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ZiiGHeUolkMitung Be,-g»pret«r I An-gab» » nur mi, Feierabend dierteljLhrlich 1.8« In I Dr-»d«n und «an, Deutschland stet Hau» ».»» ln Oesterreich 1.«V L - Etnze,.Nummer 1« j I Wochcniag» erscheint die Zeitung regelmitzlg ln den ersten! I-tachmIttagSstunden; dl« Eonnabendnummcr erscheint später. > Nr. 37 Unabhängiges Tageblatt für Wahrheit, Recht und Freiheit mit Unterhaltungsbeilage Die illustrierte Zeit und Sonntagsbeilage Feierabenb »lnzetnen, Annahme »ou «elchüftranzetae» dt» 1« Uhr, von FttmUteu. anzetgcn bt» II Uhr. Pret» sür die Pettt-Spaltzetle »« im «etlamelett «« 1. Für undeutlich geschrtebcne. iowle durch genilprecher aus« genebene Anzeigen können wir die Berantwortlichkett sitr dt« Richtigkeit de» LexteS nicht übernehmen. Redaktions-Sprechstunde: 1« bt» II Uhr vormittag». - - -sandter Schriftstücke macht sich dte Redaktion folgt, wenn Rückporto bei- t ilntworrrporto betzusügen. Für Rückgabe etngesandter Echriststücke m n>cht verbindlich; Rücksendung erfolgt, gesügt ist. Brieflichen iitnsrngen ist itntw Gefchüstsftelle und Redaktion Dresden«2l. IS, Holbeinstrahe 48 Sonnabend den 14. Februar 1914 Fernsprecher 21366 13. Jahrg slanciLctiuks 0s-escien-tt. aitmoekt 8 un6 Ppsgei- Strsüe 34 870 tzssts DSLttgUqUvUsI ,7, Vvr-äxllelio uvuv ruul ksbruiiokls, uUv Lots- rurä Ltilartstz von 60 »n ttioeigs ^aervavl, gtinerix» 2»lrlveoise, Nötig Lnsssnrabatt i tllet-kiauo» l gobonn-t>«or8«a-1U»e tli SaxoniakucharuckrrriS.m.b.I). Mittwoch den SS. Februar er., abends 8 Uhr im Hotel Stadt Gotha, Dresden: Sitzung aes Mkichlsrales. Tagesordnung: 1. Besprechung der Bilanz; 2. Verschiedenes. H. Trümper, Borsitzender. „Der Massenstreik gegen die Kirche" In fast allen Blättern, die uns aufliegen, lesen wir vom „Massenstreik". Ist das Wort „Streik" am Platze? Streik ist freiwillige Arbeitseinstellung. Streikende lassen sich mit ihrem ehemaligen Arbeitgeber in Unterhandlungen ein. Es kommt oft eine Vermittelung, Versöhnung, eine Wiederaufnahme der Arbeit zustande. Beim „Massenstreik gegen die Kirche" ist von Versöhnung keine Rede. Die Aus getretenen haben schon lange das große Gesangbuch, die Bibel, den Kirchgang „niedergelegt". Sie sind für die Kirche geistig tot. „Hoffnung ist bei den Lebenden." Wo ist hier noch Leben, Aussicht, daß die abgestorbenen Seelen jemals wieder gläubig ein Gebetbuch anrühren oder in dein Kir chenstuhl unter der Kanzel sitzen werden? „Massenstreik gegen die Kirche" — „wer hier eintritt, laß alle Hoffnung schwinden." Die „Leipziger Neuesten Nachrichten" haben darum recht, wenn sie ihren Leitartikel vom 6. Februar d. I. über schreiben: „Gegen Religion und Kirche." Das Wort „Kirchen- oder Massenstreik" ist nicht am Platze. Die Losung heißt: Hie Glaube — hie Unglaube. Und wie der hat das liberale Leipziger Blatt recht, wenn es sich ent rüstet über die unduldsame Roheit der Ungläubigen, die den Gläubigen verhöhnen, ihn anspeicn und ihn brutal nie- derbrüllen in den Versammlungen. Nur soll gefragt wer den: Haben nicht der Liberalismus und besonders die „Leip ziger Neuesten Nachrichten" den katholischen Glauben so manches liebe Mal gleichfalls verhöhnt und verspottet, mt in geradezu roher und brutaler Weise? Weiter möge ge fragt werden: Woher stammt der Unglaube r> eS Volkes, das im Begriffe steht, sich aus dem „Kerker" der Kirche und ihren „Fesseln" zu befreien? Wie steht cs mit der Weltanschauung der Professoren und Geheimrätc? Mit