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Erscheint täglich nachm, mit Ausnahme der Sonn- u. Festtage. Bezugspreis r Vierteljährl. 1 Ml. 56 Pf. (ohne Bestellgeld). Post-Bestellnummer 6858. Bei autzerdeutschen Postanstalten laut Zeitungs-Preisliste. Einzelnummer 16 Pfennige. Nr. 308. ^Katholikenr Nikomedcs. Dienstag, den 1 5. Seplember 1903. Protestant«: Nilomcdes. 3. ^nhrgnng. Unabhängiges Tageblatt für Wahrheit. Recht und Freiheit. vucdllruelttrer. Hräalttion uns LrrcdaMsteNrr Dresden, Pillnitzer Straße 43. Inserate werden die 6 gespaltene Petitzeile oder deren Raum mit 15 Pf berechnet, bei Wiederholung bedeutender Rabatt. Redaktions-Sprechstunde: 11—1 Uhr. Fernsprecher: Amt l. Nr. 1L6«. Lum tzuanalswedml. Das 3. Quartal geht zur Neige. Unsere geehrten Postabouueuteu werden gebeten, den Bezug unserer Zeitung baldigst zu erneuern, damit in der Zustellung keine Ver- zögernng eintritt. Die Sächsische Volkszeitung, die einrige kalb. Tageszeitung Sachsens wird auch fernerhin ihren Prinzipien treu bleiben und mit aller Entschiedenheit die Vorurteile, welche gegen unseren hl. Glauben in die Welt geschlendert werden, bekämpfen. In das nächste Quartal fällt der Wiederznsammentritt des sächsischen Land- und des deutschen Reichstages, über deren Sitzungen die Sächsische Volküzeitung ausführliche Berichte liefern wird. Schon deshalb erscheint die Haltung einer katholischen Tageszeitung notwendig, da ein jeder gründlich orientiert sein muß über die Fragen, welche in den beiden Parlamenten zur Besprechung gelangen. Katholiken, nehmt Euch das ans derKatholikenversammlnng gesprochene Worte zu Herzen und unterstützt kräftigst Eure Presse! Die Sächsische Volkszeitung ist aber nicht mir bemüht, durch gründliche Berichterstattung und treue Wacht über die geistigen und materiellen Interessen unfern Lesern zur Seite zu stehen, sie trägt auch der Unterhaltung in möglichster Weise Rechnung. So gelangt jetzt abermals eine sehr spannende Erzählung „Blei i»i Herzen" ans der gewandten Feder des holländischen Schriftstellers I. N. von der La ns zum Abdruck. Eine reichhaltige Beilage mit besten Qriginalbeiträgcn wird vom 1. Oktober an jeder Sonntagsnnmmer bei gelegt. Der „Feier abend" so betitelt sich dieselbe, wird, so hoffen wir, die volle Zu stimmung unserer geehrten Abonnenten erlangen. Wir machen noch ganz besonders ans die Wirksamkeit der Inserate in unserer Zeitung aufmerksam: bei öfterer Jnserierung gewähren wir hohen Nabatt. Nochmals weisen wir darauf hin, daß unsere Zeitung in der Stadt von Boten zur Austragung gelangt und bitten diejenigen Abonnenten, welche die Zeitung noch durch die Post bezogen haben, bei dieser nicht mehr zu bestellen, sondern von der Geschäftsstelle deren Zustellung durch Boten zu verlangen. Etwaige Beschwerden über mangelhafte Zustellung oder Ausbleiben der Zeitung sind bei derjenigen Postanstalt anzubringen, bei welcher abonniert wurde. Sollte seitens der Post Abhilfe nicht erfolgen, so bitten wir uns direkt Mitteilung zn machen. Wir bitten unsere Leser, für die weitere Ansbeitnng des Blattes nach Kräften das Ihrige beizntragen. Schnftlrituiig lind Grschüstsjlrllc üer Zäcksiscben (IMsrettung. Sozialdemokratischer Parteitag zu Dresden. Epe. Dresden, 14. September 1303. (Nachdruck verboten). Nachdem am Sonntag die Begrüßungsfeier stattgefnnden hatte, begannen die Verhandlungen am Piontag mit dem Geschäftsbericht des Vorstandes. Vor Eintritt in die Tagesordnung begrüßte Vorsitzender Singer die aus ländischen Bruderparteien und dankt ihnen für die Beweise der Sympathie ans Anlaß der Reichstagswahlen. Es er helle daraus die Solidarität