Volltext Seite (XML)
Nr. 5» Ls». Jahr g«ng Sonnabend den 4. März INI L MMeWlksMlmg Erscheint täglich nach«, mit Ausnahme der Sonn, und Festtage. ^ mit .Die Leit in Wort und Bild- vierte,jükrlich K lO /«' In Dresden durch Boten »,4<» ^ In oan» Deutschland srei Haus LS» 4t; in Oesterreich 4,4L L ^ ^"^-Ede » ohne illustrierte Beilage vierteliSbrlich l.dM L?'LL"« T Unabhängiges Tageblatt für Wahrheit, Recht und Freiheit Inserat« werden die »gespalten, Petit»«»- oder deren Ra IS 4, Rcllamen mit S0 4 die Zeile berechnet, bei Wiederh entsprechenden Rabatt. Bnchdrnckerei. Redaktion and BeschäftSsteller Dresden, Pilluitzer Strafte 4». - Ferusprecher I» I»«« Für Rückgabe «»„erlangt. Schriftstücke »etne iverbt«dltchkB1 RedakttonS-Sprechsiunde: IL „iS 1» Uhr. r»!tll«n in »iinn Sdltckttnlinn a-tiSrd-re- 0r«»ii«n, r«kti,pk,»I,,t Kr. rS4l. nsr, 4«0. -4L«. «7,. 47»s. «9«. Kaktee-Oenul! ist teuer, wertlos, gesuncliisitsscliäciigencl. Kakao-Oenuk ist dillix, wertvoll kür LrnLIirung uns Qesuncikeit, wolilsclimeckencl uns bekömmlicli. ^>r empsvklen unsere Sperlnlsortea au 80, lOO, 120, 140-200 ?lg. per 1>kun<j. Oerlinx 6c kockstrok, Dressen. dlieclerlsgen in allen Ltscltteilen. Koloniale kriegskoslen. Berlin, den 2. Mär» 1911. Als im Mai 1910 der Antrag Erzberger auf Heran ziehung der Gesellschaften in Südwestafrika zu den Kriegs kosten des Aufstandes beraten wurde, ist dieser Antrag be kanntlich abgelehnt worden; aber mit großer Mehrheit wurde eine konservative Resolution angenommen, welche denselben Grundgedanken enthält und namentlich die großen Landgesellschaften besteuern wollte. Gleichzeitig mit diesen, Anträge fand eine Resolution Annahme, eine Denkschrift darüber vorzulegen, „unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfange ein Schutzgebiet durch direkte Besteue rung zur Deckung von Kosten heranzuziehen ist, die aus Kriegsmaßnahmen in diesem Schutzgebiete erwachsen si»d". Diese Denkschrift ist nun erschienen. Bei der ablehnenden Haltung des Reichskolonialamtes gegenüber dem gesamten Gedanken ist es nicht überraschend, daß auch die Denkschrift zu einer verneinenden Antwort kommt. Aber trotzdem ist diese Denkschrift sehr lehrreich, denn sie gibt eine ganze Menge von Material, das gerade für diese berechtigte Forde rung spricht. Die Denkschrift beginnt mit dem spanischen und portu giesischen System, kommt dann auf das holländische, bel gische, nordamerikanische und italienische System zu sprechen, um mit der Untersuchung des französischen und englischen Systems zu enden. In einem Schlußkapitel sind dann die Ergebnisse zusammengefaßt. Die Spanier und Portugiesen, welche ihren Kolonien zu schwere finanzielle Lasten, namentlich auch Kriegskosten, auferlegten, haben gerade mit aus diesem Grunde ihre wichtigsten und nament lich ihre einträglichsten Kolonien verloren. Die Holländer, die ihrem reichen Kolonialbesitz in Hinterindien sämtliche Militär- und Kriegslasten auferlegt hatten, müssen die Er fahrung machen, daß ihre Kolonien in den letzten Jahren mit starken Fehlbeträgen abschließen. Italien hat für seinen kleinen Kolonialbesitz bereits bis 1897 etwa 400 Millionen Mark aus eigenen Mitteln für Militärzwecke be zahlt. Die Vereinigten Staaten, die auf eine lange kolonial politische Vergangenheit zurückblicken — der ganze Westen, die Territorien waren nichts anderes als Kolonien der Union — haben für Kriege gegen die Eingeborenen dieser Territorien, die Indianer, über 2 Milliarden Mark gezahlt, ohne die Territorien zu diesen Lasten heranzuziehen. Auch die Philippinen haben nach der Abtretung seitens Spaniens noch große Ausgaben verursacht. Nahezu 1,3 Milliarden Mark haben die Vereinigten Staaten seit der Besitzergeifung bis 1907 für Militärzwecke auf den Philippinen allsge geben. In allen diesen Zahlen sind nicht die Kosten für die Kriege enthalten, welche die Kolonialstaatcn wie England und Frankreich unter sich um ihre Kolonien geführt haben. Auch