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Nr. L84 S. Jahrgang Sonnabend den LS. August 1VLV SWHeNolksmtilm Erlchetiü täglich muh«, mit RuSnahme der Gönn- und Festtage. >»>aab« I., MN .Die Zeit in «ort und Bild' viertelsitbrli» L lV ^ In Dresden durch Boten S,40 In aan» Deutschland^«» Hau, «S» ' elj. I ttchla reist Anabhängiges Tageblatt Inserat« werden die «gespaltene Petitzeile oder deren Raum mit IS Reklamen mit SV 4 die Zeile berechnet, bei Wiederholungen entsprechenden Rabatt 'MLMWSKLZ für Wahrheit, Recht «nd Freiheit vuchdruckeret, Redaktion und VeschästSstellei Dresden, Vtllnitzer Strafte 48. — Fernsprecher 1888 Für Rückgabe unverlangt. Schriftstück« keine iverbtodlichketl RedaktionS-Sprechstunde: II—IS Uhr. ^pfi'isesisncl uncj labencl l) ^6 cl o - ^ j s k 6 6 ns n Vi pfunci 15 Pfennigs. Hering 8e l)^5c>en, tNscksi-sgtzvn In sllvn Stsclttollsn. Ein vorbildliches Privalbeamtenrecht. Der tiefste Grund für die hcutigeu unbefriedigenden rechtlichen Verhältnisse der Privatbeamten liegt bei uns in der Zersplitterung des geltenden Rechtes. Diese beruht einmal darauf, daß drei Gruppen von Gesetzen: Bürger liches Gesetzbuch, Sondergesetze des Reiches und Landcsge» setze die Rechtsverhältnisse regeln, andererseits, daß in dieser Vielheit von Gesetzen für Gruppen mit im allgemeinen gleichen Interessen ungleiche Grundsätze zur Durchführung gelangen. Daß aber ein von einheitlichen Gesichtspunkten getragenes, den sozialen Bedürfnissen angepaßtes Privat beamtenrecht wohl möglich ist, beweist das kürzlich in Kraft getretene sogenannte H > n d l u e. g s g e h i l f e n - gesetz unseres Nachbarstaates Oesterrei.!, das bei manchen Ausstellungen n mcrhin als vorbildlich bezeichnet werden kann. Das Gcetz beschränkt sich nicht, wie man aus seiner Bezeichnung folgern könnte, auf die Handlungsgehilfen allein, sondern ergreift über diese hin- aus weite Kategorien von Privatangestellten. Dem Gesetze unterliegen nämlich nickst bloß Personen, die bei einem Kaufmanne vorwiegend zur Leistung kaufmännischer Dienste (Handlungsgehilfen) oder höherer nicht kauf männischer Dienste angcstellt sind, sondern auch solche Per sonen in Unternehmungen und Anstalten, wie Kreditanstal ten, Versiclserungsanstalten, Erwerbs- und Wirtsck>aftsge- nossenschaften, Persorgungs- und Krankenkassen usw. Wei ter unterliegen dem Gesetze Personen, die angestellt sind bei der Schriftleitung, Verwaltung und Verschleiß einer perio dischen Druckschrift, in den Kanzleien der Advokaten und Notare, bei Handelsmaklern, Privattechnikern, Patentan wälten, Privatgeschästsvermittlungen und Auskunfts- bureauä. Man sieht daraus, durch das Gesetz wird die über wiegende Mehrzahl der Angestellten erfaßt. Aus den Bestimmungen des Gesetzes seien im Nach stehenden einige hervorgehoben, die sozialpolitisch am be deutsamsten sind. Was zunächst Art und Umfang de, Tie >'. stleistung anbelangt, sowie das dafür gebührende Entgelt, so werden diese in erster Linie durch die Ver einbarung bestimmt, subsidiär durch den jeweiligen Orts gebrauch Wem» die vertragsschließenden Teile Vereini gungen angehören, zwischen denen ein Kollektivver trag besteht, gilt mangels entgegenstehender Abmachungen dieser Vertrag als Vereinbarung. Ausführlich wird in einer R-stye von Paragravhen über das Entgelt bestimmt und zwar insbesondere bezüglich des Anspruches auf das selbe bei Dienstbehinderung. Die Zahlung des fortlaufen den Gehaltes hat spätestens am Schlüsse eines jeden Kalen- liermonats zu erfolgen. Der Dienstnehmer hat Anspruch p.uf das Entgelt bei Dienstverhinderung: 1. infolge Krankheit oder Unglücksfalles bis zur Dauer von sechs Wochen, sofern nicht Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit vorliegt, wobei Bezüge des Verhin dertes: auf Grund einer öffentlich-rechtlichen Versicherung