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Skr. 1S7 — 11 Jahrgang. Mittwach dev »4. Jvli 1»1» S-Ichelnl ««ch« LN«*«»b« 4 mit .Die ».IO In Dreien durch Boten ».4« 4». In Deutschland ftei Hau» 8 88 4k ^ in Oesterreich 4 4S I S ohne illustrierte Betlaae dterteljlihrlich 1,8« 4». In Dresden durch Boten 8,1« 4k In gan» Deutschland sre> hau» 8.8» 4k; in Oesterreich 4.07 L. - Linzei-Nr I« 4 mit kuSnahme »er Sonn, und Festtage eit in Wort und Bild' dtertelitthrlich ", ganz L Unabhängiges Tageblatt für Wahrheit, Recht und Freiheit Inserate werden die «gespaltene Petitzeile oder deren Raum »>» 2« 4, Rellame» mit 8V 4 die Zeile berechnet, bei Wiederholung« entsprechende» Rabatt, Vnchdrnilttet. Redaktion und Geschäftsstelle, Dresden, Pilloiqer Strahe 4». — Fcriisprecher 1884 Fit» Rückgabe unverlangt. ScheiftftiickekeineryerbtndltMeer Redaktion^-SvreN'üuneeE >> biS >8 Ubr, L.a«t«iie!»lr»vIitiii>Le» kür alls Lrunotisn, 8«I»»i»k«i>8ter «inrioktiinsei», tnla»»>«8bel, 8oN»«ItN«tei» livtsru AsMsr, llielivllr L Vs., 8. m. d.N„ Vrv«cke« IVoibsrgor 8t.r. 19. korilZprsoker 1646. Xv8teitSll8otllLgo u. Llitwürkv gricti« Dis bs8tou Zl'tl'i8LllUNZ8-60NbON8 V. I*kun6 unck 20 ?k<;, uosutbslirliob auk Roi8vii uaä ^usllü^on, srliultor» 8io boi Herling L< sioelcrtroii, Drescien. dtisilorlngoii in sllou 8tcc>1ttoilsil. Türkisches Chaos. Trostlose Nachrichten treffen ans Albanien ei». Die Be wegung im Heere breitet sich immer mehr und inehr aus. die Aufständischen, von regulären Truppen unterstützt, er warten von der Zentralleitung die Order, den Vormarsch auf Konstantinopel anzutreten. Es besteht kein Zweifel, gelingt es nicht noch in der letzten Minute, die Bewegung aufzuhalten, so stehen wir am Vorabende der ernstesten und gefährlichsten Ereignisse. Die Militärliga, die alle Mal kontenten in sich vereinigt, hat dem „Komitee" den Krieg bis aufs äußerste angekündigt-, die seitens der Jungtürken vom Sultan erpreßte Proklamation hat noch mehr dazu bei getragen, den Haß und die Feindschaft zu vertiefen und zu verschärfen. „Es gibt keine 20 Offiziere in der ganzen Türkei, die ihre Haut für die Jungtürken zu Markte trü gen," behauptete mit Recht ein türkischer General. Der jungtürkische Minister Talaat-Bey wurde Freitag in der be lebtesten Straße von Konstantinopel geohrfeigt, ohne daß sich jemand des insultierten Ministers angenommen hätte. Als der Sultan nach Verlesung der Proklamation die an wesend?» Offiziere fragte, ob sie niit den Ausführungen der Proklamation einverstanden wären, herrschte in den Krei sen der Offiziere eisiges Schweigen. Das sind Symptome für das Nahen höchst gefährlicher Stürme. Die Sünden der Rogierungsmethoden und der Macht haber haben das Volk derart aufgebracht, daß es keinen Ausweg mehr gibt. Was jetzt in der Türkei vorgeht, ist keine vereinzelte lokale Bewegung, dnS ist die allgemeine Anarchie. Muhamcd V., eine Marionette in den Händel der freimaurerisch-jüdischen Kligue, muß, uni sich selber zu erhalten, einen nach dem anderen von seinen besten Freun den opfern. Aber auch diese Opfer werden nicht hiu- reichen, um dauernd die Ruhe herzustellen. Selbst die Auf lösung der Kammer oder die Auflösung der jungtürkischen Komitees, die Tewfik Pascha als Bedingung für die lleber- nahme des Großwesirates verlangte, würden nicht imstande sein, den Ruin hintanzuhalten. Das klebet sitzt eben schon zu tief. Die Korruption der frsimaurerisch-jüdischen Aera hat den ganzen Stcatsorganismns tief korrumpiert. Die jung türkischen Machthaber haben mit ihren Praktiken genau das Gegenteil von dem erzielt, was sie zum Wohle der Tür kei hätten anstreben müssen. Anstatt aus der jungen degenerierten Türkei einen modernen unabhängigen Staat zu machen, haben sie ans ihrem Reiche ein Beuteabjekt eng lischer Spekulanten