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Zweites Blatt Nr. 76 Sächsische Bolkszeitung vom 4. April 1967 Rücktritt des Reichskanzlers oder Reichstagsauflösung? Fürst Bülow läßt bereits drohen und winkt seiner neuen Mehrheit mit der Zuchtrute, wenn sie nicht bei ein- ander bleibt: entweder will er dann stehen oder er löst den Reichstag auf. Der Berliner Offiziösus der ..Münch. N. Rvchr." darf dieses neue politische Rezept verabreichen und die Blockpress« schluckt eS gehorsamst. Für den Reichskanz ler scheint es sich allerdings um Sein und Nichtsein zu bandeln, wenn der Block nicht mehr mitmacht: er hat alles aus diese Karte gesetzt und mutz die Konsequenzen tragen. Während die „Kreuzztg." noch in ihrer letzten Wochen schau der Zuversicht Aufdruck gegeben hatte, daß Fürst Bü- low und daS Zentrum nach einer Periode des Schmollend und Abwartens sich wieder vertragen' würden, so daß die im Abgeordnetenhause betriebene „konservativ-klerikale Paarung" mich für den Reichstag wieder Geltung erhalte, erklärt tun Berliner Mitarbeiter der „Münch. N. Nachr.": „Selbst, wenn er wollte, — was nicht der Fall ist — könnte er dies gar nicht. Denn der Bruch zwischen diesem Reichs- kau^er und der Zcntrumspartei ist vollständig und endgül tig: Fürst Bülow ist persönlich in Verruf ertllärt, niemals wird das Zentrum ihn stützen, stets ihn stürzen wollen. Fürst Bülow braucht für sein Amtieren — und er freut sich seines Amtes — die Liberalen ganz notwendig, ebenso not wendig wie die Konservativen. Er kann im Reiche ohne diese beiden großen Parteigruppen nicht einen Tag die Ge schäfte Verwalters Versagt der Liberalismus, so ist er ebenso geliefert, ,vie wenn die Konservativen versagen. Hede Mehrheitsbildung in Lebensfragen des Reiches, in der das Zentrum die Führung hat, stellt ihn vor die Alter native: Neuwahl oder Rücktritt. Und diese Situation im Reiche muß auch auf die preußischen Verhältnisse, vielleicht langsam aber- sicher einwirken." Mit anderen Worten: auch in Preußen muß eine liberale Politik betrieben wer den. wenn Fürst Bülow sich holten will. WaS der Münchner Leibjournalist des Reichskanzlers «usplaudert, das sagt auch, nur mit etwas anderen Worten, der Korrespondent der „Franks. Zeitg.", ein Busenfreund deS Reichskanzlers. Er stellt auf grund der seitherigen Reichstagsberatung folgendes fest: „Danach) bildet die bür gerliche Linke daS Zünglein an der Wage, sie ist in die aus schlaggebende Stellung eingerückt, die bis zu den Neu wahlen das Zentrum einnahm. Geht also die bürgerliche Linke in die Opposition, oder trennt sie sich mich nur in der Abstimmung, dann ist der Block gebrochen und die „natio nale" Mehrheit gesprengt." Nicht mit Unrecht meint die „Kreuzzeitg." hierzu: „Sonach würde die Negierung in Bezug auf ihre Abhängigkeit von einer Fraktionsherrschaft- nur einen Tausch gemacht haben, von den: man bis jetzt noch nicht eimnol sagen kann, ob es ein guter Tausch sei." Wie man aus den Auslassungen des Frankfurter demo kratischen Blattes schließen »ruß, ist wenigstens der linke Flügel des liberalen Blockes durchaus entschossen, seine aus- ichaggebende Stellung gründlich auszunutzen. Es heißt nämlich dort weiter, einerseits lege die ausschlaggebende Stellung der Linken zwar eine schwere Verantwortung auf, andererseits berechtige sie sie aber, fest auf ihrem Willen zu beharren und die Berücksichtigung ihrer Wünsche zu for dern. Für «in konservatives Programm lasse sich die Linke nie gewinnen, das habe Fürst Bülow gewußt, darum sei er genötigt gewesen, nach der anderen Seite zu sckswenken und zu