der „Geheimreligion" der Gebildeten? Ist der Un glaube des Volkes, die Weltanschauung des Proletariats die einzige Ernte, die nicht gesät ist? Ein Gelehrter, der in Leipzigs Mauern längere Zeit gewirkt hat, ohne daß der Liberalismus, der Evangelische Bund und ähnliche Kämpfer ihm entgcgengetreten wären, der Freidenker Ernst Horn eff er, hat das Wort geprägt: „Der Glaube an Gott ist das größte Unglück, das die Menschheit getroffen hat. Die Heilsbotschaft war eine Unheilsbotschaft . . . Wir müssen Gott gänzlich abschüt teln." (Zitiert aus F. L. Kiefl „Das christliche Sittlich keitsideal" S. 14.) Hierin wird „die künftige Religion" "lar und deutlich ausgesprochen. Von diesem Geiste ist die Kirchcn- anstrittsbewegung erfüllt. Warum ist der „Evangelische Bund" gegen Horneffer, seine Schule und Richtung, gegen den ganzen modernen Unglauben nicht energisch vorgegan gen? Wenn ein Jesuit U. Horneffer in der Albcrt- halle zu Leipzig ausgetreten wäre und hätte gerufen: „Jesus Christus ist derselbe gestern und heute und in Ewigkeit" (Hebr. 13, 8) — der Evangelische Bund hätte in die Posau nen stoßen und seine ganze Garnison alarmieren lassen. Die Faust auf dem Ausnahmegesetz, hätte er mit seinem leidenschaftlichen Temperament protestiert und Deutsch lands und des Evangeliums Güter, die ?. Horneffer durch seine bloße Anwesenheit bedroht, mit seinem Herzblute ge schützt. Freidenker Horneffer hat ihm keine Sorge gemacht, er konnte ungestört reden: „Gott ist der ewig be- , lastende Druck auf dem Menschen, der ihn nicht atmen läßt. . Man befreie den Menschen von Gott, und er wird in junger . Kraft erfteben.- > Die „Leipziger V o l k s z e i t u n g" (Rr. 28) ist einig mit dem Genossen Paul Göhre: die Erfolge der Pro paganda des politischen Kirchenaustritts sind zweifellos dem Umstande zuzuschreiben, daß die sozialdemokratische Weltanschauung in den Arbeitern immer mehr an die Stelle des früheren religiösen Glaubens getreten ist und daher nur noch ein kleiner Stoß hinznzukommen braucht, um auch zu einem formellen Bruch mit der Kirche zu führen. Wir Pflichten dem bei, gestatten uns aber einige Worte aus einem „Wartbnrghefte" (Nr. 53, S. 12) hinzuzufügcn, die der Dresdner Superintendent Dr. Költzsch ge schrieben hat. Er spricht von einer Flugschrift v. Meyers „Glaube und Kultur". Die Stelle lautet: „Sie (die Flug schrift) ist der feinsinnige, tiefe Nachweis, daß aus dem vierten Artikel der Augsbnrgischen Konfession, aus dem Ar tikel von der Rechtfertigung die ganze neue Zeit erwächst und die ganze moderne Kultur auch mit Maschine und Fabrik. Zornig staunend sicht er (Meyer) in dieser Hellen Gegenwart den schwarzen Schatten des Jcsnitismus. Unter der Fahne des Evangelischen Bundes ruft er da schon wie- der: Auf, auf, mein Volk werde Hüter des Stromes der evangelischen Wahrheit, deiner Freiheit, deiner Geistesart, deiner Kultur." Wie wirken diese Worte im Lichte der neuesten Kir- chenaiistrittsbewegung! Ans den Fabriken, zwischen den Maschinen, ans den Türen und Toren der modernen Kultur — ganz allein erwachsen ans dem vierten Artikel der Angs- burgischen Konfession? — kriechen die schwarzen Schatten des Unglaubens. Wer ist der verantwortliche Redakteur? Der Jesuitismus? O nein, er war fern, zweimal fern in Sachsen. Wer denn? Man ist gezwungen zn sagen: Die Herren des Evange lischen Bundes haben es meisterhaft verstanden, Phrasen zu formen, aber die unerbittliche Geschichte schlägt diese Töpferware vor