gemacht. Kiamil Pascha, der ärgste Feind der Jungtürken, ist Minister des Aeußern. Nazim Pascha, der grimmigste Geg ner der „Verfassungsheldsn", wird Minister des Innern. Ein anglophileres Kabinett läßt sich gar nicht denken. Die „freie unabhängige Türkei" ist eine Domäne Englands ge worden. Ahmed Muchtar, ein Albanese, ist Großwesir. Das ist Wohl der deutlichste Beweis für die vollständige Niederlage des Jungtürkentums. Unter den derzeit obwal tenden Verhältnissen wäre eine nachgiebige Haltung den Albanesen gegenüber das klügste, was die Türkei tun könnte. Ob dies allein genügen könnte, um die Ruhe wic- derherzustellen, ist freilich recht fraglich. Nicht halbe Maß regeln, sondern eine radikale Aenderung des bestehenden Systems kann noch die Türkei vor dem ihr bevorstehenden Ruin retten. * » lieber Einzelheiten der Lage berichten folgende Tele gramme: Von allen Seite» Albaniens, namentlich aus Pristina, werden Ansammlungen gemeldet. Die Straßen sind von Arnanten besetzt und die Märkte geschlossen. Auch in Süd albanien breitet sich die Bewegung aus. Die Deserteure von Monastir sind noch immer in den Bergen, ihre Zahl ist durch Zuzug von Räuberbanden auf 360 gestiegen. — Als der Kriegsminister bei der Verlesung der Proklamation des Sultans in Konstantinopel in den Kasernen anwesend war. protestierten die Offiziere dagegen, daß sie sich nicht politisch betätigen, sollten. K o n sta n t i n o p e l, 22. Juli. Die Zusammen setzung des neuen Kabinetts wird nunmehr als endgültig betrachtet. Mahmud Muchtar, der Sohn des neuen Groß- wesirs, hat das Marineportcfeuille übernommen. Deutsches Reich. Dresden, den LS. Juli 1912. — Der Kaiser unternahm gestern vormittag einen Spaziergang bei sehr warmem Wetter. Nachmittags hörte der Kaiser den kriegsgeschichtlichen Vortrag des Generals Dickhuth. An Bord ist alles wohl. — Zum Kniscrbcsiich in der Schweiz. Der bevorstehende offizielle Besuch des deutschen Kaisers in der Schweiz zn Anfang September wird in den schweizerischen Zeitungen lebhaft besprochen. Das Programm für den Kaiserbesuch ist jetzt bekannt gegeben worden. Man bedauert allgemein, daß der Besuch des deutschen Kaisers — der erste offizielle Besuch eines deutschen Herrschers — nur wenige Tage wäh ren wird. Die Schweizer Geschäftsleute erhoffen für die Herbstsaison einen gleich starken Fremdenandrang wie jetzt im Sommer. Aus England und Amerika liegen für den Septeniber schon zahlreiche Vorbestellungen für Hotelquar tiere vor, namentlich in Zürich, Luzern und Jnterlakeu, Orte, die der Kaiser besuchen will. Sein Besuch wird aller dings nur kurze Zeit dauern, und es ist fraglich, ob der Kaiser die Neubaustrecke der Jungfraubahn zum Jungfrau joch eröffnen wird, da ein Besuch des Berner Oberlandes mindestens zwei Tage in Anspruch nehmen würde. Inter- essant ist es schon jetzt, das Gebaren der Zeitungen in Frankreich und der französisckie» Schweiz zu beobachten, die befürchten, daß der französische Einfluß in der Schweiz, der leider auch in der deutschen Schweiz sich immer mehr bemerkbar macht, durch den Kaiserbcsuch Einbuße erleiden könne. Die Manöver selbst werden sich zwischen Bern und Zürich abspielen, einem Gelände, das den Charakter Thü ringens zeigt. Die Vorbereitungen für dieses Rkanöver beschäftigen noch zurzeit den -schweizerischen Generalstab. Vergegenwärtigen muß man sich, daß die Schweiz ein Heer mit längerer Dienstzeit nicht kennt, sondern die ausgebilde te» Rekruten nach einigen. Monaten entläßt, um sie alle Jahre zn Waffenübungen einzubernfen. Im Manöver stehen somit Milizen, die erst für das Manöver größten teils einberufen sind. Die Schweizer Manöver werden fin den deutschen Soldatenkaiser besonders interessant sein. Die ersten Witzkarten, die den Kaiserbesuch glossieren, sind kürz- sich