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Zweites Blatt Sächsische Bolkszeitung vom 9. Juli 1907 Nr. 154 AM Geschlagene Sieger. Dresden, den Juli 1V07. Ter Münchener Petersprozeß endigte mit der Vernr- teilnng des Angeklagten Oörnber, da aber dieser nicht allzu reich mit irdischen Glücksgütern bedacht ist und schon schwer an der Aufbringung der 500 Mark Geldstrafe zu tun bar, so durften sämtliche Kosten des Prozesses in Höhe von 24 000 Mark der bayerischen Staatskasse zur Last fallen. Sie bat also den größten Schaden an dem Prozeß. Der Kläger Peters aber bat nichts gewonnen. Schon die Verurteilung des Angeklagten zur Geldstrafe ist für ihn herb. Sein Gegner sollte nach der Ansicht der Ver teidigers Gefängnis erbalten. Aber das ist nur die Neben sache. Viel schlimmer für Peters ist es, daß seht alle Welt, die noch objektiv denken kann, die Urteile der Disziplinar gerichte für zutreffend hält. Die umfangreichen Verhand lungen haben auch gar nichts ergeben, was den Disziplinar gerichten zu nabe treten würde. Wenn erst das gesamte amtliche Material dem Gerichte Vorgelegen hätte, wäre es ti'ir Peters wohl noch schlimmer geworden. Mit einer Re habilitierung desselben ist es ans und zwar für alle Zeiten. Wenn er auch noch so viele Depeschen erhält und wenn ge wisse nationale Vereine ihm noch so oft znjnbeln. Die Handlungen Peters sind einfach nichk zu verteidigen, auch wenn man ihm noch so viel mildernde Umstände Jiibilligt. Aber eins ergibt sich ans der Sache: Tie Negierung kann seht nicht mehr länger schweigen; sie muß reden und sie muß namentlich die Akten im Pctersprozeß vorlegen. Der Reichstag hat es wiederholt verlangt; jede weitere Ver tuschung ist nur von den unheilvollsten Folgen für die Ne gierung selbst. Schon im November wird die Bndget- kominission in der Lage sein, klaren Wein zu fordern. Tann aber kann die unschöne Peterssache für immer der Ver gangenheit angehören. Abgeordneter v. Liebert ist der dritte geschlagene. Er sprach von einem Justizmorde und von einem „Schandfleck ans der deutschen Ibstitz" (andere Meldungen sagen auf den „deutschen Namen"). Wir würden niemanden raten, diese Ausdrücke zu wiederholen. Sie lassen sich gerade ange sichts des Münchener Prozesses nicht mehr aufrecht erhalten; ini Gegenteil, dieser Prozeß beweist, wie falsch die Ansicht von Liebert ist. Aber man fragt sich auch, läßt die Ne gierung das ruhig hingchen? Wir haben kein Interesse an der Bestrafung des hochgradig nervösen Generals, aber wenn ein Zentrnmsredaktenr solche Ausdrücke gebrauchen würde, wäre ihm Gefängnis sicher. Vor dem Gerichte je doch sollen alle gleich sein! Nun erfährt man, daß die Ne gierung überlege, was sie gegen Herrn von Liebert tun soll. Es mag dem Fürsten Vülow sehr schwer fallen, gegen seinen Liebling etirxis zu unternehmen. Er war ja der Adressat des famosen Silvesterbriefes, er ist der Vorsitzende des Neichsverbandes zur Bekämpfung der Sozialdemokratie, er ist der geistige Urheber der gelben Gewerkschaften. Und nun soll sich das Gericht gegen diesen Mann wenden? Wir können alles ruhig abwarten; aber wir sagen, wenn alle diese Ausdrücke straflos bleiben, dann tonnen wir cs nichk begreifen, wie man gegen sozialdemokratische Redakteure Vorgehen kann, die sich bei weitem nicht solche Extravaganzen gestatten. Das Gerede vvZ der Klassenjustiz müßte einen mächtigen Nachlzall finden. Nichts wäre Wohl der Sozial demokratie angenehmer, als »venu Herr von Liebert straflos bleibt. Dann hat sie einen unbezahlbaren Agitationsstoff. Aber auch in gut bürgerlichen Kreisen würde man diese Haltung nicht verstehen. Als weiterer Leidtragender stellt sich Abgeordneter Dr. Arendt ein. So weit man bis heute ein Urteil fällen tänn, ist er durch den Prozeß einfach politisch vernichtet. Im Reichstage ist es mit seiner Tätigkeit ans. Im preußischen Abgeordnetenhanse, wohin ihn nicht die Sozialdemokraten verfolgen, mag