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Sächsische Volkszeitung : 13.08.1921
- Erscheinungsdatum
- 1921-08-13
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-192108134
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19210813
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19210813
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1921
-
Monat
1921-08
- Tag 1921-08-13
-
Monat
1921-08
-
Jahr
1921
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 13.08.1921
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Eonnabend Len 18. August *921 aus der Welt geschasst werden kann. ES wird in der Geschichte dereinst als Einzigkeit gewürdigt werden, daß das deutsche Vo k aus der größten Niederlage des Weltkrieges noch die Kraft oc- fundcn bat, in der Verfassung von Weimar zum ersten Mate in seiner Geschichte das reine Prinzip des nationalen Volksstaates zur Wirklichkeit zu bringen. Nur der demo kratische repubtikanische Gedanke konnte diesem Prinzip zur Form Verbelfe». Sozial und politisch konnte dies nur unter Mitwirkung der organisierte» Arbeiterschaft ge schehen, die in ihren Emanzipationskämpsen ein Matz hoher und höchster Veran.Wartung bewiesen hat. Das furchtbare Verbrechen d«S Kriege-, da- mit allaS- schwcrcr Wucht aus unseren Schultern lastet, kann nur ge- tilqt werden, wenn an Stelle de- alte« Lbrigkelt-staate- der Volksstaat siebt. Nur durch Zusammen fassen aller Kräfte, durch Mitwirkung auch der breitesten Massen des Volkes wird es möglich se-u. das unendlich schwere Los, das uns in schicksaldurchstürmter Zeit geblieben ist, zu tragen und in harten fahren der Arbeit und der Opfer auch schließlich zu meistern, lieber all die Sor gen des Ausbaues der Verfassung geht die Sorge dieser Stund:, wo das Schicksal Oberschlesiens und das Schicksal Deutschlands in Baris sich entscheidet. Möaen die in Pari» versammelten Männer sich der Schwere ihrer Verantwortung gegenüber Europa und der ganzen Menschheit bewutzt sein und zu einer gerechten Entsch-idnng kommen, die dem deutschen Volke die LebenSmöglicbkeit erhält. Erst vor einigen Monaten haben wir durch Annahme de» Londoner Ultimatums Lasten auf uns genommen, w>e sie gigantischer und schwerer im Laufe der Geschichte keinen» Volke zngeinntet worden sind. Wir haben sie auf uns genom men, obwohl weite Schichten unseres Volkes, ernste Männer, die Traabarkeit der Sache nicht glaubten unS anraten zu kön nen. Wir haben im Laufe dieses Monats und der letzten Mo nate den ernstesten Willen zur Erfüllung der übernom menen Lasten bewiesen und haben daher ein Recht, zu hof fen und zu verlangen, datz man uns nicht die ScbaffenSmöglich- keit nimmt, die die VornnZsckung für diese ungeheuren Lasten Ist. Wir müssen trän allem, was sich ereignet hat, mit Optimis mus ans Werk gehen. DaS deutsche Volk will sein Recht und erarbeitet sich sein Brot in eäat'chcr Arbeit. Webe denen, die diesem Volke, das guten Willens ist, Steine reichen, einem Volk«, das den Weg von 1018 bis El gegangen ist, das nach solchem Zusammenbruch sich onfaerafft hat zur Arbeit, zur Selbstverantwortnng und z»r sittlichen Freiheit! Wi- wi-rdcn tw-, G-i-ai'^n >>,? kasiale» Freiheit, der soziok-n Wohlfahrt und des Fortschritts pfleoen, trotz allem und alledem werden wir