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Zweites Blatt Sächsische Volkszeitung vom 24. Februar 1911 Nr. 46 Deutscher Reichstag. Sitzung vom 22. Februar 1 Uhr 16 Minuten. Die zweite Lesung des R e i chs j u st r z a m t e s wird fortgesetzt. Abg. Dr. Wagner (Kons.) protestiert dagegen, daß man den Landratsprozeß Becker-Maltzahn hier bespreche; das stehe in keinem Zusammenhänge mit vem Etat. Aus diese Weise könne man alle Fragen beim Etat besprechen. Redner geht nun auch auf den Prozeß Becker ein und pole misiert gegen Dr. Ablaß. Abg. Dr. Junck (Ntl.) fragt nach dem Staude der Durchführung des Grundbuches. Staatssekretär Lisco findet es bedauerlich, daß die Richter immer zu sehr zu den Zivilkammern drängen und daß die Strafkammern vernachlässigt würden. Das Grund buch ist in den größten Teilen Deutschlands nun angelegt und nur einzelne Gegenden stehen noch aus. Ob wir eine neue Gebührenordnung für die Rechtsanwälte vorlegen können, ist noch ungewiß: die Gutachten der Einzelstaaten lauten sehr verschieden. Auf den Prozeß Becker gehe ich nicht ein, da das Urteil noch nicht rechtskräftig ist. Abg. Werner (Antis.) fordert energische Maßnahmen gegen den Schmutz. 8 193 muß weiter ausgebaut werden zum Schuhe der Redakteure, das fordert die Freiheit der Presse. Gegen die Milchpantscher muß man scharf Vor gehen, doch soll man die Leute nicht ruinieren. Im Falle Kölle hat der Staatsanwalt das Gesetz verletzt und die Immunität der Abgeordneten nicht geachtet: auch der Staatsanwalt steht unter dem Gesetze und darf es nicht ver letzen. Wir wünschen keine Klassenjustiz und fordern glei ches Recht für alle. Abg. Stadthagen (Soz.) bespricht daS behördliche Vorgehen gegen Turner, die man schikaniere, wenn sie so zialdemokratisch seien. Sozialdemokraten lasse man nicht als Turnlehrer zu, das sei kein gleiches Recht für alle. Ar beiter straft man sehr hart: mit Studenten geht man sanf ter um. Mau denke nur an den Bonner „Studentenulk". Die Arbeiter in Moabit haben nichts Schlimmeres getan als diese Studenten. Warum ist man gegen die Mörder in Moabit nicht vorgegangen? Man muß den Mörder unter der Polizei herausfinden: aber man hat keine Anklage er hoben. Ist Preußen so ohnmächtig, daß es den Täter nicht finden kann? Die Justiz darf gegen die Polizei nicht so ohnmächtig sein. Steht den Beamten frei, Verbrechen zu begehen? Der Polizeipräsident steht nicht über den Ge setzen. Mörder müssen verfolgt werden. (Vizepräsident Schulz: Sie sprechen grobe Beleidigungen gegen Behör den aus; ich rufe Sie zur Ordnung!) Ich gehe von meiner Forderung nicht zurück: Warum hat man die Mörder nicht zur Strafe gezogen? Warum darf man Mörder noch ver herrlichen? (Beifall links.) Staatssekretär LiSco: Nach dem Ordnungsrufe des Präsidenten halte ich die Sache für erledigt; mehr habe ich nicht zu sagen. (Ledebour: Drückeberger!) — Vizepräsi dent Schulz: Ich rufe den Abg. Ledebour zur Ordnung. (Rufe links: Ist doch ein Drückeberger!) Abg. Sayda (Pole): Die Justiz ist heute eine Diene rin der Politik und keine Göttin der Gerechtigkeit. In der Ostmark sieht man dies am deutlichsten. Warum läßt man nicht genügend Dolmetscher für die Polen zu? Trotz aller Zusagen der Könige von Preußen! Die Neger haben es besser als bei uns die Polen. Seit Jahrzehnten stellt man keinen Polen mehr als Richter an und nimmt Polen zu Schöffen und Geschworenen; nur ganz selten. Nach einer kurzen Bemerkung des Staatssekretärs Lisco behandelt Dr. M ü l l e r - Meiningen (Vp.) noch mals den Prozeß Becker. Der Etat des NcichSjustizamteS wird genehmigt. Nächste Sitzung morgen 1 Uhr: Militärvorlage. Aus Stadl und Land. (Fortsetzung au» dem tzauptblat».) —* Zur