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Beilage zu Nr. der „Sächsischen Volkszeitung" Rund um die Welt. Mehr noch als der Krieg selbst erregt in N ußIand die Gemüter die Ermordung des Ministers Plehwe, denn sie erscheint als eine Folge des Tebacles ini fernen Osten. Ter Terror erhebt sein schreckliches Haupt. Armes russi- sches Volk! Plehwe seihst widmen die russischen Zeitungen nur wenige Worte, während sie über die durch den Mord geschaffene Lage sich sehr eingehend äußern, was znm Schlüsse berechtigt, das; Plehwe nicht ein Mann nach dein Herzen selbst der slavophilen Presse war. Tie „Petersb. Wjedomosli" schreiben: „ES ist eine entsetzliche Zeit und eine grausame (Generation! Bis zum innersten Nerv trifft der Schmerz, das; in diesen Tagen, wo im Auslande die Feindschaft gegen Rußland dauernd und mit überraschender Einmütigkeit zunimmt, der äußere Feind bei unS zu Hanse noch einen Verbündeten findet!" Sehr richtig! Es ist für Rußland eine entsetzliche Zeit, denn der politische Anarchie mus, dessen fanatisches Werkzeug der Mörder Plehwes war, wird noch mehr erstarken, wenn nicht endlich mit fester Hand gegen Beamtendünkel und Beamtcninißwirtschast vorge- gangen wird, wenn verkehrte Maßnahmen ergriffen wer den. Letzteres scheint leider aber der Fall werden zu wollen. To schrieb die „Nowoje Wremja": „Männliche Uner- schrockenheit und strenge Festigkeit sollten die Antwort von Negierung und Gesellschaft ans die neue Missetat sein" und der russische Gesandte in Stockholm erklärte nach dem „Svenska Tagblad": „Eine Tat, wie die gegen den Minister des Innern verübte ist keineswegs im stände, einen Tvstem Wechsel zu fördern, im Gegenteil kann sie in ganz entgegen gesetzter Richtung wirken." Das „heilige" Rußland ist nie ein freund des Wortes des Heilands „Liebet eure Feinde, tuet wohl denen, die euch hassen" gewesen, aber mehr denn je würde es dem „hei ligen" Rußland von Nutzen sein, wenn es sich wenigstens nun noch dieses Wortes erinnerte, wenn die Popen es nner schrocken interpretierten. Aber die Popen und ihre Presse beschäftigen sich statt dessen damit, daS Volk über die Aus gabe Rußlands ansznklären, Stimmung für den Krieg im fernen Osten zu mache». To schrieb der „Ttrannik": „Ruß land hat von der Vorsehung die Ausgabe erhalte», den orthodoren Glauben über die „ganze" Welt zu verbreiten und ihn zu erhalten. Wenn die Mandschurei in dem Besitz der Ehinesen gelassen worden wäre, so würden diese nicht die Notwendigkeit einsehen, das Christentum anznneliinen und sie würden für einig in „japanischer Dunkelheit" blei ben. Daher war es das Gesetz Gottes, das die Rückgabe der Mandschurei an China verbot." Wirklich kein Wunder, wenn nun schon recht viele Russe» zu dem Glauben bekehrt sind, daß es in den Köpfen ihrer Popen nicht mehr ganz richtig sein muß, sie argumentieren, daß. wenn es Gottes Gebot gewesen wäre, auch den russischen Truppen alle bis herigen Schläge erspart geblieben wären. Stakt dessen Niederlage ans Niederlage: der tapfere Graf Keller wird bei der Verteidigung der Tüdsront von japanischen Granaten in Ttücke zerrissen: die Japaner neh men die ausgedehnte und starte Befestigung der Höhen stellung von Taschitschiao, haben damit seiten Ins; in der südmni'.dschurischen Ebene gefaßt, eine neue Basis für ihre ! Operationen im Liahotal gewonnen, die Russen hier vom ! Meere verdrängt und die Möglichkeit erlangt, fortan auch in den fruchtbaren Ebenen der Mandschurei von Inkou ! gegen Liaojang zu operieren. Tas Felsennest Port Arthur ! trotzt hingegen noch immer und die kühne Fahrt des Wladi ! wostockgeschwaders unter Admiral Tkrhdlow hat den Iapa ! nern nicht geringe materielle Nachteile gebracht. In Frankrei ch ist es nun zum Bruch mit dem Va j tikan gekommen. Monsieur Telcaisö