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Viertes Blatt Sächsische Bolkszeitunfl vom 16. April 1911 Nr. 87 Sprachecke des Allgemeinen Deutschen Sprachvereins. seitens. Dieses in den Kanzleien ausgebrütete Ver hältniswort greift immer mehr um sich: dadurch entsteht ein scheußlicher Stil. Einige Beispiele: 1. „Ich möchte sie meinerseits nicht missen" — wo das „meinerseits" meist überflüssig ist oder durch „auch", „gleichfalls" oder nur durch schärfere Betonung des „ich" erseht werden kann. — 2. „Für die Annahme von Orden seitens auswärtiger Souveräne soll eine Taxe von 100 bis 1000 Mark erhoben werden" — ganz undeutlich! wer zahlt denn? die Souve räne etwa? — 3. „Seitens des Bürgermeisters wird fest gestellt, daß ..." — kürzer wäre doch: Der Bürgermeister stellt fest. — 4. „Bei dem Verkauf von Zuchtstieren seitens des Kreises sind seitens des Schauamtes die nachbeztich- neten Stiere gekört worden" — durch den Kreis, vom Schauamt: aber weshalb überhaupt „sind gekört worden" statt „hat das Schauamt die und die Stiere gekört"? Wer spricht denn so? Niemand. — Aber schreiben? Leider Zehntausende. Diese Sucht, in der Leideform zu schreiben, macht auch den Leser leiden. — 6. „Eine Entgegnung ist seitens der Vereinigung erfolgt" — weshalb denn nickt: „Die Vereinigung entgegnete"? — 6. „Alle Belebungs versuche seitens der Krankenschwester und Chirurgen blieben erfolglos" — besser „Krankenschwester und Chr- rurgen mochten Belebungsversuche — leider erfolglos" oder „die leider erfolglos waren". — 7. „Es ist seitens der Ne gierung darauf hingewieseu worden". — 8. „Es ist nun auch seitens verschiedener Redner gesprochen worden". — 9. „Diese Berechnungen sind seitens der Verwaltung aufge stellt worden." — 10. „Wenn von seiten der Negierung nicht auf alle Wünsche geantwortet wird." — In den meisten Fällen genügt „von", und noch besser werden die Sätze statt in der schwerfälligen Leideform in der leben digeren Tatform gegeben: Die Verwaltung hat diese Be- rechnung aufgestellt: Wenn die Regierung nicht auf alle Wünsche antwortet usw. Kewitsch (Freiburg i. Br.) Vermischtes. v Die Rache des Chauffeurs. Ein tust: Vorfall, der zeigt, daß Theorie und Praxis, oder daß e Bestimmungen des Strafgesetzbuches und die Anforderun gen des täglichen Lebens sich nicht immer decken, ereignete sich vor kurzem in Hamburg. Ein bekannter Landrichter, so erzählt die „Nat.-Zeitg.", hatte etwas lange in Mor pheus' Armen gelegen und wollte nun eiligst nach seinem Amtszimmer im Strafjustizgebäude, da er eine wichtige Sitzung wahrzunehmen hatte. Er stürzt auf die Straße, winkt einen vorbeifahrenden freien Kraftwagen heran und ruft dem Lenker zu, ihn nach dem Strafjustizgebäude zu fahren, und zwar so rasch wie möglich. Das Auto setzt sich in Bewegung, jedoch mit einer „Geschwindigkeit", daß die elektrischen Straßenbahnen, die Pferdedroschken und selbst die Fußgänger den Wagen überholen. Mit Vorsicht werden di« Straßenkreuzungen bejahten, in weiten, Bogen wird allen Schutzleuten ausgewichen, und vorschriftsmäßig hält der Chauffeur hinter einem Straßenbahnwagen, dessen Passagiere im Aussteigen begriffen sind. Der Herr Land richter stampft nervös mit den Füßen und wütet in sich hinein. Endlich mit großer Verspätung angekommen und den Fahrpreis bezahlend, fragte er den Chauffeur, warum er denn in aller Welt so langsam gefahren sei? Da er widerte dieser treuherzig: „Ja, wissen Sie, Herr Landrich ter, Sie haben mich