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Nr. »LI 21. Jahrg. Fernsprecher: «tdaktion 32723 — Geschäfl.ftelle 32722 Postscheckkonto: Dresden Nr. 1479? SöcklMe Dienstag. 21. November 1922 «edaktton «nd Geschastsstelle; . Dresden1«. Holbeinftratze 46 dm« ... ..... 178 i D.. .....wa.«.. ..... ... P..I lus.ilck KLi« NSt-°«S°. L. LAW». - ««-. - » Die Sücksische VoskSzeitiMs, erirbemi mrzeil dreimal wöchentlich. BezugSvret- für November D,e Peitt.Neklamezekie ,m redaktionellen Teil, -lv mm bren. 40 Für Inserate mit beionderer Portozttichlaq. Im Falle büberer Gewalt oder beim Ausbleiben der PaplerUeserunnei, SpreckistundederNedaltlo,r:k—tt Uhr nachm. Nicht anSdrllcflichzurbcfverlanate und I Für undeutlich ae'chriedene 'owie durch Fenuprecherattiqea^ene mit Nückporto nicht versehene Ttniendunyeran dieRedaktiou werden nicht auibewahri. 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Im Hinblick hierauf habe ich den Auftrag angenommen in der Absicht, ein Kabinett der Arbeit zu schassen, das in seiner Zusammensetzung der Notwendigkeit sach licher Führung der Geschäfte entspricht und vom Vertrauen des Reichstages getragen wird. Die hierfür erforderlichen Bespre chungen mit den Führern der Parteien haben ergeben, das; einzelne Parteien nicht nur Anregungen und Wünsche, sondern Anträge und Ansprüche Vorbringen, die die Zahl der einer Partei zu entnehmen den Kabinettsmitglieder, deren Person, deren Ressort, ja sogar die Frage betreffen, ob ein Mitglied des bisherigen Kabine!S ein anderes Ressort übernehmen soll. Damit entfallen die Voraus- seünngen, unter denen ein zu sachlicher Arbeit geeignetes Kabinett gebildet werden kann. So wenig ich die Notwendigkeit verkenne, eine Zusammenarbeit zwischen Parlament und Kabinelt auch durch dessen Znsammcnsetznng sicherznstellcn, so sehr mns; ich entschiedenes Geivicht darauf legen, das; Auswahl der Mitglieder und Restorls den; Ermessen desjenigen überlassen bleibt, den; der Anstrag zur Bildung übertragen worden ist. Da das zurzeit nicht der Fall ist, bitte ich, den Auftrag zur Bildung des Kabinetts in Ihre Hände zuriicklegen zu dürfen, wobei ich nicht verfehlen möchte, für das Vertrauen zu danken, daZ mir durch den Auf trag geworden ist. Mit der Versicherung ansgezeichnelcr Vecebrnng und Hoch achtung bi» ich, Herr Reichspräsident, Ihr ganz ergebenster Cuno. Ter Reichspräsident hatte die Parteiführer Sonnabend abend 7 Uhr zu einer Besprechung zu sich gebeten, über deren Eegebni's amtlich salbendes berichtet wurde: Die Verhandlungen, die der Reichspräsident unter Bekannt gabe des Schreibens des Generaldirektors Cuno Sonnabend abend 7 Ilbr mit den Führern der Fraktionen der Sozialdemokraten, des Zentrums, der Demokraten, der Bayerißben »nd der Tcntscben Volkspartci begann, dauerten bis in die späte» Abendstunden. Ein abschließendes Ergebnis wurde nicht erzielt, doch ergab sich ans der Besprechung die Möglichkeit, bas; die anfgctrelenen Schwierigkeiten in der Weise überwunden werden könnten, das; die vorgenannten Parteien auf der Grundlage des von ihnen im Zusammenhang mit der deutschen Note an die Reparalions« kommission vom 13. November d. Js. vereinbarten Programms dem Gcheimrnt Enno freie Hand in der Auswahl seiner Mit arbeiter lassen, und dann die io gebildete Regierung beim Reichs tag um die VertranenSzustlmmung nachsncht. Auf die'er Baiis würde Gcheimrat Cuno seine Bemühungen um die Kabiuetts- bildnng mit Aussicht auf Erfolg fortsehen können. Nach dem Vorwärts spricht man im Reichstag von einem Kabinett