sandte an den Ge ^ schäststräger de Eonrcel ein Tchreiben, in dem der Tchlns; wie folgt lautet: „Ta die Regierung der Republik ans der Antwort Tr. Eminenz des Kardinalstaatssekretärs vom V>. Juli zu der Feststellung sich gezwungen siebt, daß der Heilige Ttnhl die ohne Wisse» der Macht, mit der er das .Konkordat unterzeichnet hat, vollsührten Handlungen ans- ! recht erhält, liat die Regierung der Republik beschlossen, den ! offiziellen Beziehungen ein Ende zu machen, die durch den ! Willen des Heiligen Ttnbles gegenstandslos geworden sind. Nach lleberreichnng dieser Note fügen Tie hinzu, daß wir I die Mission des apostolischen NiliitiuS für beendigt an- ielien." Während die oppositionellen Blätter Zweifel liegen, daß Eombes bis zur Trennung von Staat und .Kirche gebe» inerde, drängen die republikanischen Blätter zur Kündigung des .LonkordatS. Tie geben der Meinung Ausdruck, daß Eombes nicht ans halbem Wege neben bleiben dürfe, wenn er sich nicht dem berechtigten Verdachte anssetzen wollte, nur Komödie zu spielen. Jede Tchwächeanwandlnng nach diesen Vorgängen würde de» Triumph der .Kirche über die Re publik, der geistigen Knechtschaft über den freien Gedanken, der Reaktion über die Demokratie berbeinihren. Wie die weitere Entwickelung sich vollziehen wird, läßt sich jetzt schon einigermaßen erkennen, denn die Generalratswahlen habe» stattgesnnden. Die Generalräte spielen bekanntlich aut dem politischen Gebiete eine ziemlich hervorragende Rolle, da sie von Rechtswegen Tenaloreiiwähler sind und als solche indirekt einen großen Einfluß ans die allgemeine Politik ansüben. Tie Generalratswahlen aber haben eine beden tende ministerielle Mehrheit ergeben. Eombes selbst errang in seinem angestammten Wahlkreise einen großen Tieg, denn von stGV abgegebenen Ttinimen erhielt er nicht weni der alS ststst. Tas französische Voll bat sich also nir die Politik des Kabinetts Eombes und dessen Vorgehen gew.n den Vatikan erklärt und Eombes wird somit gar nicht anders können, als auch den letzten Tchritt zu Inn. Ob Eombes diesen Tchritt wirtlich tu» wird, dcw interessiert auch andere Mächte recht sehr. To ist Oesterreichs Minister des Aenßeren, Gras GolnchowSki, in Paris eingetrossen und soll diesen Ainent hall benutze», »in sich über die weiteren Absichten der sran zösischen Regierung in der römischen Frage z» orientieren und seinem Kaiser über dieselbe zu berichte». 'Noch mehr Interesse an Eombes Entschlüsse besteht aber bei den Republikanern in Tpanie». Tie Unterband lnngen öer gegenwärtigen tpaniichen Regierung bezüglich M a r o t k o s , die 'Won recht schwierig sind, haben durch die Abreise Telcaiws von Paris eine Unterbrechung er fahren und es ist leicht möglich, daß Telcaisee von einer re- pnblilanischen Regierung mehr erholst, das; französisches Gold auch in Tpanien nun zu rollen ansängt, um den re pnblilanischen Gedanken in immer weitere Kreise zu tragen, den Republikanern Mut zu machen, sich gegen Monarchie und Kirche zu erbeben, den Lieblingsgedanken gar vieler Franzosen, die Begründung der spanischen Republik unter französischem Einflüsse zu verwirkliche». Aber auch in Tenlichland verfolgen gar viele, teils be wegt. teils hossnnngssrendig den Kamps der französischen Regierung gegen die Kirche. Tonst konzentriert sich in Tenlichland das allgemeine Interesse vornehmlich ans den russischen Handelsvertrag, der ziemlich genau »ach IabreS- N'ist, nachdem an der Newa die Vertreter des Tentscben Reiches und Rußlands die Präliminarien zu einem neuen Handelsverträge begonnen hatten, in Berlin von dem Graten Bnlow und Herr» von Witte unterzeichnet wurde. Die (Srmmdttrrsj Plehwes irnd die rn s si srk; e L »»zi r! denw kr,r 1 ie. Anläßlich der Ermordung Plehwes bat die Redaktion der „Iskra", des stenlralorgans