ihren eigenen Angen jämmerlich zusammen. Das gleiche Schicksal dürfte eine andere Phrase treffen: Wir lesen sic bei Franz B l a n ck in e i st c r: „Das kirch lich-religiöse Leben der römischen Kirche im Königreich Sach sen." Auf Seite 25 heißt es: „Die Geister erwachen, und wo das erst einmal ge schieht, da lautet das Gesetz der Entwickelung: vom Irr tum zur Wahrheit. Tausende von Katholiken in Sachsen gehören ihrer Kirche nur noch d e m N a m en na ch a n , vor allem die Gebildeten und insbesondere die Männer, sie haben das Vertrauen zn ihr verloren. Vieles, sehr Vieles schreit nach Reform im sächsischen .Katholizismus, er ist in Kultur und Lehre ein mittelalterlicher Anachronis mus. Aber eine Reform der römischen Kirche i st ein Ding der Unmöglichkeit. So bleibt den mit ihr Zerfallenen nichts an- deres übrig als Anschluß an die Kirche des Evangeliums. Und das ist ein guter Tausch." (Sperrungen wie im Original.) Franz Blanckmeister gilt als Historiker des Evangeli- scheu Bundes in Sachsen. Sein Fleiß und seine stilistische Begabung sind über allen Zweifel erhaben, aber seine histo rischen Studien sind wenig tief und objektiv. Die katho lische Kirche in Sachsen ist jung, arm und wird zum aller größten Teile aus eingewanderten böhmischen Arbeitern gebildet. Ans dem Lande des Josephinismus in die pro testantische und sozialistische Uebcrmacht und in eine der schwierigsten und drückendsten Diaspora gekommen, ist der Abfall vieler Katholiken nur zn erklärlich. Die Motive des Uebertrittes sind größtenteils mate rieller Art. Viele werden evangelisch, ohne auch nur eine blasse Ahnung von ihrem neuen Glauben zu haben. Evangelisch ist in Sachsen „billiger", allgemeiner, leichter — also werden sie evangelisch. Die trenbleibendcn Katholiken aber schließen sich um so fester zusammen, Gebildete und Arbeiter. Kirchen, Kapellen, Schulen, Beichten, Kirche,«be such und Kommunionen nehmen zn. Das religiöse Leben erstarkt im Sturme. Wird die evangelisch-lntherische Lau- deskirche den Sturm, der ihr bevorsteht, ebenso gut über dauern? Würde die sächsische Landeskirche auf einem so ' schwierigen Posten und unter so schweren Bedingungen auf sich selbst gestellt wie die katholische Kirche, ebenso siegreich die Schlacht bestehen? Gesiegt ohne Frage hat die katho- ^ lische Kirche Sachsens, wenn auch unter furchtbaren Opfern. > Es sind zwölf Jahre verflossen, seitdem Franz Blanck meister die erwähnte Schrift verfaßt hat. Atheismus und Sozialismus holen ans zn einem mächtigen Streiche. Wie der könnte der Bnndeshistoriker schreiben: „Die Geister er wachen", dann aber müßte er fortfahrcn: „Tausende von Protestanten in Sachsen gehören ihrer Kirche nur noch dem Namen nach an, Gebildete wie Ungebildete, besonders die Männer haben das Vertrauen zu ihr verloren . . . In den sächsischen Kirchenblättern lesen wir von einem „neuen Vor st oß gegen die Kirch e". Der „Atheist", das Organ des Bundes proletarischer Freidenker (Vorsitz: Arbeitersekretär B. Menke, Dresden), veröffentlicht, so wird berichtet, in seiner Nummer vom 18. Januar 1914 eine Be kanntmachung. Es soll eine großzügige Agitation, die sich über ganz Deutschland erstreckt, ins Werk gesetzt werden. Der Masse des Volkes soll die Notwendigkeit des Kircheuaus- trittes vor Angen geführt werden. Ter Hauptvorstand wird den „Atheist" in einer Ertraanfalge von 10 090 erscheinen lassen, die neben der üblichen Anzahl der ständig bezogenen Exemplare den Zahlstellen