er noch ein politisches Dasein fristen und ebenso in den Scherl-Blättern. Wir »vollen gar nicht untersuchen, ob er einen Meineid geschworen hat. Der Staatsannxcht hat sich mit der Sache befaßt und das Urteil muß abgewartet werden. Aber selbst wenn es zu Gunsten dieses Mannes ansfällt, so bleibt noch genug für ihn übrig. Ans dem Grabe heraus tönt ihm die Änklagte deS Kolonialdirektors Kayser entgegen, daß er eine Politik ge trieben bat. die sich nicht rechtfertigen läßt. Die Notiz von Kapser in dem Tagebuch und die Briefe an seinen Onkel sind Anklagen, auf die kein Freispruch erfolgen kam:. Wenn Abgeordneter Arendt erklärt, daß Kapser mit ihm nach den heftigsten Zusammenstößen verhandelt habe, so be weist dies gar nichts. Tie ganzen Verhandlungen waren später amtlichen Charakters. In seiner Privatwohnnng bat er nie mehr mit Dr. Arendt verkehrt. Wir »vollen nicht die Ausdrücke wiederholen, die .Kapser über Tr. Arendt fällte, »vir sagen nur das eine: Jetzt versteht man, warum die Witwe des Kapser so sehr auf ihrer Vernehmung be stände»» hat. Sie wollte unter Eid anssagen, um damit erst mals in der -Oefsentlichkeit den Beweis zu führe»», daß sie gutes Beweis-material für ihre Behauptungen ii» der Presse besitzt. Die jubilierenden nationalen Vereine sind der letzte Leidt' gende, sie habe»» es sich zwar nicht nehmen lassen, in München eine Festversammlnng zu veranstalten; sie feiern Peters stark. Aber im Lichte der Geschichte sind sie ge richtet. Wie inan über Peters urteilt, so wird man ein stens auch über sie sprechen. Es ist ein hartes Mißgeschick für den Fürsten Bülow, daß jene Leute, die ihm vor einem halben Jahr die Wahlen machten, sich heute am tollsten über Gerichtsurteile anslassen. Die ganze Wablgesellsck-ast des Reichskanzlers kommt damit in ein eigenartiges Licht. Mit .solchen Truppen zu siege»», ist keine Ehre für den Wahlfeld marschall. Hier gilt nur der brutale Erfolg Was nicht mitgeht, wird niegergcritten. Wir gratuliere', dem Reichs kanzler zu dieser Gefolgschaft. In dem ganzen Prozeß steht da? Zentrum glänzend da. Keiner sei »»er Männer ist in denselben gezogen worden. WaS Abgeordneter Tr. Arendt über den Prinzen Aremberg anssagte, ist nicht zutreffend. Kein Zentrums»,ame hat ii» der Peters'ache irgend eine Nolle gespielt; hier forderte man nur volle Gerechtigkeit. Nach dem Geschrei über die „Neben- regiening des Zentrums" ist der Schlag, den dieser Prozeß führte, einfach vernichtend. Tie Leute wußten, daß eine solche Nebenregiernng des Zentrums nicht bestände»» Hw. aber trotzdem lärmten sie, um ihre eigene Nebenregierung zu vertuschen. Die Regierung kannte sie auch und schwieg zu diesem Stück politischer Heuchelei. So hat das Zentrum alle Ursache, mit den» Ansgang des Prozesses sehr zufrieden zu fein. 4-erunschrrS. V Frieden schlösse»» heute vor 100 Jahren ain 0. Juli 1807 Preußen und Frankreich, doch welch einen Frieden. Fast die Hälfte Preußens ging durch diese»» Tilsiter Fri>- den verloren. Von 5570'ch Onadratnieilen mit 0 743 000 Einwohnern blieben nur noch 2877 Onadratineilen mir 4 038 000 Einwohnern in preußischem Besitze. Es gingen verloren die polnischen Provinzen, anS denen das Herzog tum Warschau gebildet wnrde, an dessen Spitze der König von Sachsen trat. Der Kottbuser Kreis ging an Sachse»» über. Verloren ginge»» die Okebiete am linken Elbnser, die mit noch andere»» von Frankreich in Besitz genommenen Ge- bieten znm Königreich Westfalen nmgesckxifsen wurden. Danzig wurde ei» Freistaat unter dem Schutze von Preu ßen und Sachse». Die Provinzen Brandenburg, Schleßen, »Pommern und Preußen blieben zwar preußisch, doch durch sie wurden Militärsiraße» für die französischen Armeen ge legt, die -Oderfestnngen Gloga», Küstrin, Stettin wurden mit französischer Besatzung belegt, die Größe deS franzö sischen Heeres ans 42 000 Mann beschränkt. Eine Kriegs- »ontribntion von 150 Millionen, die später etwas