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Sächsische Volkszeitung : 12.03.1908
- Erscheinungsdatum
- 1908-03-12
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-190803127
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19080312
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19080312
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1908
-
Monat
1908-03
- Tag 1908-03-12
-
Monat
1908-03
-
Jahr
1908
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 12.03.1908
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der katholischen Anlagen zu entrichten. Wie viele von denen, die vor acht, neun Monaten in die Steuerliste einge tragen wurden, sind bereits verzogen, darunter Personen mit 300 bis 600 Mark Steuerbeträgen, zum Beispiel die zahlreichen Künstler aller Art, die nur bis Ostern engagiert waren. In einer Großstadt, besonders in einem Jndustrie- orte mit so außerordentlich ab- und zuflutender Bevölkerung muß inan beizeiten mit der Eintreibung der Steuern begin nen. In richtiger Erkenntnis der Sachlage hat darum die Stadt schon zrvci Termine Genieindeanlagcn eingezogen, ehe wir Katholiken nur einen Pfennig Steuern besehen. Dann ist für uns sehr ungünstig die geringeZahl der Steuertermine. Denn waS in kleinere Teilbe träge zerlegt ist. läßt sich leichter zahlen und drückt nicht so sebr, als wenn man den ganzen Betrag auf einmal erlegen muß. Nach vielen Bittgängen ist es dem jetzigen Schulvor stande seit 1003 gelungen, wenigstens zwei Termine zu erreichen. Der prompte Eingang der katholischen Steuern wird ferner dadurch erWvert, daß für die katkwlischen Anlagen befondercStenerzettel allsgegeben werden, wäh rend die evangeliscl>en Kircl-en- und Schulanlagen auf dein Zettel der Kommunalabgaben mit verrechnet sind. Diese Zweiteilung schadet uns gar sehr. Alle Versuche, dies zu ändern, sind bis jetzt erfolglos geblieben. Ein schreiender Uebelstand liegt nxnter darin, daß die katholischen Grundstücksbesitzer für ihre Grundstücke evangeliscl-e Kirckxm- lind Schulanlagen zahlen müssen, dann aber diesen Betrag von ihren persön lichen katholischen Steuern abziehen dürfen. Wie diese „gesetzliche" Bestimmung wirkt, sei an folgendem Bei spiele gezeigt: Ter katlwlische.Hausbesitzer -k. ist persönlich zu den katholischen Kirchen- und Schulanlagcn mit 120 Mark eingeschätzt. Sein Grundstück zahlt zu den evangeli schen Kirckx'n- und Schulabgaben 114 Mark 20 Pfennig. Er geht innerhalb .zehn Tagen aufs Steueramt, legt beide Zettel vor und läßt „aufrechnen". Nachdem dies geschehen ist, erhält die katholische Gemeinde von ihm 120 Mark ive- niger 114,20 Mark — 5 Märk 80 Pfenniglll Nun komme einer und mache dem beschränkten Untertanenver- stande diesen „fortschrittlichen" gesetzlichen Nechtszustand klar! Um dos zu verstehen, erklären wir Katholiken uns ganz gern für rückständig. Wir fragen bloß: Seit wann sind denn .Häuser. Felder usw. protestantisch oder katholisch? Wenn ich ein Grundstück von einem Protestanten kaufe, der bis dahin für dasselbe an die eixmgelische Gemeinde Steuern gezahlt hat, warum entrichtet denn nun das Grundstück in katholischem Besitze nicht die Steuern der katholischen Gemeinde? Wo liegt denn da der Nechtsstand- vunkt? Anstatt daß bei .Herrn die katholische Gemeinde auf 120 Mark -f- 114,20 Mark — 234,20 Mark rechnen dürfte, wird sie noch um die persönlichen Abgabc^i des .P. größtenteils geschmälert. Auf diese Weise gehen uns jährlich sicher 40f>0 Mark verloren. Wenn nun .V. Protestant wäre, ließe es sich da auch seine Kirchen- und Schulgemeinde gefallen, daß er seine Grundstückssteuer