der Sozialdemokratie. Ver treten sind noch Oesterreich, Holland. England, Amerika. Der österreichische Vertreter führte ans. daß das Er gebnis der deutschen Reichstagswahlen in Oesterreich als ein bedeutendes politisches Ereignis empfunden worden sei und schilderte die Politische Zerrissenheit in Oesterreich, durch welche die sozialdemokratische Arbeit erschwert werde. Die deutsche Sozialdemokratie habe es in Deutschland, auch wenn sie in Sachsen tage, leicht. Der holländische Vertreter wies ans die „klerikale" Reaktion hin, die seit zwei Jahren in Holland eingetrcten sei. Dieselbe fördere den sozialdemokratischen Prozeß. Auch nach dem Streik werde in Holland die christliche Wncherpeitsche noch ge schwungen. Er hoffe, daß der nächstjährige internationale Kongreß in Amsterdam von der deutschen Sozialdemokratie zahlreich besucht werden möge. Der englische Vertreter feierte die internationale Bedeutung des Parteitages. In England befinde sich die Sozialdemokratie in einem Ueber- gangsstadinm. Mehr und mehr dringe der „revolutionäre Gedanke" in die englische Gewerkschaftsbewegung ein. Die Sozialdemokratie werde in England durch die schntzzöllne- rischen Bestrebungen Luzifers II. Ehamberlains, neue Nah rung finden; die englische Sozialdemokratie sei keine Reform partei, sondern ein Flügel der internationalen, revolntio nären sozialdemokratischen Partei «Beifall». Der Vertreter Amerikas (Kanada! wies auf die Arbeitslosigkeit in Amerika hin. die ans der Ueberprodnktion entstanden sei. Amerika müsse daher mit der Zeit den sozialistischen Kom mnnismns akzeptieren. Bei der Präsidentenwahl im nächsten Jahr würde voraussichtlich eine Million Stimmen ab gegeben werden, während ihre Zahl bei den letzten Wahlen nur 300000 betrug. Durch Stempelabgaben würde die Presse in Amerika in ihrer Entfaltung und Bewegungsfreiheit ge hemmt. Dabei gelte Amerika gemeinhin als das freieste Land. Der Geschäftsbericht wird erstattet durch Pfaun- ktlch (Allgemeines! und Gerisch «Kasse». Die Ausführungen haben »ach den bereits veröffent lichten Berichten des Parteivorstandes keilt öffentliches Interesse mehr. Hervorgehoben sei mir, daß Gerisch die große Opfersrendigkeit betonte, die im letzten Jahre sich zn erkennen gegeben habe. Dieselbe komme in dem veröffent- lichten Kassenbericht bei weitem nicht in vollem Umfange zum Ausdruck. So erfreulich die Gesamtabonnentenzahl der sozialdemokratischen Presse sei «.'>20 000!, so stehe sie doch nicht im richtigen Verhältnis zn den 3 Millionen Stimmen. Die Zunahme von 1<»OoOO Abonnenten in einem Jahre zeige allerdings, daß die Presse in erfreu lichem Aufschwung begriffen sei, was sich auch darin zeige, daß die kleineren Blätter sich mehr und mehr in Tages- blätler nmwandelten. Aus dem Bericht der Kontrolleure sei erwähnt, daß Genosse Berthold, der in der „Zukunft" verantwortlich zeichnet. eS einem Znfallsbeschlnß zn ver danken habe, wenn er nicht wegen der „pöbelhaften" Artikel «beispielsweise „Die Primadonnen der Sozialdemokratie"!, die er in der „Zukunft" verantwortlich gezeichnet, aus der Partei ausgeschlossen worden sei. In der Diskussion wurde hervorgehoben, daß bei dem guten Stand der Partei lasse mehr für die Agitation ge schehen müsse, namentlich im Saar Kohlenbezirk. Auch ans Köln werde eine lebhaitere Agitation gewünscht. Einen gleichen Wunsch äußerte der Vertreter von Koburg, von Elberfeld «letzterer bemerkte, der Stimmenzuwachs im Westen sei znm großen Teil ans den Zuzug ans dem Osten znrückznführen) und Nürnberg. Es folgte die Diskussion über die „Mitarbeit von Genossen an der bürgerlichen Presse". Hierzu liegen 10 Airträge