ermäßigt wurde, wnrde verlangt. Hierzu kam, daß die Abführung der Landeseinkünfte in die Preußischen Staatskassen erst von dem Zeitpunkte ab erfolgen durfte, an dem die feit 1. November 180«; Preußen anserlegten Kriegsstenern be richtigt seien, daß alle sranzösischen Truppen bis zur er folgten Ränmnng des Preußen verbliebenen Besitzes von Preußen ernährt werden sollten. Durch diesen Tilsiter Frieden wnrde Preußen zu einer deutschen Mittelmacht herabgedrückt. In den RheinbniideSstaaten kam eine Ge- niingtnnng znm Ausdruck, daß der prenßisckx' Hochmut nun endlich gebrochen, Preußen nicht mehr zu fürchten sei. Tief ergreifend sind die letzten Worte, die König Friedrich Wil helm I I I. an die Einwohner der abgetretenen Okebiete rich tete; sie lauteten: „Was Jahrhunderte und biedere Vor fahren, uns Verträge, was Liebe und Vertraue»» ver bunden haben, innßte getrennt werden. Das Schicksal ge bietet, der Vater scheidet von seinen Kindern. Euer An denken kann kein Schicksal, keine Macht ans meinem und der Mrinigen Herzen reißen." Henke vor 100 Jahren hatte Preußen nur noch 5 Millionen Einwohner, heute nach 100 Jahren hat cs über 37ßf> Millionen. .Konkurse. ».DaS Daiu a bereute» deu Armeweterncir.) Kv v kur s oer»a h > e n civsfnet: 23. Juli. Gecen dos Peru vgrn oer c m 10 Januar verstorbenen BUdhiuerergeschaftLindaverm Marie Pantine oerehe». Theile gcb. Jealho in Dresden, Erlenstraße 9. Kor> kursv ertahren aufgehoben: Gezm das Vermögen der Hnr.de!sge»'ell»ch«,sl Vaul Her»mann L (Avtze in Dresden, vertreten durch die zrauslcute Paul Rob. r-rrmann und C'cmenS Oswald Wötzs in Diec-dcn, (Hrunaer Strabe >7. Fabrik in Arnsdorf «Lachs.'n». — 60 — — S7 — M M PL M „Abkürzungen? Ach »vas, Abkürzungen! Als ich ging »var, nannte inan einen Spaten einen Spaten, und Affektiertheit nannte man NarrenS- possen." Wären die Redensarten einer so unscheinbaren und schäbig gekleideten alten Dame nicht notwendigerweise bulgär bis zum Aeußersten gewesen, so daß ein wirklich verfeinerter und geschmackvoll gebildeter Sinn davon über haupt nicht Notiz nehmen konnte, so hätte diese anzügliche Rede jedenfalls eine zerschmetternde Erwiderung seitens Fräulein Earrs gefunden; ' da die Sache aber einmal fo lag, so wnrde diese Rede lediglich der verdienten Ver gessenheit überliefert, und Edna setzte ihre Bemühnngen um eine wirklich feine Unterhaltung unbeirrt fort. Dann und »vann jedoch »vährend des noch folgen den Nachmittags erleichterte sie ihr Herz dadurch, daß sie ihr unverhohlenes Erstaunen darüber aussprach, wie eine solche Frau ii» diese exgusite Gesellschaft lominen könne. „Lieber Percp," bemerkte Frau Carr abseits gegen ihren Neffen, ehe sie sich nach dem Mahle trennten, „je mehr Edna ihre Abneigung gegen diese fchnakternde alte Person zeigt, desto mehr schlvätzt Frances Eldoi» mit ibr. Du solltest d n» Mädchen einmal begreiflich machen, von wie schlechtem Ge schmack dies zeugt; sie wird dann davon abstehen." Sehr befriedigt über die gute Meinung, die man von seinen» Einfluß auf Frances hegte, und ganz und gar nicht abgeneigt, ein paar Worte ins geheim mit Frances sprechen zu können, zog der »»»ackere Percp die Sünderin beiseite, um ihr ernstlich ins Gewissen zu reden. „Dielen Dank, Percp," sagte sie. „Wie freundlich und aufmerksam von dir, selbst auf einem Picknick cm so etwas zu denkenI" Percp versicherte mit Würde, daß er selbstverständlich immer an „so etwas" denke, und erlebte dann die Demütigung, daß sie ihn» so schnell »vie möglich entwischte und sich geradeswegs einer Gruppe zugesellte, »vorm „der Stein des Anstoßes", Frau Harper, die führende Nolle spielte. „Und jetzt wollen »vir das Hans besehen." Zwei oder drei Stimmen machten gleichzeitig diesen Vorschlag, und es gab einen allgemeinen Ausbruch. Bridget Murray erhob sich und schüttelte die Krumen von ihrem Schoß; ein schwerer Seufzer entfuhr ihr beim Anblick der üppigen Neste des