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Erscheint täglich »ach«, mit Ausnahme der So««». Festtag«. «-zugSpreiS r Bierteljährl. 1 Ml. SO Pf. lohne Bestellgeld). Post-Bestellnummer 6888. Bei auherdeutschen Postanstalten laut Zeitungs-Preisliste. Einzelnummer 10 Pfennige. Unabhängiges Tageblatt für Wahrheit, Recht und Freiheit. vucdaruclrerel. Heaalrlisn uns LercbäMtteller Dresden, Pillnitzer Straße 43. Inserate werden die 6 gespaltene Petitzeile oder deren Raum mit 18 Pf. berechnet, bei Wiederholung bedeutender Rabatt. Redaktions-Sprechstunde: 11—1 Uhr. Fernsprecher: Amt l. Nr. 1866. Nr. 283. «atholtkea-Weihnachtsfest. Freitag, den 25. Dezember 1903. Protestanten»Weihnachtsfest. 2. Jahrgang. - Die Messias-Hoffnung. Das Heilsbedürfnis ist jederzeit in der Menschheit mächtig gewesen. Vor Christus sah man nicht nur Israel, sondern auch die übrigen Völker der Erde von der Hoff nung auf das Erscheinen eines Erlösers und Weltenheilandes erfüllt. Die Völker bluteten unter der eisernen Knute der menschlichen Leidenschaft aus ungezählten Wunden. Der Messias kam und brachte die Heilmittel, um die menschliche Gesellschaft zur Gesundung zu führen. Der größte Teil der Menschen aber, besonders jener, welcher ohne Heiland und Himmel sich ein Paradies auf Erden zu gründen er hofften, stießen die Hand des barmherzigen Samariters von sich. Und die Menschheit seufzt daher weiter unter dem Bedürfnis nach dein Messias, der ihr den Stachel herausreißt, welchen der ungeheuere Kampf uin die Lebens und Jch-Jnteressen wie ein eisernes Schicksalsgesetz ins Herz bohrt. Im Sündenbewußtsein und der tiefen Ohnmacht seufzt das Herz nach dem Erlöser, der ihm die Hand reicht und es zu sich in eine reine Atmosphäre cmporzieht. Frieden verlangt das Menschenherz. Diese hehre Weihnachtsbotschaft wurde der Menschheit aus Engelsmund verheißen, lind derjenige, der dort als der Fricdensbringer verkündet ward, der hat später, als er die magna eüarta (die Verfassungs urkunde) seines Reiches entworfen hat, den Satz in die selbe ausgenommen: Selig die Friedensbringer! In diesen Tagen des Christfestes ruft der eherne Mund der Glocken diese frohe neue Neichsgottesbotschast hinaus in die Menschheit, hinein in die erbitterten Klassen kämpfe unsrer Zeit. Klassenkampf und Friedensbotschaft! Man könnte ver sucht sein, an die Worte des Propheten Jeremias (6, 14) zu erinnern: „Sie rufen Friede! Friede! und es ist doch kein Friede!" Lauter als je ertönt ja das Schlachtgeschrei; wie nie zuvor widerhallt die Welt vom Kriegsruf. Tausende, Hunderttausende wollen nichts wissen von der Friedensbotschaft des Christentums: Kampf ist ihre Parole und die Gewalt scheint ihnen die beste Garantie zur Schaffung eines neuen Gesellschaftsgebändes. Aber je mehr diese Hunderttausende an die Gewalt appellieren als der Geburtshelferin eines neueren, besseren Gesellschaftszustandes, um so notwendiger ist es, die Mensch- heit zu erinnern an die frohe Botschaft des Christentums. Zur Zeit des Messias seufzte alles nach dem Erlöser, und als er kam, nagelte ihn der Egoismus der Führer des jüdischen Volkes ans Kreuz. Der Friede, dieses Gottes kind, scheint in der Gesellschaft verspottet und verhöhnt, und doch sehnt man sich nach ihm, man sucht ihn. während man anderseits die nackte Selbstsucht nicht lassen will. Wie sieht es im Politischen und sozialen Leben aus? Der Führer einer großen Partei bekennt sich offen als Todfeind der ganzen Gesellschaft und erklärt, daß er sich zehnmal lieber einen Teufel als einen Engel nennen höre. Die einzelnen Stände, welche wie die Glieder des Körpers auf einander angewiesen sind, vermögen nicht zum einträchtigen Zusammenarbeiten gebracht zu werden; es wird Klassenhaß gepredigt! Die Nationen stehen gerüstet bis an die Zähne. In Europa, Asien, Afrika und Amerika blasen geheime Mächte den