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Das Inlrlguenspiel von Durazzo (Nach einem Gespräche mit Pater Marlaskaj von Durazzo.) Pater Marlaskaj, der Jahre hindurch in Durazzo und in der katholischen Malissia Oberalbaniens eine hervor ragende Rolle gespielt hat, weilt gegenwärtig in Wien und hatte die Liebenswürdigkeit, ihren Mitarbeiter heute zu be suchen. Die neuesten Nachrichten ans Durazzo ivaren es, die Pater Malaskaj in nicht gelinde Aufregung versetzt hatten. „Habe ich's Ihnen nicht schon vor Monaten gesagt, daß es so kommen müsse" — mit diesen Worten trat der Fran ziskanermönch ein — „Fürst Wilhelm mutz seinen großen Fehler nun büßen, den er mit der Berufung Essad Paschas zu den wichtigsten Funktionen des Staates begangen hat. Die Agenden des Ministeriums des Innern und deS Krie- ges übergab ihm der Herrscher und machte ihn dadurch auch formell zum Herrn der Situation. In der Tat regierte Essad Pascha und Fürst Wilhelm. Benötigte jemand etwas, so kam er nach Durazzo, hatte nur mit Essad Pascha zu tun. Wir katholischen Albanesen haben diesen Mann gekannt und ihn nie über den Weg getraut. Wir haben mehr als ein- mal den Fürsten vor diesem Manne gewarnt, wir hatten auch verläßliche Nachrichten ans den mohammedanischen Teilen des Landes über die Pläne erhalten, die Essad Pascha durchzuführen dachte. Verrat und Mord war seit jeher sein ureigenstes Gebiet »nd von einem solchen Manne konnten wir doch nicht erwarten, das; er dem neuen Herrn mit ans- richtiger Hingebung dienen werde. Der Fürst kam mit einem gewissen Mißtrauen gegenüber den Katholiken Nord albaniens ins Land. Die mohammedanische Umgebung hatte ihm die Ansicht eingeimpft, daß die mohammedanischen Stämme es als Provokation betrachten würden, wenn sich der Fürst den Katholiken gegenüber allzu freundlich er- Weisen würde. Der augekündigte Besuch des Fürsten in Skutari wurde daher immer wieder unter den verschieden- steu Formen ansgeschobeu. Nun, da die Gefahr am groß- ten war, fand Fürst Wilhelm den Weg zu den Malissoren. Es war jedoch zu spät, da die aufrührerischen Haufen Essad Paschas bereits Herren der Situation vor Durazzo waren. Die rasch zum persönlichen Schutze des Fürsten zusaiumcn- gerafften 120 Malissoren können natürlich einer vielleicht hundertfache» Nebermacht gegenüber nichts ausrichten. Ihr Zusammenstoß mit den Mohammedanern müßte auch sofort zum blutigen Glaubens- und Stammcskrieg führen. Dazu würde schon das bei uns geltende Gesetz der Blutrache füh- ren. Was in Durazzo in den letzten Tagen vorgegangeu ist, das erkläre ich mir nur durch eine Irreführung des Fürsten. Mau hat ihn nicht entsprechend über die wahren Absichten der Aufständischen unterrichtet und als diese in nächster Nähe der Residenz erschienen, brach eine wilde Panik aus. Ich habe jahrelang in Durazzo gewirkt und kenne die Lage der Stadt sehr genau. Es ist eine Unmöglichchkeit, in diese einzudringen, wenn gewisse wichtige strategische Punkte besetzt sind und Kriegsschiffe im Hafen liegen. Die Sicher- heit des Fürsten war auf jeden Fall gewährleistet und ?S war ein schlechter Rat, der ihm erteilt wurde, als er sich auf das italienische Kriegsschiff begab. Ich will nicht an nehmen, -aß dieser Ratschlag mit einem gewissen Hinter gedanken gegeben wurde, jedenfalls hat er aber dem An sehen des Fürsten sehr geschadet. Die Entfernung EssadS war ein Anlauf zur Selbständigkeit, zur Emanzipation von dem ausschließlich mohammedanischen Einflüsse. Das, was der Fürst jedoch Samstag und Sonntag tat, hat den Erfolg, den die Gefangennahme und Verbannung EssadS bedeutete, nahezu wettgemacht. Es heißt, daß die Auf ständische» als ihre erste Bedingung die Nückberufung Essads fordern. So unbestimmt' diese Nachricht ist. so glaube ich, daß sie doch richtig ist. Die vor Durazzo ange langten Bauern