von seiner h>ersönlick>en abziehen und seiner Gemeinde so einen Bettlerbrocken hintrxrfen dürfte? — Wie sprach doch Roboam? — Jedes Land hat seine Eigentümlichkeiten, ob aber Sachen auf diese Eigenart stolz sein darf, wollen wir nicht entscheiden. Das Beste zuletzt! Bis jetzt zahlen die juristischen Personen, wie Aktiengesellschaften usw.. keinen roten Pfennig zu den katholischen Steuern, obi'ckvn gerade sie cs sind, die den Zuzug katholischer Arbeiter aus den benach barten katlwlischen Ländern veranlassen. Man lese nur auswärtige Zeitungen! Wie häufig stößt man auf vas Inserat: „Maurer. Spinner, Bergleute usw. werden nach Sachen bei hohem Verdienste gesucht. Katholische Kirche und Schule am Orte>" Nun kommen die armen Leute, brin gen eine zahlreich Familie mit. Die Kinder sind oft der dent'chn Sprach gar nicht mächtig, haben keine Bücher, aber auch kein Geld, können sich in die hiesigen Schul- und Lebensw'rlxiltnissc nicht eingewöhnen, ersckmx'ren den Leh rern aufs äußerste die Arbeit, kurz, es ist ein Jammer. Die Eltern zahlen weder Schulgeld noch Steriern, zu pfänden gibt es nichts, denn in der Stube steht nicht einmal das Notwendigste, viel welliger etlvas Ueberflüssiges. Und die Industrieherren, die lins diese armen Leute mit ihrer Kin- derschr aus den .Hals gehängt l'aben, verteilen am Jahres schlüsse hohe Dividenden, die arme katholisch Gemeinde aber verteilt Kleider und Schlitze, damit die Kinder nur ihrer Schulpflicht Genüge tun können. Sieht aber unser Kassierer in seinen Steucrtopf. da merkt er halt, daß ihm schon wieder jemand ein Loch in den Boden geschlagen llat. Muß das alles so sein? Wir denken, lvenn die Industrie uns die Leute hereinzieht, dann möge sie auch zu den Lasten beitragen, die den katbolischn Gemeinden dadurch erlrxichsen. Das lväre vielleicht ein unantastbarer Nechtsstandpunkt! Im letzten Iabre lmt die katholische Schulkasse 060 Mark Kosten an das Steueramt zu zahlen gehabt wegen re ich ich 2000 erfolglosen Pfändungen von Lohnarbeitern, wodurch die Schulkasse einen Steuer- Verlust von 0000 bis 10 000 Mark (!!!) erlitten hat. War das unabnx'ndbar? O nein! Lebten wir in einem Nach barstaate, der zlvar recht klein sein, aber doch recht gute Ortsgesetze besitzen kann, so würden in diesem Falle — wie lins kür.zlich ein sehr holler Beamter versicherte — die Ar beitgeber verpflichtet genasen sein, für die Stellerbeträge ihrer Arbeiter aufzukommen. Denn dort gilt daS Gesetz, daß der Fabrikant für die Steuern seiner Arbeiter und der Angestellten bis zu einem Einkommen von 3000 Mark haftet. Und dort sollen da durch der Stadtkasse jährlich nur sehr geringe Summen ver loren gellen. Nun gibt eS Leute, die dem Schulvorstande die bittersten Vorwürfe macklen — und ztvar hübsch im geheinlen. weil da immer etwas hängen bleibt — daß er schlecht wirtschafte, daß er keine Energie den Behörden gegenüber zeige. Für solche Leute wäre cs zu wünschen, daß die Sitzungen und Be schlüsse des Schulvorstandes nicht vertraulich, sondern , öffentlich wären. Diese Uebergescheiten würden dann viel- ! leicht eine Ahnung bekommen, wie ein armer Schulvorstand mit seinen Vorgesetzten Behörden umspringen darf, wenn er unter den nun einmal bestehenden Verhält nissen überhaupt feiner Gemeinde durch sein Wirken etwas nützen will. Man möchte lachen, wäre die Sache nicht zu ernst. Müßten die Schulvorstandssitzungen mit Gesang eröffnet werden, so könnte nur das Lied in Frage kommen: „Aus tiefer Not schrei ich zu dir!" Wahrlich, es ist keine leichte Aufgabe, heute einer ka tholischen Großstadtgemeinde als Schulvorsteher zu