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Sächsische Volkszeitung : 09.08.1920
- Erscheinungsdatum
- 1920-08-09
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-192008097
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19200809
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19200809
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1920
-
Monat
1920-08
- Tag 1920-08-09
-
Monat
1920-08
-
Jahr
1920
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 09.08.1920
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SV.LS» »».Jahr». AN,»«»-«. 1«. SäcklMe Montag, ». Anguft IE F«*«i»«*ch— si«r P-stscheett-nt-r Nr. 14AN volkreumm v«»«a»vrot», Wertelitthrltch in der »eschSstostell« oder von der Po« adgehoU A«»gab« L mU tllustr. Vellage Lv.sa^» »«Sga», » » LL F». In Dresden und gan, Deutschland stet -au» AuSgad» 0. »«.«8 «»»sab» » ».»0 — Dl« Süchstsch« «olk«,eltung »rschelnt an allen »ochentagen nachm. — Sprechstunde der Redaktion: LI vl» LS UHr dorm. «n,eigen, Annahme von SelchSstlan,eigen bi» 1« Uhr. von Famittenanzeigen bi, 1L Uhr vorn,. — Preis ,lir di« Petit^paltzeil« L.S« im ReNameteil S.80 F-mtllenan,eigen 1.8« — Für undeutlich geschrieben«, sowie durch Fernsprecher aufgegeben« Anzeigen kdimen wir di« Berantwortltchkeit sür dt« Richtigkeit de» Lege» nicht übernehmen Bor einer neuen Weltkatastrophe Die Ereignisse im Osten Europa- nshmen einen so raschen Verlauf, daß mit ei vier entscheidenden Wendung gerechnet werden kann. Ti« Entwicklungen im Osten sind ein unumstößlicher Beweis für die Richtigkeit der Auffassung, daß der Vertrag von Versailles dm Weltfrieden nicht bringen kann und nicht bringen wird. DaS Werk, welches die Ententediplomatm in Versailles unter Nichtachtung dyr heiligsten Rechte der Völlar und der unter Bruch gegebenen Vev< sprechen mühevoll erreicht haben, wankt in seinen Grundfesten. Die neue Ordnung der NeichSltnisse im Osten, die von der Entente künst lich und gewaltsam geschaffen ist, steht im Begriffe, über dm Hausen geworfen zu werde» ES rächt sich jetzt, daß die Ententestaatsmänner sich, dutrch Rachsucht und Habgior verblendet, dm Blick für die For derungen eines wahren Friedens haben trüben lassen. Die von ihnen aufgestellte Rt-chnung hatte einen schweren Fehler. Der Bol schewismus, dessm sie nach Anstrengungen aller Art während der letzten zwei Jahre nicht Herr zu werden vermochte, schickt sich an, sich zum Herren Osteuropas zu machen und seinen Willen der En tente aufzuzwingen. Die Führer der Bolschewisten haben sich den Staatsmännern der Entente zum mindesten gleichwertig, wenn nicht überlegen gezeigt. Weder Drohungen noch Versprechung» der En tentestaatsmänner haben eS vermocht, die Führer des Bolschewis mus von dem beschrittenen Wege abzubringen. Zielbewußt und sicher arbeiten sie an der Verwirklichung ihre!» Pläne und di« Handhabe dazu bot ihnen zuletzt der auf Anstistm der Entente von Polen frevelhaft vom Zaun gebrochene Krieg gegen den Bolschewismus. Mit dem Zusammenbruch Polens, der täglich erwartet tverden kann, ist die Hoffnung der Entente, den Bolschewismus mit Gewalt nieder zuschlagen, endgültig geschwunden, wenn sie nicht einen nvuen Welt krieg heraufbeschwören will. Di« Lage spitzt sich mehr und mehr zu und für die Entente gibt es jetzt nur noch zwei Wege, entwedsr vor dem Bolschewismus zu kapitulieren, das heißt Polen seinem Schick sale zu überlassen und die Entscheidung