aiiferstebcn. wenn wir selbst dem »reu sind, was die Verfass»».' in ihren Grundgedanken in schweren Stunden nie- dergeleat hat. Die Rede wurde mit lebhaftem Beifall ausgenommen. Der lebte Satz von Beethovens 8. Sinfonie schloß die würdige und erbebende Feier. Erneute Ver aqunq der Konferenz Parts, 11. August. Die Havctt-Agentur verbreitet a»S Rombowllet scstg »de M'ldnna: Von »»ständiger Seite wird bekannt, da» die Sitzung de? Lbwsten RattS, die heute abend um 5 Ubr stattln-ben'ollte, vertag t worden ist, um dem französischen, ena- lischen und italienischen M n stervräsidcntr» d'e Möglichkeit zu geben, die Prüfung eines Grenzvorschlage« für Obcrschleslen umiiittcttar kr» tzn sitzen. Miiw'tervrän'knt Br and und Laucbcur kehrten um 4 Uhr »citmittcwS an' Rambouillei nach Paris zurück S'e brne'en bis 6 Ilbr miteinander und begaben sich alsdann zum Hotcl Erillon zu einer Bc'p-:cb»nq mit Lloyd George unk Lord Cunon. Präsident Millerand und Gcnwlil'n embfi gni beute im Schieb Rambouillet zum Frittistuck die Miigiirder d r Abordnungen zum Oberst'» Rat und der Bot'cbcistcr der verbüud-tt-m Regierungen. Es w »den keine Trmkivriiche und Aittprcichm gehn ".». Mtt'.stcrprSsident Br» and bat die Dcleg'n!:, des Obersten Rate? lür morgen zu rinei» Frühstück im Ouai d'Orscy emgeiadm- Die Marinilinie Paris, II. August. Lloyd George und Lord Eurzon ver« hnudelreu heute vormittag von 8.45 bis 11.15 Uhr im Hotel Erillon. Wie Havas berichtet, ist in dieser Unterredung eine Einigung über die oberschlesische Grenzfrage nicht erzielt worden. Die Sachverständigen vollendeten den Bericht und legten ihn im Sekretariat der Konsercnz nieder. Er stellt eine grössere Anzahl autonomer sogenann ter In selchen innerhalb des Industriegebietes fest, die als unteilbare Einheiten bezeichnet werden. Diese Aufgabe ist nicht mehr technisch, sondern politisch und ethnographisch. Die Nach richt der Havas Agentur besagt, dass die Verhandlungen zwischen dem englischen und französischen Minister am vormittag zur Erzielung einer Einigung über die beiden weit auseinandergehen-s Sächsisch« VollkSzettuug den Standpunkte noch zu keinem Ergebnis geführt ha ben, jedoch fortgesetzt würden. Jedenfalls wird, wenn sich bis zum Abend keine Einigung ergibt, in der Nachmittags-Sihung des Obersten Rates nicht über die oberschlesische Frage verhandelt, sondern in der Tagesordnung fortgefahren werden. Die Nach richt weist darauf hin, dag kein Grund zum Pessimismus vor handen sei, da bei den Verhandlungen früherer Konferenzen sich ähnliche kritische Zustände gezeigt hätten, die aber immer zu einer vermtttelirden Lösung führten. Pari-, 11. August. Ueber die Verhandlungen, die heute vormittag zwischen Lloyd George und Lord Eurzon einerseits und Ministerpräsident Briand und Loucheur anderseits geführt wur den, um zu einer Entscheidung in der oberschlrsischen Frage zu gelangen, berichtet die HavaS-Agentur ferner, man halte sich an die Marini-Linie, die, abgesehen von einigen Verbesse rungen, wesentlich den gleichen Grenzvorschlag enthält, wie die sogenannte Percifal-Linie. FranzösischerseitS glaube man, daß eine derartige Grenzlinie für Polen gänzlich ungeeig net sei. Als die Verhandlungen gegen halb 12 Uhr ihr Ende erreichten, sei man auf diesem Standpunkt angekommen. ES scheine