nicht angerechnet werden: 2. infolge Militärdienstes bis zur Dauer von vier Wochen, wenn das Dienstverhältnis immirerbrochen bereits ein Jahr gedauert hat, ausgenoni- men wenn der Dienstnehmer zur Ableistung der eigent lichen Militärdienstpflicht für ein Jahr oder länger einbe- i rufen wird: 3. wegen anderer wichtiger, seine Person be- treffender Gründe bei fehlendem Verschulden für eine ver hältnismäßig kurze Zeit. - Dauert die Dienstverhindorung nicht länger als oben unter 1 bis 3 angegeben, so darf der Dienstnehmer wegen dieser Verhinderung nicht entlassen werden. Wird während der Verhinderung gekündigt, so bleiben seine Ansprüche »nährend -er oben angeführten Zeiträume bestehen, wenn- gleich das Dienstverhältnis früher endigt. Dagegen er- löschen die Ansprüche, wenn das Dienstverhältnis infolge Ablaufens der Zeit, für die es oingegangen wurde oder in folge einer früheren Kündigung endigt, ferner, tvenn der Dienstnehmer aus einem anderen Grunde, als wegen der unter 1 oder 3 angeführten Gründen entlassen wird. Jedem Dienstnehmer steht folgender Anspruch auf E rholungs- nrlaub unter Fortdauer seiner Geldbezüge zu, und zwar nach einer ununterbrochenen Dienstzeit von 6 Monaten ein Urlaub von mindestens zehn Tagen, von 6 Jahren ein Urlaub von mindestens z»vei Wochen, von 16 Jahren ein Urlaub von mindestens drei Wochen. Die Zeit einer Dienst verhinderung durch Krankheit oder Unglücksfall darf in diesen Urlaub nicht eingerechnet werden, wohl aber die Zeit einer militärischen Dienstleistung. Nach Kündigung seitens des Dienstnehmers ist der Dienstgeber zur Gewäh rung eines Urlaubes nicht verpflichtet. Eingehend ist die Auflösung des Dienstverhältnisse» geregelt. Sie erfolgt durch Zeitablauf, Kündigung, Kon- In »Il«n St»cktt«II«n sssul Mi-kscb ISIS liatl «ob»" ksrngpreoker ttr. 264t, 3»32, 4620, 2456, «7», 4763, 696. ckieM pe>»» kurs, Tod oder aus besonderen im Gesetze aufgezählten wichtigen Gründen. Im einzelnen ist dazu zu bemerken: Tie Kündigung kann mangels Vereinbarung oder eines für den Dienstnehmer günstigeren Ortsgebrauches beiderseits sechs Wochen vor Ablauf eines jeden Kalenderjahres er folgen. Tie Kündigung kann durch Vereinbarung nicht unter einen Monat herabgesetzt werden. Sie muß immer für beide Teile gleich sein: anderenfalls gilt für beide Teile die längere Frist. Für Lebenszeit oder für länger als fünf Jahre vereinbarte Dienstverhältnisse können von dem Dienstnehmer nach Ablauf von fünf Jahren unter Einhal tung einer sechsmonatlichen Frist gekündigt werden. Nach der Kündigung muß der Tienstgeber dem Dienstnehmer auf sein Verlangen angemessene Zeit zum Ausstichen einer neuen Stellung ohne Schmälerung des Entgeltes freigeben. Im Falle des Konkurses kann innerhalb eines Monats nach der Konkurseröffnung der Dienstnehmer das Dienstver hältnis ohne Kündigung, der Massevcrwaltcr unter Ein haltung der gesctzlicl>en oder vereinbarten Kündigungsfrist lösen. Was endlich die vorzeitige Auflösung des Dienstver hältnisses aus »nichtigen Gründen anbelangt, so ist der Dienstnehmer zum vorzeitigen Austritt insbesondere be rechtigt, wenn auf seiner Seite vorliegt: Unfähigkeit zur Fortsetzung der Dienstleistung oder Unmöglichkeit der Fort setzung ohne Gefährdung seiner Gesundheit oder Sittlich keit, oder wenn auf Seite des Dienstgebers vorliegt: un gebührliche Schmälerung oder Vorenthaltnng des Ent geltes: Benachteiligung bei der Gewährung der Natural bezüge oder Verletzung anderer wesentlicher Vertragsbe stimmungen: Weigerung -es Dienstgebers, den ihm zürn Schutze des Lebens, der Gesundheit oder der Sittlichkeit des Dienstnehmers gesetzlich obliegenden Verpflichtungen nachzukommen: Tätlichkeiten: Verletzung der Sittlichkeit oder erhebliche Ehrverletzung. Der Dienst ge der andererseits ist insbesondere zu vorzeitiger