über den staatlichen Wieder aufbau des Osten- dem Bolschewismus zu überlassen. Der andere Weg ist der Krieg Die Entscheidung darüber wird letzten Endes bei Frankreich liegen, wobei man im Zweifel sein kann, ob England seinen Verbündeten nicht schließlich im Stiche lassen wird. Frank reich befindet sich in einer Zwangslage, die es sich aber selbst geschaf fen hat. Entschließt sich die Entents zur Kapitulation vor dem Bol schewismus und mit ihm Frankreich, dann ist der Friedensvertrag, soweit etc den Osten in Betracht zieht, nur noch ein Fetzen Papier. Entschließt sich die Entente oder auch Frankreich allein zum Kriege gegen Sowjetrußland, dann wird die Welt von einer neuen Kata strophe bedroht. Die Lago des Deutschen Reiches ist dann eine über aus gefahrvolle. Di« Reichsregierung hat das getan, was sie tun konnte, indem sie die Neutralität de- Deutschen Reiches erklärte Wir haben, das liegt für jedem offen zutage, nicht die tatsächliche Macht, unsere Neutralität mit Waffengewalt zu schützen Auf unserer Seite steht nur das moralische Recht und wir verkmnen durchaus nicht die Stärke, die darin begründet liegt. Frankreich und die En- tente haben wohl den Eindruck zu scheuen, den ein Bruch der deut schen Neutralität bei der ganzen zivilisieren Welt und den Demo kratien Westeuropas Hervorrufen müssen. Dennoch wagen wir nicht mit aller Bestimmtheit zu behaupten, daß Frankreichs Staatsmänner, deren Verblendung kaum noch Grenzen hat, unter allen Umständen davon absehen werden, den Vormarsch durch Deutschland zu erzwin gen, wenn sie sich zum Kriege gegen Sowjetrußland entschließen. Für diesen Fall wird die Lage Deutschlands eine außerordentlich bedrohliche. Es ist selbstverständlich, daß in diesem Falle Deutsch land sich mit einem Protest gegen «ine solche Vergewaltigung begnü gen müßte, aber im weiteren Verlaufe der Dinge würde sich Deutsch land den Folgen eines Krieges zwischen dem Westen und Sowjet rußland schwerlich entziehen können. Es besteht die große Gefahr, daß Deutschland den Bodstn sür den neuen Krieg bilden würde Bei solchen Entwicklungen würden aber, das kann wohl heute mit Be- stimmthcit gesagt werden, das deutsche Volk sich nicht als unbeteilig- ter Dritter beiseite stellen können. Bei einem Bruch« unserer Neu tralität durch die Ententv oder Frankreich würden wir letzten Endes zwangsläufig au die Seite Rußlands getrieben. Es mag menschlich begreiflich sein, daß man im deultschen Volk« eine unverhohlene Fpeude über die Niederlage der Polen und die schweren Verlege» Heien Frankreichs empfindet. Aber kritischen Augen hält eine solche Freude nicht stand. Deutschland sieht sich auf alle Fäll« zwischen zwei furchtbare Gefahren gestellt. Die eine ist der neue Weltkrieg und' die andere die Bolschewisigrung Deutschlands. Die Schwierigkeiten, die sich aus dieser Lag« ergeben, sind ungeheure. Selbst bei ge» nanester Prüfung aller Möglichkeiten scheint sich kaum noch rin Aus« weg aus dem Dilemma zu finden. Da- deutsche Volk geht uuzweti selhaft schweren Tagen entgegen Die Quelle allen Unheils, welchel heilte das deutsch« Volk und die ganze Welt bedroht, ist der Gsvatt- und Schmachsrieden von Versailles. Es ist nicht unmöglich, daß de» Tag nicht Mohr fym ist, wo sich diese Vergewaltigung eine» wahren Volksfriedens an ihren Urhebern rächen wird. Wir könne» nur hoffen, daß e« schließlich doch noch gelingen möge, zu einem Au», gleich zu kommen, vor