Funken an, damit er ins Pulverfaß fliege und die Kriegsfackel entfacht werde. Und das alles, um dem Kapital des Landes neue Einnahme quellen zu eröffnen. Wo ist der Friede? Die Engel gaben uns die Antwort: „Wo der gute Wille ist." Das ist die Bedingung, unter der uns der Friede verkündet wurde. Die Mitarbeit der Menschen ist nötig, um diesen eintreten zu lassen. Der „gute Wille" allein ist es, der jeden Zwist, jede Uneinigkeit, jeden Klassenkampf verscheucht. Wenn dieser gute Wille alles und alle umfaßt, dann kann der Friedensfürst seinen Ein zug halten. Wir müssen uns der Aufgabe des Christentums bewußt sein, die Friedensmission zu vollziehen, insbesondere auf dein Wege der sozialen Arbeit. Das christliche Ideal der sozialen Gerechtigkeit und des sozialen Ausgleiches zu ver wirklichen, haben wir in unserem Stande und Berufe die Pflicht. Wohl versichert die Sozialdemokratie die Arbeitermassen, die ihr Gefolgschaft leisten, daß ihr die Zukunft gehöre! Völlig mit Unrecht. Die Zukunft gehört dem, welcher den höheren Wahrheitsgehalt und die höheren Ideen für sich hat, und das ist nicht die Sozialdemokratie, sondern das Christentum, nicht die Männer des Umsturzes, sondern die Männer, die arbeiten im Dienste der erhabenen Idee der Durchführung einer christlichen Sozialreform. Frieden wird der Gesellschaft, die heute durch wilde Klassenkümpfe zerrissen ist und sich selbst zerfleischt, nur zu teil werden, wenn sie die Friedensbotschaft des Kindes der Krippe vom Stalle zu Bethlehem beherzigt. Dort waren zum ersten Male die sozialen Gegensätze llberbrückt: Hirten Könige, Menschen des Reichtums und der Arbeit fanden sich da zusammen. Damals hat der Kaiser Angnstus nach langem Kriegs und Waffenlärm die Tore des Janustempels schließen lassen als Zeichen des Weltfriedens. Wenn ihn höfische Speichellecker und geschmeidige Höflinge als den von den Völkern erwarteten „Friedensfürsten" priesen und verherr lichten, so hat der Gang der Ereignisse sie jämmerlich Lügen gestraft. Das Heidentum vermochte der Welt nicht die Losung zu geben, mit welcher die Menschheit hätte erlöst werden können von ihren Kämpfen. Erst das Christentum hat das hohe Lied von der sozialen Gerechtigkeit angestimmt, das seitdem forttönt durch die Jahrhunderte und wo immer die Menschen sich bemühen, die Botschaft des Christentums zu verwirklichen in der Praxis des Lebens, dort wird der soziale Frieden keine Utopie, sondern Wirklichkeit sein. Friede den Menschen, die guten Willens sind! Konservative Partei und Evaugel. Bund. Die offene Kriegserklärung Vonseiten der konservativen Partei an den Evangelischen Bund ist ergangen; sie über rascht nicht angesichts der Erörterungen im letzten Halbjahr; der Evangelische Bund hat vielmehr diese provoziert. In ungemein scharfer Sprache aber wendet sich die „Konservative Korresp." mit ihren parteioffiziösen Kundgebungen gegen den „Hctzbnnd". Das Aktenstück ist so bezeichnend, daß wir es dem Wortlaute nach unseren Lesern Mitteilen müssen und nur wünschen können, daß es in ganz Deutschland Beachtung finden möge; es lautet: „Seit einiger Zeit gibt das Wirken des Evangelischen Bundes in weiten Kreisen der deutschen konservativen Partei berechtigten Anlaß zur Klage. Nur sehr ungern wird man sich entschließen, dieser Klage öffentlich scharfen Ausdruck zu geben, weil die Ziele des Evangelischen Bundes, der satznngsgemäß eine parteipolitische Organisation nicht sein soll, von allen evangelischen Christen gebilligt werden müssen. Aber seit diese Ziele durch das Wirken des Bundes verdunkelt und für liberale Parteizwecke gemißbrancht werden, mußte auch die Zurückhaltung namentlich der deutschen konservativen Partei anfhören. Es war nicht nur konservative, sondern evangelische Pflicht, zu dem partei politischen Kurse des Evangelischen Bundes Stellung zn nehmen und die Parteimitglieder