dienen. Denn einerseits ist es nicht möglich, die Gemeinde über die vielen schwierigen Fragen so auszuklären, daß immer Grund und Folge, Ursache und Wirkung verständlich würde. Das ist schon deshalb nicht angängig, weil der Schulvorstand verpflichtet ist, die Beratungen usw. als vertraulich zu be- lxmdeln. Andererseits liegen die Verhältnisse zur Zeit für die katholischen Gemeinden so ungünstig, daß es einer gro ßen Erfahrung und Sachkenntnis bedarf, den richtigen Weg und vor allem auch die nötigen Hilfsmittel zu finden, um wirklich zum Besten der Gemeinde zu arbeiten. Eine kleine Probe der Schwierigkeiten haben wir durch diese Erörterung aufgerollt, aus der wohl zwingend das eine hervorgeht: Wenn uns die hohen Landstande nicht bal- digst dazu verhelfen, daß die katholischen Kirchen- und Schulsteuern von Grund aus reformiert werde», so müssen die katholischen Gemeinden verbluten. Das kann aber keinesfalls der Wille des Landtages sein! Angesichts der „vielfachen Mängel der bisherigen Ge- setzgebung", die dringendst einer Abhilfe bedürfv, hat da her die Regierung ihre Gefetzesvorlage mit den Worten cin- geleitet, daß die Reform keinen weiteren Aufschub gestatte. Deutscher Reichstag. Der Reichstag beriet am Dienstag die Interpellationen wegen Nichteilibringung der Gehallsoorlagen. Frhr. v. Richthofen (K.). Graf Oriola (Nl.) und Schräder (Frs. V.) deuteten worilos an, daß sie mit der Abschlagszahlung der Teuerungszulage zufrieden sind. Der ZentrumSabgemdnete Spahn fordert dagegen, daß die Gehaltsvoilage noch in diesem Frühjahre eingebracht werden müsse, um die vom Reichskanzler gegebene Zusage zu erfüllen; er wies besonders auf die Härten hin, welche infolge der Nichtverabschiedung der alten Beamten, der Nichtaufrückung und der Nichtan- stellung junger Beamten eintrete. Staatssekretär Sydow gab dann eine Erklärung namens derverbündeten Regierungen ab, welche die drei Hauptpunkte enthielt: 1. Vertagung der Finanzresorin zum Herbst, 2 Vertagung der Beamten vorlage zum Herbst mit Rückwirkung auf 1. April 1908 und Gewährung einer Teuerungszulage wie im Vorjahr. Aus den weiteren Darlegungen des Staatssekretärs war von Interesse, daß als Ursache der Verzögerung der.'.Nesormen angegeben wurde, die vom Reichstag gegen den Willen des Zentrums beschlossene Herabsetzung der Zuckersteuer. Wenn Staatsekretär Sydow meinte, die ReichSfinanzresorm sei dringlich mit Rücksicht auf das Ausland, so ist das ein Schlag ins Gesicht des Fürsten MUow, * der bei der Enteignungsvorlage im Herrenhauss auf die Stellung des Auslandes gar keinen Wert legte. Seinem Grundsätze aber, daß mit den Ausgaben gleichzeitig die Einnahmen beschlossen werden müßten, stimmen wir bei. nur daß die Reichs regierung selbst bei der Flottenvorlage und bei den Kolonialforderungen nicht hiernach handelt. Die Reden der Abg. Singer (Szd ), Graes (W. V.) und Zimmermann (Ant.) boten wenig Interessantes, wenn man davon ab- seben will, mit welcher Schärfe der Abg. Graes forderte, daß sich der Reichskanzler selbst verteidigen müßte, weshalb er die Beamtenvorlage nicht einbriuge. Der Abg. Spahn (Zt.) hob in einer kurzen Eiwiderung mit Recht hervor, wie die Regierung die einzige Ursache sei, daß die Beamten- wünsche nicht erfüllt werden konnten. Am Mittwoch wird der Etat des Neichsamts des Innern weiter beraten, k. Berl'n. 118. Sitzung vom 10. März 1908. Auf der Tagesordnung stehen die Interpellationen der Konser vativer, Nationalliberalcn, Freisinnigen, sowie de» Zentrums bclr B e a m t c n v o r 1 a g e. Die Anfrage des Zentrums lanlct: .1. Ist der Herr Reichs kanzler bereit, Mskiiwr