Festmahles. Philips, der während der Mahlzeit zwei oder drei der übrigen Diener ausgewogen, servierte jetzt einem einzelnen Mann, der in einiger Entfernung unter den Bäumen speiste. „Ob er's wieder einpackt oder stehen läßt? Die schönsten Sachen hier hat doch Herr Waltham mitgebracht. Törichte Extravaganz!" Mit diesem Druck auf der Seele spannte Bridget ihren Sonnenschirm auf und er betvegte sich mit würdiger Entschlossenheit vorwärts, »vie jemand, dem noch eine unangenehme Pflicht obliegt. In diesem Augenblicke kam auch Frances hcrbeigclaufen und schloß sich der Gruppe ar». „Wo bist du gewesen?" inquirierte Bridget. „Ich habe'nur mit dem Photograplzen gesprochen und ihm gesagt, er könnte auch ins Hans gehen; es wäre jetzt offen. Er möchte gern die Ge- mälde sehen." „Er kann doch mit der Dienerschaft gehen, wenn »vir wieder zurück sind,'' «bemerkte Edna kalt. , ,, > „Wie sie gelaunt ist, meine ich doch!" erklärte Tora. „Horch, da ruft Ralph schon! Hier sind »vir, Ralph!" schrie sie zurück, lies an Frances vorbei und die Treppe hinunter. „Wenigstens bin ich sckpn da, und mit Frances dauert es keine Minute mehr." Ohne auch nur an DoraS Selbstsucht zu denken, eilte Frances leichtfüßig ans ihr Zimmer, und fünf Minuten spater sprang sie bereits die letzten Stufen hinab und in den Wagen. Es »var kann» eine halbe Stunde die Fahrt von Birkenbans nach Aron wold, aber dock» »var das Mnrrapsche Wägelchen das letzte Gefährt, bas vor dem leeren großen Hanse vorfnhr. Alle andere»» Gäste »varen schon ver sammelt, einige stiegen ab, andere standen sckwn umher und plauderten. Da »var vor allem Edna, sie strahtle in grün und weißer Grenadine und rauschte >n der Nähe des Dogcart ninher, ans welchem Oliver Waltham just der kleinen Frau Harper beim Anssteigen half. Percp Carr bummelte nachlässig herum und beehrte die von „Waldlnst" mitgenommenen Diener mit lässig ge gebenen Instrnttionen für das nachher einznnehmende Mahl; da war firner Frau Earr in schwerer broncefarbener Seide, Angen und Fächer mit gleichem Ge-chicl handhabend; auch Philips mit einem mächtigen Frühstückskorbe N>ac iin Hintergründe sichtbar. Vor der Front des Hauses arrangierte der kleine Photograph bereits geschäftig seine Kamera. „Zuerst muß die Photographie gemacht werden," erklärte Fräulein Edna mit großer Bestimmtheit. Der kleine Künstler kam heran und begann sein Geich»st; offenbar »var er bei der Sache erregter, als die ganze übrige Gesellsclzast zusammen. „Pardon, meine Dauicir und Hermen," redete er die ganze Ostpellschast etwas verwirrt an, „aber l»at Ladp Foreland gewünscht, daß die Fassade des Hauses mit ans das Gruppenbild solle?" „Jawohl, die Fassade mit der davor versammelten Familie," erwiderte Percp Earr gähnend. „Danke sehr. Und wollen Sie mir jetzt gütigst sagen, wen ich photo graphieren soll?" Er lxitte sich zufällig dabei an die nächste Dame gewandt, die kleine Frau Harper, in ihrem breiten Hut und altmodischen Alpaccakleid. „Mich nicht. Meinen Sie, die ganze Nachbarschaft sei von der Ver»vandt- schaft des alten Melville bevölkert? Ladp Foreland mag sein, wie sie »vill, aber nach meinem Porträt hat sie kein Verlangen, glaube ich." Der verlegene Künstler fragte etwas eingeschüchtert »veiter; diesmal Oliver Waltham, der lächelnd den Kopf schüttelte. „Nein, lieber Herr," sagte er freundlich, „auch noch müssen Sie schon ans Ihrem Bilde fehlen lassen." „Aber Sie »veisen die Idee, zu unserer Familie zu gehören, doch wenig- stens nicht so spöttisch ab, »vie Frau Harper," bemerkte Edna leise mit viel sagenden» Blick. Oliver trat einige Schritte zurück und gesellte sich zu der kleinen alten Dame. „Edna Carr sieht in der Stellung da sehr gut aus," bemerkte Frau Harper, mit ihren schlauen blitzenden Aeuglein die Vorbereitungen zur Auf nahme eifrig beobachtend, „und sie weiß das." In diesen» Augenblick, als alles in Ordnung war und der Photograph .Melville, «rSr* 15