Entlassung berechtigt, wenn auf Seite des Dienst nehmers vorliegt: Untreue im Dienst, Unfähigkeit, Kon kurrenz, Dienstverweigerung, längere Krankheit, Freiheits strafe oder militärische Dienstleistung, Tätlichkeiten, Sitt- lichkeits- und erhebliche Ehrverletzung. Ein auf Probe vereinbartes Dienstverhältnis kann während des ersten Monats von beiden Seiten zu jeder Zeit aufgelöst werden. Von wesentlicher Bedeutung ist die Regelung der Frage der K o n k u r r e n z k l a u s e l. Hier wird folgen des bestimmt: Eine Vereinbarung, durch die der Dienstnehmer für die Zeit nach Beendigung des Dienstverhältnisses in seiner Erwerbsfähigkcit beschränkt wird, ist unwirksam, wenn der Dienstnehmer zur Zeit der Vereinbarung minderjährig ist, oder wenn das Entgelt zur Zeit der Beendigung des Dienst verhältnisses 4000 Kronen jährlich nicht übersteigt. Bei höherem Entgelte ist eine solche Vereinbarung nur soweit wirksam, als sich die Beschränkung auf die Tätigkeit in dem Geschäftszweige des Dienstgebers bezieht, den Zeitraum eines Jahres nicht übersteigt und nicht eine unbillige Er. sch»vernng des Fortkommens des Dienstnehmers enthält. Die Konkurrenzklausel tritt außer Kraft bei vorzeitiger Lösung oder Kündigung des Dienstverhältnisses wegen eines schuldbaren Verhaltens des Dienstgebers oder bei Lösung des Dienstverhältnisses durch den letzteren, es sei denn, daß der Dienstnehmer durch schuldbarcs Verhalten hierzu begründeten Anlaß gegeben hat, oder daß der Dienst- geber bei der Auflösung des Dienstverhältnisses erklärt hat, während der Tauer der Beschränkung dem Dienstnehmer das ihm zuletzt zukommende Entgelt zu leisten. Die Ver einbarung einer Konventionalstrafe schließt den Anspruch auf Erfüllung oder Ersah eines weiteren Schadens aus. Die Konventionalstrafe selbst unterliegt richterlicher Mäßigung. Die Rechte, die den Dienstnehmern auf Grund dieses Gesetzes zustehen, sind nahezu ausschließlich zwingend, können demgemäß durch den Dienstvertrag Nieder aufge hoben noch beschränkt werden. Für Streitigkeiten aus dem Dienstverhältnisse sind die Gewerbegerichte zuständig, »venu auf die Unternehmung des Dienstgebers die Gewcrbeord- nung Anwendung findet. In Deutschland scheint manchen Anzeichen nach die Zeit, wo die privaten Angestellten ein den modernen Der- hältnissen angepaßtes einheitliches Angestelltenrecht erhal- ten, noch in weiter Ferne zu liegen. Um so notwendiger ist es, daß die Angestellten sich auf dem Boden eines ein- heitlichen Rechtsprogramms zusammenfjnden und bis zur Erringung des Sieges in der Agitation und der Beardei- tung von Regierung und öffentlicher Meinung nicht locker lassen! . Fünfter Weltkongreß für freies Christentum und religiösen Fortschritt. Opo. Berlin, den 1». August 1910. Der Weltkongreß für freies Christentum und religiösen Fortschritt hat am Mittwochabend mit einer Andacht sein Ende erreicht. Um einen „würdigen" Abschluß zu erzielen, hatte man für diese Schlußandacht noch eine Zugnummer reserviert: Den greisen exkommunizierten katholischen Pfar rer Lo »ison aus Paris. Als Thema hatte er sich erwählt: „Die Einigung der Kirchen." Seine Ausführungen hatten aber, wie wir später sehen werden, mit diesem Thema eigentlich wenig zu tun. Da der Redner bald mit lebhafter vibrierender Stimme sprach und im nächsten Augenblicke, gegen Schluß der Sähe, allemal zum Flüstertöne herabsank, war es leider nicht möglich, alles zu verstehen. Immerhin aber dürfte das, was wir verstehen konnten und nachstehend wiedergeben, den Lesern genügen, um daraus zu ersehen, welcher Art die Ausführungen des Pckre Loyson waren. Er führte etwa folgendes aus: „Wenn der Patriotismus oftmals, die Völker trennt, kann dann die Religion sie ein ander näher bringen? Ja. Die Bibel zeichnet poetisch int Buche Genesis die Einigkeit der Religion. Aber