Htzgieue-AuSstellung. Anläßlich der Internationalen Hygiene. Ausstellung wird der Verein deutscher Bleisarbenfabrikanten. dessen Sitz in Köln ist, in diesem Jahre in Dresden tagen. —* Die heutige Stadtverordnetensttzung wird sich mit einem Anträge des sozialdemokratischen Stadt verordneten Arbeitersekretär» Buck beschästtgen, der dahin geht, den Rat zu ersuchen, Auskunst darüber zu erteile», aus welchen Gründen bei der Verleihung der Beamten- eigenschast an die in der Druckerei der Dr. Glintzsche» Stillung bcschästigen Drucker. Setzer usw. daö Verlangen gestellt wird, die Mitgliedschaft im Deutschen Buchdrucker verbände aufzugeben. Auerbach, 22. Februar. Der 13 Jahre alte Schul kunde Max Jäger a«S Neumtengiitn hat tu letzter Zeit hier § in Dorsstadt, Elleseld und Falkenstein aus unverschlossenen Wohnungen Geld und Wertsachen gestohlen. I» Falkenstein endlich gelang e«, den jugendlichen Dieb sestzunehmen. Chrmnitz, 22. Februar. Gestern erhänate sich ein 12jähriger Sckmlkaabe in der Wohnung seiner Eltern. Der Grund dieser schrecklichen Tat ist unbekannt. (kibcustock, 22. Februar. AuS Verzweiflung infolge AibetiSlosigkeit hat sich die 40 Jahre alte Marie Bohlheim im Gemeindetelch ertränkt. Leipzig, 22. Februar. Eine Delegat'on belgischer Arbeiter aller Berufe wird auf einer Studienreise durch Deutschland am 3. März auch hier die OrganisattonS- v rhällmsse der A beiterschaft in Augenschein nehmen. Meißen, 22. Februar. In einer hiesigen Bank erschien dieser Tage ei» Mann und gab den Wunsch zu erkennen, einen der neuen Hundertmarkscheine zu besitzen, deren „Ausgabe" durch die Bank angekündigt worden war. Ein Beamter entspricht seinem Wunscl>e und erscheint mit dem bildsauberen »enen Papier, das er dem Begehrenden mit einer nicht inißziideutendcn Gebärde zeigt. Der Mann schickt sich an, das Papier in Empfang zu nehmen, ohne jedoch eine Miene zu machen, einen Gegenwert zu erlegen, weshalb sich der Beamte gezwungen sieht, höflich hiernach zu fragen. Doch dafür scheint der Besucher kein Verständnis zu haben, weshalb man ihm endlich erklärt, daß er doch andere hundert Mark dafür bezahlen müsse. Da geriet aber der Biedere in große Verlegenheit und sagt mit einem Seufzer: „Das hab'ch mer doch ooch gedacht. Ich dachte, die gäb's gcsck)enkt." Mit einem roten Kopfe empfahl sich dann der naive Herr, der sich anscheinend einen Bären hatte aufbinden lassen. Prnig, 22. Februar. Im nahe» EhurSdors wollte der Briefträger der GutöbestherSwitwe Kretzschmar die Post ab- liefern, fand aber die Hauktüre verschlossen. Er hörte aber leises Stöhnen und ries Leute herbei. Als man die Tür erbrochcn hatte, bot sich den Etndringendeu ei» gräßlicher Anblick. Frau Kretzschmar lag sterbend in einer großen Blut lache. Mau vermutet, daß der 17 jährige Klcinknrcht Frey den Mord au der Frau begangen hat. Frey ist seit heute morgen verschwunden. Pirna, 22. Februar. In den nächsten Tagen wird Se. Hoheit der türkische Muschir Mustapha sür einige Tage unserer Stadt einen Besuch abstallen, um Land und Leute keuneu zu lernen. Taucha, 22. Februar. Die drei Kinder des Reifert- scheu Ehepaare« im Alter von 6. -t und 3 Jahren, die bet dem Brand am Freitag auf so schreckliche Weise um» Leben kamen, wnrden gestern unter überanS zahlreicher Beteiligung berdigt. Tautrnhaiu, 22. Februar. Spielende Kinder fanden in einer Scheune erhängt die seit dem 10. Januar ver mißte Dienstmagd Jda PapSdors. Werdau, 22. Februar. Bei einem öffentlichen Tanze in einem hiesigen Lokale geriet eine Böhmin und ein Böhme in Streit, dabei versetzte die holde Schöne ihrem Gegner eine so starke Ohrfeige, daß er zu Boden fiel. Unter dem schallende» Gelächter aller Anwesenden räumte der Bezwungene