Stresemann, falls Gcheimrat CunoS Mission scheitern sollte. Alles in allem: Die Lage ist heikkoS zerfahren »ad einer rennt blindlings gegen der anderen an. Wo ist der Retter? Für eine Auflösung des Reichstages Die Parteileitung der Leipziger Sozialdemokratischen Par tei beschäftigte sich mit der durch den Rücktritt der Reichsregiernng geschaffenen politischen Lage. Die Parteileitung faßte eine Ent schließung, in der sie sich gegen jede Beteiligung an einer Regie rung mit der Stinnes-Partei erklärt »nd den Standpunkt betont, daß auch das Kabinett der Persönlichkeiten nur eine verhüllte Diktatur der Stinncspolitik bilden' würde. Man sollte von allen weiteren Experimenten absehen, die auf die offene oder verschleierte Form der großen Koalition Hinzielen sollten. Schließ lich forvert die Parteileitung, den Kampf gegen das Bürger tum anfzunehmen und ans die Auslösung des Reichstages hin- rnwirkcn. Damit würde durch die Befragung des Volkes eine Klärung der gesamten politischen Situation herbeigesührt werden. Cuno im Urteil der französischen Presse Die Kandidatur Cuno wird hier mit vorsichtiger Zurück- Haltung ausgenommen. Daß die Persönlichkeit Enno Achtung verdiene, wird non den Zeitungen aller Parteien zugegeben, was man von ihm fürchtet, sagt das Oeuvre: Bor einigen Tagen habe der Chefredakteur des Berliner Tageblatts geschrieben, da man nicht gegen die Industriellen regieren könne, müsse man den Versuch machen, mit ihnen zu regieren. „Wir erleben", sagt Oeuvre, „jeht die Anwendnng dieses Nates. Das ist nicht sehr beruhigend für uns. Das bedeutet eine Entwicklung nach rechts unter dem Einfluß der Plntokraten, die alle Gegner der Vertragserfüllung sind." Der Matin glaubt, das, in -r Frage der Reparationen alle Deutschen einer Anstalt seien, und daß es deshalb ganz gleichgültig sei. ob der neue Kanzler Cuno oder Dr. Wirth heiße. „Deutschland w? d i» hl eine, Pfennig zahlen, eS sei denn, daß es dazu gezwungen wird, -ulweder durch Gewalt oder durch eine geschickte Fiila-->p--rati2», e Deutschland Vorteile ge währt, und ihn: znaleich jeoe Aussln üt alst:,neidet." Der Mali,; nennt Cuno einen Ninal'N und Gegner von Stinnes und glaubt, daß er, gerade ans vie'cu, Grunde, vielleicht den Widerstand der Sozialdemokraten, überwinden Gnne. Der größte Vorteil gegenüber Dr Wirth sei in der Tatsache zu scbcn. das; von iuiu an der denische Kanzler nicht mehr behaupten könne, er habe keinen Einsluß ans die Industriellen. Echo de Paris nimmt an, der Reichspräsident habe Enno als den Monn mit großen auicrikanisthen Beziehungen gewählt, der, besser als jeder andere, dazu geeignet sei, die Vereinigten Staaten für Deutschland zu gewinnen. Der Pellt Parlsien hält es nicht für möglich, daß eS Enno gelingen könne, die Quadratur des Zirkels zu lösen. Er habe Aussicht, die Parteien für seine Politik zu gewinnen, da er bei der Rechten und bei den Industriellen Achlnng ge nieße, die Arbeiter nicht gegen sich Hab-, zu der bayrischen Ne gierung in guten Beziehungen stehe und in Amerika glänzende Verbindungen besitze. Ein bürgerliches Mittrlstablne t Berlin. 20. Nov. Noch im Laufe des Sonntagsalends haben sich die Führer der bürgerlichen Parteien miteinander in Verbin dung gesetzt. Nach dem Eraebnis die'er Be'vrechuiwe c ist anzu nehmen, das; zwischen der Deutschen Volkspartci, der Bayerischen Volkspartei, dem Zentrum und den Demokraten ein Einverständnis darüber erzielt wird, ein bürgerliche? Mittelkabinett zu bilden. Ob eS sich um ein überparkamentari'ches oder um ein voliliiches Kabinett handeln wird, kann im Augenblick noch nicht gesagt werden. Das eine steht mit Bcsti'mmtlieit fest, das; Gebeimrat Enno der Zustimmung die'er vier Parteien sicher sein kann. In parlamentarischen Krell?» wird behauptet, das; auch der Reichs präsident mit der Bildung eines solchen Kabinetts einverstanden sein würde. Die Sozioldemobratin gegen i^iino Berlin. 