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Nr. 8 21. Jahrg. Fernsprecher: «edakli,» 32723 — Geschäftsstelle 32722 Postscheckkonto; Dresden Nr. 14707 SiicklMe Mittwoch, 11. Januar 1922 Redaktion nnd Geschäftsstelle; Dresden-«. IS, Holbetnslraste volfsmiuna ««znqSpreiS: Pierteljührllch »1 zweimonatlich »« »wnatlich 8 .« frei Ha,,?. Eliizelnmnmcr M D!e ESchsilch« LüIwzeNu,,« mcheint sechsmal wScheiNltch. — Sprechstunde der Redcnlion a bis « Uhr nachm. Nicht aus drücklich zuriickl'erlanstle und mit Rückporto nicht versehene ikiniendimgen an die Redaktion werdet, nicht ansbcwahrt Die Beratung der Bexarationsfrage Abreise der deutschen Delegation nach Cannes — Eine englisch-französische Allianz gegen Angriffe in Europa Die Wirtschafts-Konferenz von Genna — Das S enerkompromiß Religionsunterricht und Kirche in der Neichsverfassmrg Der Stundungsbeschluß von Cannes Paris. 9. Janimr. Die Einigung wird auf der Grundlage ersinnen, das, zwischen de», englischen Vorschläge von 599 Mttliv- neu und dem velqisch-sranzösischeii Vorschläge von 1999 Millionen Goldmark eine Mittellinie gezogen nnd von Deutschland eine Zahl»»,, pp» insgesamt 799 Millionen Goldmark siir das Jahr 1922 in mehreren Raten gefordert werden wird. Das hedrutet eine zunächst einjährige Stundung von 79 Prozent der nach dem Londoner iiltimatnm fälligen Tun».me. Die Gewährung des Moratoriums wird erst da»» offiziell angczeigt werden, wenn die uns «uferlegte» Garantien — Abänderung des Reichsbanrgesestes, Finanz- nnd Steuerreform nsw. — von den hierzu bevollmächtigten Vertre ter» Deutschlands in Cannes angenommen werden. Man nimmt an. das, die deutsche Delegation, die morgen, Dienstag, in Paris rintrisst, noch nachts nach Cannes Weiterreisen wird. Sir wird dann noch Mittwoch abend nnd jedenfalls Donnerstag sehr ans- fiihrlich nngehört und vernommen werden. Wen» sich bei diese» Verhandlungen mit de» Deutschen keine Schwierigkeiten und leine Verzögerungen ergebe», wird dann am Freitag die Schluss- stbung dieser Tagung deö Obersten NateS in Cannes erfolgen. Die Minister werde» abreiscn »nd in Paris die .Konferenz der alliierten Anfieniulnister beginnen, die sich vorwiegend mit Oricnifragen zu befasse» hat. Vor der heutigen Nachmittags- vollsitrung werde» sich die Ententeminister um 19 Uhr dormit- tagS zu einer Besprechung versammeln, in der sie alle Einzel heiten und da« Programm der eurpoiüschen WirtschaftSkonferenz in Genua noch näher festseben werden. Besserung der Reparatlonspflicht Paris, 19. Januar. Der „Jntrnnsigennt" gibt Einzelheiten Aber die Wiedcrherstellungssrage. Bis zum 1. Mai hotte Deutschland 799 Millionen Gvldmark z» zahlen, wodurch sich seine in« Laufe des NeparationsjalireS geleistete,, Zahlungen aus 1799 Millionen Goldmark beziffern würden.- Hiervon gingen zu nächst 399 Millionen Gvldmark a» England zur Deckung seiner Besah,«ngvkosten biS zum 1. Mai 192l. Von den übrigen 1299 Millionen Gvldnmrk werden 279 Millionen ans Frankreich ent fallen, falls die deutsche Kohle zum JnlanvSveeiS, aber nur 172 Millionen Goldmark, falls die Preise nach den Transporten, dje auf dem Seewege geliefert wurden, berechnet werden. Der Rest soll als Priorität an Belgien fallen. Ferner soll die Uebervriori« tät erst nach den Brsabungskosten und nach der belgischen Priori tät grseht werden. Unter Ueberprioritüt versteht man die deut sche» Vorkriegsschulden «nd die Summen, die von der deutschen Schuld verzehrt werden. Der erste Teil dieser Ueberpriorität verbraucht 39 Millionen Goldmnrk, die een alliierten Kauflcuten zugute kommen. Der zweite Teil der U< berprierität besteht in den Summe», die zum Dienste der denlscheu inneren Schulden niigrwnndt werden. Diese inneren Schulden bestehen aus der konsolidierten, also von 99 Milliarden Paplermark. Dir nicht konsolidierte Schuld betröat 259 Milliarden. Die Zinse» siir diese bedeutende» Schuldbeträge werden den deutschen Gläubi gern vor den Jahreözahlnngen für die Reparationen ansbeznhlt. Diese Snnime wird dann nach den Kosten für dir Besahnngs- keere and der bclaischcn Priori'üt bezahlt werde». Diese Mass nahme wird vor allen Dingen die deutschen Banken treffen. ZrvarrasmvffnahmLri gegen Deutschland EanneS, 19. Januar. Die Finnnzininister haben am Mon tag nnchmiitag die Beratungen über die Neparaiionssrao,.