der russischen sozialdemo- 'ratischen Partei, folgenden Ausruf unter dem Titel „An das arbeitende Volk" erlassen: „Getötet ist der Minister des Innern Plehwe. Getötet ist ein Tpitzel und Henker, in dessen abscheulicher Gestalt alle Garstigkeit und alle Gewalt der zarischen Regierung verkör pert waren! Hingeschieden ist einer, bespritzt mit dem Vinte von Hunderten von Arbeitern, welche ans seinen Be setz! erschossen wurden, mit dem Blute der Opfer des Ki- ichjnewer Gemetzels, mit dem Blute jener Tausende Tolda- ten, die jetzt im fernen Osten als Opfer der auswärtigen, sowie der inneren Politik der zarischen Regierung fallen, an deren Tpitze Plehwe stand: jener inneren Politik, welche vor keinen! Verbrechen znrückschreckt, nni den Zorn des Volkes von der unendlichen Kette der Verbrechen der zarischen Re gierung gegen das Volk abznlenken. Nicht von unserer Hand iil Plehwe gefallen. Nicht die Bombe an sich ist der zarischen Regierung gefährlich, äußerst gefährlich aber ist es, daß sie gerade z» einer steil erplodierte, wo das ganze Volk mir der Arbeiterllasse an der Tpitze die Freiheit verlangt. Getötet ist ei» Minister, der in der letzten steit i» seinen Händen alle Fäden der Tlaatspolitit hielt. Ob an seine Tteile ei» anderer toller Wolf ernannt wird, »in mittels neuer sinnloser Blutbäder das Wachsen der Freiheitsbewe gung anszul,alten zu versuchen: ob ein schlauer Fuchs ibm als Nachfolger kommt, der es versuchen wird, mit dem Volke zu liebäugeln, »in ans solche Weise das erwachte Be wußtsein zu betäuben in diesem wie in jenem Falle müs sen die russischen Arbeiter mit weitsichtigem Auge die Ge schehnisse verfolgen und in sie als selbstbewußte Klasse cin- greit'en. Was wird die Antwort der zarischen Regierung 'ein? Möglich, daß der neue Minister Autokrat den KriegS- — 40 — aber verzeihen Tie mir, ich habe eine dringende Besorgung Leben Tie wobl, Herr Nenrenther." Damit schüttelte er dem Bankier eilig die Hand, winkte dem Führer eines Wagens der elektrischen Straßenbahn »nd schwang sich im nächsten Augenblick ans die Plattform. Kopfschüttelnd sah ihm Nenrenther nach Brünnow schwamm es vor den Augen. Was war das nun wieder? Hatte es den Wucherer gereut, den Wechsel verbrannt zu haben und er hatte einen anderen an seiner Stelle gefälscht? Er würde sich hüten! Und doch derjenige, den Brünnow gesehen hatte — allerdings nur einen kurzen Augenblick - trug doch hie echten Unterschriften die Mandersteins und seine eigene! Er schlug sich vor den Kopf. Hatte ihm der Wucherer den Wechsel nicht nur einen kurzen Moment vor die Augen gehalten und ihn dann sehr eilig zerrissen und verbrannt? Wo hatte er nur seine Gedanken gehabt? Mußte er sich von diesem Menschen nicht alles versehen? Wäre es nicht ein Gebot der Selbsterhaltnng gewesen, daS Papier an sich zu reißen und anfzn bewahreil? Brünnow wütete gegen sich selbst. Er hatte sich übertölpeln lassen -- schmählich hatte ei sich überlisten lassen von einem Kerl, den er nicht mehr leistete. a>S den T >:as,. vsci mrst; an seinen Sohlen ! Und er würde Rechenschaft von ihm fordern er würde Ja. was würde er kenn? Eigentlich wnßte er das selbst noch nicht genau — daS würde schon kommen, wen» «w ibm aeg-nübc, stand. Im Sturmschritt, immer drei Stufen mit einem Sprung nehmend, er iletterte er die fünf Treppen. Die Tür war verschlossen Herr Breittops war also nicht zu Hause. Oder ließ er sich etwa verleugnen? Brünnow pochte mit starken Schlägen gegen die Tür Trinnen regte stcb nichts. „Herr B'wtkolst. Hci, Breitkopf, öffnen Sie", ries Brünnow wütend, „das hat kein'., stweck machen Sie ans oder ich schlage die Tür ein!" Frau Plischkowskh, die Flurnachbarin, lies; sich wieder ans der Schwelle blicken. „Aber, Huschen, tiainestcs' rief sie erschreckt, „was ist denn bloß