kleinlaut de» Tanzplatz. Kirche und Unterricht. >c Missionstiitigleit in Tentsch-Ostnsrika. Nach dem Jahresbericht des Apostolischen Vikariats Vagamoyo (Juli 1900 bis Juli l!»IO), dem letzten vor der Abgliedernng de» Vikariats Kilimandscharo, arbeiten dort die Väter vom Heilige» Geist ans 21 Stationen, und zwar II Patres, 26 Brüder, 4!» Schwestern und über 200 Katecheten, einge borene Lehrer. In den letzten zwei Jahren allein wurden gegen 60 neue Katechetenposten geschaffen. Die Heran bildung der Katecheten ist und bleibt zweifelsohne das wich tigste Werk der Missionare. Sie sind Hilfe und Stütze, gleichsam Vikare der Missionspriester. Europa wird nie genügend Missionsarbeiter stellen können, um den dortigen Bedarf an Priester» zu decken, und erst in späteren Jahren werde» schwarze Priester herangebildet werden können. Sa wird der Katechet für lange Jahre noch die notwendige und beste Hilfe des Missionars bleiben. Er unterrichtet tnl Lese» und Schreiben, besonders aber in der Religion. Durch ihn wird die Mission bekannt, und durch ihn erfährt der Missionar so manches, das ihm sonst entginge. Um reich licheren Nachwuchs und bessere Heranbildung dieser ein heimische» Hilfstruppe zu ermöglichen, müßten mehr Kinder in der Mission gänzlich erzogen werden und ein entsprechendes Lehrmaterial angeschafft werden können. Leider bereitet hier die finanzielle Frage der Missions kaffe einstweilen uniiberwi»dlick>e Hindernisse. — Die Zahl - 06 — Dritter Teil. Zur Freihcit! 1. Wieder schmetterte die Römer-Tuba durchs germanische Land, der alte Schlachtruf erklang: „Wehe den Barbaren!" — Rom hatte sich zu einem neuen Kriegszug gegen die wildtrotzigen, freiheitsdurstigen Alamannen gerüstet, um dieses unruhige Volk zu vernichten. Die kühnen Alamannen-Könige hatten Einfälle in Gallien gemacht und bedrohten auf der ganzen Rheinlinie die sieggewohnten Römer. Sie hatten sich zu einem mächtigen Bunde zusammengeschlossen, der sich immer wieder unheildrohend gegen die Römer erhob. Und so viele Alamannen auch in den beständigen Kämpfen fielen, so war das Volk doch nicht geschwächt. Immer neue Scharen strömten ihm zu, uird aus der Mitte des eigenen Volkes er wuchsen ihm zahlreiche junge Krieger, vortreffliche Kerntruppen, die eine tüchtige Kriegsschule durchlaufen hatten und im Waffenhandwerk fast ebenso tüchtig »raren wie die Römer selber. Denn es tvar ein eigentümlicher Zug im Charakter der Alamannen und auch der Franken, daß sie trotz ihres .Hasses gegen Rom dennoch ihre jungen, tatenlustigen Volksgenossen in römische Dienste treten ließen, solange Friede war mit Rom. DaS mußte in vielfacher Hinsicht von günstiger Wir kung auf das Volk der Alamannen sein: sie lernten die Welt kennen, ge- .wannen einen weiteren Blick, kamen mit dem Kulturvolk der Römer, mit dem Christentum, mit Kunst und Wissenschaft in Berührung, lernten die römische Kriegskunst kennen und wurden in kriegerischer Hinsicht mit einer geregelten Fecht- und Kampfesweise vertraut. Je länger daher die alamannischen und fränkischen Söldner im römischen Heere dienten, um so gefährlicher wurden sie den Römern, sobald sie bei Ausbruch eines Krieges zu ihrem Volke zurück- kehrten und dieses mit den neuen Errungenschaften auf dem Gebiete der Kriegstechnik bekannt machten. Einer der gefährlichsten Stämme für die Römer waren die linzgauischen Alamannen an der Nordseite des BodenseeS unter dem Gaugrofen Herimout Im letzten Sommer zwar hatten sie sich auffallend ruhig verhalten, aber eben das war für die Römer kein gutes Zeichen gewesen — und nun. im Früh jahre schon, hatten sie einen Einfall in Gallien gemacht, waren aber von den Römern durch die Berge deS Schwarzwaldes