stammen ja aus Essads engerer Heimat, wurden von ihm mit Geld und Munition versorgt und zum Widerstande gegen den christlichen Fürsten aufgereizt. Die letzten Nachrichten, die ich aus Skutari erhalten habe, be sagen auch, daß die Mohammedaner von Tirana und Um gebung durch starke Banden aus dem Gebirge bei Diakova, aus dem Matgebicte und Dibra verstärkt worden sind. Diese zählen in Albanien zu den wildesten Streitern und fana tischesten Mohammedanern. Die ganze Bewegung gegen den Fürsten hat wohl religiösen Hintergrund. Was nicht Essads Einfluß gelang, haben Wohl die jungtürkischen Emissäre, vor allem Arif Hikmed und andere vollbracht. Wenn der Fürst wirklich alle Forderungen der Moham medaner erfüllt und sich damit denselben auf Gnade und Ungnade anslicfcrt, so weiß ich nicht, wie man es den katholischen Albanesen Nordalbaniens möglich macheil könnte, an der bisher bewiesenen Hingebung für den Für sten festzuhaltcn. Eine Folge der Kapitulation des Fürsten vor den mohammedanischen Aufrührern wird eine tief- gehende Bewegung der Unzufriedenheit in der katholischen Malissia sein und damit ist die Möglichkeit eines Bürger krieges durch die letzten Ereignisse i» Durazzo nähergerückt. Ten Fanatismus der mohammedanischen Mittelalbanescn muß man kennen, wie auch ihre Schlauheit und Bosheit gegenüber den Christen. Wir haben in türkischen Zeiten schwere Prüfungen niitniachen müssen lind hoffen, daß mit der Ankunft eines christlichen Herrschers auch uns Katho liken Gerechtigkeit widerfahren würde. Leider sehen wir uns auch in dieser Erwartung getäuscht. Das Elend in unseren Bergen ist grenzenlos, die gebotene Hilfe gering. Durch den Einbruch der Montenegriner in das Gebiet der Kotti und Gruda, zwei der tapfersten Stämme der Malissia, hat die Aufregung in Nordalbanicn einen gefährlichen Grad erreicht. Nur derjenige, der nuser Elend gesehen hat, kann ermessen, welch unerträgliche Last es bedeutet. Wenn nun obendrein der Fürst Zusagen macht, welche die Hegemonie der Mohammedaner im Lande festlegen, so wird dies natür lich nicht zur Beruhigung meiner Landsleute beitragen. Wir haben in Albanien stets von Oesterreich-Ungarn die Erlösung erhofft. Mit welcher Freude wurde das öswr- reichjsch-ungarische Detachement von uns begrüßt. Von weit her kamen die Gebirgsbewohner, um die Ocsterrcicher zu sehen. Statt der erhofften Freiheit sollen wir nun wieder unter das mohammedanische Joch gebeugt werden. Ich verstehe nichts von Politik, aber das eine sagt uns Katholiken Albaniens unser Instinkt, daß in Durazzo ein frevles Intrigenspiel getrieben wird, in dem die Person des Fürsten nicht jene stolze Nolle spielt, wie wir dies von unserem Herrscher erwartet hätten. Wir machen nns über die Sache unsere eigenen Gedanken. Wir wissen auch, daß es nicht Essad Pascha und Agrif Hikmed allein sein können, die das mohammedanische Mittelalbanien zum Aufruhr gegen Durazzo gehetzt haben: „Hinter diesen stehen un- zweifelhaft viel größere und stärkere Mächte . . ." Kirche und Unterricht k Bautzen. Jni katholischen Lehrerseminar begann die Feier des Geburtstages Sr. Majestät unseres erlauchten Königs früh 9 Uhr mit einem Festaktus für die Kinder der Seminarschule. Die Festrede, die der Seminarist Simon (Klasse I) über das Thema „Die Wettiner und die Kunst" hielt, umrahmten Vorträge von patriotischen Lie dern und Gedichten. Hierauf fand um 10 Uhr die Festfeier für den Schiilercotus des Seminars statt. Eingeleitet wurde dieselbe durch das Klavierkonzert in D-dur mit Begleitung des Streichorchesters und der Orgel von L. v. Beethoven. Daran schloß sich der Hymnus „Ter Herr ist Gott". Man- nerchor und Klavier von F. W. Berner. In der darauf fol genden Festrede würdigte der Herr Seminarobcrlehrer Paul Löbmann in einem kurzen Ueberblicke die unsterblichen Verdienste Augusts