diese Kriege haben Milliarden von Mark gekostet. Belastungen der Kolonien mit Kosten aus Kolonialkriegen, insbesondere Eingeborenenailfständen, sind von Amerika, Frankreich und Italien nie, von England nur ganz aus nahmsweise in verhältnismäßig sehr kleinen Teilen und und auch dann nur unter vorsichtiger Berücksichtigung der Finanzlage dieser Kolonien auferlegt worden. Derartige Auflagen wurden aber nie als Steuer erhoben, sondern als Anleihen von der betreffenden Kolonie übernommen. Und auch dieses Vorgehen hat sich nur dann bewährt, wenn es ohne starke Belastung der Kolonien erfolgen konnte. Spa nien, Portugal und Holland haben niit dem entsprechenden System keinen Erfolg erzielt, obwohl sie über ungewöhnlich reiche Kolonien verfügten. Es ergebe sich hieraus „für unseren eigenen Kolonialbesitz, daß dieser zur Deckung von Kriegskosten jedenfalls nur dann herangezogen werden kann, wenn hierdurch die finanzielle Bilanz nicht beein trächtigt und ihre wirtschaftliche Entwicklung nicht gehemmt wird. Zurzeit sind aber in keinem deutschen Schutzgebiete die Verhältnisse derartig, daß ihnen eine Kriegskosten anleihe oder gar Kriegssteuern zugemutet werden könnten. Dies gilt besonders auch für Südwestafrika, das jetzt, ebenso wie Transvaal im Jahre 1906, am Anfänge einer ganz neuen wirtschaftlichen Entwicklung steht". Noch höher sind die Kriegskosten, welche Frankreich durch seinen Kolonial- besitz gehabt hat. Es hat allein für Kriege in Algier von 1836—1906 über 414 Milliarden Mark ausgegeben, ohne Algier im geringsten mit Kriegskosten zu belasten. Auch heute zahlt Frankreich noch jährlich etwa 56 Millionen Franken für den Unterhalt seiner Truppen in Algier. Zu diesen Kosten kommen die Tonkin-Expedition im Jahre 1883—1886 mit rund 275 Millionen Mark, die Kriege in Madagaskar bis 1897 mit 99 Millionen Mark usw., so daß sich die hier aufgezählten kolonialen Kriegskosten Frank reichs allein auf etlva 5 Milliarden Mark belaufen. Das gleiche gilt für England. Dies hat allein für Kriege in Südwestafrika einschließlich des Burenkrieges über 4,6 Milliarden Mark gezahlt. Hierzu wird in der Denkschrift ausgeführt, daß die Kriegssteuer in Höhe von 512 Millionen Mark, welche England nach Beendigung des Burenkrieges Transvaal auferlegen wollte, nicht auferlegt worden ist. Die Steuer war allerdings geplant, England hat sie jedoch im Jahre 1906 im Hinblick auf die wirtschaft liche und finanzielle Lage Transvaals erlassen. Und noch mehr: es hat aus eigenem Nationalvermögen 193,8 Millio nen Mark für Transvaal und die Oranjckolonie ausge geben, um die Wunden zu heilen, die der Krieg ge schlagen hat. Die amtliche Denkschrift steht also auf dem Stand punkte. daß die Verhältnisse „zurzeit" nicht eine solche Kriegssteuer ertragen, sie lehnt aber diese nicht mehr im Prinzip ab, wie es Dernburg tat; sie gibt vielmehr zu, daß der Gedanke in vielen Formen in England durchgeführt worden ist. Damit kann man schon zufrieden sein, denn jetzt wird der Reichstag die Angelegenheit energisch zu verfolgen haben, dann erreicht er schön sein Ziel. Die Denkschrift aber fordert in einer Anzahl von Punkten zum entschiedenen Widerspruch heraus. Wenn sie die Angelegenheit so darstellt, daß Schwarze und Weiße zu den Kriegslasten beisteuern sollten; das ist falsch. Alle Ver mögen unter 300 000 Mark sollten ja steuerfrei sein. Noch auffallender aber ist, daß auf den wesentlichen Unterschied in den inneren Verhältnissen der Kolonien gar nicht ein gegangen wird. Die anderen Mächte eroberten fremde Länder für das ganze Heimatland: in Südwestafrika aber gehören 32 Prozent allen Landes 6 Gesellschaften, die Berg rechte sind noch schlimmer verteilt. Und dagegen wehrte sich der Antrag, daß das Reich Millionen und Abermillionen opfern sollte, während wenige Gesellschaften den Vorteil hatten und haben. Diese ganze wesentliche Frage der Be seitigung der Landgesellschaften ist mit keinem Worte