versuchen, die Rechte den Forderungen des entschei denden Teiles der neuen Mehrheit geneigt zu machen. Und damit würden die Staatsmänner der Rechten sich abzusinden haben, da sie sonst aus der Mehrheit ausgeschaltet tverden könnten. Diese gleichzeitige Drohung an die Konservativen und an den Reichskanzler ist zwar nicht mehr originell, aber sie ist bezeichnend. Der demokratische Teil der „ausschlag gebenden" Linken betrachtet sich schon ganz als „Reichs- regenten". Beugt sich der Reichskanzler den Forderungen der Linken nicht, so geht sie — wie bei den Geschäftsord nungsdebatten — zur Opposition über: beugt sich die kon- servative Mehrheit innerhalb des „nationalen" Blockes nicht der Minderheit, so wird sie ..ausgeschaltet" — also dann hat der leitende Staatsmann nur die Wahl, mit der sogenannten Abwehrmehrheit, das heißt mit Zuhilfe nahme der Sozialdemokratie zu regieren. Das rechts- bürgerliche Blatt schreibt sogar am Schlüsse: „Die Linke besteht auf ihrem Schein, und es ist Sache des Kanzlers, den Weg zur Verwirklichung seiner Versprechungen zu fin den. Die Linke ist dabei sogar in besserer Lage als er. Denn findet er den Weg nicht, so wird das sein persönliches Mißgeschick sein, während die Linke für ihre Ideen vielleicht sogar leichter in einer anderen Mehrheit zu wirken vermag . . Wir finden es nicht auffallend, wenn hierzu die „Kreuzzeitg." bemerkt: „Was anders sollten diese dräuen den Worte besagen, als daß die demokratische Linke nur so lange innerhalb der „nationalen" Mehrheit mitzuwirken gedenkt, wie ihr parteipolitische Vorteile daraus entsprin gen, daß sie aber sofort in die ihr so lieb gewordene Oppo sitionsstellung einzuschwenken beabsichtigt, sofern ihr nicht der Willen getan wird. Die Linke ist in der Tat, wie die „Franks. Zeitg." meint, in besserer Lage als der Reichs kanzler: sie scheint auch rücksichtsloser und systematischer auf ihr selbstherrliches Ziel losgehen, zu ivollen, als dies die Zentrumspartei getan hat. Wir glauben also, daß es schließlich doch dazu kommen werde, daß die demokratische Linke von der sie so sehr beängstigenden Aufgabe der Unter stützung einer Negierung über kurz oder lang wird befreit werden müssen." Was die Zentrumspresse in der Wahl- bewegung stets sagte, ist schon eingetreten. Man schrieb früher so viel über den „Alpdruck des Zentrums" und heute? Dieser ist gründlich beseitigt, aber zehnfach stärker setzt der Alpdruck der Linken ein. Wohl mag auch Fürst Bülow sich nach dem „goldenen Zeitalter der Zentrums herrschast" zurücksehncn, wenn er jetzt in der Nivieraluft toandelt: aber es ist für ihn vorüber und das „persönliche Mißgeschick" kann ihn bald ereilen. Denn es ist ganz aus- geschlossen, daß der Bundesrat der Neichstagsauflösung zu stimmt, nur damit Fürst Milow als Reichskanzler am Ruder bleibt. Wenn er vollends den Kampf gegen Zen- trum, Freisinn und Sozialdemokratie zu führen hätte, so lväre er unbedingt verloren, auch toenn zehn Flottenver- eine für ihn arbeiten würden. Und die Entsck>eidung naht nnt Riesenschritten. Schon schreibt das „Berl. Tagebl.": „Nur scheint es uns, daß sich die liberalen Parteien und be sonders die Nationalliberalen allzuviel Sorge um den „Block" machen. Der Block ist doch schließlich kein Erzeug nis des Liberalismus. Er ist das Angstprodukt des Fürsten Bülow. Also möge Fürst Bülow gefälligst selbst dafür sorgen, daß der Block nicht kaput geht. Für die liberalen Parteien gibt es viel näher liegende Sorgen. Sie müssen darauf sel>en, daß endlich der Liberalismus im Reich und in Preußen wieder zu Ansehen kommt." Die