im Handel erschienen. Der Kaiser beobachtet in Kürassieruniform das Schießen eines Schweizer Miliz soldate», der den Eindruck eines deutschen Landwehrmanns macht. Der Kaiser ist mit der Treffsicherheit dieses Schützen sehr zufrieden und lobt ihn. „Also 100 000 solcher Schützen seid ihr. Wenn aber nun 200 WO Preußen kämen?" sagt der Kaiser. Und jovial entgegnet lächelnd der Schweizer. „Das schadet nicht. Majestät, dann schießen Nur alle noch einmal." Die deutschen Kolonien, in den größeren Städten der Schweiz bereiten sich auf den Empfang, des Kaisers auch schon vor. Die größte deutsche Kolonie der Schweiz in Zürich hat Schritte unternommen, um den Kaiser be grüßen zu können. Der Nachlaß des Prinzen Cumbcrland. Der im Mai dieses Jahres verunglückte Sehn des Herzogspaares von Cumbcrland, Prinz Georg Wilhelm Herzog zn Braun schweig und Lüneburg, hat dein Vernehmen nach seinen beweglichen Nachlaß seinem jüngsten Bruder Prinzen Ernst August, Leutnant im bayerischen ersten schweren Reiter regiment, testamentarisch vermacht. Das Privatvermögen des verblichenen Prinzen, der einem der reichsten deutschen Fürstenhäuser angehört, fällt, wie verlautet, an das Haus- BraunschweigtLüneburg zurück und 'Lommjh sden Prinzen und Prinzessinnen des Hauses später zu. — Ein fürstlicher Millioncnprozcß. Fürst Alfred von Thurn und Taris hat gegen den Prinzen Miguel von Bra- gauza in London eine Klage auf eine Million Kronen an gestrengt, eine Schuld, die aus einer Wechselbürgschaft stammt, die Fürst Thurn und Taris für den Prinzen von Braganza geleistet hatte, als der Prinz auf Freiersfüßen ging und infolgedessen alle seine kleineren Schulden tilgte, um sich vor Wechselklagcn zn sichern. DaS Heiratsprojekt mit Miß Pullman scheiterte aber damals. Fürst Thurn und Taris hat bereits 1907 eine Klage auf eine halbe Mil lion Kronen gegen den Prinzen angestrengt. Er fiel aber vollständig durch, weil die übrigen Gläubiger den Prinzen bi? auf den letzten Stuhl ausgepfändet lxüten. Später hat der Prinz von Braganza Miß Stewart geheiratet, mit der er in London lebt. Ein Telegramm aus London besagt nun, daß die Klage nicht zugestellt »'erden konnte, da sich der Prinz von Braganza in Portugal befindet, wo er an der Seite der Royalisten gegen die Republikaner kämpft. Der Dramatiker Leo van Heemstede. (Zu seinem 70. Geburtstage am 24. Juli.) Von Fritz Decker, Düsseldorf. Man kann nicht über Mangel an dramatischer Pro duktion klagen in der Jetztzeit, wohl aber über den einer festgefügten, einheitlichen Weltanschauung bei ihr. Durch fast alle Werke unserer heutigen Dramatiker geht ein Riß. Ihre Schöpfungen gleichen Glocken, die infolge eines Sprunges keinen reinen, warnien Klang mehr geben können. Kunstanschauungen erwachsen stets aus Weltansck>au° ungen. Und je gefestigter und großzügiger diese sind, desto höher sind jene zu bewerten. Es geht nicht an, wie man heute vielfach, aus der Not eine Tugend machend, ver- sucht, ein Kunstwerk nur vom ästhetischen Standpunkte aus zu betrachten und einzuschätzen. Wie man eine Idee dar stellt, ist gewiß richtig: aber vor allem muß es doch eine darstellungswürdige Idee sein! Man darf die Form nicht über den Inhalt setzen. Geschieht dies doch, so verfällt man einem Aesthetentum, das unleugbar nichts anderes als ein absterbender Ast an dem lebensfrohen Baume der Kunst ist. Ich möchte nun hier auf ein paar Werke eines Mannes Hinweisen, die aus einer hohen gefestigten Weltanschauung heraus geboren wurden, ja aus der in meinen Augen höch- sten und einheitlichsten, aus der des katholischen Christen tums. Leo Tepe, oder wie er sich mit seinem Dichternamen nennt: Leo v. Heemstede ist einer jener, deren Stimme im lauten Tagestärm nicht mitgelärmt, der nicht durch Kon- nexionen, Reklamen und moderne