erst gestern in 60 Mark Geldstrafe wegen Uebertretung der Straßenordnung für Kraftwagen genommen, da wollte ich heute ganz genau nach diesen Vor schriften fahren." v Humor ist polizeiwidrig. Humor im Frem- denbuche scheint von der preußischen Polizei nicht recht ge würdigt zu werden. Ein Reisender, der Inhaber einer be kannten Baumwollfirma in Berlin, der sich in der Laune zu einer witzigen Bemerkung im Freindenbuche Hinreißen ließ, klagt dem „B. T." sein Leid, indem er folgendes er zählt: „Es war im ostpreußischen Städtchen Nordcnbnrg. Im Hotel legt man mir das Fremdenbuch zum Einschreibe» vor. Ich füllte die Rubriken richtig aus, bis ich an die Rubrik „Ziel der Reise" kam. Hierhin schrieb ich, ohne das Bewußtsein oder die Absicht zu haben, eine strafbare Hand lung zu begehen, die Worte: „In die weite, weite Welt." Nach 14 Tagen erhielt ich folgendes polizeiliche Strafman dat: „Sie haben am . . . dadurch groben Unfug verübt, daß Sie in das Fremdenbuch des hiesigen . . . Hotels die Eintragung in Rubrik „Ziel der Reise" „In die weite weite Welt" bewirkten. Die Uebertragung wird bewiesen durch das Zeugnis des Polizisten . . ." Strafe: 6 Mark Geldstrafe oder ein Tag Haft! — Natürlich wird der lau nige Herr gegen das Strafmandat gerichtliche Entscheidung beantragen. Hoffentlich versteht das Schöffengericht in Nordenburg mehr „Spaß". Herrenlose Erbschaften. Unsere Redaktion macht unseren Abonnenten nkthere Mitteiiunaen ,legen Stn sendunAvon 50 Pf. in Marlen für entstehende Porto- und Schreibkoslen. Allen Anfragen ist die tiorslehende Nummer beizufüge». 24. Eine Erbschaft liegt bereit für Nachkommen und Anverwandte der am 15. November 1910 zu Hannover ver- storbenen Mathilde Strauch. Sie war eine Tochter des zu Osterode am Harz verstorbenen Rektors Georg Ludwig Strauch und seiner Frau Hermine Emilie Friederike, die eine geborene Kast war. Beide sind nicht mehr am Leben. 25. Zirka 700 Mark sind zu erben von der am 24. Januar 1910 im Alter von 63 Jahren in Seyda bei Halle verstorbenen Witwe Christiane Junghans. Sie war die Frau des zu Mellmitz (Kreis Schweinitz) verstorbenen Ar beiters Karl Heinrich Junghans und war die Tochter de? Häuslers Gottlieb Heinrich und seiner Frau Sophie, die eine geborene Ianke war. 26. Eine Erbschaft liegt bereit für Nachkommen und Anverwandte des in Berkholz verstorbenen Gerichtsmannes Christian Devantier. 27. Eine Erbschaft liegt bereit für Anverwandte der am 30. Dezember 1910 zu Elberfeld-Sonnborn ledig ver storbenen Haushälterin Maria Emilie Kocks. Sie war zu Barmen geboren als Tochter des zuletzt zu Werden wohnhaft gewesenen, verstorbenen Steuerdieners Friedrich Wilhelm Kocks und seiner Frau Wilhelmine Karoline. di« eine geborene Daum war. Aus der Geschäftswelt. M«tzn«hme», Lch«it1jetchne» und Zuschnr den. G» ist eine bekannte Tatsache, baß der gute Tm eine« Kleidungsstücke» lediglich durch die Znvcrläsüakelt der Schnluzelchnung bedingt wird. Nur ein genau nach Körpermaß mit der Hand gezeichneter Schnitt ermöglicht dessen sofortige »cbrauchSfälpgkeit und bürgt für tadellosen Sin Jede Dame, gleich ob Berufsschneide,ln oder Laii», die für ihren eigenen Bedarf schneidert oder schneidern möchte, kann an Hand de« durch den Taillemetcr-Vertried, DrcSden-A., Marienstraße b. in den Handel gebrachten Taille- meter mit Leichtigkeit und ohne besondere Loikenntn sse das Maß« nehmen. Schnilizelchnen und Zuschneiden auSüben und auf Grund diese? Taillemeter-Slistems