ge streift und doch war dies Ausgangspunkt und Zweck des Kricgskostenantrages, den man nie hiervon loslösen darf, wenn man ihm gerecht sei» will. Der Reichstag wird sich übrigens in 10—14 Tagen mit der Frage befassen. Politische Rundschau. Dresden, Len 3. März ISll. — I« Reich-tckge wurde am Donnerstag der Militär- etat noch nicht zu Ende geführt. Die Erledigung der ein zelnen Kapitel ging nur langsam vor sich, da zu diesen eine größere Anzahl von Resolutionen vorlag. — Im preußische« Abgeerdurteuhausc kam es bei der Beratung des Handelsetats zwischcn den Konservativen und Nattonalllberalen zu heftigen Auseinandersetzungen darüber, welche von beiden Parteien mehr handwerkerfreundlich sei. Eine Partei sprach der anderen die Handwerkerfceundl.ch- keit ab. Die Debatten verschoben sich hierbei auf die Ftnanzreforw und auf beiden Seiten spielte die Agitation für die kommenden Wahlen eine mehr oder weniger größere Rolle. — Freitag Fortsetzung. — Die reichsländische Verfassungsfrage. Die Ant worten der Bundesregierungen auf die ihnen vom Reichs kanzler unterbreitete Frage, ob den Wünschen des Reiches entsprechend noch weitere Zugeständnisse in Sachen der Verfassungsreform für Elsaß-Lothringen gemacht werden könnten, sind noch nicht vollzählig in Berlin eingetrofsen. Es ist aber nach dem „Berl. Lok.-Anz." mit Bestimmtheit zu erwarten, daß schon in den nächsten Tagen eine Einigung unter den Bundesregierungen erzielt werden wird, und zwar voraussichtlich in der kürzlich von uns angedeuteten Richtung, d. h. also, daß wahrscheinlich Elsaß-Lothringen drei Bundesrat st im men für Wirtschaft- liche Fragen zugestanden werden können. Nach der in Reichstagskreisen augenblicklich herrschenden Stimmung sei anzunehmen, daß sich auf dieser Grundlage eine Mehrheit für die Reforin zusammenfinden wird. Die zu ihrer Vor beratung eingesetzte Kommission dürfte für nächsten Mitt woch wieder einberufen werden. Staatssekretär Delbrück hat sich sehr zuversichtlich zu einigen Abgeordneten geäußert und erklärt, daß er die Lösung nun gefunden habe. Man wird mit seiner Antwort zurückhalten müssen, bis man vke neue Stellungnahme des Bundesrates kennt. — Den Modernistenrid hat. wie verlautet. Gymnasial- Professor Dr. Fürst in Rottweil abgelehnt. Die kirchliche Behörde scheint zu der Sache noch keine Stellung genommen zu haben. Wenigstens ist noch nichts davon bekannt gewor- den. Was die Staatsregierung betrifft, die in der Ange legenheit amtlich informiert ist, so steht, wie der „Schwäb. Merk." von gut unterrichteter Seite erfährt, heute schon so viel fest, daß sie jeder Verletzung der materiellen wie ideellen Beamteninteressen des betreffenden Professors „wirksam zu begegnen wissen" würde. „Man wird," sagt das liberale Blatt, „gegebenenfalls mit verschiedenen Möglichkeiten von verschiedener Tragweite zu rechnen haben. Inwieweit diese in den Weg einmünden, der schließlich zu jener vom KultuS- minister in der Abgeordnetenkammer berührten Auseinan dersetzung zwischen Staat und Kirche führt, läßt sich mit Sicherheit noch nicht ermessen." — Der Zentralausschuß der Fortschrittliche« Volks« Partei ist zu seiner durch daS Organisationsstatut vorge- jchrtebenen ordentlichen JahreSsitzung auf Sonntag den 19. März einberufen worden. Erster Punkt der Tages ordnung ist der Bericht des Geschäft-führenden Ausschusses und Rechnungslegung. Weiter wird sich der Ausschuß mit den Vorbereitungen für die nächsten ReickStagSwahlen be schäftigen. — Die „Tägl. Rundschau" nimmt keine Notiz von der in der Zentrumspresse erfolgten Richtigstellung ihrer unwahren Meldung über den Briefwechsel zwischen dem UnterstaatSsekretär Böhmer und dem Abg. Erzberger; da« sieht dem Blatte ähnlich. In seiner neuesten Nummer setzt das «latt dagegen dieses System der unwahren Meldungen fort und schreibt dem Abg. Erzberger eine Anzahl von Artikeln zu, mit denen er nicht das mindeste zu tun Hut. Gegenüber Katholiken scheint