unentgeltlich zngehen werden. Diese Agitationsnnmmer wird in Fabriken und Versamm lungen verbreitet. Die sächsischen Kirchenblätter rufen zum Kampfe auf. Das ist gut und ist hohe Zeit. Aufrichtig wünschen wieder christlich-protestantischen Fahne in Deutschland den «ieg, wünschen, daß ihre Eichen im Sturme tiefer Wurzel schla- gen, und daß ihre Zweige und Blätter sich besinnen auf das kernige, gläubige, altgläubige Christentum. Und wir? Die „Leipziger Neuesten Nachrichten" schreiben: „An die Katholiken aber hat man sich überhaupt kaum gewagt Man fühlt es, daß jener rheinische Genosse recht hat, der jüngst erklärte, daß hier die Arbeit über haupt keine Frucht tragen werde, daß man dort, wo noch starke Arbeiterschichten mit religiösen Bedürfnissen vor handen sind, der eigenen Bewegung „Knüppel zwischen die Beine werfen und neue Schranken gegen sich selbst aufrichten würde". Man spürt es, daß mit gewissen, im Katholiken besonders stark ausgeprägten unwägbaren Empfindungen nicht einfach zn spielen ist, daß liier doch ,noch unter allen Materialismus hinaus unausrottbare Wurzeln des religiösen Gefühls sich in den Boden senken, daß überdies in der päpstlichen Kirche ein gewaltiger, innerlich rücksichtslos gefestigter Bau geschaffen ist, gegen den alle Phrasen eines Zehngebote,Hoffmanns vergebens Sturm laufen." (Nr. 36 vom 5. Februar 1911.) Den größten Fehler, den wir Kntholiken gngenblicklich mgchen könnten, wäre der. die Kirchenanstrittsbewegimg für uns zu unterschätzen. Heute dir, morgen mir. Heute „die morschen und hinfälligen Ueberbleiblel der Togmen- kirche", so sagen die Freidenker, morgen „den stolzen Welt ban Noms". Wir stehen am Vorabend eines großen .Kulturkampfes. Die moderne Philosophie geht auf die Gassen, und die geistige Revolution greift zum Schwert. Wir brauchen jetzt nickt zn untersuchen, wie das so gekommen, wir müssen uns »nr rüsten, i n n e il i ch stärken mit den Waffen unseres Glaubens, daß uns die Entscheidung bereit findet. Sächsischer Landtag Dresden, den 13 Februar 1St4 Erste Kammer. In Gegenwart des Prinzen Johann Georg und des Finanzministers v. Seydewitz trat die Erste Kammer beute vormittag nach 11 Uhr zn ihrer 14. öffentlichen Sitzung zu sammen. Oberbürgermeister Dr. D i t t r i ch - Leipzig referierte zunächst über Kap. 14 des ordentlichen Etats betr. das staat liche Fernheiz- und Elektrizitätswerk zu Dresden. Er be antragte, die Einnahmen mit 342 300 Mark z» genehmigen und die Ausgaben mit 230 928 Mark, darnntcr 9000 Mark künftig wegfallend, zu bewilligen. Die Kammer beschloß einstimmig und ohne Debeitte demgemäß. Derselbe Referent berichtete dann über Kap. 15 des ordentlichen Etats betr. Münze. Sein Antrag ging dghin, die Kgmnicr wolle in Uebercinstiiiniinng mit der Zwcilen Kgminer beschließen, bei Kap. 15, Münze, nach der Vorlage die Einnahmen mit 21 043 Mark zu genehmige» und die Ausgaben mit 21 043 Mnrk, darnnter 4500 Mark künftig wegfallnd, zu bewillige«, sowie de» Vorbehalt zu Titel On zu genehmigen. Der Referent äußerte verschiedene Wünsche bezüglich der Ausgabe von Denkmünzen. Stagtsininister v. Seydewitz erwiderte hierauf, daß die Wünsche nach einer größeren Ausprägung von Denk münze» rcsp. nach einer Vciinehrnng der Anzahl derselben auch von anderen Seiten geäußert worden seien. Er freue sich, daß so viel patriotischer Sinn in unserer Bevölkerung vorhanden sei. Von den Denkmünzen für das Völkerschlncht- denkmal leien dreimal für 1 Million Mark, als insgesamt