darüber zu erteilen, wann die am 18, März 1907 in seinem Namen vom Staatssekretär des Reichsschatz- amles in Aussicht gestellten Vorlagen üb r die Gehaltsaufbesserung der Reichsbeaimen und die Neuregelung ihres Gohnnngsaeldzu- schusses im Reichstag eingcbrachl werden: 2. welche Maßnahmen gedenkt der Herr Reichskanzler für den Fall, daß diese Vorlagen nicht vor dem 1. April 1998 zu verabschieden sind, zu ergreifen, um von den Beamten die ihnen durch die Verzögerung erwachsen den Schädigungen abzuwenden? Staatssekretär Sydow ist bereit, die Interpellation heute zu beantworten. Abg Frhr. v. Richthofen (kons.) begründet die konservative Interpellation. Die Hinausschiebung der Vorlage bis zum nächsten Jahre bedeute einen unerträglichen Zustand Ein großer Notstand unter den Beamten liege vor und sc» anerkannt, u. a. auch s. Zt. vom Reichsschatzsckrctär von Stengel. Die Finanzreform müsse Hand in Hand gehen mit der BcsoldungSoerbesserung. Er habe das Zutrauen zur Beamtenschaft, daß sie auch in schwierigen Ver hältnissen in ihrem Pflichtbcwußtsein nicht wanken werden. Abg Graf O r i o l a (natl.j: Der ganze Reichstag verlange die Besoldungsocrbessening der Beamten dringendst. Tie Aeuße- rungen des FincinzministerS von Rhcinbaben haben den Anstoß zu den Interpellationen gegeben. Redner erinnert an die im Namen dcS Reichskanzlers abgegebene Erklärung StcngclS betr die BesolduugSvorlage, die allerdings mit dem Hinweis auf die KoOi-naufbringuilg verbunden gewesen wäre. Leider seien die .Hoffnungen immer mehr herabg-mindert worden. Die Sozial demokratie macht die Finanzreform nicht mit. DaS Zentrum hat in der t. Lesung nichts gesagt: seine alte Hebung. (Sehr richtig!) Man wurde aus der Rede des Abg Spahn nicht klug was er wollte. lSehr richtig! im Zentrum.) Wir Nationalliberalen fordern, daß noch im Jihre 1908 eine systematische Aufbesserung erfolgen soll. Ich Hesse, daß die Antrag deS ReichSschatzsekretärS eine günstige sein wird Abg. Schräder (Freis. Verg.): Die Handelsverträge haben eine Verteuerung der Lebensmittel im Gefolge gehabt; daS hat die Regierung auch selbst anerkannt. ES ist sehr zu bedauern, daß nicht mit dem Etat die Beamtenvorlage kam; mit Teuerungs zulagen ist den Beamten nicht gedient. Abg. Dr. Spahn (Zentr.): Die Gehaltsaufbesserung ge hört zu den ersten Aufgaben deS Reichstages. Nach den ge- hörten Reden weiß man. waS kommt: eine Teuerungszulage und die Aussicht auf die Rückwirkung auf 1. April 1908. Damit ist den Beamten nicht gedient. iSehr richtig!) Man denke an die Verhältnisse der Beamten in den Gemeinden. Der Lebensunter halt hat sich verteuert, seitdem anno 1890 die letzte Aufbesserung erfolgte. Die Handelsverträge haben hier nicht mitgewtrkt; auch Frankreich hat höhere Lebensmittel; dann steigen die Erziehung»- kosten, die Gemeindesteuern usw. Der Beamte darf nicht auf Nebenverdienst auSaehen. er soll keine Schulden machen usw-r er soll entsprechend auftreten. Die Kinder leiden am meistea unter den heutigen Verhältnissen; sie erhalten zu geringe Nahrung Alle Behörden stocken, kein Beamter geht in Pension. In feierlichster Form hat der Reichskanzler die Aufbesserung auf l. April Ivo» in Aussicht gestellt und nichts geschieht. (Hort!) Junge Beamte werden nicht etat-mäßig angestellt; eine völlige Lähmung tritt überall ein. UnlerstaatSsekretär Twele hat im Januar 1S0S die Borlage bestimmt m Aussicht gestellt. Die »Hamb. Nachr.