also, daß der englische und der französische Standpunkt I aufs neue scharf gegenüberstündeu. Abreis« Lloyd George» London 11. August. Reuter meldet au> Pari«: Lloyd George fährt moigcn nach London zurück. Seine Rückreise hängt mit der irischen Antwort zummm.n. Reutcr »ittüct au« Pari«: Lord Eurzon und die englischen Sach»,rsiändige» blechen in Paris, um die Verbandluugen über di« sächsische Frage fortzuietze». Lloyd Gcorge habe c,ne neue De markationslinie au der polnischen Grenze vorgeschlagen, die Briand den sranzösifchen Sachverständigen vorgelegt habe- Zerstückelung Oberschlesiens? Paris, 11. August. Wie „Petit Parisicn" mrtteilt, seht« der SachversländigeuauSschutz gestern seine Arbeiten nur teil weise fort. Nur der erste Tel: seines Berichtes sei beende* wer den. Noch eine Vorinitlagssitzung sei notwendig, um die Unter lagen zu beschaffen, die der Oberste Rat brauche. „Petit Parr- sien" und andere Blätter heben hervor, es sei nicht sicher, datz der Sachversländigenousschutz sich über die eigentliche deutsch- polnische Grenzlinie einigen könne. Die Ausgabe bestehe im wesentlichen darin, den industriellen oberschlcsischen Block zu teilen, indem inan 'm Landesmnern eine Anzahl wirtschaftlich:: Zonn schäfte, die von einander losgelöst werden könnten. Nach dem „Petit Pari'sien" wurden bis gestern nachmittag 16 verschiedene Zonen gebildet. Diese ins Einzelne gehende Zerstückclungsarbeit erleichtere zwar naich halbamtlichen Berich ten die Grenzführung, setze aber den Erörterungen über die Grenze kein Ende. Deshalb sollten die Regierungschefs die endgültige Entscheidung treften. Briand, Lloyd George und Loucheur würden sich heute ictzon früh zusammenfinden. Man würde die Erörterungen erüftnen, bevor die Sachverständigen zum Abschluß gekommen seien. „Petit Parisieu" spricht sich im übrigen hoffnungsvoll ans, wenn er auch wettere Auseinander setzungen und gegebenenfalls Streitigkeiten voraussieht. Preffestimmen London, 11. August. In der Presse finden sich heute nur kurze Erörterungen über die Pariser Verhandlungen und die oberschlesische Frage. „Daily News" meldet aus Paris, von britischer Sette werde aufrecht erhalten, datz die an die Presse gegebene Fassung der Rede Lloyd Georges vollkommen richtig sei. — Der diplomatische Berichterstatter des .Daily Tele graph" schreibt: Die Hauotgrundsätze, auf denen das Ueber- einkommen zwischen Lloyd George und Bricnrd beruhte, seien von den Italienern formuliert worden. Tie Grenzlinie, die von» Sachverständigenansschntz vorgeschlagen werden soll, sei keineswegs eine der beiden Sforzalinicn. Die Sachverständigen hätten neue Instruktionen von Bonomi und dem Marquis dclla Durelta empfangen. Der Berichterstatter teilt weiter mit: Nach dem alle ini Obersten Rate verttetenen Mächte dem Grundsätze der Teilbarkeit des Industriegebietes zngestimntt hätten, sei die Entsendung weiterer Verstärkungen für Oberschlcsien vollkom men überflüssig. Paris, 11. August. „Oeuvre" schreibt: Der englische Hanptsachverständige Sir Cecil Hnrd, der stets eher den Anwei sungen Lord Cnrzons als Lenen Lloyd Georges gefolgt sei, zeige sich dem Gedanken einer Teilung des oberschlcsischen In. dustriegebietes feindlich gesinnt. Auf dem Grundsätze futzcnd, datz die ländlichen Gemeinden selbst