allem aber da« deutsche Volk, welche» heut« schon unter so ungeheuren Lasten fast zusammenbricht, vor dem letzte» zu bewahren. , Die Parteien im neuen Reichstag (Von einem besonderen parlamentarischen Mitarbeiter) Die bisherigen kurzen LagnngSabschnutte des neuen Reichs tages gestatten in ihrem Zusammenhang «inen nicht uninteressanten Ueberblick über die Parteien im neuen Reichstage, und zwar sowohl, waS ihre Struktur in sich selber, wie auch ihr Verhält nis zu den übrigen Parteien des Parlaments angeht. Den unzweifelhaft größten Gewinn aus Grund der letzd-n Reichstagswahlen haben die Linksradikalen erhalten, di« im Reichs tage durch den Kreis der Unabhängigen bezeichnet werden. In dieser Partei ist gegenüber ihrer bisherigen Zusammensetzung und Betätigung eine noch weitere Radikalisierung in politischen Ten denzen und Handlungen unverkennbar. Schon äußerlich macht sich das dadurch bemerkbar, daß die unabhängigen Sprecher im Plenum des Reichstages fast durchweg von neuen Männern gestellt werden. Di« Henke, Geyer und Genossen sind recht erheblich zurückgedrängt, ja teilweise erheblich ausgeschaltet. Selbst Luise Zietz spielt nicht mehr die vordrängerische Rolle, die sie in der Nationalversammlung inn« hatte. Sie ist auch in ihren Zwischenrufen und den von ihr beliebten Störungen der Redner tvesentlrch bescheidener geworden Das kommt dahier, weil ihre Stimme nicht mehr durchdringend genug ist, um den Spektakel, der von den Jungparlamentariern der Unab hängigen gemacht wird, zu übertrumpfen. In der politischen prakti schen Arbeit haben sich die Unabhängigen vollends von ihrem durch eine Kugel vor dem Reichstage verwundeten und an den Folgen dieser Verwundung dann gestorbenen Führer Haase abgewandt. Heute ist die unabhängig« Partei nichts weiter, als eine Parte» der Aufwiegelung, der Aufreizung, der niedorreißenden, hämischen Kri tik, die an dem Gegner kernen guten Faden mehr läßt, und dl« dort am wildesten sich austobt, wo es die tatsächlichen Nottvendiglciten als gänzlich unangebracht, ja sogar völlig unnötig orscheinen lasse», wo aber sür die Unabhängigen eben der größte Agitationsersvlg her. auszuholen «st. Stürmer und Dränger, wie Ledebour, Adolf Hoff, mann, Rosenseld, Moses usw geben den Ton an und schön ist er nicht. Was wir in dieser Beziehung gerade in den letzten Ver- handlnngstagen erleben mußten — wir erinnern nur an die Mili tär»- und RÄigionsdebatte im Reichstage — ließ alles hinter sich, was man bisher in diesem Saale, selbst in den Zeiten größter Auf- jregnng und politischer Leidenschaftlichkeit beobachten konnte. Die Unabhängigen — und darin liegt der Wesenskern — wenden ihren Blick nicht nach Deutschland, sondern sie schauen nach Moskau. Trotz dem sie dort bei dem dieser Tage abgehaltene Kongresse der „dritten Internationale" Fußtritte belommen haben, kuschen sie sich in fana- rischem Glauben an die wellenbezeichnende Idee des Bolschewismus, als dessen Vorkämpfer auf deutschem Boden und in deutschem Volks hause sie sich fühlen! Tie eng« Gemeinschaft der Unabhängigen mit den beiden kommunistifchen Vertretern im Reichstage, der Klara Zetkin und des Paul Levl, kann daher nicht weiter verwun dern. Gerade die Zetkin die einer Zietz den allergrößten Konkurrenz kampf Tag füg Tag lieferte, hatte für ihre phantastischen Tiraden d«n laute» und demonstrativen Beifall der Unabhängigen. Es dürfte keinen Politiker verwunden,, wenn