* haben gesagt, daß es die erste Aufgabe deS Blockes sei. die ReichSstnanz- reform zustande zu bringen. In den Einzelstaaten ist erklärt worden, daß an direkte Reichssteuern nicht zu denken sei; damit müssen wir rechnen. Die Veredelung der Matrikularbetträge bringt nicht mehr Geld ein. Die Erbschaftssteuer allein kann auch nicht 8«X1 Mtll. etnbringen. Also bleibt es sehr nahe bet ein ander, was man bringen will. Ich bin überzeugt, daß im Reichs- schatzamte eine ganze Reihe ausgearbeiteter Gesetzentwürfe vor handen sind: diese hätte man ruhig nach Norderney kommen lassen können. (Heiterkeit.) Der Wohnungsgeldzuschuß läuft am 1. April 1998 ab. Auf eine Beamtenverminderung wollen auch wir htn- arbeilen. Wir werden unseren Teil beilragen, um die Fragen zu lösen. Staatssekretär Sydow erklärt namens der verbündeten Regierungen, daß diese die Absicht hatten, die Gehalte der unteren und mittleren und eines Teils der höheren Beamten auszubeffern: die neuen Steuern sollen das Branntweinmonopol und die Tabak steuer ein. Da aber trat eine Aenderung durch die Herabsetzung der Zuckersteuer ein. (Hört!) Die verbündeten Regierungen wissen, daß im Reichstage keine Neigung besteht, die Finanzen deS Reiche- nur teilweise zu regeln Daher soll im Herbst eine umfassende Steuer reform vorgelegt werden; dann folgt die Gehaltsvorlage. Die Bundesregierungen wollen nicht mehr höhere Matrikularbetträge übernehmen. Wir erklären uns bereit, die Vorlage rückwirkend auf 1. April 1908 zu machen, wenn eine den Finanzen des Reiches und der Bundesstaaten genügende Finanzreform zustande kommt. (Hört! im Zentrum. Wann? Der Staatssekretär wiederholt den Satz.) Die Regierung wird eine Vorlage etnbringen, die de» Be amten Zulagen gibt wie im Vorjahre. Die Rückwirkung der Be- soldungsvorlagc auf 1. April 1908 lege den Bundesstaaten schwere Opfer auf. Im Anschlüsse an diese Erklärung bemerkt der Schatz sekretär: Die Erklärung ziehe die Konsequenzen aus der bestehenden Lage. Die Erklärung besage: 1. Vertagung der ReichSstnanz- reform bis zum Herbst; 2 Vertagung der Beamtenvorlage bis dahin: 3 Rückwirkung derselben auf I. April 1908. Für eine teilweise Finanzreform ist man nicht im Reichstage. Die beiden Entwürfe meines AmtSvorgängerS würben nicht genügen, um daS Defizit zu tilgen. Es liegt nicht im allgemeinen Interesse, nicht in dem der Parteien untereinander und zur Regierung, wenn jede Session mit einer Steuervorlage belastet ist. Die Finanzreform ist dringend geboten für Erhaltung unseres An- sehens im Auslände und für das Verhältnis der BundeSfkmten unter einander. Wir müssen hier auf die Stimmen des Aus landes hören. Wir leben in einem großen wirtschaftlichen Auf schwungs; bei uns sind die Steuern geringer, als im Aulaade. Die Bundesstaaten dürfen eine irhöhtere Rücksichtnahme fordern: sie können nicht mehr leisten. Die kleinen Bundesstaaten müssen erhalten bleiben, schon um die Grundlage des Reiches nicht zu erschüttern. Ich kmn nicht allein vorgehen, ich muß Rücksicht nehmen auf den Bundcsrat. (Ruf links: Rheinbaben!) Ich hoffe, daß ich auch mit meinem Kollegen, dem preußischen Finanzmiistster, Hand in Hand gehen werde. Aber auf die Bundesstaaten muß ganz anders Rücksicht genommen werden; sie dürfen nicht an der Förderung der Kulttinnteressen Nor leiden. Wir lehnen es ab, die Matrikularbciträge um 70 Millionen Mark zu erhöhen. Unser ernstlicher Wille ist. den Beamten zu helfen. Die gleictzettige Lösung der Gehaltsvorlage und der Steuervorlage ist eine gute. Helfen Sie uns, daß keine unnötige Beunruhigung in Beamten kreisen entsteht, denn der Schaden trifft die Gesamtheit. Das Ziel, das ich mir gesteckt habe ist ein hohes, das ohne einen ge wissen Optimismus nicht erreicht werden kann. Ich fuße auf dem Vertrauen des