mit polnischer Mehrheit deu deutschen Städten, die von ihnen mit Nahrungsmitteln versorgt würden, notwendigerweise angegliedert werden mühten, will Sir Hnrd nur ein kleines Stück der Krei,e Pletz und Rybuik den Polen zuweisen. Damit gehe man auf den alten Plan Persivals zurück. Der Widerstand dqr englischen Sachverständi- gen verzögere ein Abkommen. Der gestrige Tag sei mit Dis kussionen verbracht worden, ohne zu einem Ergebnis zu führen. — „Journal" übernimmt die ncäern vom „Jntransigcant" wicdergegebcne Meldung, datz die Verkündung des Beschlusses des Obersten Rates in der oberschlesischen Frage erst später, Nr. 188. Seite S wenn die Vorsichtsmatzregeln in, Abstimmungsgebiete getrosten seien, erfolgen werde Am Ouai d'Orsay sei gestern die Rede davon gewesen, datz die endgültige Entscheidung in einer neuen Zusammenkunft des Obersten Rates, die in Paris, London, oder Voulogne stattfinden werce und nur von kurzer Dauer sein könnte, getroffen werden würde. Es werde auch mitgeteilt, datz dort erst das diplomatische Instrument würde unterschrie ben werden. Nom, 11. August. Zur Konferenz des Obersten Rates er klärt die ofsiziose „Agencia Roma"^ für die Enfscheidung über Oberschlesien sei die jetzige technisch-militärische Debatte belang los. Erft die politische Diskussion in der zweiten Phase sei ans- kchlaggebend. Der Abgeordnete Tovini, der Führer der Katholiken im Auswärtigen KammerauSschuß, erklärt dem Blatte, er >,ol>« durch Material, das dem Kammerausschuß vorlag, die Ueberze» gung gewonnen, daß die Linie Percifal-be Marin! gerecht sei, während die Sforza-Linie die zusammenhängende» Minenbezirks entzweischneide. Deutschland werde durch Zuweisung Oberswle« sienS nicht zu Revanche Abenteuern gestärkt, sondern befriedigt und zum snebenerhaltenden Element gemacht, wogegen es du, Verlust Oberschlesiens nicht dauernd hiunehmen könne. Aurb als Katholik könne er nur deu Erfolg Deutschlands wünsche», denn der polnische Katholizismus sei primitiv, der oberschlesische da gegen aufgeklärt und habe den deutschen katholischen Organi sationen ausgezeichnete Köpfe geliefert. Keine geheimen denisch-polnischen Verhandlungen Berlin, 11. August. Verschiedene Blätter bringen heute eine Meldung der „Chicago Tribüne", daß geheime Ver Hand- langen zwischen Berlin und Warschau UberLber- schlesien stattgefunden hätten und daß England einen Druck auf Deutschland und Frankreich einen Druck auf Polen ausgeiibt habe zu dem Zwecke, zwischen beiden Ländern eine unmittelbar« Lösung der oberschlesischen Frage herbeizuftthren. Wie wir von amtlicher Seite erfahren, entbehren alle diese Meldungen jede« Grundlage und sind völlig an» der Luft -rlprisscn, Der Reichskanzler hat zu wiederholten Malen und zw-tzt in seiner Unterredung vom 8. August mit dem Vertreter bei Nuovo Giornale keinen Zweifel darüber gelassen, daß die Zu. teilung Oberschlesiens an Deutschland uunb. weis bar sei. Er hat ferner erklärt, daß die deutsche Regie- rung, wie dies bereit- in oer Note an die alliierten Mächte von, 1. April geschehe» ist, bereit und willen« ist, nach Lösung de, obcrschlestschen Frage den w i r t s ch a f t l 1 ch e n Aufbau Po. lenS in jeder Weise zu fördern. Er hat aber ausdrück, lich hervorgehoben, Voraussetzung hiersür sei, daß von polnischer Seite daS Streben nach unrechtmäßigen Zielen sott, falle. Berlin, 11. August. Der Reichskanzler hat den Redl,?