Anpassungsfähigkeit sich einen Namen zu machen verstanden hat. Die Bildungs- Protzen und Literatuvgigerl kennen ihn nicht. Die Theater- Lirektoren lassen ihn links liegen, aber er besitzt eine stille Gemeinde, die weiß, was sic an seinen Schöpfungen hat, die fühlt, daß aus seinen Werken ei» boher Geist redet, ein Geist, der sich nicht mit scruellen Spitzfindigkeiten erniedrigt bat, ein Geist, der den tiefsten Problemen des Menschen- daseins nachgegangen ist, der der Menschheit Kämpfe be lauscht hat. Und was er da erfahren und vernommen, das hat er, geläutert im Feuer seines Dichter-Ingeniums, mit sicherer Vildnerhand zu lebenswarmen Werken geformt. Es ist nicht möglich, in denr engen Rahmen dieser Ar beit auf alle dramatischen Arbeiten Heemstedes einzugehen. Sei» „Arnold von Brescia", dem mau Shakespearesche Kraft nachrühmi, sein „Voleslaus", in dem man Calderonschen Geist verspürt hat, haben sich leider ebenso wenig die Bühne zn erobern vermocht, wie die Dramen der Rosenkranztrilo- aie. Der Grund liegt nicht an einer Bühnenuntauglichkeit, sondern, wie schon bemerkt, an dem Geiste, der das heutige Theater beherrscht, dem Geist des Anti-Christentums, des Ncuheidentums. Heemstedes erstes Drama „Mathusola" ist 1881 zuerst erschienen und 1909 in zweiter Auflage (im Verlage der Junfecmannschen Buchhandlung in Paderborn) neu her- ausgekonimen. Es ist wohl das großzügigste Werk des Dich ters. Freilich ist es so, wie es vorliegt, nicht bühnengerecht, aber einer Bühnenbearbcitung möchte ich trotzdem nicht das Wort reden, denn das dramatische Gemälde wird bei einer Darstellung immer nur verlieren. Es enthält eine Fülle sublimer Gedanken, die trotz der wohlklingenden feingefeil ten Sprache von der Bühne herab sich nicht in ihrer ganzen Schöne und Tiefe offenbaren würden, besonders aus dem Grunde schon nicht, da das Auge durch zuviel szenische Künste in Anspruch genommen würde, was bei der Lektüre ja fort- fällt. Da kann der Leser unzcrstreut durch Acußerlichkciten dem Schicksale Mathusalas, dieses hochbegabten Sprößlings der Sethisten, folgen, dessen Stolz ihn ins Verderben ren nen läßt, da er sich vermißt, Gottes Plan zu verbessern. Entgegen dem Verbote erringt er Noeina aus dein Stamme der Kannten. Aber die Versöhnung, die er io zwischen den Gotteskindern, den Sethiten, und den Menschenkindern, den Kainitcn, zu erreich -i hofft, tritt nicht ein. Im Gegenteil ist bloß blutiges Verdc-^en die Folge. Die Sündflnt bricht herein, der nur sein Enkel Noah als Stammvrt-r eines neuen besicren Menschengeschlechtes entgeht Nicht hoff nnngslos und verzweifelt aber stirbt M- thusalr. Während die Arckst. heransthnebt, von Engeln nmgeb.'n, und das Sternbild des Kreuzes aufslammt, spricht Mathusala: Das ist die bittre Frucht, wenn Menschcntvahn Sich in des ew'gen Gottes Ratschluß drängt. Ich sink hinab mit jenen, die ich zog . . . Uns weiht die Schuld dem Tod!— Doch lebt die Hoffnung, Und trostreich klingt ihr letztes Wort: Erbarmen! Eine bedeutende Leistung stellen auch die Dramen der Rosenkranz-Trilogie (ebenfalls im Verlage der Junfer- mannsclsen Buchhandlung zu Paderborn erschienen) dar. Man muß staunen, daß Heemstede trotz seiner durch die Her ausgabe der „Dichterstimmen der Gegenwart" so sehr be schränkten Zeit dock) noch Ruhe und Muße gefunden, diese Werke zu schaffen. „Simon von Montfort" (1907) zeigt durch seinen orga nischen Aufbau, durch die Anlage der Charaktere und der Handlung, daß Heemstede auch mit den Erfordernissen zur Bühnentvirkung bekannt ist. Er würde von dieser nioder- nen Kanzel herab den Zuschauer zu packen verstehen, zumal die Sprache wieder eine kraftvolle und anschauliche ist. Der Dichter lehnt sich eng an die Geschichte an, aber daß er die Goldader in dem Krustengestein entdeckt, zeugt von seinem