politische Lage wird nachgerade komisch. Fürst Bülow kämpst um seinen Kanzlerstuhl, deshalb braucht er den Block — das Produkt der Angst. Der Liberalisnrus aber kämpst um die Verwirklichung seiner Machtstellung und ist bereit, den Block zum alten Eisen zu tverfen. In kurzer Zeit muß mau sehen, wer in diesem Ringen der Stärkere und Gewandtere ist. Das Ziel des Fürsten Bülow und das des Liberalismus schließen sich aus. Au- Stadt «ud Land. (Fortsetzung au« dem Hauptblatt.) —* Die Dresdner K u n st g e n o s s e n scha f t hielt am Mittwoch abend in ihrem Vereinslokal, Schösser gasse 4, unter dem Vorsitze des Herrn Malers Walther Witting ihre diesjährige Generalversammlung ab, an der zahlreicki-e Mitglieder teilnahmeu. Nach einer herzlichen Begrüßung der Erschienenen gedachte der Vorsitzende der im letzten Geschäftsjahre durch den Tod ausgeschiedenen Mitglieder, zu deren Andenken sich die Versammlung von ihren Plätzen erhob. Ten Jahresbericht aus das Jahr 1V06 erstattete der Schriftführer Herr Bildhauer Nassau. Er verbreitete sich über die wichtigsten Ereignisse des letzten Vereinsjahres und konnte eine günstige Fortentwickelung der Dresdner Kunstg« nossensckiaft konstatieren. Zu Ehren mitgliedern wurden nn Jahre 1900 die Herren Geheimer Hofrat Professor Pr.ll, Geheimer Hofrat Professor Kieß ling und Professor Herze ernannt, lieber den Kassenbericht referierte der Sckxitzmeister Herr Architekt Watzlawick. Hier nach betrugen die Einnahmen der Genossenschaftskasse 1.1281,51 Mark und tie Ausgaben 12 808,77 Mark, so daß sich ein Ueberschuß von 472,74 Mark ergibt. Der Wert des Inventars stand Ende 1900 mit 10 150 Mark zu Buche. Tie Bibliothek war mit 2000 Mark beivertet. Die Unter- stützungskasse hat einen Bestand von 2229,10 Mark, wäh rend sich der HauSbausonds auf 120 021,41 Mark beziffert. Für den Bauplatz sind hiervon bis jetzt 59 011,07 Mark auf gewendet worden. Zu der Bestimmung der Höhe der Ein trittsgelder und der Beiträge lag ein Antrag aus den Kreisen der Mitglieder vor, der auf eine Abänderung der Satzungen zu gunsten der Rechte der außerordentlichen Mitglieder abspielte. Ter Antrag wurde einer demnächst einzuberiifenden außerordentlickx'n Hauptversammlung zur — 180 — Die Diener breiteten Teppiche aus. und unter dem Sck>atten einer Eick)« nahmen die Reisenden ein einfaches Mahl ein, bei dem nur wenig Worte ge wechselt wurden. In großen Zügen schlürfte Friedrich den köstlick>en Wein, wie wenn ihm schon lange der Saft der Neben fremd geblieben wäre. In der wür zigen Luft tvar es ihm so wohl wie einem Gefangenen, dem nach langen Jahren wieder vergönnt ist, die Sonne zu sckiauen. Als das Mahl zu Ende war, ivurden die Rosse gezäumt und herbei- geführt. Friedrich und Walter stiegen in den Sattel und ritten schweigend eine kurze Strecke neben einander. „Es nützt nichts," sprach Friedrich trübe, „wir müssen scheiden. Lebe wohl, Walter! Grüße niir dein trautes Ehegemahl! Grüße mir auch deine Kinder! Kehre ich heim vom heiligen Grabe, so hilfst du mir die Burg aus- -auen. Bis dahin Gott befohlen! Lebe wohl!" Er drückte Walter die Hand, während Tränen in seinen Augen standen. Dann gab er seinem Rosse die Sporen und ritt, ohne sich noch einmal umzu schauen, den gewaltigen Bergen entgegen, deren beschneite Gipfel wie Silber im Sonnenlicht erglänzten. Lange stand Walter und schaute dem Grafen nach: eine Ahnung, als ob er ihn zum letzten Male gesehen habe, beschlich ihn und preßte auch ihm Tränen aus; langsam ivandte er sein Roß und nahm seinen Weg dem Rheine zu, der lieben, trauten .Heimat entgegen. Dem Grafen