vor dessen verhängnis vollen Wirken zu warnen. „Der „Krenzzeitnng", die mit Freimut den von dem Evangelischen Bunde oder vielmehr von dessen liberalen, bez. liberalisierenden Leitern und Wortführern den Kon servativen aufgezwungenen Kampf ausgenommen hat, ge bührt Dank. Die gehässigen Angriffe, mit denen das ge nannte konservative und treu evangelische Organ, sekundiert ! von der kirchlich-liberalen Presse und von protestantenverein- lichen Geistlichen, unablässig verfolgt wird, sind charakteristisch für die Tendenzen, die heute im Evangelischen Bunde herrschen. Wir bitten unsere Parteigenossen, sich durch die Verdächtigungen, welche die Organe des Bundes ans die jenigen konservativen Blätter und Personen werfen, die treu der evangelischen Sache oder Feind der konfessionellen Hetze sind, nicht beirren zn lassen. Wer die Konservativen verdächtigt, einem angeblichen Bündnisse mit dem Zentrum zuliebe Verrat an der evangelischen Sache zn begehen, spricht eine bewußte Verleumdung ans. „Die deutsche konservative Partei steht unerschütter lich fest auf dem evangelischen Bekenntnis, sie weiß, daß zwischen Wittenberg und Nom ein Ausgleich nicht Bortrag bei -er Weihnachtsversammlung des St.-Bennovereins in Löban. Auf der vorjährigen Düsseldorfer Ausstellung wurde dem Publikum ein Bild vor Augen geführt, unter dessen meisterhafte, großartige Komposition der Maler Peter Janßen die einfachen und doch so bedeutungsvollen Worte setzte: Sie alle folgen dom Stern. — Am nächtlichen Himmel einer öden, rauhen Gegend leuchtet unter vielen, kleinen Funken ein strahlender Lichtschweif, — der Stern von Bethlehem. Ihm drängt eine suchende, sehnende Menge Volkes nach, an deren Spitze wir die ersten Begleiter des Naturwunders, die hohen Gestalten der heiligen drei Könige erblicken. Und hinter ihnen, all' die Männer und Frauen, die Kinder, arm und reich in mittelalterlicher Gewandung, ob in Lumpen gehüllt, oder mit prächtigem Wams; alle mit erstaunten, verlangenden Mienen und Geberden, — da fährt ein Bauer sein Weib auf einer Schiebkarre, sie hat die'Hände ergeben über der Brust gefaltet und doch mit süßer Hoffnung im Antlitz, neben ihnen aber trabt der Hund mit; da ist eine Mutter, eine Witwe mit ihren Kleinen an der Hand, da Handwerker, Priester und Laien, ein Bettler in Krücken, ein seliges Liebespaar, so streben sie, die bunten Gestalten, gläubig hoffend — die gesamte Mensch heit versinnbildend, dem Sterne nach, der ihnen Erlösung bringt. Kann wohl je noch ein Künstler großartiger die Be deutung der Geburt Jesu Christi für die Menschheit zu- sammenfassen, wie auf diesem Bilde? — Wieviel Kulturen und Völker sind nicht seit jener heiligen Nacht, wie sie die Hirten auf den Fluren von Bethlehem umgab, dem Lickte gefolgt und haben die Erinnerung an die Geburt des Er- lösers gefeiert: Zwar wissen »vir, daß im Morgenlande der Geburts- tag des Herrn erst wenig Beachtung fand, da es mehr morgenländische Sitte ist, den Todestag als Gedenktag zu feiern. Erst als des Meisters Machtwort, so gehet denn hinaus und lehret alle Völker, in den Herzen der Apostel Wurzel gefaßt hatte und der einfache, ergraute Fischer vom See Genezareth seinen stillen, einsamen Einzug in der sitt lich tiefgesunkenen Stadt des Erdkreises, der ewigen Roma, gehalten hatte, erst dann gewannen auch das Christentum und mit ihm seine Feste an universeller Bedeutung. — Wenn in dieser Weltstadt, über welche die römischen Kaiser durch Bauten uno verschwenderischen Luxus ihren Prunkenden Glanz verbreiteten, das Fest der Satnrnalien in ausgelassener Freude heranrückte, bei dem sich die Sklaven auch einmal als Freie fühlen konnten, da sah man beim Einbruch der Dämmerung wohl hie und da dunkle Gestalten durch die Vorstädte, die Gräberstraße entlang nach den Steinbrüchen huschen. Es waren eigene Menschen meist in