er in Kürze vernehmen würde, daß die unabhängige Reichstagsfraktion eine Spaltung in sich voll zogen hat, und daß ihr linker Flügel glatt zu den Kommunisten übergeschwenlt ist. Eine solche Entwicklung wäre ja nichts anderes, als die Ko'nfeqnenz ans den bereits erwähnten Vorgängen von Moskau. Die Unabhängigen schließen sich bewußt von jeder praktischen Mitarbeit aus, w«il sie wisse», daß die Uebernahme von Verant wortlichkeiten ihnen nicht mehr die Basis für die stets Auswühlung unter den betörten Volksmassen gewährt, die sie brauchen, um sich ihre Pairteisuppe stets warn» zu halten. Wenn man die Unab hängigen im ReichStagSsaals zuweisen am Werke sah, dann mußte man sich erstaunt fragen, wi>e es möglich ist, daß ein Mann der schwieligen Faust, ein Arbeiter, ein Arbeiter mit gesundem Sinn und Vorstand in solchen „Vertretern" Anwälte seiner „Arbeiter". Interessen sehen kann Man muß gestehen, daß die Rechts- s Sozialisten, die auch heute noch den Namen Mehrheits sozialisten durchaus zu Recht tragen, Verantwortlichkeiten sich besser bewußt geworden sind. Sie Haren es ja nn» einmal selber erfahren müssen, wie leicht es ist, nur n itzriii! sich zu ergehen und von Verantwortung frei zu sein. Hm im Raume stießen sich hier die Tatsachen, und aus den harten Tatsachen, aus den bitteren Not wendigkeiten und den ehemen Pflichten haben die Sozialdemokraten doch ein gut Teil gelernt. Diese Sozialdemokraten von heute sind ganz anders als die aus de» Vorkriegszeiten Sie mußten ja nun selber fühlen, wie bitter n«d hemmend eine Opposition gerade auf diejenigen Kreise und Kräfte wirken muß, die willens sind, alle ihre Fähigkeiten nach bestem Wissen und Gewisß-n einzusetzen sür dar Allgemeinheit Wohl. Die Sozialdemokraten von heute, die sich in folge des Ergebnisses »er Rstck'tagswahlen von der Regierung fürs erste zurückgezogen hal,n, gleichen Akteuren, di« ihre« Platz auf der Bühne mit einem bequemen Pattkcttstssel vertauschen, um von hier mit verschränkten Armen zuzusehen, wie andere es nun machen. Daß in der Sozialdemokratie ein innerer Widerstreit stärkster Natur sich geltend macht, kann man nicht bezweifeln, und man darf es auch nicht übersehen u»d »erkennen,- x, ist doch wiederum auch ein Zeichen innerer Kraft, daß es dieser Partei bisher gelungen ist, selbst sehr schwere Differenzen, die zu jeder anderen Zeit geeignet gewesen wäwn, di« Partei in ihren Grundfesten zu sprengen, zu überbrücken, eben in dem Hinweise airf die Pflichten und Verantwortlichkeiten, die sich an? praktischer Arbeit ergeben. Darum ist die Stellung der Sozialdemo kratie d«r jetzigen Regierung gegenüber anch durchaus nicht eine Völlig freie und verantwortungslose. Eine gewisse Mitverantwortung Hst auch jetzt noch vorhanden »nd sie macht sich ja auf Schritt und sßM» Mltend. Das ist ja auch nicht anders möglich, weil eS sich ja heirt» im Grunde bei allem, was wir politisch tun und lassen, um nicht» anderes al» um die Liquidation sozialdemokratischer Uittr- nehmungen handelt. Zn trennen ist bfl der Betrachtung der sozial- demokratischen Tätigkit immer ihre wirtschaftliche und ihre kulturell« Tendenz. Während bei der Verfolgung der ersttren sich die schärf sten Ecken und Kanten gegenüber den anderen Parteien z»sek>"ndr abgeschliffen haben, kann man das nicht von den sozialdemokratischen Tendenzen in Kultnrfragen sagen. Ab"r auch in dieser Beziehung ist von Bedeutung, daß die