20. Nov. Dir entscheidende Fraktionösihuirg drr Sozialdemokraten findrt am Montag 2 Uhr statt. Wir die Welt am Montag von »'itrrrichtcter Seit'' hört, ist mit Tichcrhcir darauf zu iirhme», daß dir Fraktion dir Brt'ilignng air der sogenannten überparteiliiheie Reglrrnng Enno ablednrn und kei nem Sozialisten die Beteilignng daran gestattete wird. UM" Des Feiertags am Mittwoch wegea erscheint die nächste Nummer unseres Blattes am Donnerstag. Tagesschau Dir Eröffnung der Lausanner Friedenskonferenz war für Montag nachmittag vorgesehen, Lord Eurzon uuD Poincare tra fen bereits am Sonntag ei». Ernlihrungsininister Dr. Fchr erklärte sich aus dem Partei tag der Wirtschaftspartei in Berlin gegen eine Enreucrang der Zwangswirtschaft. Nicht Planwirtschaft, sondern Produktions- stcigerung müsse verlangt werden. Die Nationalversammlung in Angora wählte Abdul Med- schld zum neuen Sultan, der bisherige Sultan flüchtete wach Malta. An Stelle Lord Hardinge wurde Marquis os Crew zum englischen Botschafter in Paris ernamlt. Die Wahlen zum englischen Unterhanse ** Der jetzige November wird mit Recht als ein Monat der Wahlen bezeichnet: Wahlen in Polen, sächsische Land- tagsivahl, NcichstagSwahl im deutsch gebliebenen Teile von Ober schlesien und nicht zuletzt die Wahlen zum englischen » 11 nterhanse geben dem regen politischen Leben dieses Mo nats ihr (Gepräge. Freilich in unserer Zeit des Parlamentaris mus scheint gar mancher biedere Bürgersmann das Wählen gründlich satt zu haben — obwohl es höchste Bürgerpflicht sein sollte —, will doch ein dentschnationaler Antrag sogar die Wahl pflicht eingcsührt missen. Bei der letzten Landtagswahl in Sach sen sollen beispielsweise 400 000 „Staatsbürger" von -ihrem Wahlrechte keine» Gebrauch gemacht haben, und auch sonst scheint niancber zufrieden zu sein, wenn er sich so einigermaßen durch das Parteigewirr unseres eigenen politisch-» Lebens hindurchfindet, mag auch in diesen Argumenten nicht die beste Empfehlung für unseren parlamentarischen Gedanken lie gen. Denn heuttociitages stößt man bei uns noch auf starke poli tische Gleichgültigkeit und Uninteressiertheit, lind dann soll man noch verlangen, daß wir den parlamentari schen Ereignissen, insonderheit den Wahlen jenseits des Kanals unser besonderes Interesse entgegcnbringcn? Haben wir nicht mit unseren Sorgen und Nöten vollauf genug zu tun, als daß wir noch Zeit damit z>e vergeuden hätten, uns in trockenen Hbpo- thcscn zu ergehen, wenn hinten weit in der Türkei die Schwerter aufeinanderschlagen? Und doch verhält eS sich nicht so. Im Ge genteil, wenn jemals unsere Augen und Ohren auf die Vorgänge in: Anslande gerichtet sein sollten, dann in ünseren Tagen, weil unsere Zukunft, unser Sein oder Nichtsein, heute leider mehr beim Ausland llegt, als in unseren eigenen Kräften. Un ser Schicksal wird sich nicht in Berlin entscheiden, sondern in Paris und London. Darum die Auge» ans! Wahlen sind der Gedanken- umd Stimmiingsansdruck des modernen Vol kes! Man kann dessen Stimmung nicht mehr am Biertisch er fahren, man kann sie in etwa ans den endlosen Parlamentsreden zusammenkonstruieren, am besten aber spricht