vor, darunter der ans der Presse schon be kannte Antrag des Parteivorsiandes. Vom Referenten Pfannknch wurde eine Korrespondenz verlesen, worin Braun, Heine. Göhre, Berthold den Bescheid des Partei- vorslandes abfällig kritisieren und ihm den Vorwurf machen, daß er nach Analogie bürgerlicher Ministerien verfahre, wobei gleichzeitig zmn Ausdruck gebracht wird, daß sie ihre Meinung über die Mitarbeit an der bürgerlichen Presse durch den Parteivorstand nicht alterieren lassen würden. Auf ein Schreiben Ealwers vom März hat der Parteivorstand erwidert, daß die Mitwirkung an wissenschaftlichen bürgerlichen Organen nicht ausgeschlossen werden solle, namentlich nicht am Jastrowschen „Arbeits markt", für den Ealwer schreibt. Auf die Antwort des Parteivorstandcs haben Braun und Genossen ge antwortet. die Stellungnahme des Vorstandes be deute eine Beschränkung der Redefreiheit und es empfehle sich, daß der Parteivorstand seinen „Irrtum" zn- gebe «Gelächter!. Referent betonte unter lebhafter Zu stimmung der Versammlung, daß der Entscheid dem Ge fühle der großen Mehrheit der Partei entsvreche. Ein Blei im Herzen. Erzählung von I. R. von der Laus. Ans dem Holländischen übersetzt von L. van Hecinstede. «1. Fortsetzung.» ,Nachdruck verbalen.! Hätten die neugierigen Blicke der Vorübergehenden, die schon von der Märchenpracht des Vorhanses gefesselt waren, bis dahin dnrchzndringen vermocht, welche Ansrnfe des Staunens würden dann erst laut geworden sein! Aus dem Krystallkronlenchter, der von der reich ver goldeten Decke niederhing, ergoß sich ein blendendes Licht über die hellblauen Salonmöbel, die goldblümige Tapete, die Vorhänge und sonstigen Wandverziernngen, die in den zartesten harmonischen Farben prangten. Zwei hohe Kandelaber, krystallenen Blumensträußen in schlanken Vasen von vergoldetem Kupfer gleichend, standen ai« beiden Seiten des großen Spiegels über dem weißmarmornen Schornsteinmantel, worunter in einem offenen kupfernen Herd ein mäßiges Kohlenfener flammte. In dem Hellen Licht und zwischen dem dnftighar- monischen Farbenspiel von Gold und Weiß und zartem Blau kämet: die glänzenden Toiletten, die Diamanten und Blumen, mit denen die Damen geschmückt waren, znr vollen Geltung. Einer Königin gleich, die Audienz erteilt, empfing Frau de Vries, in schwere, malvenfarbige Seide gekleidet, ihre Gäste, die in kleinen Gruppen glänzend znsammen- standcn, den Augenblick erwartend, da man sie znr Tafel nötigen würde. „Welch ein reizender Salon!" kam es von den Lippen eitler Dame, die soeben an: Arme eines korpulenten Herrn, in dessen Knopfloch verschiedene Bändchen prangten, einge tretet: war, und die mit einer langstieligen goldenen Lorgnette die ganze Ausstattung musterte. „Sie haben einen auserlesenen Geschmack an den Tag gelegt, liebe Frau Doktor, ich habe schon manchen Salon in der Residenz ge- sehen, aber nur wenige können den Vergleich mit diesen: oushalten. Er ist ganz einzig! Sie Huben an Ihren: Herrn Gemahl gewiß eitlen knnstsinnigeil Beirat gefunden," fügte sie mit einen: verbindlichen Blick auf den Herrn des Hauses hinzu. „Doch nicht," entgegnete Frau de Vries. „der hat für solche Dinge keine Zeit, dafür muß ich ganz allein sorgen." Damit verbeugte sie sich und wandte sich ihren andereil Gästen zn. Die Frau des Hauses war eine stattliche Erscheinung, mit der größten Zuvorkommenheit und einem anmutigen Lächelt: begrüßte sie alle Eintretenden der Reihe nach: ihren: jugendlichen Aenßeren nach hätte man sie für eine ältere Schwester ihrer Tochter, der etwa achtzehnjährigen Henriette, halten könnet:, die ein frisches Gesichtchen und eitle hübsche Figur hatte, in