zurllckgedrängt worden. Nun sollte der letzte Schlag gegen sie geführt werden. Thrasea hatte mit einer starken Streitmacht von Arbor felix aus den See umgangen und auf der Nordseite, auf der Höhe des heutigen MeerSburg, ein festes Lager geschlagen. Thrasea war ein tüchtiger Kriegsheld, der keinen höheren Ruhm kannte, als die römischen Adler durch die Welt zu tragen. Er hatte noch immer Glück bei seinen Unternehmungen gel-abt und verdankte dies hauptsächlich seiner Tapferkeit, Umsicht und Klugheit: er war kein ungestümer Draufgänger, viel mehr überlegte er genau, ehe er angriff. und erwog alle Umstände aufs sorg- fälligste, ließ sich keinen Vorteil entgehen. — 93 — Fünf andere enthielten Schmuck und Gefäße aus köstlichem Bernstein. Korallen und Diamanten. Dann folgte eine ganze Reihe Kästchen voll Edelsteine: Rubine, Sma ragde, Saphire, Opale und diese Menge von Edelsteine» strahlte einen Glanz aus, daß die Augen davon fast geblendet wurden. ES war eine ganze Schatzkammer, die Millionen enthielt: was Ausonius in den vielen Jahren ruhmvoller Tätigkeit erworben und was er von seinen Eltern ererbt hatte, war hier aufgespeichert: gegen zwanzig Millionen an Gold und Edelsteinen. (Es ist bekannt, daß die Römer sich ungeheuere Reichtümer ansammelten Nibius Crispus (1. Jahrhundert) wurde auf 300 Millionen, LuciuS VolusiuS auf 400 Millionen geschätzt. Von Seneca wird berichtet, daß er 100 Millionen in Gold besaß, dazu 10 Landgüter und 300 Cithrustische, von denen jeder den Wert eines kleinen Landgutes hatte.) „Sieh, Bissula," sprach Ausonius, „dies alles schenke ich dir, ja, ich flehe dich an, diese Schätze anzunehmen als ein Geschenk. Aber eines bitte ich dich: gib mir dafür deine Hand. Werde mein Weib! Ehren, Ruhm, Gold — alles sollst du besitzen! Tausend Sklaven stelle ich dir zur Verfügung. Nach der Gattin des Imperators sollst du die erste Frau des ganzen Römerreicheo sein. Keine andere wird dich übertreffen an Schönheit, Glanz und Reichtum! Sprich Ja! Bissula, und schon der nächste Tag soll Hymnens Band um uns schlingen —" Bissula stand mit gesenktem Haupte da, den Blick auf das funkelnde Ge schmeide gerichtet. „Ich begehre nicht des gleißenden Goldes," sprach sie end lich. „Unsegen brennt daran, spricht die weise Wala. Was soll mir das Gold Ausonius! Gib mir die Heimat wieder! . . ." „Du bist doch zur Römerin geworden," sagte Ausonius. „Sieh, ich biete dir goldene Schätze und außerdem meine Hand — so nimm sie doch, Bissula!" „Ich bin hier immer fremd gewesen." sprach Bissula. „Mein Körper weilte wohl in Rom — mein Herz aber blieb in der Heimat zurück." „Ach, Bissula — dieses Nebelland der Alamannen! Verschone mich damit." ..Kein Land der Erde ist schöner als meine Heimat! Dorthin gehöre ich — zu meinem Volke." Ausonius schüttelte den Kopf. „Das ist Unsinn, Bissula! Du gehörst zu mir! Wenn es dir in Rom nicht inehr gefällt, so ziehen »vir nach Burdi- gola. in meine sonnige Heimat. Du weißt gar nicht, wie schön es dort ist. Meine Villa an der Garumna ist aus Mormor und Erz gebaut, von Gold und Elfenbein sind die Türen, die Wände mit Bildern bemalt, der Fußboden aus herrlichen Mosaiken. Und Gärten habe ich, Bissula. darin springen silberhelle Brunnen, da blühen, wie auf deinen Wangen, Rosen und Lilien, da flattern schillernde Vögel durch das Gezweig. Sieh, Bissula, dort sollst du Herrin sein! . . ." „Ich verlange nicht nach Glanz und Pracht," sagte Bissula, „ich verlange nur nach meiner Heimat, nach meinem Volke. Und wenn du mir dafür, daß ich dir das Leben rettete, eine Gunst gewähren willst, so sei eS nur die eine: gib mir die Freiheit, daß ich zu meinem Volke zurllckkebren kann —* qDte Alamannen." Al t > » k