- tagspräsidenten Läbe und deir Vorsitzenden des Reichstagseus- schusseS für auswärtige Angelegenheiten Dr. Stresemann tele graphisch zu einer Besprechung nach Berlin gebeten Paris. 11. August. Georges Blum, der Berichterstatter bei „Journal", veröffentlicht eine Unterredung des Reichs kanzlers Tr. Wtrth über die oberschlesische Frage und di» Sanktionen im Rheinlande. Danach gab Reichskanzler Dr.Wirtl zu, daß die politische Lage in Deutschland vollkommen behe.r'ht werde durch die Erwartung der Beschlüsse des Obersten Rates in den beide» für Deutschland wichtigsten Frage», dein Schicksal von Oberschlesien und der Aufrechterhaltung oder Aufhebung der Sanktionen im Rheinlande. Für viele Leute hänge hiervon der Glaube mr die Möglichkeit ab, in Europa wieder eine gesunde Lage zu schaffen/ Der Glaube an die Zukunft der Demokratie, an die Ideale in den Beziehungen der Völker werde erschüttert werden, wenn das Vertrauen des Volkes in Recht und Gerebiig- keit endgültig getäuscht werden könnte. Die deutsche Temotta. tie habe den Willen, durch friedliche Arbeit an dem Wiedcra cst bau Europas und der Ausführung des FriedensvertrageS init- zuwirken. Sie sei von dem aufrichtigen Wunsche nach V> uung und Eintracht unter den Völkern beseelt. Eine ent tau. schenke Entschetdung des Obersten Rates könutc auf die politische Lage Deutschlands und selbst auf die Europas eine vernichtende Rückwirkung auSübe». Reichskanzler Dr. Wirth wiederholte alsdann dos von ihm in Breme» ausgesprochene Verlangen und erklärte, die Bevölkerung von Oberschlesien habe sich mit sehr großer Mc„r- heit zugunsten Deutschlands ausgesprochen. Selbst der ec- künstelte Teilungsplan könnte den wirisch air- lichen Notwendigkeiten Oberschlesiens nirhi ge- recht werden und sei auch mit dem klar ausge sprochenen Willen des ober schlesischen Vo^-s unvereinbar. Eine provisorische Lösung könne nicht l>e< sriedigen. Ein Aufruf der heimatlreuen Oberschleslcr Breslau, 11. August. Die Vereinigten Verbände hri :t- treucr Oberschlesier veröffentlichen eine Kundgebung, in d r es heißt: Gegen die von Briand aufgestellte Forderung, einen Hute» schied zwischen den Stimmen der nichtansässigen und der orts- ansässigen abstimmungsberechtigten Oberschlesier zu machen, er- Sächsische Volközcituug — Nr. 185 — 13. August 1921 Aschenbrödel Originairoman von Er.ch Eben st ein Copyright 1919 by Grciner u. Comp.. Berlin W. 80. tNachdruck verbalen) (16. Fortsetzung.) Isolde hatte nur halb hcngchört. Ihr Blick glitt verstohlen nach der g>gcnübc:Iiegcnde» Ecke. Warum ging Heitzmann nicht? Weshalb gab er sich so viel Mühe, dieses alberne Fräulein Klarman zu unterhalten, die ih» dafür mit ihren nichtssagenden Augen förmlich ver schlang. während ihre Schwester vor Lacken alle Augenblicke auf- quietschte! Und er — nicht einmal bemerkt schien er es zu haben, datz Eiert ihn vorhin kaum mit der allernötigsten Höf lichkeit grösste — stumm, eisig, beinahe verächtlich. Freilich, eigentlich hatte er recht, daraufhin gerade zu blei ben. Tenn schließ,lich kam es Eiert doch gar nicht zu, einen alten Freund des Hauses in dieser Weise zu behandeln. „Auf der Eisbahn? Morgen um 8 Uhr, gnädiges