- fortge setzt. Es ftniibeltc sich im wesentliche» um die Kinitroilmaßlnih- men, die der deutschen Finnnzverwattinla auferlegt werde» sollen. Man hat die Absicht, Deutschland Zwangs m a s, n n h - men nttf'.iier'egen. Man wird mit den deutsche» Delegierten über die Art dirsrr ZwangSmnsiiinhmen diskutieren. Die ?ialie«rische Presse zur Kottferenz «n Cannes Rom, 10. Januar. Die italienischen Platter verzeichne» den Beschlus-, der Konferenz von Cannes. Genna als den Sitz der europäischen WirtsckaflSkonferenz festzulegcn. mit großer Gciiugtnnng und betonen, das; dieser erste wichtige Peschlns; der Konferenz vornehmlich der italienischen »nd englischen Politik zu verdanken sei. Die Plätter betonen auch, das; Italien nicht erst seit gestern die Ansichk vertrete, das; zwischen Siegern und Besiegten ein gerechter Ausgleich ans dem Bode» des gegenseiti gen Vertrauens gefunden werdest kann, und gab der Meinung Ausdruck, das; Italien auch ferner diese Politik treiben werde. « Die Einigung in Cannes über das Moratorium Londv», 10. Januar. Telegrammen ans EanneS zufolge ließen sich am Montag die Finanzministcr der beteiligte» Staa ten den Bericht der Sachverständigen über die Reparationen vor legen nnd kamen über verschiedene Punkte zn einer vollständigen Einigung. Die wichtigsten Fragen, die erörtert wurden, waren: 1. der Betrag, den Denischland zn zahlen hat. 2. die Wirkungen deS Moratoriums nnf die einzelne« alliier ten Mächte, 3. die Garantien, die man von Deutschland verlange» müßte, wie die notwendige Finanzrefvru«, die Deutschland zu treffen hat. Dir Finanzminister stimmte» ferner der Verlegung des Re paration-Komitees »ach Berlin z». « Der französisch-englische Garantiepakt Cannes, 10. Januar. Bei de»! Frühstück am Montag wurde erneut der englisch-französische Garciniieverirag erörtert. Es ist bezeichnend, das; die Franzosen in ihre»! offiziellen Auslassungen statt des Wortes ..Bündnis" (Alliance) das Wort „Parte de Ga rantie" benagen. Vorher batte Lord Cnrzon mit Brinnd eine Unterredung über die Kolonialfragen. Bei dieser Gelegenheit wurden die englisch-französischen Meinungsverschiedenheiten in Tanger berührt. Die Teilnahme Japans an dein Garantiepakt kan» als gesichert gelten. Aendernng des Wiesbadener Abkommens EanneS, 10. Januar. England hat dem Wiesbadener Ab kommen unter folgenden Bedingungen zugestimint: 1. Dir Endsumme der unter dieses Abkommen fallenden Lei stungen von 7 Milliarde» Goldmart wird gestrichen. 2. Das Abkommen erhält eine Gültigkeit von drei Jahre». 3. Im ersten Jahre darf Deutschland an Frankreich Liefe rungen von nicht mehr als 125,9 Millionen Goldmnrk machen. Im zweiten und dritten Jahre nicht mehr als 15,99 Millionen Goldmark. Frankreich nimmt diese Bedingungen an. Die Ginladung nach Cannes Paris, 10. Januar. Die deutsche Delegation wuede aufge- fordert, sich am heutigen Dienstag nach Cannes zn begeben. Von Pros. Dr. M a nsbach - Münster III. .ton hohem positiven Werte für die Auslegung d-.w Die Einberufung der Wirtschaft-?