Friedrich von Zollern ivar es nicht vergönnt, das Grab des Erlösers zu sck>auen und die heiligen Stätten des gelobten Landes zu betreten. Aber gewiß nahm der Herr seinen guten Willen für die Tat und sah gnädig «uf den reuigen Büßer. Die letzte Nachricht von ihn: drang aus Rhodus in die Heimat: das Pergament, das seinen Namenszug trug, »vard im Juni des Jahres 1441 ge- schrieben. Wenige Monate hernach erlag er auf der Fahrt im Orient der Krank- heit, die seinen Körper perzehrte. Es n>ar die Krankheit des gebrochenen Herzens, gegen die Hilfe auf Erden nicht zu finden ist. - 177 — „.Herzlieber Walter! Kann nicht kommen zum.Hochzeitsfeste! Dieweil ich — zum letzten Male — nach Innsbruck reiten muß, im Anstrage meines viellieben Schwäln'rs. Du kennst ihn ja. Wenn ich zurückkehre, falle ich Dir auf etliche Wock/en ins Haus und lege mich auf die Bärenhaut. Co Dir's ge nehm ist. Wird's Winter, baue ich mir ein eigen Nest. Die Federn — goldene — gibt Hans Wild. Er hat so viele Goldgnlden in der Truhe, daß ich Mühe haben werde, sie an den Mann zu bringen. Und Käthch'n wird umine Ehewirtin. Du kommst zur Hochzeit! Auch Deine Liebste! Ich möchte sie kennen lernen. Die Ulmer gehen Dir diesmal nicht an den Kragen. Dafür stehe ich. Leb' wohl! Wenn der erste Schnee fällt, sek»'» wir uns. Tein treuer .Hornritter." Walter und Berta lachten herzlich über den Brief und freuten sich über das Glück des braven Junkers. „So ist alles zu einein guten Ende gekommen," sprach Walter, „obwohl uns der Himmel immer voll drohender Wolken hing. Nur um einen sorge ich, um Friedrich, den Grasen von Zollern. Was wird es mit ihm wohl für ein Ende nehmen? Ich fürchte kein gutes." „Wer weiß," sprach Berta, „Gottes Wege sind oft wunderbar. Wenn es in seinem Plane liegt, wird er auch ihn zum Glück und zum Friede), führen." Walter drückte ihr die Hand und sprach: „Tu magst recht haben: auf dornigen Wegen gelangten wir zum Glücke: auf Pfaden des Unglücks findet -er wohl den Himmel." Und sie sckxniten hinaus in das lackende Land, das im Sonnenglanze Var ihnen lag: st' leuchtend und hoffnungsreich lag ihr Lebenspsod vor ihnen, den sie vertrauensvoll betraten. Jahre kamen und gingen und brachte» mannigfach' Wechsel in die be stehenden Verhältnisse. Eitelsried)ich verheiratete sich mit einer reichen Erbin, der ^Tochter de- Freiherrn Heinrich von Nazüns: er versuchte, das Schloß auf dem Zollern wieder aufzubauen, allein die Neichstädle verhinderten ihn daran. Erst sein Sohn Jost Nikolaus erbaute unter Mithilfe der Markgrafen Albrecht von Brandenburg und Karl von Baden und des Grasen Heinrich von Fürsten- berg die Stammburg, die im Jahre 1400 vollendet wurde. In den Tagen seines Glückes vergaß Eitelfriedrich ganz und gar sein? Schwägerin, die Gräfin Anna von Sulz, die unglückliche (Gemahlin des Grasen Friedrich von Zollern, die im tiefsten Elend darbte. Ja, er trat nicht einmal für sie ein, als ihr Markgraf Bernhard von Baden das ihr auf Wössingen verschriebene Leibgedinge, das mager genug Nxir, zu entziehen suchte. Allein Graf Jolxmn Voss Lupfen, der Landgraf zu Stehlingen, entschied den Streit zu Gunsten der verlassenen Frau. Dieses Leibgedinge wurde ihr später durch die Grasen Ulrich und Ludwig von Württemberg „in Anbetracht ihrer Arnrut Und daß sie ihre Leibesnahrung und Aufenthalt, noch ihres Leibes Notdurft nicht gehabt hatte", für Lebenszeit zugesprochen. So arm und verlassen, wie sie Jahrzehnte lang gelebt hatte, starb sie auch: niemand kümmerte sich um die edle Frau. Selbst ihr Todesjahr hat sich bis jetzt noch nicht ermitteln lassen.