Fräu lein? Jawohl — wird gemacht! Sie sehen, ich bin zahm wie ein dressiertes Lämmchen — S'e brauchen nur zu winken," sagte Heitzmann eben. Daraufhin wieder daS quietschende Lachen Fräulein Klarmans. Isolde machte eine ärgerliche Kopfbewcgung. „Unerträglich dies alberne Getue.' Elert war der Richtung ilreS Blicke« gefolgt und sah den finsteren Auk-driick. der ihr schönes Gesicht plötzlich verdüsterte, wie Molken eine sonnige Landschaft. Auch über sein Gesicht legte sich jäh ein Schatten. Isolde/ sagte er ernst, „ich bin nicht bloß gekommen, dich wieherzusehen. Ich komme auch mit einer Bitte. Die Zeit die- ser unerträglich langen Trennung hat einen Entschluß in mir ftereist. Ich ertraae eS nicht länger, dick hier zu wissen, allem beschäftigt und erfüllt mit Interessen, die früher wohl deine Welt bildeten, aber jetzt nicht mehr am Platze sind, wo du mir ebörst! Ich habe t-,S Gefühl, datz wir unS dabei fremd wer- en. datz du mir entgleitest — nnd wenn du mick liebst, wie ich dich, mutzt d» dasselbe empfinden — denselben Wunsch haben." „Welchen Wunsch?" „Datz du gleich jetzt mein- Frau wirst. In zwei Tagen lätzt fick alles leicht machen. Die Bewilligung habe ich schon. Und — ich werde rntzig sein kann. — So macht es mich krank — glaube mir — ich ertrage es wirklich rächt ans die Dauert Ja r-- willst du? Sre.ee ja nnd di: Kriegslrauung kann schon mor gen stattftnden." Er versenkte den Blick flehend in den ihren. Isolde satz da wie ein Steinbild, Bestürzung und Abwehr in jedem Zug Es dauerte lange, ehe sie antwortete. „Unmöglich! Was fällt dir nur ein, Eiert? So Hals über Kopf heiraten?" „Dein Vater hat uns die Wahl deö Termins doch frei gestellt." „Wenn anch. Die Aussteuer ist doch noch nicht einmal zur Hälfte fertig." „Ach deshalb? Damit Hais doch Zeit bis nachher. Wenn ich fort bin, kannst du alles i» Ruhe besorgen." „Nsin, nein, Elert. Es geht auf keinen Fall. Ich habe mich auf unsere Hochzeit so sehr gefreut. Das lasse ich mir nicht nehmen. So sang- und klanglos zu heiraten — unter gar keiner Bedingung! Wozu auch? Ich sehe wirklich keinen Grund. Ich will dir auch in Zukunft sleitzigcc schreiben — und verlobt sein ist doch sehr schön? Ich begreife Dich gar nicht." Nein, sie begriff ihn »ich*. Er aber begriff, datz — sie nicht wollte, Ausreden suchte. Ein bitteres Gefühl krampfte ihm das Herz zittunmc». Leuchtend stanö teuer Sommernachiuittag, als sie sich verlobt bat ten. vor ihm. Damals unter den Hainbuchen hätte sie in alles gewilligt, was er wollte. Damals hatte sie ihn geliebt. Jetzt . . . Sein Blick flog unwillkürlich nach der Ecke, in der Heiß- mann immer noch das große Wort führte. War cs möglich, daß sein eifersüchtiger Instinkt ihn richtig geleitet, als er ans ihren Brieten — besonders den letzten — etwas- berauszukesen glaubte, das ihn mit Ekel erfüllte? Dieser Mensch - der Feigling, der sich vom Dienst drückte, um daheim einem Kameraden die Braut zu stehlen — und sic. an die er geglaubt batte, obwohl ihn ja manches stutzig gemacht! Nein, da» konnte dock nicht sein! So blind konnte ihn die Lei denschaft nicht gemacht haben, datz er für einen Edelstein nahm, ttzaS Katzengold war. Eines aber stand fest in ihm: Lieber alles verlieren, als jetzt auch nur um Haaresbreite nachgeben! Denn dies war