sie ans den Zahlcn- ergebnisscn einer Wahl. Das ganze deutsche Volk hat heute oas größte Interesse am Ansgang der englischen Wahlen, da sie für die Politik der nächsten Zukunft von entscheidender Bedeutung sein werden. Ja, man bebanptet nni viel, wenn man den Wahlen zum englischen Unterhaus? mindestens die gleiche Be deutung beiniißt, wie unseren innerdeick sehen Wahlen. Denn dort steht heute das Weltvroblem der Gegenwart zur Debatte: Wie weit ist die Einsicht und Vernunft im Ans lande gewachsen? Wird man allmäblich von Versailles nmkchren? Oder soll es noch weiter bergab gehen dem ver derben entgegen? ' Die englischen Wahlen lassen freilich einen Vergleich mit deutschen Verbältnisscn kaum zu. Gleichwohl kann man das englische Unterhaus mit dem deutschen Reichstag auf eine Stufe stellen, da es in erster Linie die Politik der englischen. Regierung bestimmt. Auch der Charakter der englischen Parteien ist nach unseren Parteiverhältnisscn nur schwer zu bestimmen, was besonders daraus erhellt, daß cs eine Sozial demokratie in unserem Sinne in Enaland überhaupt nicht gibt. Schließlich bleibt anch zu bedenken, daß das englische Wahl» syste m vom deutschen nicht unwesentlich abmcicht. Der englische Wahlkampf hat eine stark persönliche Note. Man hat keine Verhältniswahl, sondern es wird in den einzelnen Wahlbe zirken um den Sieg der aufgestcllten Persönlichkeiten gekämpft, wobei eS sehr oft verkommt, daß die eine Partei wir mit wenig Stimmen über die Gegenpartei den Sieg davonträgt. Nus die sem Grunde will auch das Zahlenverbältnis der Abgeordneten nmr verhältnismäßig wenig besagen. Nach den ziemlich vollstän digen Ergebnissen ergibt sich jetzt folgendes Bild: Gewählt sind 345 Konservative (Bonar Law), 147 Arbciterkandidaten, 57 ASgnith Liberale und 52 Lloyd- George-Liberale, um von den ganz kleinen Gruppen abzu-sehen. Danach haben die Konservativen, also die Partei des jehi. .gen englischen Premierministers Bonar Law. die absolute Mehrheit, die für die Regierung erforderlich ist. Im alten Unterhaus, da? vor vier Jahren November-Dezember 1918 ge wählt wurde, entfielen ans die Konservativen 820 Sitze, wozu aber noch 48 Unionisien und 100 Lloyd-George-Liberale in dee Koalüion saßen. Im ganzen dürfte die RcgiernnaSkoalition jetzt kaum stärker geworden sein, und der konservative Sieg, von dem die Plätter zn künden wissen, ist nicht allzu glanzender Natur. Freilich bleibt zu bedenken, daß in der Opposition ein wesent licher Faktor wegfällt, nämlich 70 Irländer, die nach Durch setzung der bekannten Homerule (staatliche Selbstverwaltung) auSscheidcn. »nd in Dublin, der Hauptstadt Irlands, jetzt ein eigenes Parlament bilden. Aber schon die in den letzten vier Jahren erfolgten Er. satzwahlen ließen einen merklichen Umschwung in den Wah- lermassen in Erscheinung treten. Verschiedentlich errangen Ar. beiterkandiditen Siege über den .Koalitionskandidaten. Und seither hat sich die Stimmung im enalischen Volke wesent. lich verändert, wie das Wahlergebnis zeigt. Die Arbeiter- Partei (labour Party), die im Jahre 1918 nur 65 Sitze errang und durch Ersatzwahlen in den nächsten Jahren bis auf 70 an« stieg, hat ihre Mandate bei den jetzigen Wahlen zu verdop peln gewußt. Bis jetzt sind 147 Arbeiterkandidaten gewähli, während die Lloyd-GeorgeS-Gr»ppe eine bedenkliche Ein buße erlitt. An 80 Orten siegte diesmal der Arbeitcrkandidat über den Vertreter der Koalition. Noch krasser tritt das Anwach sen der Labour-Party in dem Gesamt st im menergebniS zutage, das allerdings beim