der bayrischen Regierung die ernstesten Schritte unternommen. Sie ließ der Münchner Regierung erklären, daß die Rcichsregicruug des Aufstandes in Mitteldeutschland mit den ordentlichen Organ,, sationen der Schutzpolizei und Reichswehr Herr werden würde, daß also auch diese Bewegung die Zurückhaltung des jetzt fälligen Teüs der Entwaffnung der Einwohnerwehren nicht notwendig mache. Eine endgültige Aeußerung der bayrischen Regierung- liegt noch nicht vor. Die Reichsregttrung hat durch den Retchskommiffar die für die fällige Waffenabgabe der Einwohnerwehren erforderlichen An ordnungen ergehen lassen. Um die Handelsflotte (Eigener Drahtbericht de, „Sächs. Volk»zeitung",s Berlin, 1. April. Wie von gut unierrichteter Seite ver lautet, beginnen am 4. April in London Verhandlungen zwischen einer deutschen Schiffahrtsdelegation und der SchiffahrtSdettgotlvy der Reparattonskommtsston. Jubiläum Glasenapps (Eigener Drahtbericht de» -Sächs. BolkSzeltung'j Berlin, 1. April. Exzellenz Dr. von Glasenapp, Vize präsident des ReichsbankdirektortumS, blickt am heutigen Lage aus «ine 28 jährige Tätigkeit bet der RetchSbank zurück. Die Höflichkeit Bivianis Paris, 31. März. Wie HaveS aus Washington meldet, hat es sich beim gestrigen Besuche Bivianis nur. um einen Hös. liäteitsbesuch gehandelt. Sächsische Vottszeitung — Nr. 74 — 1. April 1021 Der Schirnmelreiter DU h o do 1 - 1 o r IN (13. Fortsetzung.) EiteS Vorahnung war in Erfüllung gegangen; eines Mor gens nach Ostern hatte man den Deichgrafen tot in seinem Bette gesunden; man sah eS an seinem Antlitz, ein ruhiges Ende war daraus geschrieben. Er hatte auch mehrfach in den letzten Mon de,» Lebensüberdruß geäußert; sein Leibgericht, der Ofenbraten, selbst seine Enten hatten ihm nicht mehr schmecken wollen. Und nun gab eS eine große Leiche im Dorfe. Droben auf tcr Geest aus dem Bcgräbnisplatze um die Kirche war zu Westen eine mit Schmiedegitter umhegte Grabstätte; ein breiter blauer Grabstein stand jetzt aufgehobe» gegen eine Traueresche, auf dem das Bild des Todes mit stark gezahnten Kiefern auSgehauen war. darunter in großen Buchstabe»: Tat is de Dok, de allens sritt, Nimmt Kunst uu Wetenschop di mit; De lloke Manu iS nu verga», Gott gäw em sciik Uperstan. Es war die Begräbnisstätte des früheren Deichgrafe« Boikrrt Tedsen; nun war eine frische Grube gegraben, wo hinein dessen Sohn, dcr seht verstorbene Deichgraf Tede Volkerts, be graben werden sollte. Und schon kam unten aus der Marsch der Leichenzug Hera», eine Menge Wagen aus allen Kirchspiels- di'rfern; auf dem vorderste» stand dcr schwere Sarg, die beiden blanken Rappe» des dcichgräflichen Stalles zogen ihn schon den sandigen Amberg zur Geest hinauf: Schweife und Mähnen der Pferde wehten in dem scharfen FrühjahrSwind. Der Gottesacker um die Kirche war bis au die Wälle mit Menschen angcsüllt; sttbst auf dem gemauerten Tore huckten Buben mit kleinen Kin dern in den Armen; sic wollten alle das Begraben ansehen. Im Hause drunten in der Marsch hatte Elke in Pesel und Wohngclaß da? Leichcnmahl gerüstet; alter Wein wurde bei den Gedecken hingestellt; nn. den Platz deS Oberdeichgrafen — denn auch er war heute nicht auSgeblicben — und an den deS Pastors tt eine Flasche Langkork. Als alles besorgt war, ging sie durch de» Stall v-r die Hosliir; sie traf niemanden auf ihrem Wege; di« Knechte waren mit zwei Gespannen bei der Leichenfuhr. Hier blieb sie stehe , und sah, während ihre Lrauerkleider im Früh» lirgswinde flatterten. wie drüben an dem Dorfe jetzt die letzten Magen zur Kirche hinauffuhrcu. Nach einer Weile entstand dor> ein Gewühl, dem eine Totenstilles» folgen schien. Elke faltete die Hände; sie senkten wohl denWarg jetzt in die Grube: „Und zur Erde wieder sollst du wcrdenl" Unwillkürlich, leise, als hätte sie von dort es hören können, sprach sie die Worte nach» dann füllten ihre Bugen sich mit Tränen, ihre über der Brust gefalteten Hände sanken in den Schoß; „Vater unser, der du bist im Himmell" betete sie voll Inbrunst. Und als das Gebet des Herrn zu Ende war, stand sie noch lauge unbeweglich, sie, die jetzige Herrin dieses großen Marschhofes, und Gedanken des Todes und deS Lebens begannen sich in ihr