eine Lebensfrage für ibn geworden. Er erhob kick. Seine Stimme klang plötzlich kalt. „Wir wollen keinen Wortttreit daraus macken, Isolde, Für micb siegt d e Sache ganz eins'ch: Wenn du mich liebst, wirst du jetzt meine Frau — anderenfalls liebst du mich eben nicht! Ich bitte dich nur, dir klarrmnacken daß cs unser beider Schicksalsstnnde ist, deren Entscheidung ick in deine Hand lege. Morgen früh hole ich mir die Antwort!" Sekundenlang starrte sie ihn erschreckt an, dann mnrmelte sie brot ig: „Ich glaube nicht, datz ich dir eine andere als heute geben kann!" Ihr war, als lägen in lnesem Augenblick Welten zwischen ihnen. Elerts Eltern kamen schon am nächsten Morgen, mieieten sich im selben Hotel ein wie er und wollten bis zu seiner Ab reise bleiben. „Denn, wenn der Berg nicht zu Mohammed kommt uüv. . . ." lachte der alte Herr von Degen. „Obwohl wir ja „crode jetzt gar nicht leicht forikonnten. Denn wir haben da eine Mis sion auf Osterloh übernommen, beim neuen Nachbar. Komischer alter Kauz, nebenbei bemerkt, voller Schrullen nnd Wider spenstigkeit. Dabei eine Hnndewirtschaft im Hans! Aber da? war gerade was für Mütterchen: de» alte» Onerkopf zu de- treuen und seine menschenfeindlichen Anwandlungen durch Liede und Güte zu besänftigen. Dreimal schon hat er uns kurzer hand hinausgeschmissen. sind am nächsten Tage immer wi-Rer ein de- und wehmütiges Brieflein: Nehmen Sie mir? u-n Gotteswillen nicht übel, ich weiß ja Ihre Güte doppelt ,nr schätzen, da seit vielen Jahren mir niemand solche zuteil werden ließ und bin Ihnen im Herzen so dankbar dafür! Aber ein bartes Schicksal und die gänzliche Vereinsamung haben mich zu dem Rauhbein gemacht, das ich jetzt bin . . na, und das ist er ja auch wahrhaftig reichlich!" „Du solltest nicht immer so lieblos von Graf Mousyerg reden, HanS," warf Frau von Degen sauft ein. „Erstens bin ich überzeugt, datz er in seinem Lebe» wirklich viel Schweres hinter sich hat, und zweitens ist er doch alt und krank!" „Hm, als wenn das ein Freibrief für Greblctt wäre! Ich bin auch alt! siebrigcnS weiß ich schon, datz dein goldenes Herz vor Mitleid überftietzl! Und krank ist er ja wirklich. Es dnt ihn nämlich vor ein paar Wochen der Schlag getroffen. Seitdem ist er bettlägerig. Herzschwäche, sagt der Arzt »nd Ar terienverkalkung, Bei ruhiger Lebensweise, qnier Pflege und geeigneter Diät kann ers noch Jccbre lang machen, sonst aber , . und gerade mit Pflege und Diät hapert? auf Osierlob, Di: einzige verläßliche Person, die Wirtschafterin — anch schon ein altes Wrack — mutzte nun anch nach selber erk>-ankcn, der Kammerdiener schleppt sich nur so rum. die Köchin ist ei» Tenm- pel, der kaum für dak- Leuteessen Kenittnisse genug bat — kurz und gut, Ronspcrg wäre verkauft und verloren mtter der Bande, wenn Mütterchen nicht jede freie Minute drüben säße und Hausfrau spielt: , . . aber mir scheint, da« interessiert dich nickt sehr?" unterbrach er sich, als er merkte, daß der Sohn gar nicht zugehört batte, sondern finster vor sich bi» starrte. Zu gleich merkten beide Eltern noch etwas, das ihnen bisher ent gangen wnr, so lange die Röte der WiedersehenSfrende auf Elerts Gesicht lag: datz er nämlich elend zum Erbarmen aussqh (Fortsetzung folgt,)
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