ihren etwas linkischen Be wegungen aber doch noa> den Backfisch verriet. Doktor de Vries begnügte sich damit, den Damen einige liebenswürdige Worte zn sagen, um sich dann mit seineil .Kollegei: oder anderen Herren in ein ernstes Ge spräch zn vertiefen. Er schien weit älter als seine Frau, seine Haare wenigstens waren schon ganz ergraut. Wenn er das dunkle Auge lebhaft ansschlng, »lachte er allerdings einen jüngereil Eindruck, und seine Gestalt war fast gerade so elastisch wie die seines zwanzigjährigen Sohnes Konrad, dessen hübscher Kopf mit einem schwarzen Lockemvald ge ziert war. Als die Glocke sechs schlug, wurden die Flügeltüren, die den Salon von: Speisezimmer trennten, weit eröffnet und Paar an Paar setzte sich der Zug der Gäste in Be wegung. Die Wände des Speisezimmers waren bis znr halben Höhe mit Eichenholz getäfelt, alte blaue Schüsseln und Teller standen auf den: Gesims, der eichene Kredcnz- tisch trug eine schwere Last von blauen: Porzellan und > feinem Kryslall. die ganze Einrichtung »lachte einen überaus soliden Eindruck. In den feierlichen Ernst dieser Umgebung brachte der lange, mit schneeweißen: Linnen gedeckte Tisch, der mit kostbaren Silberanfsätzen und Kandelabern von Meißener Porzellan sowie mit einer Fülle von frischen Blumen ans- gestattet war. eine angenehme freundliche Abwechselung. Bein: AuSlöffeln der Snppe verhielt man sich wie gewöhnlich schweigsam, aber als der Wein die Zungen ein weilig gelöst hatte, waren Herren und Damen bald in § einer lebhaften Unterhaltung begriffen, und wenn die Zu schauer draußen all die rosigen Wangen und die blitzende» Angei: und die vollen Schüsseln hätten sehen können, so hätten sie gewiß die Worte des alten Frauchens wieder holt: „Die Leute haben den Himmel ans Erden!" Daß unter jene«: glatten lächelnden Mienen, jenen sorgfältig frisierten Köpfen und der tadellosen Wäsche, welche die Brust nmspannte. so häßliche Dinge sich bergen könnten wie nagende -orge, Neid und Mißgunst, sich selbst gnälende Eitelkeit oder unersättlicher Ehrgeiz — dergleichen anznnehmen oder voransznsetzen, wäre nur einem unver besserlichen Pessimisten in den Sinn gekommen. Doch hätte es keines besonderen Scharssinns bedurft, um zn bemerken, daß der Gastherr trotz des eifrigsten Be strebens. sich recht lebhaft an der Festfreude zn beteiligen, bisweilen plötzlich verstummte und schweigend vor sich hin starrte. Dann gruben sich tiefe Furchen in seine Stirne, während er langsam mit der Hand durch die grauen Haare fuhr, wie jemand, der von einer gnälenden Sorge ge peinigt wird. „Wie ernst Du wieder drein schaust, Papa!" rief Konrad, der ihm schräg gegenüber saß. dem Vater fröhlich zn. man sollte glauben. Du ständest vor einer schwereil Operation! Das Huhn ist über die Weisheit aller Pro fessoren längst hinaus, Du kannst es mit ruhigem Gewissen speisen!" „Du hast recht, mein Junge, wenn es mir nicht aller Versuche spottet!" erwiderte er im nämlichen leichten Tone, die Sorgen mit Gewalt von sich abschüttelnd. Und er be- > gann das Tier mit einem Eifer zn zerlegen, als wenn er seine Gedanken auf nichts anderes gerichtet hätte. Konrad. der dem Vater lächelnd znschante, flüsterte seiner hübschen 'Nachbarin allerlei launige Bemerknngen in das Ohr. Das junge Mädchen mochte so alt sein, wie Henriette; man sah ihr aber an. daß sie sich nicht erst seit heut oder gestern in der Welt der Diners und Svirees bewegte. Sie war durchaus nicht um eine Antwort ver legen und die dunklen Angen blickten keck und frei ans dem von schwarzen Löckchen umrahmten Gesichtchen, dessen semi tischer Schnitt nicht zu verkeimen war, hervor. jFvrts. folgt.)