- und Finanz-Konferenz Cannes, 9. Januar. Der Ausschuß der Konferenz hat fol gende Entschließung angenommen: Die auf der Konferenz vertretenen Mächte sind einstimmig der Ansicht, daß eine Wirtschafts- und Finanzkonfereuz Ansang Mälz einberusen werden soll, zn der alte europäischen Mächte ei »geladen werden sollen. Sie sind der Ansicht, das; eine derartige Konferenz einen wirklichen und wesentlichen Fortschritt auf dem Wege zum wirtschaftlichen Wiederaufbau Mittel- und Osteuropas bilde. Sie sind ferner der Ansicht, das; die Preinierminijter einer jeden Ration, womöglich in Person, dieser Konferenz beiwohnen sollen, damit den Anempfehlungen durch letztere so schnell wie möglich die Tat folge» kann. Die verbündete» Mächte sind der Meinung, das; die Wiederaufnahme des iuteruaüonalen Handels in ganz Europa sowie die Entwick lung der Hilfsquellen aller Mächte notwendig sei, um die Menge der im Wirtschaftsleben Tätigen zn vergrößeren und die Leiden, denen die Bevölkerung Europas auSgesetzt ist, zu vermindern. Die verbündeten Mächte sind der Ansicht, daß die unentbehrlichen Grundbedingungen in ihren großen Linien folgende sind: 1. Die Nationen dürfen nicht das.Recht in Anspruch neh men, sich gegenseitig die Grundsätze auszuerlegen, »ach denen sich die Fragen des Besitzes, die Wirtschaftsregeln und die Regeln im Innern ihres Landes bestimmen wollen. Es ist jedem Lande das Sh st cm zu lassen, das es in dieser Beziehung bevorzugt. 2. Ans jeden Fall darf ausländisches Kapital nicht dazu benutzt werden, einem Lande Hilfe zn leisten, außer wenn die auSwäriigen Eigentümer dieses Kapitals.die Gewähr haben, das; ihre Güter und Rechtsansprüche geachtet werden nnd daß der Gewinn aus ihren Unteriiehmungen ihnen gesichert ist. 3. Jedes Gefühl der Sicherheit kann wicderbergestellt wer den, wenn die Nationen (oder die Regierungen der Nationen), die ausländische Kredite zu erhallen wünschen, freiwillig folgende Ver pflichtungen auf sich »cbmen: a) alle Schulden und öffentliche» Verpflichtun gen anzuerkenncn, die von den Staaten, de» Gemeinden n»d andere» öffentlichen Körperschaften eiugegangen sind, und die Verpflichtung aiizucrkcnuen, ausländische Inter essenten für die Verluste und Schäden, die ihnen ans der Tatsache der Konfiszierung ihres Eigentums erwachsen sind, zn entschädigen oder ihnen das Eigentum wieder zuznstellen; b) ein gesetzliches und juristisches Svstem einzu- richien, durch daö die uuMrteiischc Ausführung aller Han dels- und sonstiger Verträge sicher-gestellt wird. 4. Die Nationen müssen über bequeme Austausch inittel verfügen, allgemein gesprochen inüssen bezüglich des Finanz- und Geldwesens Bedingungen bestehe», die dem Handel genügend Sicherheit biete». 5,. Alle Nationen müssen sich verpflichten, von jeder Pro paganda Absiand zu nehme», die die Ordnung nnd d«S poli tische Sllstem eines anderen Landes benachteiligen. 6. Alle Länder müssen gemeinsam die Verpflichtung ans sich nehmen, von jedem A » griffan,f ihre N a ch Varn abzusehen. Wenn zn diesem Zwecke die für die Entwicklung des Handels mit Rußland notwendigen Bedingungen gesichert sind und die russische Regierung ihre amtliche Anerkennung fordert, so können die verbündelcii Mächte diese Anerkennung nur anssprechen, wenn die russische Negierung die vorgenannten Verpflichtungen anniinint- Artikels 119, speziell sür die Rechtsstellung der Kirche, ist die mehrfache Anerkennung der missio canonica. des kirch lichen Lehrauftrags für katholisckie Lehrer, der wir in den Äee- handlungen des Ausschusses begegnen. Erfreulicherweise ha! Dr. S. auch in seiner LaiidlagSrebe sür diese Tatsache Zengnis abgelegt. Seine Aeußerung verdient wörtlich mitgeteilt zn werden; sie gibt aber zugleich auch Anlaß, nnsere Kritik gegen ihn zu Ende zu führen: „Die Bestimmung, daß der R.-tt. nach den Grundsätzen de». Religionsgesellschaft zu erteilen ist, ist die innere Bin dung, ist die Bindung, die durch die freiwillige Erklärung, den R.-tt. zu erteilen, und durch die Möglichkeit, den N.