das Blatt sich vor dom 8. Gebot zu dispensieren. — Ueber das Vordringen der Sozialdemokratie bis i» die abgelegenen Dörfer hinein werden dem „Tag" (Nr. 107) interessante Z ffern mitgeteilt. Danach sind bet der Ersatz wahl im Wahlkreise Kempten-Jmmenstadt von den 87 Orten jenes Wahlkreises nur noch 7 gezählt worden, in denen keine sozialdemokratischen Stimmen abgegeben wurden. Bei der Wahl im Jahre 1907 waren noch 30 Wahlorts sozialistisch rein, und von 1903—1907 ist eS den Sozial demokraten nur gelungen, in 4 ihnen noch verschlossenen Dörfern Eingang zu finden. In den letzten Jahren haben sie sechsmal so starke Fortschritte gemacht und haben sich nun schon fast in allen Orten des Wahlkreises festgesetzt. Auf die Frage, wie das möglich war. gibt die erwähnte Zuschrift ebenfalls Auskunft. Der ganze Wahlkampf in dem Allgäuer Kreise hat sich um die Ftnanzreform gedreht. „Die Kirchen- und Religion-Politik haben die linksstehenden Par teien vollständig aus dem Spiele gelassen. Auch die bayerische Landespolitik war nicht ausschlaggebend." Mit anderen Wor ten: die Steuerhetze mit allem Drum und Dran hat da» friedliche Alpengelände bis zu den fernsten Hütten aufgewühlt. ES kann angesichts auch dieses Ergebnisses der Steuerhetze nicht be stritten werden, daß die Liberalen damit die Geschäfte der Sozialdemokratie besorgen. Nur die Sozialdemokratie hat den bei ihr seit anderthalb Jahren etatsmäßtgen Apotheker- gewinn von 99 Prozent gezogen. Und das Schlimmste ist ja gerade, daß die Sozialdemokratie ihren Apotheker gewinn der liberalen Wahlarbeit zu verdanken hat. So zeigt sich auch hier das alte Bild, daß der Liberalismus nur der Vorläufer der Sozialdemokratie ist. Ein guter Kenner des Allgäu sagte uns dieser Tage: Die 10 000 liberalen Stimmen sind in 10 Jahren entweder für da» Zentrum oder für die Sozialdemokratie reif; ein andere« gibt es im Allgäu nicht mehr. — Der Kampf gegen die Fremdenlegion wird nun in der deutschen Presse mit Energie ausgenommen; überall kommt aber auch die Freude darüber zum Ausdruck, daß man sich durch den Lärm der französischen Presse nicht ein- schllchtern lassen darf und in der „Nordd. Allgem. Ztg." energische Töne findet. Die früher so trockene „Nord deutsche" zeigt auf den, Gebiete der äußeren Politik in den letzten Wochen eine gesunde und temperamentvolle Beweg lichkeit . . . Die Fremdenlegion ist nichts als eine Söldnertruppe alten Stils. Abgesehen von den zu ihr kommandierten Offizieren und Unteroffizieren der franzö- schen Armee, erscheint sie überhaupt nicht im Heereshaus halt, sondern wird aus dem Kolonialhaushalt bestritten. Das heißt, auch hier erscheint sie wieder nicht. Die Fremden legion erscheint überhaupt nicht im Haushalt. An sich! schwebt gesetzlich überhaupt die ganze Fremdenlegion in der Luft. Eine Ungeheuerlichkeit für einen repu blikanisch, parlamentarisch regierten Staat. Die Aus gaben. die die Fremdenlegion durch Sold, Kasernen, Be kleidung, Ernährung verursacht, erscheinen nur ganz teil weise und möglichst verschleiert im Haushalt, und nicht aus drücklich als Ausgaben für die Fremdenlegion: sie werden! von sder Kolonialverwaltung erlegt, ohne irgendwie ins Haushalt recht fundiert zu sein. Also: Die Fremdenlegion gehört zur französischen Armee? Seit wann? Aber wenn die Franzosen sie durchaus dazu rechnen wollen: sie ist trotz dem nicht geeignet, die Sympathien der gesitteten Welt zu erwecken. Daß die Fremdenlegion ein Schandmal an der französisck^n Kultur ist. kann nach der „Post" niemand be zweifeln, der jemals mit einem Fremdenlegionär über die unmenschlichen Strafen und die bestialische Behandlung gesprochen hat, die ihnen zuteil wird. Wenn sich aber de? „Temps", der doch halbamtlich benutzt wird, deshalb so sehr! aufregt und dabei Ausdrücke benutzt, wie sie im allgemeinen nicht einer großen Macht gegenüber gebraucht werden, sq darf man das wohl auf Unterlassungen früherer Zeiteg ,' .j K : j!