des Starken auf allen Gebieten des Kunstschaffens und zeigte, wie dieser geistvolle Wettiner nicht ein bloßer Nachahmer Ludwigs XIV. gewesen ist, son dern wie er in der Entfaltung von Kunst und Pracht eine ganz selbständige Nolle in Europa gespielt hat, so daß ihn die Mitwelt als den neuen Augnstus feierte. Dieser Rede schlossen sich an der „Zug der Gralsritter" aus Parsifal für Orgel und Klavier von N. Wagner — Reinhard, sowie die Deklamationen: 1. „Festgruß" von O. Langebach, 2. Drei Gedichte aus dem Werke „Ein deutsches Lied" von Schrönghamer-Hcimdal und 8. „Ruhm und Ende der Glocke von Horbach" von G. Busse-Palma. Ten Schluß der Feier bildete der Gesang der Sachsenhymne. i: Die Riteukougregatio« bat vor einiger Zeit eine frühere Entscheidung (vom 22. März 1806) in Erinnerung gebracht, nach der am Karsamstag während und außerhalb des Hochamtes den Gläubigen die hl. Kommunion gespendet werden darf. Die Ritenkongregation hat auch ein eigenes Offizium samt Mcßformular für ein am 5. November zu begehendes Rellguienfest approbiert. k Nationalisten und Katholiken in Italien. In Mai land wurde kürzlich ein Nationalliberaler Kongreß abge halten, der im Auslande nicht die Beachtung fand, die er wegen seiner Beziehungen zu den italienischen Katholiken verdient. Die Nationalisten haben nämlich nicht nur heftige Reden gegen Oesterreich und die österreichische Politik ge halten, sonder» auch Entschlüsse von ziemlicher Bedeutung gefaßt. Bisher war die nationalistische Partei in Italien ein Anhängsel der liberal-monarchistischen Partei. Auf dem Kongreß in Mailand wurde beschlossen, sich von der libe ralen Partei zu trennen und sich mehr und mehr den Katho liken zu nähern. Besonders während des tripolitanischen Feldzuges haben sich schon viele italienische Katholiken durch ihre nationalistischen Tendenzen bemerkbar gemacht. Diese Tendeur-n we^eu daher naiurgemäß eine Steigerung er- — 36 — „Liebe ist die beste Lehrmcisterin," tröstete Frau von Sporenfels, und Leo stimmte ihr fröhlich bei. „Sehen Sic, das denke ich auch, und deshalb bin ich auch so glücklich, io namenlos glücklich! Am liebsten möchte ich die ganze Welt umarmen." „Uni Gotteswillen, fangen Sie nicht mit mir an," wehrte Frau von Sporenfels, ihm schelmisch mit dem Finger drohend. „Uebrigens sind wir alle schrecklich neugierig auf Ihre Frau Gemahlin. Es war ja der reine Roman! Trautchen Linden erzählt die Geschichte mit jedem Tage einen Grad aufregender. Es war die höchste Zeit, daß Sie endlich in natura er schiene»." Leo rieb sich schmunzelnd die Hände. „Ja, ja, was man doch für eine interessante Persönlichkeit ist," lachte er. „und — was ich noch sagen wollte — als Schwiegerväter sind die Ameri kaner äußerst empfehlenswerte Leute. Als ich dem meiuigen die heikle Kon- sensfrage erörtern will, zieht er ein Buch aus der Tasche, dem er einen Scheck auf die Reichsbank entnimmt für 200 000 Mark." „Ein großartiger Papa!" bewunderte Frau von Sporcnsels. Mit einem Senfzer gedachte sie dabei ihres etwas knickerig geratenen Schwieger vater-Exemplars. Dann nahm sie hastig Abschied. «Ich muß jetzt wirklich hinuntcrgehen. Nur ganz im Verborgenen als Heinzelmännchen wollte ich überhaupt hier wirken, und allein der Junge, der Freddy, ist schuld, daß ich mich überraschen ließ." „MoS, war der auch schon hier?" rief Leo. „Das wundert Sie doch nicht?" fragte die Sporenfels amüsiert zu rück. „Sie wissen ja, Freddychen ist Hans Dampf in allen Gassen, und wenn er nun gar noch wie hier Vctterrechte geltend machen kann . . „Um Gotteswillen, dann, meinen Sic, wird man ihn überhaupt nicht los?' stöhnte der Leutnant. „Für's erste sicher nicht," war Frau von Sporenfels' zweifelhafter Trost. — Leo schlug entsetzt beide Hände zusammen. „Da habe ich mir immer soviel auf die in der Auswahl meiner Ver wandten