zu streiten. Ein fernes Rollen weckte sie. Als sie die Augen öffnete, sah sie schon wieder einen Wagen »m den anderen in rascher Fahr> von der Marsch herab und gegen ihren Hof herankomme». Sie richtete sich ans, blickte »och einmal scharf hinaus und ging dann», wie sie gekommen war, durch den Stall in die feierlich hergcstellten Wohnränme zurück. Auch hier war niemand; nur durch die Mauer hörte sie das Rumoren der Mägde in der Küche. D»e Festtafel stand so still und einsam; der Spiegel zwischen dcn Fenstern war mit weißen Tüchern zugestcckt und ebenso die Mcssingknöpfe an dein Beilegerofen; eS blinkte nichts mehr in der Stube. Elke sah die Türen vor dem Wandbett, in dem ihr Vater seinen letzten Schlaf getan hatte, offen stehen und ging hinzu und schob sie fest zusammen; wie gedankenlos las sie den Sinnspruch, der zwilchen Rosen und Nelken mit goldenen Buch staben darauf geschrieben stand: „Heft du bin Dagwerk richtig dan, Da kommt de Slap von sülvst heran." DaS war noch von dem Großvater! — Einen Blick warlsie auf dcn Wandschrank; er war fast leer; aber durch die Glas türen sah sie noch dcn geschliffenen Pokal darin, der ihrem Vater, wie er gern erzählt hatte, einst bei einem Ringreiten in semer Jugend als Preis zuteil geworden war. Sie nahm ihn heraus und setzte ihw bei dem Gedeck des Oberdeichgrafen. Dann ging sie cuiS Fenster, denn schon hörte sie die Wagen an d-r Werste Heraufrollen; einer um den anderen hielt vor dem Hause, und munterer, als sie gekommen waren, sprang-n jetzt d'< Gäste von ihren Sitze» auf den Boden. Händereibend und plaudernd drängte sich alles in die Stube; nicht lang«, so setzte ma» sich an die festliche Tafel, auf der die wohlbereiteten Spei sen dampften, im Pesel der Oberdeichgraf mit dem Pastor; und Lärm und lautes Schwatzen lief den Tisch entlang, als ob hier nimmer ^ ' Stumm, an den werde. Auch Hauke Haien saß im Wohnzimmer neben Lle Peters und anderen kleineren Besitzern. Nachdem das Mahl beendet war, wurden die weißen Ton pfeifen aus der Ecke geholt und angebrannt, und Elke war wie derum geschäftig, die gefüllten Kaffeetassen den Gästen anzu- bielen; denn auch der wurde heute nicht gespart. Im Wohnzim mer an dem Pulte des eben Begrabenen stand dcr Obervcichgros im Gespräche mit dem Pastor und dem weißhaarigen Deich- gcvollmächtigten Jewe Manners. „Alles gut, ihr Herren," sagte dcr Erste, „den alten Deichgrafen haben wir mit Ehre : beige setzt aber woher nehmen wir den neuen? Ich denke, ManncrS, Ihr werdet Euch dieser Würde unterziehen müssenI" Der alte Manners hob lächelnd das schwarze Sammetkäpp- ch-n von seinen weißen Haaren: „Herr Oberdcichgraf," sagte er, „das Spiel würde zu kurz werden; als der verstorbene Tede Volkerts Deichgraf, da wurde ich Gevollmächtigter und bin eS nun schon vierzig Jahre!" „Das ist kein Mangel, Manners; so kennt Ihr die Ge schäfte um so besser und werdet nicht Not mit ihnen haben!" Aber der Alte schüttelte den Kopf. „Nein, nein, Euer Gnaden, lastet mich, wo ich bin, so laufe ich wohl noch ein paar Jahre mit!" Der Pastor stand ihm bei: „Weshalb," sagte er, „nicht den lnS Amt nehmen, der eS tatsächlich in den letzten Jahren doch geführt hat?" Der Oberdeichgraf sah ihn an: „Ich verstehe nicht, Herr Pastor I" Aber der Pastor wies mit dem Finger in den Pesel, wo Hauke in langsam ernster Weise zwei älteren Leuten etwas zu erklären schien. „Dort steht er," sagte er, «die lange Friesen- gestalt mit den klugen, grauen Augen neben der hageren Nase und den zwei Schädelwölbungen darüber I Er war des Alien Knecht und sitzt jetzt auf seiner eigenen kleinen Stelle; er ist zwar etwas jungl" „Er scheint ein Dreißiger," sagte der Oberdcichgraf, de» ihm so Vorgestellten musternd. „Er ist kaum bierundzwanzig," bemerkte dcr Gcvellmäch- tigte Manners, „aber der Pastor hat recht: was in den letzten Jahren Gute» für Deiche und Siele und dergleichen vom Deich grafenamte in Vorschlag kam, das war von ihm; mit dem Allen war eS doch zuletzt nichts mehr." „So, so?" machte der Oberdelchgraf, „und Ihr meinet, tt wäre nun auch der Mann, um in das Amt seines alten Hem» einzurücken?" , - Wortsrinn- folgtl
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