Sozialdemokraten einen Kanipf mn diese. Dinge gegenwärtig doch nicht wagen, und daß sie um der Vermeidung dieses Kampfes willen auch gewisse Rücksichten obwalten lassen woll ten. DaS ging unter anderem auch aus dem Verhalten der Sozial demokraten gelegentlich der ganz widerlichen von den Unabhängigen provozierten Religionsdebatte im Reichstagsplenum hervor, bei wel- cher sie sich bis aus ganz wenige Ausnahmen an dem „Kralehl", wie der „Vorwärts eS selber nannte, nicht beteiligten, und zum gro- ßen Teile mit den übrigen Parteien den Saal verlassen haben, al« Adolf Hvfsmann gar zu bunt trieb. Wer heute die Führung bei den Mehrheitssozialislen hat, läßt sich eigentlich schwer sagen. Scheidemann schwebt immer wie ein Geist >m Hintergründe. Mül- ler-Franke«, der ehemalige Reichskanzler, hat die Zügel mehr und mehr in die Hand genommen und er tritt ja auch als Sprecher der Fraktion hervor Durch die Uebernahme des Reichstagspräsidiums durch den seitherigen Führer der Mehrheitssozialisten, dem Abgvord» neten Loebe, ist ja dessen unmittelbarer Einfluß auf die Füh rung der FraktionsMchäfte ausgeschaltet. Tie Mehrheitssozialisten warten — wie gesagt — ihjre Stunde ab, und sie sind des Glauben-, daß die Zeit nicht mehr fern ist, in der sie wiederum die Zügclführung im Reiche übernehmen können. Darauf richten sie sich ein, und im Hinblick daraus vermeiden sie natürlich alles, was ihnen später mit gleicher Opposttionsmünze heinigezahlt werden könnre. Die an die Mehrhvitssozialdemokraten im Sitzungssaals de» Reichstages sich anschließenden Demokraten bilden nur noch einen statt! dezimierten Block. Sie müssen ihre Bänke mit den Ab geordneten der Bayerischen Volkspartei teilen. Die Demo- rkaten harren ebenfalls besserer Zeiten, ihre ganze Politik ist daraus abgestimmt, die schweren Wunden, die der Wahlseldzug ihnen schlug, verharschen und heilen zu lassen Die Demokraten vermeiden es, irgendwelche prononziertc Stellung einzunehmen Sie vermeid«,» also alles, was sie in das parlamentarische Vorgelände ohne ge nügende Deckung bringen könnte. Sie leihen dabei der Regittungs- politi! ihre tatlrästige Unterstützung, lassen aber keine« Zweifel dar über, daß sie sich in der jetzigen Situation und Koalition nicht be haglich fühlen, weil sie den wirklicheren Ausdruck des Volkswillens angesichts der Stärke der sozialdemokratischen Partei darin nicht er blicken können. Dies« Auffassung haben sie mit d«n beiden übrigen Regierungsparteien durchaus gemeinsam. Es zeigte sich aber, daß es nicht möglich war, unter den jetzigen Verhältnissen die Sozial demokraten mit zur Regierungsverantwortlichkeit hinzuzuziehen. WaS nun das Zentrum und die Deutsche Volks partei, als di« beiden anderen mit den Demokraten zusammen die Regierung bildende» Parteien angeht, so wäre grundsätzlich fol gendes zu sagen: Tie Fäden, die anch niemals zwischen dem Zentrum und der Deutschen Volkspartei ganz abgerissen waren, sind zweifel los verstärkt worden. Das bringt weniger die gegenseitige poli tische Liebe mit sich, als die Notwendigkeit des gemeinsame» und' durch ihre Gemeinsamkeit ersprießlichen Schaffens. Das Zentrum hat in seiner inneren Struktur eine Aenderung nach der Seite der Verstärkung des landwirtschaftlichen wie auch des mittelländlerischen Einflusses erhalten, ohne dabei aber den Charakter der Partei als einer alle Volksgruppen und Enverbsgruppen vertretenden Volks- Partei irgendwie