englischen Wahlstsslem ohne jede Be- dcntnng für die Verteilung der Sitze ist. Hier stehen 8 940 819 Nrbeiterstimmen den 6256 765 Stimmen der Konservativen gcgeiiüber und man ersieht daraus, wie nahe erster? der größten englischen Partei kommen. Dann kann man auch verstehen, daß man in Zukunft die Hoffnung auf einen vollen Sieg der Labour- Party hegt. Auf jedem Fall wird sie nach diesem Erfolge die Führung der Opposition verlangen und in einem Ma nifest wird schon verkündet, daß die Partei im Unterhaus dir heftigste und nützlichste Opposition erheben werde, die das Unter haus seit vielen Jahren erlebt habe. Und die Moral von der Geschichte? Dieser Erfolg der Arbeiterpartei, das sei noch mals betont, will absolut nicht nach unseren Verhält nissen beurteilt werden. Mit einem Anwachsen der sozialistischen Strömling, ja selbst in gewissem Sinne mit einem stärkeren Betonen der einseitigen Arbeiter in tcrcssen hat dieser Erfolg absolut nichts zu tun. Dafür denkt der Engländer viel zu sachlich und nüchtern, er läßt sich nicht von bloßen Hirnaespinsten wie Sozialismus und Kommunismus leiten, wie große Teile der deutschen Ar. bciterschaft und — steht sich dabei besser als diese! Aber was ans obigen Zahlen spricht, ist von weit größerer Bedeutung! Sie wird ein zahlenmäßiger Ausdruck der wachsen den Einsicht und Vernunft, daß e? auf dem bisherigen Wege in wirtschaftlicher Beziehung nicht mehr so weiter gehen kann wie bisher. Der englische Arbeiter hat die S o I i d a r i t S t der Weltwirtschaft erkannt, er hat eS empfunden, da', die Welt an einem Uebel krankt, das man unbedingt ausrottc» muß, an der Störung des wirtschaftlichen Gleich gewichts, das für den Wohlstand der ganzen Welt erste Grundbedingung ist »nd bleibt, lind wenn in englischen Staats männerhirne» die Erleuchtung noch «ich! Platz gegriffen hat, der englische Arbeiter bat den Sinn de? Welt Unglücks besser durchschaut: Wir branchen Frieden! Das soll keinerlei Lobhudelei sein, sondern bloße FellileNnng der Wirklichkeit. Mit besonderer Befriedigung ist zum Beispiel die Wahl des Arb ei- ter führe r§ Morel ausgenommen worden, der während des Weltkrieg:?, durch Bekämpfung der allgemeinen Wehrpflicht in England sicki einen Namen aemacht bat, und in den letzten Jah ren tatkräftig für Beseitigung der Rbe.nlandbe'- satzung clngelreten ist. Dieser englische Pazifismus, als der eines der Sieaerstaaten de? Weltkrieges, hat in der Tat etwas Gesundes an sich von dem man nur lernen könnte. Wenn der Euifluß der so gestärkten Labourpartn auch nicht den politi schen Kurs des Kabinetts Bonar Law zu bestimmen im stande sein wird, so bildet diese doch eine Opposition — das will im englischen Parlament etwas anderes sagen als jene ,m- frnchtbare Opposirion. die wir in Deutschland gewohnt sind —, deren Bedeutung man nicht unterschätzen darf. Die Koalition wird bei mancher Gelegenheit gezwungen sein, aus die Stimme der oppositionellen Labour-Party zu hören und ihr anch Gefolg schaft zu leisten, um nicht ganz und gar für die nächsten Wakssen eine konservative Niederlage heraufzubeschwören. Es wäre ver früht, allzu große Hofjnnngen z» erwecken, so viel steht aber fest, daß sich in maßgeblichen Kreisen des Auslandes ein Wandel der Gesinnung bemcrkl'ar macht, eine Ent wicklung, die wir nicht Milcht der zielbewußtcn Politik »enserer Reichsregiernng zu verdanken haben, was auch die Leute ad notam nehmen mögen, die die Politik unsere» bisherigen Reichskanzlers Dr. Wirth bis heute noch nicht der- ^ stehen gelernt haben. .