deutschen Volkes und seinen gewählten Vertretern. (Beifall im Block.) Auf Antrag des Abg Singer erfolgte die Besprechung der Anfragen. Abg. Singer (Soz.) wünschte dem Staatssekretär ein besseres Debüt. Die Beamtenaufbesserung ist unbedingt notwendig. Man muß von dem unhaltbaren Grundsätze abgehen, daß im Reiche keine direkten Steuern eingeführt werden sollen. Abg. Frhr. v. Gamp tReichsp.) polemisiert gegen Singer. Eine Veredelung der Matrikularbetträge ist sehr leicht möglich, die reichen Staaten sollten meyr zahlen. Wenn ein Privatmann 'o Wirtschaften wollte, wie das Rerch, hätte man ihn schon längst »ntcr Kuratel gestellt. Abg. Graef (Wirt. Berg.) bedauert, daß der Reichskanzler nicht selbst erschienen sei, um die Verschleppung zu verantworten. Von Zeit zu Zeit sehe ich den Alten gerne. ES ist ja bequemer, > infach einen Staatssekretär hierher zu senden Die Beamten hoben sich im Vorjahr sehr gefreut über die Zusage: heute hoben wir die Enttäuschung. Die Regierung hat Glück daß jetzt keine Reich« laaS- wahlen find, sie könnte sonst etwas erleben. Freilich tröstet sich die Regierung damit, daß bei den preußischen Landtagswahlen öffentlich obgestimml wird. Staatssekretär Sydow: Der Reichskanzler habe sich stet« ruhig in der Aufbesserung gezeigt, wenn er auch heute nicht er schienen sei. .. Abg. Zimmermann (Antis): Die breiten Beamtenschichten haben viel Vertrauen zur Negierung verloren. DaS Grcßlap'.tal muß mehr herangezogen w rden zu den Einnahmen Abg. Dr. Wiemer (Reichsp.): Die agrarische Politik ist schuldig an der Teuerung, die Beamten haben ein Anrecht ans dre Aufbesserung. In vielen Bcamtenfamilren herrscht bittere Nor. Die Vermehrung der indirekten Steuern muß aufhören. Staatssekretär Sydow Es ist falsch, daß das Versprach n des Reichskanzlers nicht gehalten worden ist, dieses Versprechen rst nicht unbedingt gegeben worden. Abg. Dr. Spahn (Zentr): Ich habe nicht vorgeschlagen, daß man die Aufbesserung auf Anleihe nehmen soll. Bet der «usbesse- rung der Be mten bandelt es sich um 70 Millionen Mark, bei der Flotienvorlage um 100 Millionen Mark. Bei elfterer drängt man auf die Deckung, bet letzterer licht, nian kann also uch anders. Mau kann nicht sagen daß Frh^ v. Stengel ein Fiasko erlitten habe. Wenn der RetchSschatzsekreiär sagt, daß man auf das Aus land sehen müsse, so hat der Reichskanzler im Herrenhause bei der Polenfrage das Gegenteil gesagt, hoffentlich schadet es ihm nicht. (Heiterkeit.) LS freut mich, daß der Staatssekretär die Zucker steuerer Mäßigung als Hindernis der Beamtenaufb.sseruug bezeichnet hat, daS haben wir stelS gesagt, aber warum stimmte der BundeSrat denn zu? (verfall.) Nach kurzen Bemerkungen der Abgg Drosch er und Hammecher (Zentr.) vertagt sich das Haus auf Mittwoch l Uhr. Reichsamt des Innern. Schluß gegen 7 Uhr Politische Rundschau. Dre-den, den 11. März 1908. — Der Kaiser traf am Dienstag 1 Uhr in Begleitung des Prinzen Heinrich von Preußen und der Herren seines Gefolges von Bremerhaven kommend in Bremen ein. Durch die reichgeflaggte Stadt erfolgte die Fahrt -um Ratskeller, woselbst ein Frühstück stattsand. An demselben nahmen die Herren des Senats, ferner vom Nordoeutschen Lloyd der Präsident Geo Plate und Generaldirektor Dr. Wiegand, und vom Infanterie-Regiment Bremen Oberst v. Webern teil. Abends traf der Kaiser in Berlin ein. — Seinen 87. Geburtstag begeht am 12. Mär- Se. König!. Hoheit der Prinz-Regent Luitpold vou Bayern. Die Budgetkommisfiou de» Reichstage» begann am Dienstag die Beratung deS Etats für Südwestafrika» der
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