einzubüßen. Das ist ja auch die Stärke des Zen trums, die von allen anderen Parteien ihm nachgerrühmt und oft genug geneidet wird. Die Zentrumspolitik hat auch in d«n jüngsten schwierigen Tagungen des Reichstages den vermittelnden, ausglei- chenden und immer nach einen Ausgleich der Interessen strebenden Charakter gezeigt, der die Partei groß geinacht hat, und der ihr darum anch heute und unter dem parlamentarische» System anch fer nerhin mit dem allergrößten. Einfluß auf die Führung »er Reichsge- schäfte sichert Daß das Zentrum nun jetzt die Führerschaft des Rei ches durch die Stellung des Reichskanzlers aus seinen Reihen in»-» hat, stärkt natürlich notwendigerweise seine Stellung, und ander seits kommt es dem Zentrum zugute, daß es aus diese Machtstellung nicht pocht, sondern haushälterisch mit seinen Kräften umgeht, und in vielen, gerade den entscheidenden Fragen den anderen Koalitions- Parteien den Vortritt läßt. Ti« Deutsche Bolkspanei hinwiederum hat aus der früheren Opposition notwendigerweise sich zurückgezogen, und auch sie teilt jetzt das Los aller derer, die für die Uebernahme von Pflichte" und Verantwortlichkeiten sich zur Rechenschaft -i-chen lassen müssen. Die Deuts ch n a t i on n l e Volks Partei ist trotz ihres Zusammengehens mit der Deutschen VolkSvwtei im Wahlkampfe u 4t gesonnen, von ihrer Opposition in priiiziprcllen Frag«» irgendwie abzugehen. Die Zusammenstöße die gerate wegen dor Stellungnahme zu Spaa zwischen der Dmochnatio.iabm und der Deutschen Volkspartei im Rededuell Hergt-Strcsemann sich zugelra- gen haben, haben doch oine tiefere Kluft oisc.ckart, als »an sie ae- meinhin annehmen konnte. Die Gegenwehr, welche die Deutsche Volkspartei zur Rechtfertigung ihres Sta»a>a:n!vs oaran fegen mußte, hat aber auch weiter dieser Partei im Reichtsage sowohl, wie im Lande vor Augen geführt, welch dornenvolle Ausgabe es ist, unter d«n heutige» Verhältnisse» selbstlos und unbekümmert um Nechtsurtcil unmittelbar sür des Volkes und des Valerkantes Wohl zu arbeiten. Lorbeeren sind bei diestr Wirksamkeit heule ja nicht zu holen, und Erfolge können anch nu.- sehr iebr begrenzter Na tur sein. Und dennoch darf man bei einem Gesamtüberblick über das Parlament von heute gegenüber der Nukioualaersonimlnug mit Ge» nugtnnng die Feststellung macken, daß alle Anzeichen dafür sprechen, daß wir uns allgemach aus dem pot't-'ch-a Zusammenbruch hcraiiS- arbeiten. Ganz unzweifelhaft hat das Gciühl der Verantwortlich keit im Parlamente zugenommen nnd wird demgemäß anch die Hal tung der Parteien, leibst derjenigen, di- nicht ,n, Negierung gehören, von dem Gefühl höheren Pflichtbewußsteinz erfüllt Wen-., wir das sagen, müssen wir die Unabhängigen allerdings «»--nehmen, denn ihr Bestreben «nd ihre Haltung lassen den parlamentarischen Be schauer oftmals die Frage answerj-n ob wir es hier überhaupt noch mit dentsch fühlenden Politikern zu tun habe». Im übrigen abar, ist doch die Idee der Nolksg-m-inschast als einer Schicksalsgemeinschaft in der Erstarkung begriffen. Eine nullende Kluft, die unüberbrückbar wäre, besteht heute nickt mehr. Selbst die Deutschnationalen haben wiederholt durch den Mund ihrer anerkannten FMer erklären lassen, daß sie die VersassungSgrund» läge von Weimar auch sür sich als die gesetzliche Basis ansehc«, aus der sie ihren Zielen und Anschauungen zum Erfolge verhelfen wollen.
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