Sklavenkitteln, welche die Freuden des Heidenfestes mieden und in Schlupfwinkeln und unterirdischen Gängen bei ihren Toten zusammen kamen, um auch einen Jahrestag zn feiern, die Geburt des Weltheilandes. Seinen heiligen Namen nannten sie beim mühevollen Eintritt in die dunklen, von wenig Lampen erleuchteten Räume. In brüderlicher Eintracht standen sie beieinander und die Standesunterschiede des Freien und Sklaven, welche die obere Welt mit ihrer inneren, sittlichen Fäulnis beherrschten, schwanden hier gänzlich. Das Ornto srrrtro», »vie es ans dem Munde des Priesters hier unten bei der heiligen Messe erscholl, fand noch dieselbe tiefgehende Aufnahme, »vie das ^lorin in oxscroinin ckoo, welches in diesen gequälten und geängstigten Menschenherzen dennoch Weihnachtsstimmnng hervorznzaubern imstande war. Es klang dieser Weckruf von Bethlehem, »vie ihn uns die hl. Messe noch heute wiedergibt, auf der verborgenen Heimkehr noch in diesen Christen fort, wenn sie hinaufblickten treu und fest in der linden, italienischen Christnacht zn den ewigen Sternen. — Vielleicht standen schon wenige Wochen später viele von ihnen in dem weiten Colosseum zur Belustigung der Menge den wilden Tieren gegenüber, um zun» letztenmale an zustimmen: Ehre sei Gott in der Höhe, oder der Nachfolger Jesu Christi legte ihnen unter diesen Vegleitwortcn die Hände aufs Haupt, um sie hinauszusenden zu einem anderen, schweren Kampf in die unbekannten nordischen Barbarongefilde, von denen die Legionssoldaten Schauer- mären berichteten, wir meinen nach Germanien. Lassen Sie uns den heutigen Abend einmal dazu be nutzen, ein Bild zu entwerfen, »vie bei unseren Alt vorderen die Menschwerdung Jesu Christi bekannt wurde, und »vie sich allmählich Weihnachten so herrlich im Gemüte des deutschen Volkes ein bürgerte. Es ist wohl klar und bedarf keiner Worte, daß das Deutschland von heute mit dem Germanien von damals wenig oder garnichts mehr gemein hat. Zur Zeit der Geburt Jesu Christi bedeckte weiter, dichter Wald, oft undurchdringlich, oft abwechselnd mit Feldtriften und Snmpsmoorland. über welchem feuchter ungesunder Nebel eine immerwährende Heimstätte hatte, die deutschen Gaue. Daher mochte es den ersten Sendboten unseres heiligen Glaubens wohl besonders niederdrückend zn Mute sein, wenn sie znrückdachten an ihre sonnige ewig schöne Heimat, den Süden. Besonders fühlbar mag ihnen aber die Heimats liebe geworden sein, wenn Herbst- und Winterstnrm mit Frost und Kälte über Germanicns Gefilde hereinbrach und die Wölfe in den Wäldern heulten oder die Auerochsen sich mutwillig Bahn brachen durchs Gestrüpp und die schnecbcladenen Aeste. — Jedoch ein anderes Gefühl beschlich wohl die Männer zur Weihnachtszeit im echten, schönen deutschen Winter. Wir alle kennen seine Poesie und vermögen uns recht lebhaft vorznsteUen. daß er auch ihnen diesen Geist lieh und sie weihnachtlich stimmte beim Gang über die glitzernden Schneefelder und durch den dunkle», beschneiten Tannen wald. Im Aufträge des obersten Völkerhilten zu Nom besuchten die Sendboten des Glaubens die weit aus einanderliegenden einsamen Gehöfte. Freudiges Hnnde- gebell empfing sie am Tor. Wie mögen da wohl beim Eintritt die großen blauen Angen der Germanen neugierig erstaunt anf den Fremdling geschaut haben, der da zn später Nachtzeit gerade an ihrem Sonnenwend- oder Jul- feste, welches anf den 21. Dezember fiel, ihr Haus betrat? — Und welche Botschaft brachte er ihnen, diesen Hünengestalten, die nur der Winter mit seinen kurzen Tagen vor Kampf und Fehde bewahrte, und sie bequem anf die lange»» Felle hinstreckcn hieß. Sie horchten wohl anf bei der Erzählung des Fremden von fernen Landen, von der Geburt eines Kindes, das bei den Tieren in der Krippe gelegen, zu dem Der Weihnachtsfeiertage wegen erscheint die nächste Nnmmer am Montag, den Ä8. Dezember, nachmittags