-U. abzn- lehnen, gestützt ist. Damit ist auch die Frage der missio canonica. nach der Haltung des Zentrums damals, völlig eindeutig fcsi- gelegt. Die Vertreter der katholischen Kirche haben selbstverständlich die missio canonica unter allen Umständen vorausgesetzt für die Lehrer, die in den katholischen Schulen R.-tt. erteilen, aber indem die Lehrer der missio canonica folgen, binden sie sich in nerlich an die Grundsätze ihrer Kirche, dazu be darf es keiner weiteren verfassungsmäßigen und keiner rechtlichen unv vor allem auch keiner Fest stellnng durch irgendwelche Aufsicht... Die Frage, wie es die Religion-zzesellschaften fertig bringe», daß der Religions-ttnterricht »ach ihren Grundsätzen erfolgt, dic kst natürlich damit nicht erledigt. Daö ist selbstverständlich. Es kommt dabei alles aus die Lehrerpersönlichkeit und auf diese allein an." Diese Worte verraten gewiß eine merkwürdige Auf fassung. Die missio canonica soll nach S. „selbstverständ lich" nnd „unter allen Umständen" beim katholischcn Lchrer vorauSznsctzen sein; als Wirkung desselben aber will er nur eine rein innerliche Bindung anerkennen. Dr. S. hat an einer andere» Stelle dar- Wort missio mit „Lehr auftrag" wiedergegebeu; er bat dort zugleich anerkannt, daß Artikel 149 tatsächlich den Lehrauftrag durch die Kirche in sich schließt <22. Sitzung S. 12). Man könnte ebensogut missio mit „Lehrvollmacht" übersetzen. Nun enthält die ttebernainnc eines Auftrages oder einer Vollmacht zu bestimmien Leistungen gewiß zunächst eine innere, sittliche Bindung; die sittliche Persöniichkeit allein kan» solche verpflichtende Zusagen geben. Aber schon im privaten Verkehr entsteht mit der freiwillige» Annahme eines geschäftlichen, literarüchen oder erziehlichen Anfirags sofort auch dir Pflicht gegen Sen Auftraggeber, die übernommene Leitung entsprechend der Vereinbarung anSzu führen; m. a W. die innere Bindnng führt zn einem äußeren, zweiseitigen Treue- nnd Rechtsverhältnis. Das gleiche trifft zn bei ösfentlich- rechtlichen Aufträgen, etwa bei der Vollmacht eines staatl'^cn Gesandten: das gleiche auch bei der tirck>.-»reckitliche>i (kanonischen) Bevollmächtigung. Allerdings braucht dieses Treue- nnd Rechts verhältnis zwischen der Kirche und dem Träaer der missio cano nica. d. h. die Bindnng an die kirchlichen „Grundsätze" nicht not wendig „verfassungsmäßig sestgelegt" zn werden. Nachdem eS aber einmal, wie Dr. S. zugibt, geschehen ist, — und zwar mit Zustimmung der Demokratischen Partei — kann die Kirche ver langen, daß anf dieses Treue- und NechisverbättniS auch die sonst allgemein übl'che» Grundsätze angewandt werde». Mithin kan» man nicht sagen: „Es kommt alles anf die Lehrerpersönlichkeit und ans diese allein an." Beim Lehrer ist es gewiß ebenso gut, wie bei Geistlichen nnd bei Personen anderer Stände, mög lich, daß sic dem Geist und Zweck der übernommenen Bindung »niren werden; ei» solcher Wandel berührt dann nicht auSschlietz- lich ihre Persönlichkeit, sondern wesentlich auch das öffentliche Interesse und -das verfassungsmäßig verbürgte Recht der Neli- gionSgesellschast. Mit Recht bat sich nach dieser Richtung der Abg. Heßlei» auf die Bemerkung von E. Haußman» berufen: „Es kan» auch die katholische .Kirche nach ihrer ganzen inneren und äußeren Ornvilsation nicht wohl auf die missio canonica, d. h. auf den Grundsatz verzichten, das-, diejenigen, welche die „Lebren" der katholischen Kirche „lehren", auch von der Kirche aneikannt sein sollen" (Die Verfassung des Deutschen Reiches 1919, S. >0). Er schreibt: „anertannt sein solle»; also auch im ganzen Verß,»f ihrer Lehrtätigkeit! Ich selbst habe oben den anderen AnSsprnch HaußmannS zitiert, der den „Widerspruch" des Abg. S. gegen die kirchliche „Aussicht" zurüclwieS: .E» ist