einen für alle Körpermaße korrekten individuellen Schnitt Heistellen, der den tadellosen Sitz des danach angefertigten Kleidungsstückes auch ohne Anprobe und selbst bet nicht normalem Körpermaß verbürgt. Jedem Taillcmeter liegen ausführliche Anleitungen und bildliche Darstellungen über Hand habung des Apparates. Maßnehmen, Schnittzeichnen und Zu» schneiden und ei» fertiges Muster bei und es leistet nicht nur allen selbst schneidernden Damen, sondern auch jeder Bi rufsschneiderin, die a» sich schon Schnitte Herstellen kann, unerschöpfliche Dienste, die keine andere Methode ersetzen kann. 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Da« Werk hat einen ungewöhnlichen Erfolg erreicht: Noch vor Vollendung der 3. (neubear bei leien) Auslage mußt« «in unveränderter Neudruck erfolgen. Verlag von Herder ru kreldurg im Lreirgau. vund »U» Suchtzonvi. lbequem, N,I«nr»>i>ung«n> ru dr/ieden. 120 lenkten den Haß der Engländer auf ihn; er wurde ermordet; dieser Ehren mann war mein Vater. Es ist nicht alles: seine Frau ist der Demütigung und dem Elende in die Arme getrieben worden, und seine Tochter, die er als Kind hinterließ, wurde von zehn englischen Offizieren brutal mißhandelt. Brigadier Paterson, Oberst Alcoat, Sie gehören zu dieser Zahl." „Sie sind zwar der Stärkere," sagte der Brigadier, „aber es wird nicht leicht sein,,uns zu überwältigen. Daniit griffen die Engländer zum Revolver und eröffneten den Kampf, der aber mit der Niederlage der Offiziere endigte. Beim Anblick seiner zu seinen Füßen hingestreckten Feinde empfand Lvremont nur mehr Mitleid. Paterson las auf Gastons Gesicht die Gefühle, die ihn beseelten. „Meine Stunden sind gezählt, ich fühle es wohl," sagte er. „ich hoffe, meinem Vaterlande Dienste zu erweisen, von denen man sprechen würde: aber mit mir ist eS am Ende, Herr, Sie haben Ihre Aufgabe erfüllt, es war Ihr Recht. Aber Sie bedenken nicht, welches Unheil eine Niederlage der Eng länder bedeuten würde: doch so wird es nicht kommen: SU dieser Stunde sind die Cipayen umzingelt und meine Freunde ziehen in Delhi ein." „Sie täuschen sich, General! Während Sie und Ihre Freunde vertrau- liche Mitteilungen austauschten, unterrichtete ein zuverlässiger Geheimbote die Indier von der Gefahr, die ihnen drohte, ein anderer eilte nach Delhi, um diese Stadt zu warnen vor den Verrätern, die sie überliefern sollten. Der Aufstand ist heute furchtbarer denn je." Avremont bedauerte, die Illusionen des Offiziers zerstört zu haben, als er die herzbrechende Traurigkeit bemerkte, die seine Züge ausdrückten. „O, mein Vaterland!" seufzte er. Er sah für England statt eines unmittelbaren und vernichtenden Sieges eine Zukunft von blutigen Kämpfen und furchtbaren Prüfungen voraus. Dann versetzte er sich in Gedanken zu den seinem Herzen teuren Wesen, die er zurücklietz. Er bat Avremont, seine Uniform zu öffnen und eine Brieftasche daraus zu entnehmen, er heftete seine Blicke auf eine Photographie einer noch jungen Frau und zweier holdselig lächelnder Kinder. „Arme Frau, arme Kinder!" sagte er. „Der Krieg," antwortete Avremont, „bedroht die Männer, er verschont die, die sich nicht verteidigen können." „Wollte eS Gott." „Ich schwöre Ihnen, Ihren Angehörigen helfend zur Seite zu stehen, wenn es mir möglich ist." „Dank," sagte der Brigadier mit schwacher Stimme. Er übergab Gaston seine Uhr und einige Gegenstände, die er seiner Witwe zu übergeben bat. Er wurde immer schwächer, blieb schweigsam und in