in der Weltgeschichte sehen wir den Kanipf vieler Anschauungen von Gott untereinander: Polytheismus, Monotheismus, Jahvismus. Das jüdische Volk erhob sich nach und nach zum Monotheismus und Christus gibt diesen Monotheis mus als seine höchste Lehre. Redner geht dann auf das heu tige Judentum über und begrüßt die im Judentume sich geltend machenden Reformbestrebnngen. Das Brechen mit den alten Formeln im Judentume solle zwar mit denr Respekte geschehen, den man den altehrwürdigen Traditio nen schulde, aber trotzdem müsse mit fester Hand zugegrif- sen und in: Judentume all das zertrümmert werden, was sich in unserer heutigen Zeit der Wissenschaft nicht mehr halten lasse. Dann kam der Redner auf die Person des Gottessohnes zu sprechen. Christus habe kein Buch geschrie ben und keine kirchlichen Institutionen geschaffen. Er wart ein ambulanter Redner, der auf die Berge stieg, von dort! herab dem Volke predigte und alle Menschen seine Brüder nannte. Christus habe keine neue Religion gegründet, sondern er habe nur einen neuen Geist gebracht. Er ser bis zum letzten Augenblicke Jude geblieben, und weil erl Jude blieb, wollte er keine neue Religion gründen. Darauf singt der Redner ein Loblied auf den Modernismus und geht auf den Papst über, von dem er sagt: „I-e I'ape n'vsli pan la Knltra inkaillibla cka I'lüxlise!" Der Papst ist! nickst der unfehlbare Meister der Kirche. Viele Katholiken unterwerfe» sich zwar der Kirche, aber in ihrem Innern lehnen sie sich gegen den Zwang auf. Nur wenige fänden den Mut des Widerstandes, „ck'nvaua <)u<- entlinligna cktnit nimm mn mdra, mnm j<- I'ai gnitt<3 prlrev gii'olla <mt kolla!" Ich gestehe, daß die katholisch« Kirche auch meine Mutter war, aber ich habe sie verlassen, »veil sie verrückt ist! (Jubelnder, langanhaltender Beifall.) Trotzdem aber glaube er nicht an einen Untergang der ka tholischen Kirche: er glaube nickst, daß sie sich dem modernen Fortschritte gegenüber völlig verschließen werde und hoff«, daß sie in dieser Beziehung noch nicht ihr letztes Wort ge sprochen habe. Die wahren Modernisten müßten feststellen, daß Christus Christus geblieben ist und kein« Religion ge gründet habe. Er habe keine Religion gegründet, aber auch keine untersagt. Religionen seien aber notwendig. Was würde aus der Familie werden ohne Religion? Es müsse Kirchen geben. Wenn aber die römische Kirche behaupte, daß Gott einzig und allein mit ihr ist, und wenn sie dey» Menschen sagt: „Wenn du nickst in die katholische Kir'chg eintrittst, dann bist du verloren!" oder wenn sie sage: „Wenn du dich der Kirche nickst unterwirfst, dann wirst du exkom muniziert!", dann sei diese Kirche .... (Die Schlußworte gingen leider in dem anhebenden Lärm verloren.) Die wahre Kirche Gottes sei die Kirche des Glaubens und dev Liebe, aber diese Kirche haben die Menschen bis heute trotz allen Suchens noch nickst verloren. Sie tasten beständig nach ihr umher, und er hofft, daß sie sich finden mögen. Wir sind hier, fuhr er fort, nicht um einer bestimmten Sekte, son- der» um der Kirche des Geistes unsere Huldigung dar zubringen. Das Schlußwort sprach der Präsident des Kongresses, Reichstagsabgeordneter Schräder. Er meinte, daß eine sq großartige Kundgebung in Deutschland noch selten dage wesen sei. Der nächste Weltkongreß findet in Paris statt, Politische Rundschau. Dr etden. dev 12 August 1S1V. — Der deutsche Kronprinz wird die in seinem Bregen zer Jagdgebiete gelegene und von ihm gepachtete Villa Mound in Hopfreben im Bregenzer Walde käuflich er werben. — Kritke will gehen. Zur größten Sicherbeit ver zeichnet die „Natl.-Ztg." wieder einmal da» „Gerücht", StaatSsekretLr KrStke werde nächsten» wegen hohen Alter» zurücktreten. Da» Blatt meint, der Rücktritt werde nach der Beratung der Gebührenordnung für den Fernsprecher erfolgen.