los?" „Das geht Sie gar nichts an!" sagte Brünnow barsch, „ich muß den In Haber dieser Wohnung sprechen — und zwar sehr dringend. Ich habe allen Grund, anzunehmen, da,; er zu Hause ist — aber nicht zu Hause sein will." „Aber erbarmen Sic sich", rief die andere erstaunt, „waS sollte er für einen Grund haben, nicht zu Hause zu sein? Ich habe doch mit meine eigene Augen gesehen, wie er vor einer Viertelstunde wcggcgangen is. Und zurück is er noch nicht gekommen, das weiß ich ganz genau! Ah - " fügte sie halb für sich hinzu, „es is ein Kreuz mit dein Manne! Immer neue Schrecken! Ich werde dein Hauswirt doch sagen müssen, daß er ziehen soll!" „Wie so? Was gibr cs noch mehr", fragte Brünnow, der nach der ersten Mitteilung sich bereits der Treppe zugewandt hatte, stehen bleibend und die kleine runzelige Frau fragend ansehend. „Ach, es is ja vostänfig ejal — er verreist auf drei Wochen — da, nach Swüncinünde — so - in Ponunern — da hat man ja denn Ruhe —" „Ja, aber stört er Sie denn so sehr?" „Herrlich, ganz ausgezeichnet! Und Tie werden nicht dort bleiben?" „Um Gostes willen . . . Ich werde morgen hinsabre», und zwar, wenn tnnlich, auch möglichst ohne Aussehen. Ich erwarte Tie dort, zeige Ihnen das Gut. nehme das Geld von Ihne» in Einpsang und verschwinde wieder!" „Und wann werden Tie fahre»? Ich muß es wissen, damit ich nicht c'.wa vor Ihnen da bin „Ich fahre um ks Uhr irüh ab. bin um l l Ubr da. gehe um -! Uhr wieder weg und hin nni KR- Uhr wieder zurück . . ." - „Nun gut wenn ich nni l Uhr da bin, ist es doch steil genug „Natürlich also ich erwarte Tie dort „Ja und noch eins ich hatte vergessen einen Klienten habe ich doch in jener Gegend. Wo liegt Blakenrade?" , „Eine halbe Ttnnde abseits vom Wege." „Tchön, kommen die 'Bauern dorthin?" „Keine Teele. Nun aber muß ich eilen - nur noch eine halbe Ttnnde steil." Hinaus war er ohne Grnß. Breitkops begleitete ihn zur Tür, rieb sich znirieden die Hände, ging daran, mehrere Wechsel herausznsnchen und eine Banknote dazu zu schreibe». Aber er war noch nicht lange bei der Arbeit, da stopfte es anss neue. Ans sein „Herein" schoß zunächst ein sckwarzer Pudel ins stinimer und hinter diesem dessen Herr, ein Bauer von ziemlich gebeugter Gestalt und graindnichsnrchtcm Gesicht. „Guten Tag, Herr Breitkvps", sagte er ziemlich kleinlaut. „Guten Tag", Gribow", sagte dieser, sich aus seinem Stuhle um »'endend, „na. Ihr wollt wohl die stinse» bringen? Tas ist recht. Pünktlich keit ist die Hauptsache." „Nee, Herr Breitkops", leider kann ick, die stinse» nicht bringen daS erste Mal, daß eS mir nicht möglich ist. pünktlich z» sein ick, möchte Tie bitten, mir ein Vierteljahr Frist zu geben - " „Fällt mir nicht ein, kann ick, nicht ganz »»möglich! Was denkt Ihr denn eigentlick,! Ick, brauche mein Geld auch! Wirtschaftet nicht so lüder lich „O Herr Breitkops ich habe nicht lüderlich geivirtsck,astet meine Fra» ist gestorben, vor einen, Monat mein Aeltester, der hier bei den Grenadieren gestanden, ist an der Lungenentzündung gestorben, die Rinder- pest hat mir zwei Kühe „Ja. ja na. das ist ja recht traurig für Euch aber darunter kann ich doch nicht leiden. Tie Frist kann ich Euch nickst bewilligen." „O Gott, habe» Tie Erbarmen, Herr Breitkopf „Erbarmen nein - so etwas gibt eS im Geschästsleben nicht in Geldsachen hört die Gemütlichkeit ans „O Gott, o Gott, was soll ick, nun ansangcn „Ja. was wollt Ihr den» in einem Vierteljahr anfangen ?" „Da hätte ich ei» Paar Schweine verkaufen können -- oder ein Rind." „Na, damit Ihr gleich wißt, wessen Ihr Euch von nur zu gewärtigen habt, so will ich Euch gleich sagen, daß ich Euren Hof ohne Rücksicht sofort zur Versteigerung bringen werde „O Gott, o Gott -- Erbarme» —" „Das Wort nehmt nicht mehr in den Mund, es ist unnütz. Und nxmn