bewiesene Klugheit eingebildet." seufzte er. „Eltern, Geschwister, Schwiegerpapa, alles erster Klasse ausgesucht, und muß.nun an der Vettern- schast dennoch stranden! Es ist wirklich hart!" „Für Leo den Frechen nicht," neckte die Sporenfels, „ich bin ganz außer Sorge, daß Sic Mittel und Wege finden, um unseren armen Kleinen in ein anderes Schwarmgebiet zu expedieren." DaS Eintreten des Burschen machte der Unterhaltung ein Ende. Frau von Sporenfels enteilte nun wirklich, während Heinrich mit seinem strah- lendsten Lächeln eine riesige Blech-Kaffce-Stülpmaschine auf den Tisch pflanzte. „Herr Leitnant, unser Kaffee sein fertig," mahnte er mit einem ermun- ternden Blick auf die Tür, hinter welcher die junge Frau noch immer weilte.- „Und wie wird's mit dem Mittagbrot?" fügte er hinzu, als sein Herr trotz dieser Aufforderung keine Miene machte, die Langschläferin zu holen. Leo wiegte bedenklich den Kopf. „Ja. das ist 'ne Sache," meinte er. >cm„» — Zg — « aorUeh»»« Hills und berauschend stieg der Tust des Jasmin in die Sommernacht. An dem Himmel blitzten langsam die Sterne auf. Ruhig, unbewegt um Leid und Freude der Menschenkinder, zogen sie still ihre urcwigen Bahnen - heute wie immer. Sie gossen ihr silbernes Licht über die jasminumwucherte Laube, in der, dicht nebcucinandergeschmiegt, die beiden Glücklichen träumten; sie schienen aber auch in das Studierzimmer Ernst von Hartstcins. Mit brennenden, übermüdeten Augen sah Ernst auf die dichtbeschrie denen Seiten seines Manuskriptbogens. Fliegend eilte die Feder über das Papier. Dann plötzlich warf er sie fort und sprang von seinem Platze auf, um mit hastigen, aufgeregten Schrit te» das Zimmer zu durchmessen. Jmer wieder irrte sein Blick hinüber zu dem gegenüber liegenden Hause, wo er Edith und Leo wußte, und stürmisch wachte die Eifersucht in seinem Herzen auf. Weshalb durste er nicht glücklich sein, wie jene? Weshalb schüttete das Schicksal das ganze Füllhorn seiner Gaben über'dem Haupte dieses über mütigen, leichtsinnigen Weltkindcs aus, während es ihn darben ließ, darben und immer wieder darben?! Wie bitter war das Wort, und wie hatte er schon als Kind seine ganze Schwere erfahren müssen! In daS Herz des kleinen Kadetten hatte sich bereits ein Gefühl, säst wir Neid, geschlichen, wenn er aus dem sonnigen Haus der Hellers in sein trau- riges Heini zurückkchrte. Und was machte dieses Heim traurig und düster? Tie Armut die Armut allein. Aus reiner Liebe hatten sich die Eltern geheiratet, und doch war die Liebe entflohen in diesem aufreibenden, entwürdigenden, widerlichen Kampfe mit der Armut. Die blumenzarte Schönheit der Mutter verblühte rasch unter Arbeit und Entbehrung. Die flotte, fröhliche Lebenslust des Vaters, welche das Herz des verwöhnten Generaltöchterchens bezaubert, war längst einer ver bitterten. ewig gereizten Stimmung gewichen. Durch einen Sturz mit dem Pferde in jungen Jahren zum Invaliden gemacht, mußte er sein Dasein in einer kleinen reizlosen Landstadt unter Menschc dahinschleppen, die ihm unsympathisch waren mit ihren spießbürger lich engen Horizont — freudlos, glücklos. Konnte man es dem Sohne dieser Eltern verargen, wenn er niit allei Kräften hinaus ans der erdrückenden Enge der Armut strebte, weil er aaS Schicksal seiner Eltern nicht teilen, sondern empor wollte zu den sonnigen Höhen des Lebens. Aber würde der Ehrgeiz ihm das ersehen können, was er verloren? „Kate, Käte, weshalb willst du mich nicht verstehen, weshalb stößt du mich von dir? Und ich wollte doch nur ein gutes Wort, eine einzige, schwache Hoffnung, die mich leiten und trösten könnte während dieser langen, einsamen Jahre! Liebst du mich wirklich nicht mehr? Gott, wie traurig ist doch das Leben, wenn die Liebe ihm fehlt!" .Seltsam, daß wir Menschen nicht leben können ohne ein armseliges bißchen Liebe.