Betrachtungen an die Ewigkeit versunken. Dann faltete er die Hände und betend starb er. Auch Alcoat war inzwischen seinen Verletzungen erlegen. Souradjah erinnerte daran, daß sie noch eine schwere Aufgabe zu er füllen hätten. Alle beide im Verein mit Penmark erwiesen den englischen Offizieren, die sie unter den Bäumen des Gartens beerdigten, die letzte Ehre, dann warfen sie sich auf die Pferde, die alle gesattelt in den Stallungen des Schlosses bereit standen und sprengten im Galopp in der Richtung nach Delhi davon. — 117 — „Und wirst du die Unterweisungen, die ich dir erteile, in allen Stücken befolgen? Schwörst Lu es?" „Ich schwöre es." „Es ist gut, setze dich daher und schreibe." Zwei Tage verflossen. Stille lagerte über dem alten Schlosse, der Mond schimmerte seit einigen Stunden an dem Firmamente, das Südkreu» strahlte inmitten des gestirnten Himmels, die Vögel streiften mit ihren Flü geln die zerfallenen Mauern. Der Galopp zweier Pferde ertönte plötzlich auf der Straße von Agra und hörte bei der Hauptpforte auf. Ainritsing war schon dort, und indem er sich bis zum Boden verneigte, richtete er respektvolle Begrüßungsworte an die Gäste, die zu ihnen kamen. „Brigadier Paterson und Oberst Alcoat seien willkommen in meinem bescheidenen Hause," sagte er, „möge der Himmel Sie, sowie das glorreiche England mit seinen Wohltaten überschütten!" Die zwei höheren Offiziere warfen die Zügel ihrer Pferde dem Ze- mindac zu, den sie mit beleidigendem Hochmute behandelten. Sie traten mit ihm in ein großes Gemach, von wo aus sie die Straßen nach Agra und Delhi sie hinziehen sahen: eine reichbesetzte Tafel war zu ihrem Besten aufgestellt. „Du hast uns geschrieben," sagte der Brigadier, „daß du uns wichtige Mitteilungen z» machen hättest, die nur uns allein anvertraut werden könnten." „Ja, Euch, dem Oberst Hoster und dem Brigadier Maccarthy, die mi» der Armee vom Fünfströmelcurd ankommcn: sie werden in einigen Minuten hier sein. Hier ist ein Schreiben, das ich euch ini Aufträge Modous über geben soll." Madou war ein schätzbarer Agent, der von Delhi kam. Sie entsiegelten das Schreiben und lasen mit lebhaftem Interesse die darin enthaltenen Mtt- teilungen. „Und wie steht es mit dir?" sagte der Oberst Alcoat zun, Zemindar, „kann man auf deine Ergebenheit rechnen?" „Meine Vergangenheit bürgt für mich. Möge Brahma mich verfluchen, wenn mein glühender Wunsch nicht darin besteht, deine Brüder siegreich au» dem Kampfe hervorgehen und die Erde alle die Hunde verschlingen zu sehen, die gegen ihre Herren zu bellen wagen. Wenn du noch zweifelst, lies di« Papiere, die ich gesammelt habe, um eurer Sache zu dienen, und frage dich, ob der euch verraten kann, der dir diese Dokumente überliefert." Die beiden Offiziere überflogen einige von den mit sehr seiner Schrift geschriebenen Seiten. Ihre Züge drückten die lebhafteste Befriedigung au», denn sie fanden darin ausführliche Schilderungen über die Bewegungen und Pläne der Rebellen. „Es ist gut," erwiderte der Brigadier, „man wird deinen Eifer b»- lohnen." — Der Zemindar verstand, daß man seiner nicht bedurfte und zog sich in aller Demut zurück. Während die Offiziere, die Zigarre im Munde, von den Aussichten der Heerfahrt plauderten, kamen zwei weitere Reiter; es war der Brigadier Maccarthy und der Oberst Hoster von der bengalischen Armee. Alle vier setz ten sich alsbald zu Tische. Entgegen den Gebräuchen Indiens, dir ein ,ahl- -Hl »Um dl» Krone des Großmoguls»'