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— in; — „Vater, willst du mich wieder verstechen, mich, deinen einzigen?" rief der Bursche. Ans der Stimme klang echter Schmerz, ein Schwindel erfaßte den alten Herrn. „Nein. -- nein —" „Aber Schwager, das ist ja alles eingelernte .Komödie, lasse dich dach nicht durch einen Komödianten betrügen!" Marwitz sah Waltenberg an. Dieser stand mit balbgesenktem Blick, Iran Bödo»v silierend. (Gerade in seinem Schweigen lag etwas lieber zrngnngsvolleS, was ihm znm Verteil gereichte; hätte er seine Sache auch mir mit einem Werte verteidigt, se würde das gegen ihn eingenommen habe». Doch hütete er sich. Er stand vollständig über der Situation. Ta sah er Jones an, dessen (Besicht nnverhüllten Hohn ansdrückle. Mit unzweideutiger Verachtung beobachtete er Waltenbergs Verhalten, so das; es diesem eisig über den Rücken lies, scheu serschte er in den Gilgen des alten Marwitz. Ein verstärkter, störrischer Trotz schob die Unterlippe des geläbmten Greises vor. „Uran von Vnkado soll ihr Urteil abgeben," sagte er hart, wenn sie es wagt, diesen hier als meinen Sohn zu bezeichnen, so will ich ibn an erkennen." Jones machte gros;e Angen. Was bedeutete das nun wieder? Die Dinge gestalteten sich ja immer verwickelter, geheimnisvoller. Und wenn es ihn wer weis; was gekostet hätte, er konnte nicht schweigen. Ohne das; er es selbst wünschte oder wollte, drängte sich ihm die Frage über die Lippen: „Was weis; Frau von icknkado von Ihrem Sohn?" Es waren Momente der höchsten Spannung. Ilse verging fast vor tiesinnerer Pein und die Vödows tauschten Blicke des Staunens, der er neuten Furcht. „Frau von Lnkado kannte meinen Jungen früher sehr genau," ent gegnet«? in trockenem Ton der alte Marwitz. Frau Bödov trat vor. „Besinne dich, Schwager, sagte sie hart, „was soll dir der Ausspruch jener Dame? Sie wird ihren künftigen Schwieger sohn nicht im Stich lassen, ihre Meinung kann nichts bedeuten." „Sie soll hierherkonnnen und ihr Urteil abgeben." beharrte Marwitz, „ich null es!" Jetzt näherte Ilse sich ihrem väterlichen Freunde. beschwichtigend legte sie die Hand ans seinen Arm. „Erlassen Sie meiner Mutter dad Peinvolle einer solchen Gegenüberstellung; ich bitte Sie herzlich, Herr Marwitz." „Nein!" Er schüttelte mit einer heftigen Bewegnng den ergrauten Kopf. „Sie soll und muß hier sprechen, ich kann es Ihnen nicht er sparen. Ilse." Jetzt kam Jones eine Jdecnverbindnng. I» dieser Stunde mns;te jede Rücksicht fallen. „Täusche ich mich. Herr Marwitz?" fragte er, sich weit vor- neigend, „oder war Frau von Lnkado diejenige, welche es damals durch setzte, das; sie sich von ihrem Sohn trennten?" „Eie war eS," bestätigte Marwitz dumpf. In Ilse» vorher schneebleiche» Gesicht flutete der Purpur der Scham. O. sie litt unbeschreibliche Qualen, wenn der Boden sich aufgetan und sie verschlungen hätte, für sie wäre es eine Wohltat gewesen. von — ll? — „Aha!" rief Frau Vödow in dem Gefühl gesättigter Rache, „endlich durchschalle ich diese ganze Komödie! Dir aber. Schwager, kann ich den Vorwurf nicht ersparen, das; die Jahre dich nicht klüger geinacht haben, da mals liehest dll dich von der Mutter umgarnen, heute ist es die Tochter, unter deren Einflug du deine Verwandten tödlich kränkst und ins Elend stoßen willst —" „Halt!" unterbrach sie Marwitz wie ein gereizter Löwe. „Die junge Dame steht unter meinem Schlitz, wage es. sie mit einer Miene zu be leidigeil, und dll wirst meine unnachsichtliche Härte zn fühlen haben!" Ilse wollte schweigend das Zimmer verlasseil, da aber legte Lotte schmeichelnd ihren Arm um ihre Schultern. „Mama weiß nicht, was sie spricht, rechne es ihr nicht an. „Bleibe, liebste Ilse, bleibe hier!" Auch Waltonberg erfaßte ihren Arm. „Selbstverständlich bietest dll jenen Angriffen Trotz. Wir haben keine Ursache, feige die Flucht zn er greifen. »vir behaupten das Feld." Frau Bödow griff im Fluge in einer Art Verzweiflung einen Ge danken ans, der ihr soeben kan». „Woher kennen Sie die alte Familien geschichte der Marwitz, Herr Trollopn?" fragte sie fast triumphierend. Aller Allgeil wandten sich Jones zu. Er lächelte in seiner überlegene!» Weise in sich hinein. Die Situation war ganz nach seinen» Sinn. So eii» wenig den Mephisto zn spielen, das bereitete ihm ein besonderes Vergnügen. „Ich kenne die Dinge, wie sie sich damals abspielten, sehr genall, illeine Gnädigste. Ucbcr die Quelle meiner Nachrichten muß ich leider Schweigen bewahren, ganz gegen meinen Willen." Waltenberg taumelte fast. Aber schon hatte er sich voll dem erstell Schreck erholt. „Was die Spatzen von den Dächern Pfeifen —" „Im Gegellteil!" rief Frau Vödow, „die Geschichte ist längst in Ver- gessenheit geraten, der junge Herr dort aber erlebte sie. Kommt dir keirre Ahnung, bester Schwager? JoneS Trolloyn ist dein Sohn, »vir haben eS schon längst vermutet." Jones lachte, es klang recht verschmitzt. „Ich bedauere. Ihnen Wider- sprechen zn müssen, gnädige Frau, leider habe ich nicht das Glück, der Sohl» dieses Hauses zn sein." Rede und Gegenrede waren einander so schnell gefolgt, daß niemand Einspruch erheben konnte. ..Sie siild es doch!" rief Frau Vödow. „Sie »vollen nur ans irgend einem Grunde Ihr Geheimnis noch wahren!" JoneS zuckte die Achsel. „Ich »verde mir gestatten, Herrn Marwitz später meine Papiere vorz»,legen. Ich war als Knabe nie in Europa, und bin jetzt zu»»» erstenmale in Deutschland." Marwitz sah verdrießlich vor sich hin, seine dürren Finger spielten mit der Wagendecke. „Deine Kombinationen. Schwägerin, versteiger» sich ins Ungemessene," er hatte schon die neben ihm stehende Glocke berührt. DaS Mädchen kam herein. „Gehen Sie zu Frau von Lukado, ich lasse sie bitten —" Wozu das?" ries Waltenberg, „ich werde das besorgen!" Marwitz »nachte eine so entschieden ablehnende Bewegung, daß eS nicht geraten schien, derselben zuwider zu handeln. Er vollendete seinen Austrag an das Mädchen und diese» eilte hinaus.